Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen seitens des unmittelbar in Anspruch genommenen Kfz-Haftpflichtversicherers hinsichtlich der Darstellung des Unfallhergangs durch den Geschädigten.

 

Normenkette

VVG § 115 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 24.07.2018; Aktenzeichen 16 S 78/17)

AG Solingen (Entscheidung vom 26.09.2017; Aktenzeichen 33 C 42/17)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 24.7.2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend.

Rz. 2

Der Kläger hat behauptet, er habe am 25.11.2016 an einer Ampel wegen Rotlicht halten müssen, wobei offenbar aus Unachtsamkeit ein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M. auf seinen Pkw aufgefahren sei. Ein Fahrzeug mit einem solchen Kennzeichen war damals bei der Beklagten haftpflichtversichert. Eine polizeiliche Unfallaufnahme fand ebenso wenig statt wie eine Dokumentation des Unfalls durch Fotos. Der Unfallgegner, der sich als "Herr B." vorstellte, nannte dem Kläger lediglich eine Telefonnummer und eine Anschrift.

Rz. 3

Die Beklagte hat den vom Kläger geschilderten Unfallhergang, insb. eine Beteiligung des bei ihr versicherten Fahrzeugs an dem Unfallgeschehen, mit Nichtwissen bestritten, weil ihr eine überprüfbare Schadensmeldung nicht vorliege. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten war das Kraftfahrzeug mit dem vom Kläger genannten Kennzeichen am 16.11.2016 von ihrem Versicherungsnehmer an eine Person veräußert worden, die sich als "Jordan R." ausgegeben hatte. Die vom Erwerber versprochene umgehende Ummeldung des Pkws auf den Käufer erfolgte nicht. Die Beklagte versuchte, sowohl dem Erwerber des bei ihr versicherten Fahrzeugs unter den im Kaufvertrag angegebenen Personalien als auch dem vom Kläger benannten Fahrzeugführer unter der dem Kläger mitgeteilten Anschrift ein Formular zur Schadensmeldung zu übermitteln. Beide Schreiben der Beklagten kamen jedoch als unzustellbar zurück. Der Versicherungsnehmer der Beklagten erstattete wegen der vom Erwerber im Kaufvertrag offensichtlich falsch angegebenen Personalien Strafanzeige.

Rz. 4

Das AG hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem LG erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das AG habe zu Recht den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch verneint. Der Kläger habe zwar einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nach Grund und Höhe schlüssig dargelegt. Das AG habe aber zutreffend angenommen, dass die Beklagte die Unfallbeteiligung des bei ihr versicherten Kraftfahrzeugs zulässigerweise mit Nichtwissen habe bestreiten können und der Rechtsstreit daher auf dieser (streitigen) Grundlage zu entscheiden gewesen sei. Die hier entscheidungserhebliche, strittige und höchstrichterlich noch ungeklärte Frage, ob der alleinverklagte Haftpflichtversicherer den Unfallhergang bzw. die Beteiligung des bei ihm versicherten Fahrzeugs an dem behaupteten Verkehrsunfall in Fällen wie dem vorliegenden mit Nichtwissen bestreiten dürfe, sei zu bejahen. Da die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO somit nicht eingreife, sei der beweisbelastete Kläger für die Unfallbeteiligung des bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeugs beweisfällig geblieben. Insoweit seien Beweiserhebung und Beweiswürdigung durch das AG nicht zu beanstanden.

II.

Rz. 6

Diese Erwägungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Bestehen eines Direktanspruchs des Klägers gegen die Beklagte nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 122, 95 Abs. 1 VVG verneint hat, weil der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachweisen konnte.

Rz. 7

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Unfallbeteiligung eines bei der Beklagten nach § 1 PflVG haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges notwendige Voraussetzung für den gegen die Beklagte geltend gemachten Direktanspruch ist. Nur in diesem Fall kann sich hier ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers nach §§ 7, 17, 18 StVG oder § 823 BGB gegen einen Versicherungsnehmer der Beklagten oder gegen einen Mitversicherten richten, wie es § 115 Abs. 1 VVG erfordert (vgl. Senat, Urt. v. 5.12.1978 - VI ZR 233/77, VersR 1979, 256, 258, juris Rz. 10; v. 31.1.2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rz. 6; v. 8.12.2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 2018, 140 Rz. 20; v. 27.2.2018 - VI ZR 109/17, VersR 2018, 624 Rz. 15; Beckmann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 115 Rz. 23 f. m.w.N.; Lennartz in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 115 VVG Rz. 21 m.w.N.).

Rz. 8

2. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die behauptete Unfallbeteiligung des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs zu Recht seitens des insoweit beweisbelasteten (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, 45. Aufl., StVG § 7 Rz. 48 m.w.N.; Kaufmann in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kapitel 25 Rz. 249 m.w.N.) Klägers für beweisbedürftig gehalten. Die Beklagte durfte sich zu dieser Behauptung gem. § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären, so dass sie nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

Rz. 9

a) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen - also die Einlassung, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Behauptungen des Gegners nicht zu kennen (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2015 - I ZR 167/14, WRP 2016, 985 Rz. 124) - nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind; bei einer juristischen Person kommt es insoweit auf ihre Organe an (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2019 - II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rz. 34; v. 22.4.2016 - V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rz. 20; v. 19.4.2001 - I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613, juris Rz. 28 m.w.N.; v. 7.10.1998 - VIII ZR 100/97, MDR 1999, 26, 27, juris Rz. 14 m.w.N.).

Rz. 10

Eine Erklärung mit Nichtwissen ist auch außerhalb des Bereichs der eigenen Handlungen und eigenen Wahrnehmung der Partei unzulässig, wenn und soweit eine Informationspflicht der Partei hinsichtlich der vom Gegner behaupteten Tatsachen besteht (vgl. nur BGH, Urt. v. 8.1.2019 - II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rz. 34; v. 22.4.2016 - V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rz. 20; v. 2.7.2009 - III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rz. 16; jeweils m.w.N.). Die Partei trifft eine solche Erkundigungspflicht, sofern die maßgebenden Tatsachen Personen bekannt sind, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 8.1.2019 - II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rz. 34; v. 22.4.2016 - V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rz. 20; v. 12.11.2015 - I ZR 167/14, WRP 2016, 985 Rz. 124; vom 17.9.2009, Xa ZR 2/08, BGHZ 182, 245 Rz. 20; v. 19.4.2001 - I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613, juris Rz. 30; jeweils m.w.N.). Auch im Fall des Forderungsübergangs ist der BGH davon ausgegangen, dass der Neugläubiger in Ausübung seines Auskunftsrechts nach §§ 412, 402 BGB Erkundigungen anstellen muss, bevor eine Erklärung mit Nichtwissen in Betracht kommt (Urt. v. 18.3.1992 - XII ZR 1/91, NJW 1992, 1624, 1626, juris Rz. 19 m.w.N.). Ein Insolvenzverwalter darf eine Tatsache, zu der sich Erkenntnisse aus den Unterlagen des Schuldners oder von diesem selbst ergeben können, mit Nichtwissen nur bestreiten, wenn er ohne Erfolg die Unterlagen gesichtet und notfalls den Schuldner befragt hat und wenn er das Ergebnis seiner Bemühungen nachvollziehbar darlegt (BGH, Urt. v. 16.11.2012 - V ZR 179/11, MDR 2013, 486 Rz. 16; v. 15.3.2012 - IX ZR 249/09, NJW-RR 2012, 1004 Rz. 16).

Rz. 11

Die Anforderungen an die Erkundigungspflicht dürfen allerdings nicht überspannt werden. Einer Partei darf nur eine zumutbare Informationspflicht auferlegt werden (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2015 - I ZR 167/14, GesR 2016, 488 Rz. 124 m.w.N.; v. 21.3.1996 - IX ZR 240/95, NJW 1996, 1954, 1957, juris Rz. 33; v. 15.11.1989 - VIII ZR 46/89, BGHZ 109, 205, 209 f., juris Rz. 16). Auch bei Bestehen einer Informationspflicht ist eine Erklärung mit Nichtwissen zulässig, wenn sich für die Partei nach Einholen der Erkundigungen bei den maßgeblichen Personen keine weiteren Erkenntnisse ergeben oder die Partei nicht beurteilen kann, welche von mehreren unterschiedlichen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht, und sie das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2019 - II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rz. 34 m.w.N.; v. 22.4.2016 - V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rz. 20 m.w.N.; v. 15.11.1989 - VIII ZR 46/89, BGHZ 109, 205, 209 f., juris Rz. 16).

Rz. 12

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann es dem im Wege des Direktanspruchs nach § 115 VVG Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer nicht schon deshalb verwehrt werden, die Unfalldarstellung des Geschädigten mit Nichtwissen zu bestreiten, weil und soweit der Versicherungsnehmer selbst an einer entsprechenden Einlassung gehindert ist.

Rz. 13

Einen solchen Gleichlauf der Darlegungslast von Versicherer und Versicherungsnehmer halten zwar - worauf sich die Revision beruft - Teile der Rechtsprechung und Literatur zurückgehend auf eine ältere obergerichtliche Entscheidung für geboten. Dort wurde dem Versicherer, der neben dem Versicherungsnehmer und dem Fahrer des versicherten Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde, eine Erklärung mit Nichtwissen zum Unfallgeschehen vor allem unter Hinweis auf die (angebliche) notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Beklagten und den Sinn und Zweck des Haftpflichtversicherungsrechts nicht gestattet, obwohl der Versicherer bei den unauffindbaren Mitbeklagten keine Informationen hatte einholen können (OLG Frankfurt, NJW 1974, 1473; dem im Ergebnis folgend OLG München, BeckRS 2011, 98; Schmitt, NJ 2018, 282, 283 f.; Stiefel/Maier/Jahnke, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., § 115 VVG Rz. 141; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 16. Aufl., § 138 Rz. 17; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., § 138 Rz. 20; unklar Kern in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rz. 43; Morhard, Die Informationspflicht der Parteien bei der Erklärung mit Nichtwissen; 1993, S. 77 f.; Lange, NJW 1990, 3233, 3238).

Rz. 14

Diese Entscheidung wird aber zu Recht kritisiert (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 138 Rz. 15; MünchKomm/ZPO/Fritsche, 5. Aufl., § 138 Rz. 30; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rz. 44; AK-ZPO/Schmidt § 138 Rz. 73; Ambs, Bestreiten mit Nichtwissen, 1997, S. 201 ff.). Denn die Gleichstellung der Darlegungspflicht von Versicherer und Versicherungsnehmer lässt unberücksichtigt, dass es bei der Frage der Unzulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen über den vom Wortlaut des § 138 Abs. 4 ZPO unmittelbar erfassten Bereich der eigenen Handlungen und Wahrnehmungen der Partei hinaus nicht um die Zurechnung von Kenntnissen bestimmter Dritter, sondern um eine Informationspflicht der Partei geht, die Kenntnis aus eigener Wahrnehmung nicht hat, sich diese aber beschaffen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1989 - VIII ZR 46/89, BGHZ 109, 205, 209 f., juris Rz. 16).

Rz. 15

Aus dem Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer im Rahmen einer auf § 115 Abs. 1 VVG gestützten Klage und dem Zweck des Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer ergeben sich demgegenüber keine durchgreifenden Argumente für ein grundsätzliches Verbot des Bestreitens mit Nichtwissen seitens des Versicherers.

Rz. 16

Werden Haftpflichtversicherer und Schädiger gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen, liegt zwischen ihnen gem. §§ 59, 60 ZPO eine einfache Streitgenossenschaft vor, so dass die Handlungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen dürfen (§ 61 ZPO). Bei der Nebenintervention des Haftpflichtversicherers ergibt sich dies auch aus § 69 ZPO (vgl. Senat, Beschl. v. 29.11.2011 - VI ZR 201/10, VersR 2012, 434 Rz. 4; Senat, Urt. v. 13.7.2010 - VI ZR 111/09, VersR 2010, 1444 Rz. 11). Gemäß dem Zweck der §§ 115 Abs. 1 Nr. 1, 124 Abs. 1 VVG, § 3 Nr. 8 PflVG a.F., wonach ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil, das zwischen dem klagenden Geschädigten und dem Versicherer ergangen ist, auch zugunsten des beklagten Versicherungsnehmers wirkt, darf der Haftpflichtversicherer, selbst wenn er zusammen mit seinem Versicherungsnehmer in Anspruch genommen wird, bereits im Prozess seine eigenen Interessen nach §§ 61, 69 ZPO wahrnehmen. Sinn dieser Regelung ist es nämlich, dem Geschädigten keine Ansprüche gegen den Versicherer über das materielle Haftpflichtrecht hinaus zuwachsen zu lassen. Der Haftpflichtversicherer soll nicht Gefahr laufen, trotz des für ihn günstigen, die Klage abweisenden Urteils im Falle der Verurteilung seines Versicherungsnehmers aufgrund seiner Zahlungspflicht aus dem Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen zu werden (vgl. Senat, Beschl. v. 29.11.2011 - VI ZR 201/10, VersR 2012, 434 Rz. 5; Senat, Urt. v. 15.1.2008 - VI ZR 131/07, VersR 2008, 485 Rz. 6 f. m.w.N.). Dementsprechend hat es der erkennende Senat bei dem Verdacht einer Unfallmanipulation für zulässig gehalten, dass der Haftpflichtversicherer sowohl den behaupteten Unfall als auch den behaupteten Unfallhergang mit Nichtwissen bestreitet, und zwar auch dann, wenn er in dem Rechtsstreit nicht nur für sich selbst, sondern zugleich auch als Streithelfer seines Versicherungsnehmers auftritt (Beschl. v. 25.3.2014 - VI ZR 438/13, Schaden-Praxis 2014, 206). Der grundlegende Zweck des § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, die Stellung des Geschädigten zu verbessern, indem er einen zusätzlichen und solventen Schuldner erhält (vgl. BT-Drucks. 16/3945, 88), wird dadurch nicht in Frage gestellt.

Rz. 17

Aus dem Gesamtschuldverhältnis zwischen Versicherer und Schädiger (§§ 115 Abs. 1 Satz 4, 116 VVG, § 421 BGB) ergibt sich - anders als die Revision meint (so offenbar auch, allerdings ohne nähere Begründung, Stiefel/Maier/Jahnke, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., § 115 VVG Rz. 141) - kein Gleichlauf der Darlegungspflichten des Versicherers und des Versicherten, § 425 Abs. 1 BGB.

Rz. 18

c) Den vom Geschädigten verklagten Haftpflichtversicherer trifft aber die Pflicht, sich bei seinem Versicherungsnehmer und etwaigen unfallbeteiligten Mitversicherten (etwa dem Fahrzeugführer) zu erkundigen, ob der Vortrag des Geschädigten zum Unfallgeschehen zutrifft, bevor er sich zum klägerischen Vorbringen einlässt (eine Informationspflicht des Versicherers bejahen auch MünchKomm/ZPO/Fritsche, 5. Aufl., § 138 Rz. 20; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rz. 44; Kern in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rz. 43; Müller-Teckhof in Kern/Diehm, ZPO, § 139 Rz. 11; Ambs, Bestreiten mit Nichtwissen, 1997, S. 119; wohl auch OLG Köln, VersR 1972, 592). Will er sich mit Nichtwissen erklären, muss er hinreichende Gründe dafür darlegen, warum er sich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte nicht dazu einlassen kann, ob das Vorbringen des Geschädigten zutrifft.

Rz. 19

Die Informationspflicht des Versicherers kann zwar nicht damit begründet werden, dass sich eine Partei nicht durch arbeitsteilige Organisation ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen können soll (vgl. zu diesem Argument für die Informationspflicht bei Personen, die unter Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung der Partei tätig werden: BGH, Urt. v. 22.4.2016 - V ZR 256/14, MDR 2016, 1012 Rz. 22; v. 12.11.2015 - I ZR 167/14, GesR 2016, 488 Rz. 124; jeweils m.w.N.). Sie ergibt sich aber daraus, dass eine Erklärung mit Nichtwissen - unabhängig davon, ob die betreffende Tatsache den Bereich eigener Handlungen und Wahrnehmung betrifft oder nicht - nur zulässig ist, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, wie aus Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) und Erklärungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) folgt (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 138 Rz. 13). Der Regelung in § 138 Abs. 4 ZPO liegt dementsprechend der - auf den Bereich außerhalb eigener Handlungen und Wahrnehmung übertragbare und in der dargestellten Rechtsprechung des BGH zur Anwendung der Vorschrift zum Ausdruck kommende - Gedanke zugrunde, dass die Zulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen dort eingeschränkt werden kann, wo diese Kenntnis und damit eine Einlassung dazu erwartet werden kann, ob der in Rede stehende Tatsachenvortrag zutrifft oder nicht (vgl. auch Ambs, Bestreiten mit Nichtwissen, 1997, S. 5 f., 144f.).

Rz. 20

Bei dem vom Geschädigten unmittelbar in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer ist dies hinsichtlich des Unfallgeschehens der Fall. Den Versicherungsnehmer und die Mitversicherten trifft die Obliegenheit, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen und ihm jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (§§ 30, 31 VVG; für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung vgl. E.1.1, E.1.2, F. 1 AKB 2015). Der vom Geschädigten in Anspruch genommene Versicherer kann sich daher regelmäßig unschwer Informationen über das Unfallgeschehen verschaffen, wenn sie ihm nicht ohnehin bereits vorliegen. Denn der Verpflichtete wird die notwendigen Auskünfte im Regelfall freiwillig erteilen, um nicht Gefahr zu laufen, seinen Versicherungsschutz zu verlieren (vgl. E.2 AKB 2015). Da der Versicherer im Rahmen des § 115 Abs. 1 VVG im Wege eines gesetzlichen Schuldbeitritts lediglich akzessorisch für den Schädiger haftet (vgl. Senat, Urt. v. 5.12.1978 - VI ZR 233/77, VersR 1979, 256, 258, juris Rz. 10; v. 31.1.2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rz. 6; Beckmann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 115 Rz. 23 f. m.w.N.; Lennartz in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 115 VVG Rz. 21 m.w.N.), stehen der vom Geschädigten in Anspruch genommene Versicherer und der Versicherungsnehmer sowie mitversicherte Personen - auch wenn sie nicht gemeinsam verklagt werden - im gleichen "Lager", wie es der BGH für die Bejahung einer aus dem Bestehen von Auskunftsansprüchen hergeleiteten Erkundigungspflicht für notwendig gehalten hat (vgl. Urt. v. 2.7.2009 - III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rz. 17). Der redliche Versicherungsnehmer wird zudem das Interesse des Versicherers teilen, unberechtigte Schadensersatzforderungen abzuwehren, zumal eine Einstandspflicht des Versicherers nachteilige Folgen für den Versicherungsnehmer haben kann (etwa durch den Verlust von Schadensfreiheitsrabatten). Grundsätzlich wird der Versicherer also seine Einlassung zum Vortrag der Klageseite zum Unfallgeschehen auf die Auskünfte des Versicherungsnehmers und ggf. mitversicherter Personen stützen können. Daher muss er im Rahmen des § 138 Abs. 4 ZPO diese Informationsquelle ausschöpfen, bevor er den klägerischen Vortrag zum Unfallgeschehen mit Nichtwissen bestreiten darf.

Rz. 21

d) Die Beklagte hat im Streitfall die sie treffende Informationspflicht erfüllt. Sie hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ihren ursprünglichen Versicherungsnehmer kontaktiert. Aufgrund dessen Mitteilung über die Veräußerung des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeugs hat sie dann versucht, dem Erwerber, der mit der Veräußerung als neuer Versicherungsnehmer gem. §§ 122, 95 Abs. 1 VVG in das Versicherungsverhältnis eingetreten war (vgl. dazu auch G.7.1 AKB 2015; BGH, Urt. v. 7.3.1984 - IVa ZR 18/82, NJW 1984, 1967, 1968, juris Rz. 16; Stiefel/Maier/Stadler, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., AKB 2015 G.7 Rz. 1 ff. m.w.N.), unter der von ihm gegenüber dem Veräußerer angegebenen Anschrift ein Formular zur Schadensmeldung zu übermitteln. Daneben hat die Beklagte den vom Kläger benannten Führer des gegnerischen unfallbeteiligten Fahrzeugs unter der ihr vom Kläger genannten Anschrift als - möglichen - Mitversicherten nach § 1 PflVG angeschrieben. Beide Schreiben konnten nicht zugestellt werden, weil die der Beklagten vorgelegten Anschriften offenbar unzutreffend waren.

Rz. 22

Bei dieser Sachlage, die die Beklagte im Verfahren offengelegt hat, durfte die Beklagte die behauptete Unfallbeteiligung des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeugs mit Nichtwissen bestreiten. Weitere Nachforschungen waren ihr entgegen der Auffassung der Revision im Rahmen des § 138 Abs. 4 ZPO nicht zumutbar.

Rz. 23

3. Nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten Feststellungen des AG hat der Kläger unter Zugrundelegung des - zutreffenden (vgl. Kaufmann in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kapitel 25 Rz. 249 m.w.N.) - Beweismaßes des § 286 ZPO die behauptete Unfallbeteiligung des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs nicht beweisen können. Verfahrensrügen werden insoweit von der Revision nicht erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13383694

NJW 2019, 3788

DAR 2020, 256

DAR 2020, 313

DAR 2021, 321

JZ 2019, 687

JZ 2019, 690

MDR 2019, 1188

VRS 2019, 291

VersR 2019, 1359

ZfS 2020, 85

NJW-Spezial 2019, 587

VRA 2019, 169

r+s 2019, 602

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