Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehen

 

Leitsatz (amtlich)

Das gesetzliche Kündigungsrecht (§ 247 I) kann nach § 247 II 2 BGB auch für solche Darlehen ausgeschlossen werden, die zu einer aufgrund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für Namensschuldverschreibungen in Gestalt von Sparkassenbriefen gehören oder gehören sollen (im Anschluß an BGHZ 90, 161 = NJW 1984, 1681).

 

Normenkette

BGB § 247 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin nahm bei der Beklagten am 17. November 1980 und am 2. November 1981 vier Kredite über insgesamt 5,4 Millionen DM zur Errichtung eines Altenpflegeheims auf. Die Tilgung sollte über Kapital-Lebensversicherungen im Gesamtbetrag von 5,4 Millionen DM erfolgen, welche die Klägerin mit der H. Lebensversicherungsanstalt abschloß und an die Beklagte abtrat.

Mit Wirkung vom 1. März 1982 vereinbarten die Parteien für alle Darlehen einen festen Zinssatz von 12,25 % bis zum 1. Februar 1986.

Die Kreditverträge enthielten folgende teils vorgedruckte, teils maschinenschriftlich eingefügte Kündigungsklausel:

"6.1

Die Darlehen können - erstmals zum Ablauf der Festzinsvereinbarung (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) - beiderseits mit einer Frist von drei Monaten durch schriftliche Mitteilung gegenüber dem Vertragspartner zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres gekündigt werden.

6.2

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

6.3

Die Darlehen sollen zu einer Deckungsmasse für Schuldverschreibungen (§ 247 Abs. 2 Satz 2 BGB) gehören. Für die Zeit der Zugehörigkeit der Darlehen zur Deckungsmasse ist das Kündigungsrecht gemäß § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen."

Die Beklagte gab zur Finanzierung der Kredite am 17. August 1981 einen Sparkassenbrief über 2,2 Millionen DM zu 11 % mit einer Laufzeit bis zum 1. Februar 1986 und am 16. Februar 1982 einen weiteren über 3,2 Millionen DM zu 10 5/8 % mit einer Laufzeit bis zum 1. März 1986 aus. Beide Briefe, die auf die H. Lebensversicherungsanstalt ausgestellt sind, enthalten einen Kündigungsausschluß und -verzicht.

Die ihr gegen die Klägerin zustehenden Darlehensforderungen trug die Beklagte in ihr Deckungsregister ein.

Die Klägerin kündigte die Darlehen fernmündlich am 28. März 1983 zum 28. September 1983. Sie wiederholte die Kündigung schriftlich am selben Tage und fernschriftlich am 12. April 1983.

Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß die Darlehensverträge infolge der Kündigung mit Ablauf des 28. September 1983 beendet seien. Landgericht (WM 1984, 134) und Oberlandesgericht (WM 1985, 1157) haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

I.

Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung nicht zur Auflösung der Darlehensverträge im Jahre 1983 geführt hat. Der Klägerin war nämlich die Ausübung ihres gesetzlichen Kündigungsrechts (§ 247 Abs. 1 BGB) gemäß § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB zeitweilig verwehrt. Nach dieser Vorschrift kann bei Darlehen, die zu einer aufgrund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für Schuldverschreibungen gehören oder gehören sollen, das in Abs. 1 Satz 1 bestimmte Kündigungsrecht durch ausdrückliche Vereinbarung für die Zeit ausgeschlossen werden, während der sie zur Deckungsmasse gehören. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1.

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

2.

Die Beklagte ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 ihrer Satzung u. a. berechtigt, auf bestimmte Personen lautende Schuldverschreibungen (Namensschuldverschreibungen) mit der Bezeichnung "Sparkassenbrief" auszugeben. Der Gesamtbetrag der von ihr ausgegebenen und im Umlauf befindlichen Namens- und Orderschuldverschreibungen muß dem Nennwert und dem Zinsertrag nach jederzeit in voller Höhe durch Darlehensforderungen nach §§ 15, 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 3 Buchst. a oder § 19 gedeckt sein (§ 11 Abs. 2 Satz 1). Die zur Deckung der Schuldverschreibungen bestimmten Vermögenswerte sind einzeln in ein Register einzutragen (Deckungsregister; § 11 Abs. 4).

Zutreffend sieht das Berufungsgericht in dieser Regelung eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 16. Februar 1984 (BGHZ 90, 161, 164) die nordrhein-westfälische Verordnung über den Betrieb und die Geschäfte der Sparkassen vom 1. September 1970 im Hinblick auf Art. 2 EGBGB als solche gesetzliche Vorschrift bewertet. Für Regelungen, die in öffentlich-rechtlichen Satzungen getroffen werden, gilt insoweit das gleiche (Staudinger/Merten/Kirchhof, BGB 12. Aufl. Art. 2 EGBGB Rn. 30). Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 11 der Satzung, die von der Stadt B. als Gewährträgerin der Beklagten aufgrund des § 10 des Hessischen Sparkassengesetzes erlassen worden ist, sind nicht hervorgetreten (vgl. Senatsurteil aaO S. 164 f.).

3.

Das gesetzliche Kündigungsrecht (§ 247 Abs. 1 BGB) kann nach § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB auch für solche Darlehen ausgeschlossen werden, die zu einer aufgrund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für Namensschuldverschreibungen in Gestalt von Sparkassenbriefen gehören oder gehören sollen.

Dem Wortlaut nach bezieht sich § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB allgemein auf Schuldverschreibungen. Er erfaßt damit im Zweifel auch solche, die auf bestimmte Personen lauten (Namensschuldverschreibungen). Aus dem Umstand, daß § 247 Abs. 2 Satz 1 BGB das Kündigungsrecht nur für Inhaber- und Orderschuldverschreibungen ausschließt, kann nicht gefolgert werden, der Ausschluß des Kündigungsrechts nach § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB gelte nicht für Darlehen, die zur Deckungssumme von Namensschuldverschreibungen gehören. Vielmehr deutet gerade die unterschiedliche Wortwahl innerhalb desselben Absatzes darauf hin, daß der Gesetzgeber damit auch eine Differenzierung im Normgehalt gewollt hat.

Allerdings besteht zwischen den Sätzen 1 und 2 des § 247 Abs. 2 BGB insofern ein enger Zusammenhang, als Satz 2 das "systemnotwendige Korrelat" zu Satz 1 bildet (Senatsurteil BGHZ 82, 182, 185). § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB bezweckt, zum Schutze der Kapitalanleger, der Erwerber von Schuldverschreibungen nach Absatz 2 Satz 1, die Deckungsmasse zu erhalten. Das emittierende Kreditinstitut soll durch Vereinbarung mit dem Darlehensschuldner das Risiko ausschließen können, an dem höheren Zinssatz der Schuldverschreibung, die es wegen § 247 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht kündigen kann, festgehalten zu werden, aber seinerseits der Kündigung des von ihm gewährten Darlehens ausgesetzt zu sein. Gäbe es § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht, so bestünde für das Kreditinstitut die Gefahr einer Inkongruenz von Aktiv- und Passivgeschäft (BGHZ 82, 182, 186 m. w. Nachw.).

Indessen darf die Tragweite des § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht allein nach seinem Zusammenhang mit Absatz 2 Satz 1 bestimmt werden. Sein Regelungszweck, die Gefahr einer Inkongruenz der Refinanzierungsbedingungen zu vermeiden, kennzeichnet ihn vielmehr zugleich als auf die besondere Lage der Kreditinstitute zugeschnittenes Gegenstück zu § 247 Abs. 1 BGB (Hadding WM 1982, 1420, 1423; Engau Sparkasse 1984, 424, 428; vgl. auch Canaris WM 1982, 254, 263). Das wird durch die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt. Der Ausschluß der Kündigung für Darlehen, die zu einer Deckungsmasse für Schuldverschreibungen gehören oder gehören sollen, ist erstmalig durch § 4 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Hypotheken- und Schiffsbankrechts sowie über Ausnahmen von § 247 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 30. April 1954 (BGBl. I S. 115) gesetzlich normiert worden. Im Einklang mit dem schon in der Gesetzesüberschrift zum Ausdruck kommenden Bezug dieser Regelung auf § 247 Abs. 1 BGB geht die amtliche Begründung zu § 4 des Gesetzentwurfs davon aus, daß Schuldverschreibungen im Sinne dieser Vorschrift auch Namensschuldverschreibungen seien (BT-Drucks. 2/195).

Eine in diesem Zusammenhang relevante Inkongruenz der Refinanzierungsbedingungen, deren Vermeidung § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB bezweckt, kann sich auch bei der Emission von Namensschuldverschreibungen ergeben. Diese sind zwar - anders als Inhaber- und Orderschuldverschreibungen - vom Schuldner, dem emittierenden Kreditinstitut, nach § 247 Abs. 1 BGB kündbar. Daran ändert auch der in die Urkunden aufgenommene Ausschluß des Kündigungsrechts und der Verzicht auf dasselbe nichts, weil diese Erklärungen - jedenfalls im nichtkaufmännischen Verkehr und bei fehlender Beteiligung der öffentlichen Hand - gemäß § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sind (BGHZ 79, 163, 165 f.; v. Maydell in MünchKomm 2. Aufl. § 247 Rn. 16 und 17 m. w. Nachw.). Aus denselben Gründen "kapitalmarktpolitischer Notwendigkeit", die dem Ausschluß des gesetzlichen Kündigungsrechts bei Inhaber- und Orderschuldverschreibungen (§ 247 Abs. 2 Satz 1 BGB) zugrunde liegen, sind jedoch auch Namensschuldverschreibungen faktisch kündigungsfest. Auch sie sind nur so lange marktfähig, wie der Erwerber darauf vertrauen darf, die erwartete Rendite für die gesamte vereinbarte Laufzeit erzielen zu können. Würden die Kreditinstitute dieses Vertrauen enttäuschen, indem sie von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machten, so würden sie sich den Zugang zu Geldquellen verschließen, auf die sie zur Deckung ihres Kapitalbedarfs dringend angewiesen sind. In der Praxis pflegen sie deshalb - soweit ersichtlich - ihr Kündigungsrecht nicht auszuüben (Pleyer NJW 1978, 2128, 2130 Fn. 46). Die faktische Unkündbarkeit der Namensschuldverschreibungen verbietet es, sie entgegen dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes im Wege der restriktiven Interpretation von der Anwendung des § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB auszunehmen (ebenso Staudinger/K. Schmidt, BGB 12. Aufl. § 247 Rn. 53; Hadding WM 1982, 1420, 1422f.; Engau Sparkasse 1984, 424, 427f.; derselbe WuB IV A § 247 BGB 1.85 S. 586f.; Praxl WM 1984, 117, 123 ff.; Fischer EWiR § 247 BGB 1/85 S. 545f. A.M. Pleyer aaO S. 2130 unter Hinweis auf die Kündbarkeit von Rektapapieren; ebenso wohl auch Palandt/Heinrichs, BGB 45. Aufl. § 247 Anm. 3 b).

4.

Die von der Beklagten gebildete Deckungsmasse genügte dem durch § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB verfolgten Zweck des Anlegerschutzes, auch wenn sie den Schuldverschreibungsgläubigern kein Vollstreckungsprivileg gewährte. Wie der Senat in BGHZ 90, 164, 168 ff. entschieden hat, erforderte im Anwendungsbereich des § 16a a. F. der nordrhein-westfälischen Sparkassenverordnung der Anlegerschutz nicht die Ausstattung der Deckungsmasse mit einem Befriedigungsvorrecht zugunsten der Erwerber von Sparkassenobligationen; denn diese waren dadurch ausreichend geschützt, daß sie sich bei einem Ausfall ihrer Forderung an den nicht konkursfähigen, unbeschränkt haftenden Träger der Sparkasse halten konnten. Das gilt in gleicher Weise für die von der Beklagten ausgegebenen Sparkassenbriefe. Gewährträger der Beklagten ist die Stadt B. (§ 1 Abs. 3 der Satzung der Beklagten). Diese ist nicht konkursfähig (§ 146 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung) und haftet für die Verbindlichkeiten der Beklagten unbeschränkt (§ 3 Satz 1 des Hessischen Sparkassengesetzes).

5.

Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, daß alle der Klägerin gewährten Darlehen in dem für die Beurteilung maßgebenden Zeitraum zur Deckungsmasse der von der Beklagten ausgegebenen Sparkassenbriefe gehört hätten. Unstreitig hat die Beklagte das letzte der vier Darlehen am 30. März 1982 in ihr Deckungsregister eingetragen. Die von der Klägerin am 28. März 1983 ausgesprochene und am 12. April 1983 wiederholte Kündigung war danach unwirksam.

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456467

BGHZ, 44

BB 1987, 360

NJW 1987, 835

ZIP 1987, 289

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge