Leitsatz (amtlich)

a) Der Grundstückseigentümer kann Beseitigung einer auf dem Nachbargrundstück errichteten Einfriedung verlangen, wenn diese nach ihrer Beschaffenheit (hier: eine 2 m hohe Mauer) das Erscheinungsbild der gemäß §§ 32 Abs. 1, 35 Abs. 1 NachbG NW geforderten ortsüblichen Einfriedung (hier: einer 1 m hohen Hecke) erheblich stören würde.

b) Die Frage, ob die nach §§ 32 Abs. 1, 35 Abs. 1 NachbG NW verlangte Grundstückseinfriedung ortsüblich ist, beurteilt sich nach den in dem maßgeblichen Vergleichsgebiet bestehenden Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.

c) Liegt das Grundstück des gemäß § 32 Abs. 1 NachbG NW einfriedungspflichtigen Eigentümers innerhalb einer in sich geschlossenen, von der weiteren Umgebung abgehobenen Siedlung, so kann sich auf dieses Gebiet die Prüfung beschränken, welche Art der Einfriedung ortsüblich ist.

d) Hat der Eigentümer von sich aus – und nicht nach Maßgabe des § 32 Abs. 1 NachbG NW – sein Grundstück eingefriedet, ohne das Einverständnis des Nachbarn einzuholen, so kann er dessen später geltend gemachtem Anspruch auf Herstellung der nach § 35 Abs. 1 NachbG NW gebotenen ortsüblichen Einfriedung nicht entgegenhalten, die schon vorhandene Einfriedung sei bei ihrer Errichtung noch nicht ortsunüblich gewesen.

e) Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 NachbG NW ist auf solche Anlagen entsprechend anwendbar, die in gleicher Weise wie ein Gebäude den Lichteinfall dauernd beeinträchtigen.

 

Normenkette

BGB § 1004; NRWNachbarrechtsG § 4 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 50

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 06.03.1991)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. März 1991 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die sie jeweils mit einem darauf neu errichteten Reihenhaus von der Firma. M. S. GmbH erworben haben. Beide Grundstücke gehören zu einer von dieser Firma geplanten und erstellten Siedlung mit insgesamt 13 Reihenhäusern. Die Verträge des Bauträgers mit den einzelnen Erwerbern nehmen auf die Baubeschreibung Bezug. Darin heißt es: „Die Grundstücksgrenzen der Häuser sind durch eine Heckenbepflanzung gekennzeichnet.” Geplant hatte der Bauträger Buchenhecken in Höhe von einem Meter. Die Beklagten ließen den Vorgarten ihres Hauses nicht durch eine Hecke, sondern durch eine zwei Meter hohe Mauer einfrieden. Mit Schreiben an die Beklagten vom 6. März 1987 verlangte die Klägerin den Abriß der Mauer an der gemeinsamen Grenze und Einfriedung durch eine Buchenhecke.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zur Beseitigung der entlang der gemeinsamen Grenze verlaufenden Mauer zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben.

Mit der – zugelassenen – Revision wollen die Beklagten Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagten seien gemäß § 1004 BGB i.V. mit § 50 des nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbG NW) verpflichtet, die von ihnen errichtete Mauer an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zu beseitigen. Die Mauer widerspreche dem in § 35 NachbG NW aufgestellten Erfordernis einer ortsüblichen Grundstückseinfriedung, weil der Bauträger Buchenhecken als ortsübliche Art der Einfriedung „planerisch festgelegt” habe und dies den Parteien bei Erwerb ihrer Grundstücke bekannt gewesen sei. Daher habe die Klägerin darauf vertrauen dürfen, daß die Hecke errichtet werde. Das müßten die Beklagten hinnehmen.

Das angefochtene Urteil hält nicht in allen Punkten den Revisionsrügen stand.

1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Urteils. Nach § 35 Abs. 1 NachbG NW muß eine Einfriedung ortsüblich sein. Zwar greift diese Bestimmung nur ein, wenn der eine von dem anderen Nachbarn gemäß § 32 Abs. 1 NachbG NW Einfriedung an der gemeinsamen Grenze verlangt, nicht stets auch schon dann, wenn der Nachbar lediglich aus eigenem Entschluß sein Grundstück einfriedet (BGHZ 73, 272, 273/274). Indessen übersieht die auf diese Rechtslage verweisende Revision, daß die Klägerin mit Schreiben ihres Anwalts vom 6. März 1987 von den Beklagten Einfriedung durch eine Buchenhecke gefordert hat. Hätte die Klägerin Anspruch auf eine derartige Einfriedung, so könnte sie nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V. mit § 50 NachbG NW Beseitigung der schon errichteten Mauer verlangen, weil diese – abgesehen von deren Standort zu einem Teil auf der Grenze – das Erscheinungsbild der anzulegenden Grenzhecke unbestreitbar wesentlich stören würde (Senatsurt. v. 23. März 1979, V ZR 106/77, NJW 1979, 1409, 1410 und v. 23. November 1984, V ZR 176/83, NJW 1985, 1458, 1459 f; in diesem Sinne auch schon das Senatsurteil BGHZ 73, 272). Insoweit spielt der von der Revision hervorgehobene Umstand keine Rolle, daß sich die Klage nur auf Beseitigung der Mauer und nicht zugleich auf Herstellung der Grenzhecke richtet. Die Klägerin war nicht gehalten, den einen mit dem anderen Anspruch in einer Klage zu verbinden.

2. Unzutreffend ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Mauer sei deswegen nicht ortsüblich, weil den Parteien bei Erwerb ihrer Grundstücke von dem Bauträger dessen Planung einer einheitlichen Abgrenzung aller Parzellen der Reihenhaussiedlung durch Buchenhecken bekannt gewesen sei. Diese Planung konnte nicht die ortsübliche Art einer Einfriedung bestimmen, denn Maßstab der Ortsüblichkeit sind die tatsächlich bestehenden Verhältnisse in dem zum Vergleich heranzuziehenden Gebiet, und zwar zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung über diesen Streitpunkt in der Tatsacheninstanz. Dieser Grundsatz ist im Rahmen der nachbarrechtlichen Vorschrift des § 906 BGB anerkannt (BGH, Urt. v. 19. Februar 1976, III ZR 13/74, NJW 1976, 1204, 1205; allg. Auff.). Er gilt auch für den vorliegenden Fall, daß ein Grundstückseigentümer gemäß §§ 32 Abs. 1, 35 Abs. 1 NachbG NW von seinem Nachbarn Errichtung der ortsüblichen Einfriedung verlangt (Schäfer, NachbG NW, 8. Aufl., § 35 Anm. 1, S. 133), folgerichtig ebenso dann, wenn im Rechtsstreit, wie hier, darüber zu entscheiden ist, ob Beseitigung einer auf dem. Nachbargrundstück bereits erstellten Einfriedung beansprucht werden kann, weil diese das Erscheinungsbild der geforderten ortsüblichen Einfriedung erheblich beeinträchtigen würde. Damit läßt sich auch den berechtigten Erwägungen Rechnung tragen, die das Berufungsgericht zu der fehlerhaften Annahme veranlaßt haben, schon die vom Bauträger erstellte Planung einer einheitlichen Abgrenzung der Parzellen durch Buchenhecken als zwischen den Nachbarn verbindlich anzusehen. Hat ein Grundstückseigentümer von sich aus, und nicht nach Maßgabe des § 32 Abs. 1 NachbG NW, eine Einfriedung errichtet, ohne das Einverständnis des Nachbarn einzuholen, so kann er dem späteren Anspruch dieses Nachbarn auf Herstellung der ortsüblichen Einfriedung – auf gemeinsame Kosten (§ 37 Abs. 1 NachbG NW) – nicht entgegenhalten, die schon vorhandene Einfriedung sei bei ihrer Errichtung noch nicht ortsunüblich gewesen. Anders wäre es nur im Falle der Verwirkung des Anspruchs. Liegen die Nachbargrundstücke – wie hier – innerhalb einer mit Wissen der Eigentümer von dem Bauträger einheitlich geplanten Siedlung, muß jeder Eigentümer damit rechnen, daß sein Nachbar den Einfriedungsanspruch erst nach Fertigstellung der Siedlung geltend macht, weil dann erst zu erkennen ist, ob dort Einfriedungen der geplanten einheitlichen Art tatsächlich so auch errichtet worden sind. Die Beklagten können mithin die Klägerin, wenn die von ihr verlangte Einfriedung durch eine Buchenhecke jetzt ortsüblich sein sollte, nicht darauf verweisen, daß die von ihnen an die gemeinsame Grenze gesetzte Mauer wegen des damals noch nicht vollendeten Zustands der Siedlung nicht ortsunüblich gewesen sei.

Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz waren alle Reihenhausparzellen außer derjenigen der Beklagten durch Hecken abgegrenzt, wie sich aus der vom Landgericht bei einer Ortsbesichtigung getroffenen Feststellung ergibt. Das Berufungsgericht hat jedoch offengelassen, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen nur dieses Gebiet und nicht auch die andersartige Einfriedungen aufweisende Umgebung zum Vergleich heranzuziehen ist. Sollten danach aber nicht allein Hecken, sondern auch Mauern die ortsübliche Art der Einfriedung darstellen, wovon das Landgericht ausgegangen ist, so könnten die Beklagten zwischen beiden Möglichkeiten wählen (Senatsurt. v. 9. Februar 1979, V ZR 108/77, NJW 1979, 1408, 1409 a.E. – insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 73, 272; Schäfer, NachbG NW, 8. Aufl., § 35 Anm. 1, S. 132 m.w.N.). Diese Wahl hätten sie dadurch getroffen, daß sie auf dem Verbleib der Mauer bestehen.

Tatrichterlicher Feststellung bedarf deshalb das hier maßgebende Vergleichsgebiet. Dessen Grenze kann nach den jeweiligen Umständen enger oder weiter gezogen werden und braucht sich nicht mit der Ortsgrenze zu decken (vgl. BGHZ 111, 63, 72). Das Erfordernis der Ortsüblichkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 NachbG NW soll den Belangen der Nachbarn an einer ihnen auch optisch und ästhetisch zumutbaren Beschaffenheit der Einfriedung Rechnung tragen (BGHZ 73, 272, 275; Senatsurt. v. 23. März 1979, V ZR 106/77, NJW 1979, 1409, 1410). Zu diesem Zweck kann auch ein Vergleich bloß mit der engeren, in Sichtweite gelegenen Umgebung angebracht sein, wenn dort nach Art der Grundstücke vergleichbare Verhältnisse bestehen. Sollte sich das Hausgrundstück der Beklagten trotz seiner Randlage so in die von dem Bauträger an der Gütergasse erstellte Reihenhausanlage einfügen, daß sich insgesamt der Eindruck einer in sich geschlossenen, von der Wohnbebauung der weiteren Umgebung abgehobenen Siedlung ergibt, so könnte folglich auf dieses Gebiet die Prüfung beschränkt werden, welche Art der Einfriedung ortsüblich ist.

Daß etwa der Vertrag zwischen dem Bauträger und den Beklagten diesen zugunsten der Klägerin (§ 328 BGB) die Verpflichtung auferlegt hat, eine von der damals vorgesehenen Grenzhecke abweichende Art der Einfriedung zu unterlassen (vgl. Senatsurt. v. 29. November 1974, V ZR 73/73, NJW 1975, 344), ist weder ersichtlich noch behauptet. Daher ist die Feststellung nicht entbehrlich, ob der Einfriedungsanspruch der Klägerin dem Maßstab der Ortsüblichkeit entspricht.

3. Nicht zu beanstanden ist, daß der Tatrichter die Behauptung der Beklagten, sie hätten vor Errichtung der Mauer die Zustimmung der Klägerin eingeholt, aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils als unbewiesen angesehen hat. Die Revision zeigt keinen Fehler der Beweiswürdigung auf. Sie begründet auch nicht, wieso der Tatrichter jedenfalls ein stillschweigendes Einverständnis der Klägerin hätte annehmen müssen. Soweit die Revision dem Berufungsurteil entgegenhält, daß sich die Mauer nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand beseitigen lasse (vgl. Senatsurt. v. 23. März 1979, V ZR 106/77, WJW 1979, 1409, 1410 a.E.), weist sie nicht auf einen entsprechenden Tatsachenvortrag hin. Der von der Revision angeführte Umstand, daß nach Abriß der Mauer überhaupt keine Einfriedung mehr vorhanden wäre, entzieht dem Beseitigungsverlangen der Klägerin nicht die Berechtigung, denn dieser Anspruch schafft nur die Voraussetzung für die mit Schreiben vom 6. März 1987 geforderte Einfriedung durch eine Hecke, sofern allein diese – was bisher ungeklärt ist – ortsüblich sein sollte. Unbeachtlich ist die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe die Behauptung der Beklagten übergangen, daß der jetzige Mieter des Hausgrundstücks der Klägerin die Mauer „begrünt” habe und mit dieser Einfriedung einverstanden sei. Denn es ist allein Sache des Eigentümers, ob er zur Duldung einer nicht ortsüblichen Einfriedung bereit ist.

II. Das angefochtene Urteil ist nicht im Ergebnis aus anderen Gründen richtig (§ 563 ZPO).

Die Behauptung der Klägerin, die Mauer entziehe ihrem Vorgarten und einem neben dem Hauseingang befindlichen Fenster Licht und Luft, hat das Landgericht zu Recht als unerheblich angesehen. Solche von einem Nachbargrundstück ausgehenden negativen Einwirkungen sind grundsätzlich nicht unzulässig im Sinne der §§ 903, 906, 907, 1004 BGB (Senatsurteile BGHZ 88, 344, 345; 113, 384 ff). Hier liegt auch keine unzumutbare Beeinträchtigung vor, die unter dem Aspekt der durch das nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis gebotenen gegenseitigen Rücksichtnahme ausnahmsweise einen Abwehranspruch begründen könnte (vgl. dazu BGHZ 113, 384, 389 ff). Nach § 4 Abs. 2 NachbG NW muß von einem vorhandenen Fenster zur Wahrung des Lichtrechts bei späterer Errichtung eines Nachbargebäudes ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden. Diese Bestimmung ist zwar auch auf sonstige Anlagen entsprechend anwendbar, die in gleicher Weise wie ein Gebäude den Lichteinfall dauernd beeinträchtigen (Senatsurt. v. 27. April 1979, V ZR 188/76, WM 1979, 897), dann folgerichtig auch auf eine das Nachbargrundstück einfriedende Mauer; die Klägerin hat aber nicht behauptet, daß der Mindestabstand von zwei Metern zwischen ihrem Fenster und der Mauer fehlt. Aus der „Grenzdarstellung” in dein vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Elbert vom 15. Juni 1989 ergibt sich ein weitaus größerer Abstand. Dieser entspricht mithin demjenigen Abstand, den § 4 Abs. 2 NachbG NW als zumutbar ansieht. Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 6 BauO NW über die Einhaltung von Abstandsflächen erlaubt in Abs. 11 Nr. 2 geschlossene Einfriedungen, also auch eine Mauer, bis zu der hier gewahrten Höhe von zwei Metern. Da bauordnungsrechtliche Bestimmungen, die den Grenzabstand regeln, auch dem Interesse des Nachbarn an ausreichender Belichtung und Belüftung seines Grundstücks sowie an einem freien Ausblick dienen (BGHZ 66, 354, 357), eine zwei Meter hohe Mauer aber bauordnungsrechtlich als Einfriedung gestattet ist, läßt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus der Höhe der Mauer auf eine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin schließen.

III. Die Entscheidung hängt mithin davon ab, ob die von den Beklagten errichtete Mauer die ortsübliche Einfriedung darstellt. Diese Frage bedarf – wie ausgeführt – tatrichterlicher Klärung, Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Hagen, Räfle, Wenzel, Tropf, Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 1134353

NJW 1992, 2569

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