Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse, wenn ein Ehegatte nach der Scheidung erstmals eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, ein entsprechender Lebensplan der Eheleute jedoch schon vor der Trennung bestanden hatte.

 

Normenkette

BGB § 1578 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Lübeck

Schleswig-Holsteinisches OLG

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 26. März 1985 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Abänderung eines Prozeßvergleichs über nachehelichen Unterhalt.

Die am 10. März 1967 geschlossene Ehe der Parteien – die seit Juni 1976 getrennt lebten – wurde durch insoweit seit dem 14. Februar 1978 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 23. Dezember 1977 geschieden. Aus der Ehe gingen ein am 24. September 1967 geborener Sohn und eine am 6. August 1969 geborene Tochter hervor; sie leben bei der Beklagten, der die elterliche Sorge zusteht. In dem Scheidungsverfahren schlossen die Parteien am 9. Dezember 1977 einen gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen. Dieser enthält zur Unterhaltsregelung folgende Bestimmungen:

4. „Der Antragsteller zahlt zu Händen der Antragsgegnerin vom Ersten des Monats an, der der Rechtskraft der Scheidung folgt, für jedes Kind monatlich DM 260,–.,

Hiervon sind anzurechnen:

  1. die Hälfte des Betrages des jeweiligen Kindergeldes,
  2. die Kosten für die Krankenversicherung der Kinder, solange die Kinder bei dem Antragsteller, gegen Krankheit versichert sind.

Die Parteien gehen dabei davon aus, daß der Antragsteller ein monatliches Nettoeinkommen von DM 2.000,– bis DM 2.500,– erhält, d.h. in die 4. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle einzustufen ist.

Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Antragsgegnerin anspruchsberechtigt gegenüber der Kindergeldkasse sein soll.

5. Der Antragsteller zahlt vom Ersten des auf die Rechtskraft folgenden Monats an die Antragsgegnerin einen Unterhalt in Höhe von monatlich DM 726,–.

Dabei gehen die Parteien von folgender Berechnung aus:

Netto-Einkommen

DM 2.126,69

1/12 Weihnachtsgeld

DM 166,37

1/12 Urlaubsgeld

DM 12,50

DM 2.305,56

./. freiw. Beiträge zur Krankenv.

DM 30,20

DM 2.275,36

./. Kindesunterhalt

DM 460,–

ergibt rd.

DM 1.815,–

Hiervon 2/5 = DM 726,–.

Sollte die Antragsgegnerin über eigene Einkünfte verfügen, so sollen sie nach den entsprechenden Grundsätzen der Düsseldorfer Tabelle angerechnet werden.”

Bei Abschluß des Vergleichs hatte nur der im Jahre 1942 geborene Kläger (damals Antragsteller) Einkünfte, und zwar Dienstbezüge als Stadtamtmann. Die im Jahre 1944 geborene Beklagte (damals Antragsgegnerin) ist Diplombibliothekarin; während der gesamten Ehezeit war sie nicht erwerbstätig.

Der Kläger erstrebt die Änderung des Vergleichs vom 9. Dezember 1977 mit dem Ziel, seine Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten ab 1. Oktober 1979 ganz entfallen zu lassen. Er macht geltend, die Beklagte erziele seit diesem Zeitpunkt regelmäßig Erwerbseinkommen aus einer Halbtagstätigkeit als Angestellte der Deutschen Bundespost, das sie sich in voller Höhe auf die allein aus seinem Einkommen zu bildende Unterhaltsquote anrechnen lassen müsse.

Das Amtsgericht hat die Klage bis auf eine Kürzung des monatlichen Unterhalts auf 645,13 DM für den Zeitraum Januar bis Juli 1980 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Vergleich dahin abgeändert, daß der Kläger an die Beklagte nur noch folgenden Unterhalt zu zahlen hat (jeweils Monatsbeträge): 444 DM für Oktober bis Dezember 1979, 434 DM im Jahre 1980, 519 DM für Januar 1981, 523 DM für Februar bis Juli 1981, 499 DM für August bis Dezember 1981, 484 DM im Jahre 1982 und 472 DM ab Januar 1983.

Sein Begehren auf weitergehende Herabsetzung des Unterhalts, das das Oberlandesgericht zurückgewiesen hat, verfolgt der Kläger mit der zugelassenen Revision weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat die Abänderungsklage zu Recht für zulässig erachtet. Beim Abschluß des Vergleichs verfügte die Beklagte nicht über eigene Einkünfte. Das hat sich seit dem 1. Oktober 1979 geändert. Damit ist eine grundlegende Änderung der für die Unterhaltsbemessung in dem Vergleich maßgebenden Umstände eingetreten, die die Erhebung einer Abänderungsklage rechtfertigt (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1986 – IVb ZR 30/85 – zur Veröffentlichung bestimmt).

II.

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte könne gemäß §§ 1573 Abs. 2, 1578 Abs. 1 BGB weiterhin Unterhalt beanspruchen. Das trifft im Ergebnis zu. In dem Vergleich haben die Parteien den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Beklagten vertraglich ausgestaltet. Von der Beklagten war damals wegen der Pflege und Erziehung der im Zeitpunkt des Vergleichs erst zehn bzw. acht Jahre alten gemeinschaftlichen Kinder der Parteien eine Erwerbstätigkeit nicht zu erwarten. Nachdem sie seit dem 1. Oktober 1979 eine Halbtagstätigkeit ausübt, hat sie weiterhin einen Anspruch nach § 1570 BGB, soweit sie wegen der weiteren Betreuung der beiden minderjährigen Kinder nicht durch Aufnahme einer Ganztagstätigkeit für ihren Unterhalt sorgen kann. Darüber hinaus kommt gemäß § 1573 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BGB ein Aufstockungsanspruch in Betracht, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578 Abs., 1 BGB) nicht ausreichen.

2. Zur Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten hat das Berufungsgericht ausgeführt: Dem Prozeßvergleich vom 9. Dezember 1977 könne ein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nicht entnommen werden, denn die dort (am Ende der Ziffer 5) für anwendbar erklärten Grundsätze der Düsseldorfer Tabelle ließen mehrere Methoden zu. Der den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechende Unterhalt der Beklagten könne nicht mit einer Quote vom Einkommen des Klägers bestimmt werden, von der sodann zur Ermittlung des ungedeckten Teils die eigenen von der Beklagten seit dem 1. Oktober 1979 erzielten Erwerbseinkünfte abzuziehen wären (sog. Anrechnungs- oder Subtraktionsmethode). Vielmehr sei der Unterhaltsanspruch mit einer 2/5-Quote von der Differenz der beiderseitigen Nettoeinkünfte zu berechnen (sog. Differenzmethode). Die Beklagte habe eine regelmäßige Erwerbstätigkeit zwar erst knapp zwei Jahre nach der Scheidung aufgenommen. Gleichwohl sei diese Tätigkeit noch den ehelichen Lebensverhältnissen zuzuordnen, denn sie beruhe auf einem von den Parteien bereits vor der Trennung abgesprochenen Lebensplan; die Beklagte habe die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit angestrebt und diesen Plan nach der Vorstellung beider Parteien verwirklichen sollen, sobald die Tochter eingeschult war. Daß die Beklagte eine geeignete Halbtagstätigkeit erst ab Oktober 1979 gefunden habe, sei mehr zufälliger Natur.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Richtig ist ihr Ausgangspunkt. Da es sich bei dem abzuändernden Titel um einen Prozeßvergleich handelt, erfolgt die Anpassung an die veränderten Verhältnisse gemäß § 242 BGB nach den Grundsätzen über die Änderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGHZ GSZ 85, 64, 73). Dabei muß die Zielrichtung der Vereinbarung möglichst beibehalten werden, für die in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist. Wäre dem Prozeßvergleich für die eingetretene Änderung der zugrundegelegten Verhältnisse eine Regelung zu entnehmen, müßte dieser daher Geltung verschafft werden.

Es kann offenbleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Prozeßvergleich lasse sich keine bindende Bestimmung der Parteien über die Auswirkung eigener Einkünfte der Beklagten auf ihren Unterhaltsanspruch entnehmen, revisionsrechtlich unbeschränkt nachprüfbar ist. Die Frage wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überwiegend dahin beantwortet, wie bei jedem anderen privatrechtlichen Vertrag könne die materiell-rechtliche Auslegung eines Prozeßvergleichs nur darauf überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder anerkannte Auslegungsregeln verstoße und ob wesentlicher Prozeßstoff unbeachtet geblieben sei (vgl. im einzelnen die Nachweise in dem Urteil des VII. Zivilsenats vom 4. April 1968 – VII ZR 152/65 – MDR 1968, 576 Nr. 37). Der Senat, der ebenfalls dieser Auffassung zuneigt, braucht die Frage nicht zu entscheiden, weil er für den Fall daß er den Prozeßvergleich selbst frei auslegen kann, die Beurteilung des Berufungsgerichts teilt. Die zur Zeit des Vergleichsschlusses bestehende Fassung der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1. Januar 1977; NJW 1977, 289) beruhte noch auf dem vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG (1. Juli 1977) geltenden Unterhaltsrecht; der Unterhaltsanspruch des – arbeitenden – berechtigten Ehegatten aus § 58 EheG und § 1361 Abs. 2 BGB gegen einen erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen wurde bemessen auf ca. 1/3 des Unterschieds der anrechnungsfähigen Nettoeinkünfte beider Ehegatten, wenn das des Pflichtigen höher war, oder falls günstiger – auf 2/5 des anrechnungsfähigen Nettoeinkommens des Pflichtigen abzüglich des Nettoeinkommens des Berechtigten. Daß es dem Parteiwillen entsprochen haben könnte, diese dem bei Vertragschluß bereits geltenden neuen Recht noch nicht angepaßte Fassung der Tabelle ohne die durch Gesetzgebung und Rechtsprechung veranlaßten Änderungen künftig stets anzuwenden, kann nicht angenommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Parteien die jeweils geltende Fassung der Düsseldorfer Tabelle mit ihren durch die fortschreitende Rechtsentwicklung veranlaßten Änderungen einer erforderlich werdenden Anpassung zugrundelegen wollten. Da es sich bei der Düsseldorfer Tabelle – wie auch bei anderen derartigen Orientierungshilfen – um die Zusammenfassung allgemeiner Rechtsgrundsätze handelt, die zur Gewährleistung einer möglichst einfachen und gleichmäßigen Rechtsanwendung entwickelt worden sind, liegt in der Vereinbarung, die Grundsätze dieser Tabelle anzuwenden, keine Abkehr vom gesetzlichen Unterhaltsrecht.

b) Da dem Parteiwillen für die gebotene Abänderung der vereinbarten Verpflichtung kein abweichender Anhaltspunkt zu entnehmen ist, muß der Unterhalt danach wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften bemessen werden. So ist das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend verfahren. Durchgreifende Bedenken bestehen indessen gegen seine Auffassung, die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien würden durch die Erwerbseinkünfte der Beklagten mitbestimmt, so daß die auf Verdienst beider Eheleute aufbauende Differenzmethode hier angewendet werden könne.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats werden die für den nachehelichen Unterhalt maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB) durch das bis zur Scheidung nachhaltig erreichte Einkommen bestimmt (vgl. Senatsurteile BGHZ 89, 108, 110 und vom 14. November 1984 – IVb ZR 38/83 – FamRZ 1985, 161, 162 jeweils m. w. N.). Ist nur einer der Ehegatten erwerbstätig und sind andere Einkünfte nicht vorhanden, prägt daher im allgemeinen nur dessen Arbeitseinkommen den Lebensstandard der Ehegatten. Dieser die ökonomische Grundlage der Ehe betreffende Tatbestand wird nicht dadurch berührt, daß Haushaltsführung und Kinderbetreuung durch den nicht erwerbstätigen Ehegatten wirtschaftlich der Erwerbstätigkeit des anderen grundsätzlich gleichwertig sind (vgl. Senatsurteil v. 14. November 1984 a.a.O. S. 163).

Regelmäßig setzt die Scheidung den Endpunkt, bis zu dem beide Ehegatten an der Entwicklung ihrer Einkommensverhältnisse in gleicher Weise teilhaben. Nur in besonderen Ausnahmefällen können erst nach der Scheidung eintretende Einkommensentwicklungen noch die ehelichen Lebensverhältnisse und dadurch auch die Bemessung des nachehelichen Unterhalts beeinflussen. Nach der Scheidung eingetretene Änderungen sind etwa zu berücksichtigen, wenn ihnen eine Entwicklung zugrundeliegt, die aus der Sicht des Zeitpunktes der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, und wenn ihre Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 27. November 1985 – IVb ZR 78/84 – FamRZ 1986, 148 m.w.N.). Das ist aber nicht bereits dann anzunehmen, wenn sich nach der Vorstellung der Ehegatten ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt dadurch verbessern sollen, daß der bisher allein mit der Haushaltsführung befaßte Ehepartner eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. Ein solches Verständnis ließe außer Betracht, daß eine gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an einer günstigen oder ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung allein aus ihrer ehelichen Bindung gerechtfertigt ist, die mit der Scheidung endet. Nach der Scheidung gilt – stärker noch als während einer Trennung der Eheleute (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 89, 108, 111 f.) – der Grundsatz, daß jeder Ehegatte selbst für seinen Unterhalt zu sorgen hat; denn dieser Grundsatz liegt der gesetzlichen Regelung des nachehelichen Unterhalts zugrunde und wird ihr in § 1569 BGB ausdrücklich vorangestellt.

Einkünfte, die ein Ehegatte aus einer erst während der Trennung aufgenommenen oder ausgeweiteten Erwerbstätigkeit bezieht, können ausnahmsweise die ehelichen Lebensverhältnisse prägen, wenn nämlich die Aufnahme dieser Erwerbstätigkeit oder ihre Ausweitung schon während des Zusammenlebens der Eheleute geplant oder doch vorauszusehen war (Senatsurteil BGHZ 89, 112). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich diese Regel aber auf den hier zu beurteilenden Fall der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erst nach der Scheidung nicht übertragen. Dem steht die unterhaltsrechtliche Eigenverantwortung jedes Ehegatten entgegen, die – wie dargelegt – mit der Scheidung verstärkt einsetzt. Würde einem allgemeinen Lebensplan, den die Ehegatten bis zur Scheidung auch nur teilweise noch nicht verwirklicht hatten, gleichwohl Einfluß auf die ehelichen Lebensverhältnisse beigemessen, ließen sich zudem keine sicheren Abgrenzungskriterien zur grundsätzlich unbeachtlichen nachehelichen Entwicklung finden. Denn nach heutigem Eheverständnis und besonders im Hinblick auf die zunehmende berufliche Ausbildung auch der Frauen stellt es keine Besonderheit dar, daß Ehegatten übereinkommen, einer von ihnen – meist die Ehefrau – solle wegen der Pflege und Erziehung von Kindern eine Erwerbstätigkeit vorübergehend unterlassen oder einschränken, bis die Kinder ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben, danach aber durch Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit die wirtschaftliche Basis der Familie verbessern. Einer solchen Planung kann Einfluß auf die ehelichen Lebensverhältnisse allenfalls zukommen, wenn sie schon vor der Scheidung teilweise verwirklicht worden ist.

Nach den dargelegten Grundsätzen kann den Erwerbseinkünften der Beklagten kein prägender Einfluß auf die ehelichen Lebensverhältnisse beigemessen werden. Als die Beklagte eine regelmäßige Erwerbstätigkeit aufnahm, war die Ehe bereits fast zwei Jahre geschieden. Damit fehlte es bereits an einem engen zeitlichen Zusammenhang, dem der Senat in der bereits zitierten Entscheidung vom 27. November 1985 (a.a.O.) Bedeutung beigemessen hat. In jenem Fall war die auf eine ärztliche Berufstätigkeit des Ehemannes abzielende Lebensplanung der Ehegatten, bereits bis zur Scheidung weitgehend dadurch verwirklicht worden, daß der Ehemann kurz vor dem erfolgreichen Abschluß seiner zielstrebig betriebenen medizinischen Ausbildung stand und die im Hinblick, hierauf – offenbar überobligationsmäßig – ausgeübte Erwerbstätigkeit der Ehefrau dem Zwecke diente, mit den daraus erzielten Mitteln neben Zuwendungen Dritter die absehbare Zeit bis zur Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit zu, überbrücken. Im vorliegenden Fall liegen die Verhältnisse dagegen anders. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts reichte die bloße Planung einer späteren Erwerbstätigkeit der Ehefrau nicht aus. Der Plan ist bis zur Scheidung auch nicht wenigstens teilweise verwirklicht worden. Daß die Beklagte schon früher erwerbstätig geworden wäre, wenn sie eine geeignete Beschäftigung gefunden hätte, reicht ebensowenig aus wie der Umstand, daß sie bereits Ende April 1979 – vierzehn Monate nach der Scheidung – für kurze Zeit halbtags gearbeitet hat.

Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten nach der sogenannten Differenzmethode unter Einbeziehung ihrer eigenen Einkünfte entspricht daher nicht dem Bemessungsmaßstab der ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 Abs. 1 BGB. Die dieser Methode zugrundeliegende Vorstellung, daß beide Ehegatten bereits während der Ehe mit ihren beiderseitigen Einkünften die wirtschaftliche Grundlage der Ehe geprägt haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1985 – IVb ZR 51/82 – FamRZ 1984, 356, 357), trifft hier nicht zu. Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehen bleiben.

3. Der Senat kann die Sache nicht abschließend entscheiden. Die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten auf einem rechtlich bedenkenfreien Wege obliegt dem Tatrichter. Das Berufungsgericht hat dazu bereits ausgeführt, es würde die Anrechnungsmethode in modifizierter Form mit dem Ergebnis anwenden, daß die Berufung in einem weitergehenden Umfange begründet sein könnte. Es hat indessen – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – letztlich dahinstehen lassen, zu welchem Ergebnis es gelangen und welche rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte es durchgreifen lassen würde. Die Sache muß daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Für die neue Verhandlung wird noch auf folgendes hingewiesen:

a) Wenn der Unterhaltsbedarf der Beklagten – wie schon im Vergleich – auch weiterhin mit einer Quote des Einkommens des Klägers bemessen und das eigene Einkommen der Beklagten darauf angerechnet wird, muß die auf diese Weise bestimmte Neuregelung des Unterhalts vom Tatrichter auf ihre Angemessenheit kontrolliert werden (vgl. Senatsurteil vom 8. April 1981 – IVb ZR 566/80 – FamRZ 1981, 539, 541 – std. Rspr.). Damit steht im Einklang, wenn das Berufungsgericht – wie es in seinen Hilfserwägungen dargelegt hat – dem durch die Trennung verursachten Mehrbedarf für Wohnkosten Rechnung tragen will, obwohl in dem abzuändernden Vergleich trennungsbedingte Mehrkosten weder bei der Beklagten noch beim Kläger berücksichtigt worden sind. Bei dem seinerzeit vereinbarten – Unterhalt mußten die Parteien davon ausgehen, daß nur das bereinigte Nettoeinkommen des Klägers aufgeteilt werden konnte, weil andere Einkünfte nicht zur Verfügung standen. Die Beklagte mußte sich ersichtlich mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Klägers (§ 1581 BGB) mit einer Quote seines Einkommens zufrieden geben, die ihren an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichteten vollen Unterhaltsbedarf nicht deckte. Daraus folgt aber nicht, daß die Beklagte trotz einer durch ihre eigene Erwerbstätigkeit verbesserten wirtschaftlichen Lage weiterhin an eine derartige Einschränkung gebunden bleibt. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel für eine höhere Leistung nunmehr aus, ist der Unterhaltsanspruch bis zur Deckung des eheangemessen Bedarfs anzuheben (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 1980 – IVb ZR 522/80 – FamRZ 1980, 771).

Bedenken bestehen indessen dagegen, einem gesteigerten Wohnbedarf durch eine Erhöhung der Quote um 11,5% des Einkommens Rechnung zu tragen, weil die Mieten und Mietnebenkosten vergleichbarer Haushalte im statistischen Mittel der Jahre 1979 bis 1983 um etwa 23% des Einkommens gestiegen seien. Dies stände nicht im Einklang mit der Rechtsprechung, nach der trennungsbedingte Mehrkosten konkret dargelegt werden müssen (Senatsurteil vom 1. Juni 1983 – IVb ZR 389/81 – FamRZ 1983, 886, 887 m. w. N.). Dazu besteht in der neuen Verhandlung für beide Parteien Gelegenheit.

b) In dem abzuändernden Vergleich haben die Parteien vor der Quotenbildung das Nettoeinkommen des Klägers nicht nur um die von ihm für seine Krankenversicherung zu leistenden Beiträge gekürzt, sondern auch um den mit 460 DM angesetzten Kindesunterhalt. Das Berufungsgericht hat angenommen, damit sei bindend vereinbart worden, vor der Quotierung solle der nach den jeweils geltenden Sätzen der Düsseldorfer Tabelle geschuldete Kindesunterhalt (bei Vergleichsschluß 2 × 260 = 520 DM) abgezogen werden, jedoch vermindert um die Hälfte des von der Beklagten für die beiden Kinder bezogenen Kindergeldes (damals 120: 2 = 60 DM). Auch in diesem Punkt bestehen Bedenken gegen die Annahme einer fortwirkenden Bindung an die in dem Vergleich vorgenommenen Berechnungsschritte. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß der Abzug des staatlichen Kindergeldes vom Kindesunterhalt zur Folge hat, daß auf seiten des Klägers das hälftige Kindergeld unterhaltsrechtlich als Einkommen berücksichtigt wird, während auf seiten der Beklagten eine solche Anrechnung nicht erfolgt. Daraus, daß die Parteien eine derartige Vereinbarung während des Bestehens der Mangellage getroffen haben, kann nicht auf einen fortwirkenden Parteiwillen für die Zeit nach Behebung dieses Mangels geschlossen werden.

Soweit bei der Ermittlung des der Quotierung unterliegenden bereinigten Nettoeinkommens des Klägers der Vorwegabzug des (ungekürzten) Kindesunterhalts weiterhin dem Parteiwillen entspricht, wird zu beachten sein, daß für die von der Klage umfaßten vergangenen Zeiträume nicht der Abzug von Tabellenwerten in Betracht kommt, wenn der Kläger – möglicherweise im Einvernehmen mit der sorgeberechtigten Beklagten – für die beiden Kinder tatsächlich in anderer Höhe Unterhalt geleistet hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. November 1985 – IVb ZR 69/84 – FamRZ 1986,153, 154).

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Nettoeinkommen des Klägers vor der Quotierung jedoch nicht vorweg zum pauschalen Ausgleich berufsbedingter Aufwendungen um 5% zu kürzen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei dargelegt, daß sich eine solche Berechnungsweise nicht aus dem Vergleich herleiten läßt. Im übrigen wird dem mit einer Berufstätigkeit allgemein verbundenen erhöhten Aufwand eines Erwerbstätigen (und zugleich dem Anreiz zur Ausübung der Erwerbstätigkeit) schon dadurch Rechnung getragen, daß ihm eine höhere Quote als 50% seines Einkommens zugebilligt wird (Senatsurteil vom 16. November 1981 – IVb ZR 674/80 – FamRZ 1981, 1165, 1166).

d) Nach dem gleichen Grundsatz sieht sich das Berufungsgericht zu Recht nicht gehindert, auch auf seiten der Beklagten zum Ausgleich eines mit ihrer Erwerbstätigkeit verbundenen erhöhten Aufwands und als Anreiz für ihre weitere Erwerbstätigkeit einen maßvollen Anteil ihres eigenen Einkommens auf den Unterhaltsbedarf nicht anzurechnen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. November 1984 – IVb ZR 38/83 – FamRZ 1985, 161, 164).

e) In der neuen Verhandlung besteht für den Kläger Gelegenheit, auf seinen Vortrag zurückzukommen, die Beklagte habe in den letzten drei Monaten des Jahres 1979 insgesamt 150 DM und in den Jahren 1981 bis 1983 monatlich 65,27 DM netto mehr verdient, als vom Berufungsgericht bisher zugrundegelegt, und sei in der Lage, ihr Einkommen durch Ausweitung ihrer Tätigkeit bis zur Deckung des vollen Unterhaltsbedarfs zu erhöhen. Der Kläger kann auch die Aufwendungen für seine nebenamtliche Unterrichtstätigkeit durch konkrete Angaben ergänzen und ggf. belegen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609559

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