Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 31. August 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte errichtete 1993 für den Kläger den Neubau einer Autolackiererei. Wegen der aufgetretenen Mängel ließ die ALC S. Autolackiercenter GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist, ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte durchführen.

Gestützt auf das dort erstattete Gutachten, verlangt der Kläger Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Beklagte rechnet hilfsweise mit Ansprüchen auf Mehrvergütung auf.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 57.090 DM und Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Das Berufungsgericht sieht keinen Anlaß, die Beweisaufnahme „fortzusetzen”. Die Beklagte habe in der Berufungserwiderung vorgetragen, die Parteien hätten sich darauf verständigt, das im selbständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten im Streitverfahren zu verwerten. Mit dem Einwand, die Parteien hätten ferner vereinbart, den Sachverständigen im Streitverfahren anzuhören, könne die Beklagte keinen Erfolg haben. Der erstmals in der Berufungsbegründung unter Zeugenbeweis gestellte Einwand sei ein neues Verteidigungsmittel, das entgegen § 282 Abs. 1 und 2 ZPO von der Beklagten nicht rechtzeitig bereits im ersten Rechtszug vorgebracht oder vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden sei. Der Einwand sei gemäß § 528 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Eine Zeugenvernehmung verzögere den Rechtsstreit. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen habe.

2. a) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht das Beweismittel schon deshalb hätte zulassen müssen, weil dadurch bei ordnungsgemäßer Prozeßführung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert worden wäre.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits eintritt, auf der Grundlage des § 273 Abs. 2 ZPO, d.h. unter Berücksichtigung der Möglichkeit des Gerichts zu beantworten, durch vorbereitende Maßnahmen eine Verzögerung zu vermeiden (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 – VII ZR 82/97, BGHR ZPO § 528 Abs. 2 – Verzögerung 11 m.w.N.). Ob der Tatrichter den sich aus § 273 ZPO ergebenden Pflichten zur Förderung des Prozesses in genügender Weise nachgekommen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.

bb) Das Berufungsgericht meint, „eine Zeugenvernehmung” verzögere den Rechtsstreit. Damit verletzt es seine Prozeßförderungspflicht. Es hatte den Zeugen und vorsorglich auch den Sachverständigen durch vorbereitende Maßnahmen nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 zu laden. Dazu bestand hinreichend Gelegenheit. Die Berufungsbegründungsschrift ging am 20. April 1999 bei Gericht ein. Das Berufungsgericht hat den auf den 3. August 1999 anberaumten Termin ohnehin auch auf eine mündliche Anhörung des Klägers und des Geschäftsführers der Beklagten nach § 141 ZPO ausgerichtet und deren persönliches Erscheinen angeordnet. Ob die Beklagte im von der ALC S. Autolackiercenter GmbH betriebenen selbständigen Beweisverfahren rechtzeitig Einwendungen, Anträge und Fragen zu dem schriftlichen Gutachten (§ 411 Abs. 4 ZPO) mitgeteilt hat, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.

b) Die Revision beanstandet ferner zu Recht, daß das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen für das Vorliegen grober Nachlässigkeit nicht getroffen hat. Das Gericht muß die für die Annahme der groben Nachlässigkeit erforderlichen Tatsachen in seinem Urteil feststellen. Die Feststellung der notwendigen Tatsachen setzt wiederum voraus, daß das Gericht der Partei Gelegenheit gibt, sich zu den Gründen für die Verspätung des Vorbringens zu äußern (BGH, Urteil vom 8. November 1990 – VII ZR 3/90, BauR 1991, 257, 258 = ZfBR 1991, 68 m.w.N.).

II.

Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen hat.

Zu den von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen ist darauf hinzuweisen, daß die vom Berufungsgericht angenommene Verwirkung mit Tatsachen nicht hinreichend belegt ist.

 

Unterschriften

Ullmann, Haß, Hausmann, Kuffer, Kniffka

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 22.11.2001 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 666370

DStZ 2002, 464

BGHR 2002, 390

BauR 2002, 366

BauR 2002, 518

NJW-RR 2002, 646

ZfBR 2002, 250

KammerForum 2002, 296

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