Entscheidungsstichwort (Thema)

Güterstandswechsel in der Ehe: Ausgleich ehebezogener Zuwendungen; Abtretungsbeschränkung für Lebensversicherungsforderung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Ausgleichs ehebezogener Zuwendungen bei Güterstandswechsel während intakter Ehe.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

Saarländisches OLG (Urteil vom 13.12.1994)

LG Saarbrücken

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 13. Dezember 1994 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien waren seit dem 12. September 1969 miteinander verheiratet. Kurze Zeit nach der Eheschließung ließ die Beklagte ihre damaligen Rentenversicherungsanwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit 26.393,70 DM abfinden und überwies hiervon einen Teilbetrag von 25.000 DM auf das Konto des Klägers. Am 4. Februar 1972 erklärte der Kläger die Abtretung von drei von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungen an die Beklagte. Im Jahre 1973 übertrug er ihr sein in V. gelegenes Hausanwesen. 1976 vereinbarten die Parteien ehevertraglich Gütertrennung. 1985/1986 wurden die vorgenannten Lebensversicherungen in Höhe von insgesamt 143.162,40 DM ausgezahlt. Der Betrag wurde zum größten Teil in das Hausanwesen investiert. Außerdem kauften die Parteien hiervon einen Pkw und legten weitere 40.000 DM in Form eines Sparkassenbriefes für die Beklagte an. Ab 1989 betrieb der Kläger das Scheidungsverfahren, das zur rechtskräftigen Scheidung und zur Durchführung des Versorgungsausgleichs durch Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 303,65 DM zugunsten des Klägers führte.

Mit der vorliegenden Klage verlangte der Kläger die Rückzahlung des aus den Lebensversicherungen gezahlten Betrages mit der Begründung, es handele sich um eine ehebezogene Zuwendung, die nach dem Scheitern der Ehe auszugleichen sei. Die Lebensversicherungen, die seiner Altersversorgung gedient hätten, seien abgetreten worden, um sie vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie berief sich unter anderem darauf, ihrerseits erhebliche Zuwendungen an den Kläger erbracht zu haben und rechnete hilfsweise mit einer behaupteten Gegenforderung in Höhe von 171.450,03 DM auf.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 124.512,40 DM (143.162,40 DM abzüglich Kaufpreis des Pkw von 18.650 DM) zuzüglich Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Das Oberlandesgericht hat einen Ausgleichsanspruch des Klägers aus der Zuwendung der Lebensversicherungen mit folgender Begründung verneint: Der Kläger habe ausweislich der hierüber errichteten Privaturkunde unter dem 4. Februar 1972 sämtliche Leistungen aus den Lebensversicherungsverträgen vorbehaltlos an die Beklagte abgetreten. Daß dies nur zum Schein erfolgt sei, habe er nicht belegt. Ob die Abtretung unwirksam sei, weil sie entgegen § 15 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall dem Versicherer nicht angezeigt worden sei, könne dahingestellt bleiben. Nach Treu und Glauben sei es dem Kläger verwehrt, sich der Beklagten gegenüber auf ein Unterlassen der allein ihm als bisherigem Verfügungsberechtigten obliegenden Abtretungsanzeige zu berufen. Soweit er mit seinem entsprechenden Einwand die damalige Abtretung nicht mehr gelten lassen wolle, setze er sich treuwidrig in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten, auf das die Beklagte – zumal nach beweiskräftiger schriftlicher Dokumentation der Abtretung – habe vertrauen dürfen. Dafür, daß beide Parteien die Abtretung auch in der Folgezeit als rechtswirksam behandelt hätten, spreche zumindest indiziell die einvernehmliche Verwendung der ausgezahlten Versicherungsleistungen zugunsten der Beklagten. Die Abtretung der Lebensversicherungen stelle eine ehebedingte Zuwendung dar, die der Kläger im Hinblick auf den Fortbestand der Ehe vorgenommen habe. Eine Rückforderung ehebedingter Zuwendungen, die – wie vorliegend – während des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft erbracht worden seien, bestimme sich grundsätzlich nach dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich, der als gesetzlich gewollte Sonderregelung den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln, insbesondere auch den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, vorgehe. Nur in extremen Ausnahmefällen, in denen die güterrechtliche Ausgleichsregelung zu schlechthin unangemessenen und untragbaren Ergebnissen führe, werde ein Rückgriff auf § 242 BGB für zulässig erachtet. Ein solcher Ausnahmefall, der eine Korrektur nach dem Grundsatz von Treu und Glauben erfordere, liege hier nicht vor, zumal auch die Beklagte dem Kläger erhebliche Beträge zugewandt habe.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Eine Zuwendung unter Ehegatten, der die Vorstellung oder Erwartung zugrunde liegt, daß die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben werde, oder die sonst um der Ehe willen oder als Beitrag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht wird und die darin ihre Geschäftsgrundlage hat, stellt keine Schenkung, sondern eine ehebezogene Zuwendung dar (BGHZ 116, 167, 169 f.; Senatsurteile vom 17. Januar 1990 – XII ZR 1/89 – BGHR BGB § 242 Geschäftsgrundlage 17 = FamRZ 1990, 600, 601 und BGHZ 129, 259, 263). Im Falle des Scheiterns der Ehe können derartige Zuwendungen nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu Ausgleichsansprüchen des Zuwendenden führen, wenn ihm die Beibehaltung der Vermögensverhältnisse, die durch die Zuwendung herbeigeführt worden sind, nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGHZ 84, 361, 365, 368 f.; Senatsurteil vom 4. November 1987 – IVb ZR 100/86 – FamRZ 1988, 481 f.; Urteil vom 4. April 1990 – IV ZR 42/89 – FamRZ 1990, 855, 856). Das gilt in erster Linie für Fälle der Gütertrennung. Im gesetzlichen Güterstand ist ein Ausgleich zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, dort aber nur gerechtfertigt, wenn besondere Umstände den güterrechtlichen Ausgleich als nicht tragbare Lösung erscheinen lassen (Senatsurteile BGHZ 115, 132, 135 ff. und vom 5. Oktober 1988 – IVb ZR 52/87 – FamRZ 1989, 147, 149; BGH – Urteil vom 4. April 1990 – aaO).

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger mache einen Ausgleichsanspruch wegen einer während des gesetzlichen Güterstandes erfolgten ehebezogenen Zuwendung geltend, begegnet indessen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Wirksamkeit der Abtretung der Lebensversicherungen zu verneinen ist, weil diese „entgegen § 15 Nr. 2 ALB” nicht dem Versicherer angezeigt worden ist. Daher ist für das Revisionsverfahren zugunsten des Klägers davon auszugehen, daß den in den Jahren 1954, 1962 und 1963 abgeschlossenen Versicherungsverträgen die Bestimmung des § 15 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall (VA 1932, 115, 119; ALB a.F.) bzw. die Bestimmung des § 13 Nr. 3 der – die vorgenannten Bedingungen ab 1957 ersetzenden – Musterbedingungen für die Großlebensversicherung (VA 1957, 58, 59; ALB n.F.) zugrunde gelegen hat, eine Anzeige der Abtretung jedoch unterblieben ist. Nach beiden Bestimmungen sind Abtretungen der Ansprüche aus der Versicherung der Gesellschaft gegenüber nur dann wirksam, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte dem Vorstand schriftlich angezeigt hat.

Durch die Verwendung einer solchen Klausel will der Versicherer als Schuldner der Forderung nicht nur gewährleisten, daß seine Leistung für den vertraglich vorgesehenen Zweck verwendet wird. Er will insbesondere die Abrechnung übersichtlich gestalten und verhindern, daß ihm eine im voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern gegenübertritt. Weitergehend als durch den Schuldnerschutz der §§ 406 bis 410 BGB will er mithin vor mehrfacher Inanspruchnahme geschützt sein. Angesichts dieser offensichtlichen Zielsetzung ist es ausgeschlossen, daß eine derartige Klausel nur als informative Klarstellung des bürgerlichrechtlichen Schuldnerschutzes aufzufassen ist. Vielmehr ist sie als Bestimmung auszulegen, die als Ausnahme vom Regelfall der Abtretbarkeit gemäß § 398 BGB vereinbarungsgemäß von vornherein für die zu begründende Forderung den (eingeschränkten) Abtretungsausschluß des § 399 2. Alt. BGB festlegt. Die Wirkung dieses Abtretungsausschlusses besteht darin, daß eine abredewidrig nicht angezeigte Abtretung absolut unwirksam ist (BGHZ 112, 387, 388 ff. zu § 13 Nr. 3 ALB n.F.; BGH, Urteil vom 19. Februar 1992 – IV ZR 111/91 – VersR 1992, 561, 562 zu § 15 Nr. 2 ALB a.F.; Kollhosser in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz 25. Aufl. § 15 ALB Rdn. 7 D).

Die Unwirksamkeit der Abtretung der Lebensversicherungen aufgrund der unterbliebenen Anzeige hat zur Folge, daß der Beklagten im Jahre 1972 durch den Kläger nichts zugewandt worden ist. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausginge, daß der Kläger sich nach Treu und Glauben nicht auf die Unwirksamkeit hätte berufen können. Eine Zuwendung hinsichtlich der Lebensversicherungen ist erst nach deren Auszahlung in den Jahren 1985/86 erfolgt, indem die Zahlungsbeträge in der Folgezeit zugunsten der Beklagten verwendet worden sind.

c) Da die Parteien im Jahre 1976 ehevertraglich Gütertrennung vereinbart hatten, kommt ein Ausgleich der Zuwendung nach den vorrangigen Vorschriften des ehelichen Güterrechts nicht in Betracht. Damit ist der Ausgleich einer ehebezogenen Zuwendung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage aber nicht darauf beschränkt, schlechthin unangemessene und untragbare Ergebnisse zu korrigieren. Ein Ausgleichsanspruch kann vielmehr schon dann bestehen, wenn dem zuwendenden Ehegatten die Beibehaltung der herbeigeführten Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (siehe oben unter 2 a). Da das Berufungsgericht seiner Beurteilung des Klageanspruchs deshalb einen zu strengen Maßstab zugrundegelegt hat, kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist zur erneuten tatrichterlichen Würdigung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Falls aufgrund der erforderlichen weiteren Aufklärung davon auszugehen sein sollte, daß die 1972 erfolgte Abtretung nicht unwirksam war, weil § 15 Nr. 2 ALB a.F. bzw. § 13 Nr. 3 ALB n.F. den Versicherungsverträgen nicht zugrunde lag, wird zu erwägen sein, ob nicht auch der ehevertragliche Verzicht der Parteien auf einen güterrechtlichen Ausgleich eine ehebezogene Zuwendung des Klägers darstellt. Da die Parteien die Ehe nach Abschluß des Ehevertrages fortsetzen wollten (und tatsächlich noch ca. 15 Jahre fortgesetzt haben), könnte auch der Verzicht auf Zugewinnausgleichsansprüche um der Ehe willen erfolgt sein und nach deren Scheitern zu einem Ausgleichsanspruch nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage führen (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 109, 89, 92 f.).

 

Unterschriften

Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 538105

NJW 1997, 2747

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1998, 823

MDR 1997, 742

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