Leitsatz (amtlich)

a) Bei Klagen von Genossen, die selbst nicht dem Vorstand angehören, gegen die Genossenschaft auf Feststellung, daß bestimmte Mitglieder dem Vorstand weiter angehören, wird die Genossenschaft durch ihren Vorstand vertreten.

b) Die in § 47 Abs. 1 GenG vorgeschriebene Feststellung über die Beschlußfassung der Generalversammlung hat konstitutive Wirkung.

 

Normenkette

GenG § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 15.03.1995)

LG München I

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. März 1995 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Feststellung, daß das langjährige geschäftsführende Vorstandsmitglied der Beklagten, Luitpold F., weiterhin dieses Amt innehat.

Am 17. Mai 1993 beschloß der Aufsichtsrat der Beklagten, sich wegen im einzelnen umstrittener Vorgänge von Luitpold F. zu trennen, enthob ihn vorläufig seines Amtes und erteilte ihm Hausverbot. Zugleich berief er die Vertreterversammlung ein, die gemäß § 36 Nr. 1 j der Satzung der Beklagten für den Widerruf der Bestellung und die fristlose Kündigung von Vorstandsmitgliedern zuständig ist. Diese Versammlung fand am 3. Juni 1993 statt. Die Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4 „Widerruf der Bestellung und fristlose Kündigung des geschäftsführenden Vorstands, Herrn Luitpold F., gemäß § 36 Abs. 1 j unserer Satzung”) ergab 47 stimmen „für Entlassung” und 40 Stimmen „gegen Entlassung” von F..

Da § 37 Nr. 2 a der Satzung der Beklagten für den Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern eine Dreiviertel-Mehrheit der Stimmen in der Vertreterversammlung erfordert, sind die Kläger der Auffassung, Luitpold F. befinde sich noch im Amt. Ihre entsprechende Feststellungsklage hat das Landgericht mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis als richtig.

I. Die Beklagte wird durch ihren Vorstand vertreten. Dies ist – entgegen den Angriffen der Revision – rechtlich zulässig.

1. Ein etwaiger Vertretungsmangel ist auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten (vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl., § 112 Rdn. 8 m.w.N.).

2. Für einen Vertretungsmangel fehlt jedoch die gesetzliche Grundlage. Die bloße Besorgnis, der Vorstand der Beklagten könne befangen sein, reicht nicht aus, ihm entgegen § 24 Abs. 1 GenG die Vertretung der Genossenschaft zu entziehen.

a) Nach § 39 Abs. 1 GenG ist der Aufsichtsrat u.a. ermächtigt, gegen Mitglieder des Vorstandes Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt. Diese Bestimmung hat der Senat in Anlehnung an seine neuere Rechtsprechung zu der entsprechenden Regelung des § 112 AktG (vgl. hierzu nur Sen. Urt. v. 22. April 1991 – II ZR 151/90, ZIP 1991, 796 m.w.N.; siehe auch BGHZ 103, 213) dahingehend ausgelegt, daß die Zuständigkeit für die Vertretung der Genossenschaft in Aktiv- und Prassivprozessen gegen gegenwärtige oder ehemalige Vorstandsmitglieder grundsätzlich allein bei ihrem Aufsichtsrat liegt (vgl. Sen. Urt. v. 26. Juni 1995 – II ZR 122/94, ZIP 1995, 1331 = WM 1995, 1716; zum Abdruck in BGHZ 130, 108 vorgesehen). Dabei hat er darauf abgestellt, daß § 39 Abs. 1 GenG wie § 112 AktG über die Regelung der Rechtslage bei Verhinderung des Vorstands an der Vertretung wegen eigener Beteiligung auf beiden Seiten hinaus das Ziel verfolgt, Interessenkollisionen vorzubeugen und eine unbefangene, sachgerechte Vertretung der Körperschaften sicherzustellen. Die Erfüllung dieses Anliegens wäre wegen möglicher Interessenkollisionen oder Rücksichtnahmen nicht ausreichend gewährleistet, wenn die Gesellschaft bei Vertragsschlüssen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen mit gegenwärtigen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern durch ihren amtierenden Vorstand und damit durch deren Kollegen oder Nachfolger im Amt vertreten würde. Dabei kann es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht darauf ankommen, ob diese Besorgnis in concreto tatsächlich berechtigt ist, was im Einzelfall auch nur schwer feststellbar wäre. Es reicht vielmehr aus, daß aufgrund der gebotenen und typisierenden Betrachtung in derartigen Fällen regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft vorhanden ist (Sen. Urt. v. 26. Juni 1995 – II ZR 122/94, ZIP 1995, 1331, 1332 f. = WM 1995, 1716, 1717 f. m.w.N.).

b) Sowohl § 39 Abs. 1 GenG als auch § 112 AktG setzen indes voraus, daß als Parteien des Prozesses auf der einen Seite die Genossenschaft oder Gesellschaft und auf der anderen Seite ein gegenwärtiges oder ehemaliges Vorstandsmitglied steht. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr sind Parteien des Prozesses Mitglieder der Beklagten, die nicht Vorstandsmitglieder sind, und die Beklagte. In solchen Fällen verbietet sich schon vom Wortlaut her eine Anwendung der genannten Vorschriften in der vom Senat herausgearbeiteten Auslegung. Abgesehen von der Frage der sog. Hilfsgeschäfte (vgl. dazu KK/Mertens, AktG, 2. Aufl., § 112 Rdn. 16 ff.; Werner, ZGR 1989, 369, 383 f.), die hier keine Rolle spielt, vertritt der Vorstand die Genossenschaft, wenn es sich um einen Prozeß mit Mitgliedern handelt, die dem Vorstand nicht angehören. Dies gilt auch dann, wenn die Frage, ob ein bestimmtes Mitglied weiterhin dem Vorstand angehört, den Streitgegenstand bildet. Die Gefahr einer Interessenkollision ist hier wesentlich geringer als bei Prozessen mit Mitgliedern des Vorstandes. Die Gesellschaft oder Genossenschaft hat es mit einzelnen Gesellschaftern oder Genossen und nicht mit dem betroffenen Vorstandsmitglied zu tun. Die auf eine Feststellungsklage der beteiligten Gesellschafter oder Genossen ergehende gerichtliche Entscheidung entfaltet keine Rechtskraft für einen etwaigen Prozeß zwischen dem betroffenen Vorstandsmitglied und der Gesellschaft oder Genossenschaft. Eine Ausdehnung der Rechtskraft auf alle Gesellschafter oder Genossen ist nur dann möglich, wenn eine positive Beschlußfeststellungsklage mit der Anfechtungsklage verbunden und über beide Klagen in demselben Prozeß entschieden wird (vgl. BGHZ 76, 191, 199). Die hiergegen vorgebrachten Bedenken (vgl. etwa Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl., Anh. § 47 Rdn. 90 c) stützen sich zwar auf beachtenswerte Praktikabilitatserwägungen, scheitern jedoch daran, daß es sich bei der isolierten Feststellungsklage nicht um eine Gestaltungsklage (so allerdings K. Schmidt, GmbHR 1992, 9, 12) handelt (vgl. Hachenburg/Raiser, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 47 Rdn. 256; vgl. ferner BGHZ 76, 154, 159 f.). Dem betroffenen Vorstandsmitglied bleibt es deshalb unbenommen, die Frage seiner Amts- und Dienststellung in einem gesonderten Prozeß mit der Gesellschaft oder Genossenschaft klären zu lassen, wenn er mit dem Ergebnis des bisherigen Feststellungsverfahrens nicht einverstanden ist oder die Besorgnis hat, der Vorstand sei befangen.

c) Auch § 51 Abs. 3 Satz 2 GenG findet keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift, die der Senat auf die im GenG nicht geregelte Nichtigkeitsklage entsprechend anwendet (vgl. BGHZ 70, 384, 387), wird die Genossenschaft bei Anfechtungsklagen durch den Vorstand und den Aufsichtsrat vertreten. Sie dient dazu, der Gefahr einer Voreingenommenheit des Vorstands gegen die Mehrheit, die den angefochtenen Beschluß gefaßt hat, zu begegnen und ein arglistiges Zusammenwirken von Vorstand und Anfechtungskläger zu verhindern (BGHZ 32, 114, 117). Diese Gefahr ist anders schwer auszuschalten, weil es sich bei der Anfechtungsklage um eine Gestaltungsklage handelt und deshalb eine entsprechende Entscheidung inter omnes wirkt. Dagegen erwächst eine Entscheidung über eine Feststellungsklage der vorliegenden Art – wie dargelegt – nur zwischen den Prozeßparteien in Rechtskraft und hindert einen neuen Prozeß zwischen der Genossenschaft und dem betroffenen Vorstandsmitglied nicht.

II. Die Feststellungsklage ist zulässig.

1. Es handelt sich um eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO und nicht um eine Anfechtungsklage gemäß § 51 Abs. 1 GenG. Die Kläger machen geltend, ein Beschluß der von der Beklagten behaupteten Art sei nicht gefaßt worden, der Antrag auf Entlassung des geschäftsführenden Vorstands sei abgelehnt worden, weil er nicht die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit gefunden habe. Es geht den Klägern also darum, dieses von der Beklagten bestrittene (negative) Beschlußergebnis feststellen zu lassen, nicht darum, einen gefaßten Beschluß zu beseitigen.

2. Die Kläger können auch nicht auf eine Anfechtungsklage verwiesen werden. Das in der Hauptversammlung vom 3. Juni 1993 zu Tagesordnungspunkt 4 erzielte Abstimmungsergebnis wurde zwar bekanntgegeben, doch wurde in der Versammlung, bevor sie im Tumult unterging, das Beschlußergebnis nicht förmlich festgestellt. Nach Ansicht der Kläger existiert daher kein vorläufig verbindlicher Beschluß. In einem solchen Fall ist eine Klage nach § 256 ZPO der richtige Weg, um eine verbindliche Feststellung des Beschlußergebnisses herbeizuführen (vgl. Sen. Urt. v. 13. November 1995 – II ZR 288/94, ZIP 1995, 1982 zu § 47 GmbHG). Es kann dahinstehen, ob dann, wenn die Versammlungsteilnehmer übereinstimmend von einem bestimmten Beschlußergebnis ausgehen, nur eine Anfechtungsklage in Betracht kommt (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., Anh. § 47 Rdn. 41 m.w.N., zur Rechtslage bei der GmbH). Angesichts des chaotischen Endes der Versammlung (das Protokoll vermerkt nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses: „Ende der Versammlung im Chaos”) fehlt für eine solche Übereinstimmung jeder Anhaltspunkt.

3. Die Voraussetzungen des § 256 ZPO sind erfüllt.

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allerdings nicht ein streitiges Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten, sondern zwischen dem geschäftsführenden Vorstand und der Beklagten. Nach feststehender Rechtsprechung kann aber Gegenstand einer Feststellungsklage auch ein Rechtsverhältnis sein, das zwischen einer Partei und einem Dritten besteht. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf ein solches Verhältnis gerichteten Feststellungsklage ist, daß es zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung dieser Frage hat (vgl. Sen. Urt. v. 14. Mai 1990 – II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241; v. 18. Oktober 1993 – II ZR 171/92, BGHR ZPO § 256 – Feststellungsinteresse 30). Dabei reicht es aus, wenn der Kläger vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und einem Dritten in seinem Rechtsbereich nur mittelbar betroffen wird (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juni 1993 – VIII ZR 222/92, NJW 1993, 2539, 2540 m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Bei der Beziehung zwischen dem geschäftsführenden Vorstand F. und der Beklagten handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO, denn es geht darum, ob F. weiterhin im Amt ist und seine daraus gegenüber der Beklagten resultierenden Rechte und Pflichten noch wahrnehmen kann. Hinzu kommt, daß es den Klägern – ungeachtet der Fassung ihres Antrags – im Ergebnis darum geht, feststellen zu lassen, daß die Vertreterversammlung am 3. Juni 1993 keinen Beschluß gefaßt hat, durch den Fleidl als geschäftsführender Vorstand abberufen worden ist. Die Zulässigkeit einer solchen Beschlußfeststellungsklage ist im Recht der GmbH für den Fall anerkannt, daß es an einer Feststellung des Beschlußergebnisses durch den Versammlungsleiter fehlt (vgl. BGHZ 76, 154, 156; Sen. Urt. v. 13. November 1995 – II ZR 288/94 a.a.O.; Hachenburg/Raiser, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 47 Rdn. 90 a ff.). Es braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden, ob das Fehlen einer solchen Feststellung bei der Genossenschaft zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt (vgl. dazu unten III 2). Entscheidend ist, daß die Beklagte sich auf einen solchen Beschluß beruft, während die Kläger ihn negieren. Da sie Mitglieder der Beklagten sind, haben sie ein unmittelbares Interesse an der Feststellung, wer geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Beklagten ist.

III. Das Berufungsgericht hat seine der Klage stattgegebene Entscheidung im wesentlichen damit begründet, Widerruf und Kündigung hätten einen einheitlichen Beschlußgegenstand gebildet, der Widerruf der Bestellung zum Vorstand habe einer Dreiviertel-Mehrheit bedurft, diese sei nicht erreicht worden und deshalb seien Widerruf und Kündigung nicht wirksam geworden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

1. Das Berufungsgericht verkennt – wie die Revision zutreffend rügt – das Verhältnis zwischen der Beendigung der Organstellung und der Kündigung des Anstellungsvertrags. Während der Widerruf der Organstellung jederzeit erfolgen kann (§ 24 Abs. 3 Satz 2 GenG), bedarf es zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB). Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Vorstands ist es daher sinnvoll, den wesentlich gefährlicheren, weil grundlos jederzeit möglichen Bestellungswiderruf von einer qualifizierten Stimmenmehrheit der Vertreterversammlung abhängig zu machen. Dementsprechend sieht § 37 Nr. 2 a der Satzung der Beklagten, die körperschaftsrechtlichen Charakter hat und deshalb von dem Senat selbst ausgelegt werden kann (vgl. BGHZ 123, 347, 350; 116, 359, 364), vor, daß für den Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern eine Dreiviertel-Mehrheit der Stimmen in der Vertreterversammlung erforderlich ist. Für die außerordentliche Kündigung enthält die Satzung dagegen keine entsprechende Regelung. Liegt ein wichtiger Grund vor, so ist die außerordentliche Kündigung deshalb auch ohne qualifizierte Stimmenmehrheit möglich. Daran vermag der einheitliche Beschlußantrag „Widerruf der Bestellung und fristlose Kündigung des geschäftsführenden Vorstands, Herrn Luitpold F.”, nichts zu ändern. Der Widerruf der Bestellung und die außerordentliche Kündigung bleiben zwei rechtlich grundsätzlich selbständige Vorgänge (vgl. hierzu Sen. Urt. v. 26. Juni 1995 – II ZR 109/94, WM 1995, 1665; Sen. Beschl. v. 28. Mai 1990 – II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346 m.w.N.). Beide können allerdings in verschiedener Weise miteinander verbunden sein. Insbesondere kann die Beendigung des Dienstverhältnisses an den Widerruf der Organstellung gekoppelt werden (vgl. Sen. Urt. v. 26. Juni 1995 – II ZR 109/94 a.a.O.; v. 29. Mai 1989 – II ZR 220/88, WM 1989, 1246). Umgekehrt kann das Schicksal der Organstellung von der Beendigung des Anstellungsverhältnisses abhängig gemacht werden (vgl. Zöllner/Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 38 Rdn. 40). Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Gemäß § 23 Nr. 2 Satz 3 der Satzung der Beklagten führt der Beschluß der Vertreterversammlung, dem Vorstandsmitglied fristlos zu kündigen, automatisch dazu, daß auch seine Organstellung endet. Läge eine wirksame außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages vor, so hätte deshalb auch die Organstellung von Luitpold F. zu dem Zeitpunkt geendet, zu dem die Kündigung wirksam geworden wäre, und zwar unabhängig davon, ob die Dreiviertel-Mehrheit erreicht worden wäre. Die Grundsätze über den komplexen Beschlußantrag (vgl. dazu Zöllner/Baumbach/Hueck a.a.O., Anh. § 47 Rdn. 39 m.w.N.), auf die das Berufungsgericht maßgeblich abstellt, kommen schon angesichts dieser eindeutigen Regelung in der Satzung der Beklagten nicht zur Anwendung.

2. Das Berufungsurteil erweist sich im Ergebnis dennoch als richtig. Ein wirksamer Beschluß über die fristlose Kündigung des Vorstandsmitglieds F. liegt nämlich nicht vor.

a) Auszugehen ist davon, daß nach der Abstimmung über den Beschlußantrag lediglich das Stimmenverhältnis bekanntgegeben werden konnte, ehe die Versammlung im Chaos versank, dieses Ergebnis aber nicht förmlich festgestellt wurde.

b) Nach § 47 Abs. 1 GenG ist über die Beschlüsse der Generalversammlung eine Niederschrift anzufertigen, die den Ort und den Tag der Versammlung, den Namen des Vorsitzenden sowie Art und Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung enthalten soll. Diese Bestimmung wurde durch das Gesetz vom 9. Oktober 1973 neu gefaßt; dabei wurde die Regelung des § 130 Abs. 1 AktG im wesentlichen übernommen (vgl. Müller, GenG, § 47 Rdn. 1). Eine notarielle Beurkundung ist, abweichend von § 130 Abs. 1 AktG, allerdings nicht vorgesehen. Im Gegensatz zum Aktienrecht (§ 241 Nr. 2 AktG) enthält das Genossenschaftsrecht auch keine Regelung über die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 47 Abs. 1 GenG. Ob die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung Voraussetzung für eine Wirksamkeit der Beschlüsse sein soll, muß deshalb durch Gesetzesauslegung ermittelt werden. Das Schrifttum bejaht eine konstitutive Wirkung dieser Feststellung (vgl. Müller, GenG, § 43 Rdn. 113, § 47 Rdn. 4, 11; Lang/Weidmüller/Metz, GenG, 32. Aufl., § 47 Rdn. 10, § 51 Rdn. 59; Hettrich/Pöhlmann, GenG, § 47 Rdn. 2; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG, 12. Aufl., § 43 Rdn. 10, anders allerdings § 47 Rdn. 4; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S. 394).

c) Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an, die der Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung konstitutiven Charakter beimißt. Die im Aktienrecht gemäß § 130 Abs. 2 AktG geregelte Feststellung des Vorsitzenden der Hauptversammlung über die Beschlußfassung verleiht dem Beschluß (zusammen mit der notariellen Niederschrift) erst rechtliche Wirksamkeit (vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl., § 130 Rdn. 22 m.w.N.). Diese Wirkung erklärt sich daraus, daß die Feststellung des Beschlußergebnisses vor allem Bedeutung für die Geltendmachung von Mängeln hat. Da die Anfechtungsklage an die kurze Frist von einem Monat gebunden ist (§ 246 Abs. 1 AktG), müssen die Anfechtungsberechtigten von einem bestimmten Beschlußergebnis als maßgebend ausgehen können. Dazu ist erforderlich, daß dieses Ergebnis festgestellt und verkündet wird. In gleicher Weise hat der Gesetzgeber die Beschlußanfechtung im Genossenschaftsrecht geregelt. Nach § 51 Abs. 1 GenG kann ein Beschluß der Generalversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder Statuts im Wege der Klage angefochten werden, wobei auch hier die Klage binnen einem Monat erhoben werden muß. Dieser Gleichlauf der gesetzlichen Regelungen im Aktien- und Genossenschaftsrecht gebietet es, der Feststellung des Beschlußergebnisses durch den Versammlungsleiter auch im Genossenschaftsrecht konstitutive Bedeutung beizumessen.

d) Im Bereich des Vereinsrechts hat der Senat allerdings die konstitutive Wirkung der Feststellung und Verkündung eines Beschlußergebnisses abgelehnt. Maßgebend hierfür ist aber, daß der Gesetzgeber im Vereinsrecht, anders als im Aktienrecht, davon abgesehen hat, eine fristgebundene Anfechtungsklage einzuführen. Deshalb gibt es hier nur gültige oder ungültige, aber keine lediglich anfechtbaren Beschlüsse; ein Anlaß für die sofortige maßgebliche Feststellung eines Vereinsbeschlusses besteht somit nicht (vgl. Sen. Urt. v. 26. Mai 1975 – II ZR 34/74, WM 1975, 1041, 1042). Da § 47 Abs. 1 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 GenG dem Aktienrecht und nicht dem Vereinsrecht entspricht, kann diese Entscheidung aber nicht auf das Genossenschaftsrecht übertragen werden.

 

Unterschriften

Röhricht, Dr. Hesselberger, Dr. Boetticher, Dr. Kapsa, Dr. Kurzwelly

 

Fundstellen

Haufe-Index 1778277

NJW 1997, 318

BGHR

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1996, 2071

MDR 1997, 152

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