Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitnehmer es pflichtwidrig unterlassen, während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses Überlegungen hinsichtlich einer ihm aufgetragenen technischen Verbesserung anzustellen, und erfindet er eine solche Verbesserung alsbald nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, ist er, falls anzunehmen ist, daß er die Erfindung bei pflichtgemäßer Arbeitsleistung bereits während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gemacht hätte, aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen positiver Vertragsverletzung verpflichtet, dem früheren Arbeitgeber das auf die Erfindung angemeldete Schutzrecht zu übertragen.

 

Normenkette

Ges. Über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 4; Ges. über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 6; BGB §§ 242, 249, 325-326, 611

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.06.1978)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juni 1978 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klageantrag II (auf Verurteilung der Beklagten zu 1) und 2) auf Übertragung des Gebrauchsmusters 7 240 132 auf den Kläger sowie auf Einwilligung in die Umschreibung) abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger stellt unter anderem Palettier- und Entpalettieranlagen für Flaschen her, die dem unter der Bezeichnung „Vorrichtung zum Ausheben von Flaschen aus ihrem Verpackungskarton” am 29. März 1968 angemeldeten und am 15. Mai 1979 erteilten Patent 1 761 064 entsprechen. Die Beklagten waren als Angestellte im Betrieb des Klägers tätig, der Beklagte zu 1) zuletzt als Leiter der Konstruktionsabteilung, der Beklagte zu 2) als Verkaufsingenieur. Beide kündigten ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 1972 und begannen alsbald mit dem Vertrieb einer Palettiervorrichtung für Flaschen, die einem von ihnen am 3. Februar 1973 angemeldeten und unter der Nummer 7 304 085 eingetragenen Gebrauchsmuster entspricht. Herstellung und Vertrieb dieser Vorrichtungen liegen nunmehr in der Hand der am 19. Oktober 1973 in das Handelsregister eingetragenen Beklagten zu 3). Am 2. November 1972 meldeten die Beklagten das Gebrauchsmuster 7 240 132 an, das eine „Vorrichtung zum reihenweisen Greifen von Behältern, insbesondere Flaschen” betrifft, dessen Schutzanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

„Vorrichtung zum reihenweisen Greifen von Behältern, insbesondere Flaschen, Gläsern, Dosen, mit paarweise angeordneten Greifleisten, die mit einem durch ein Druckmittel aufblähbaren Schlauch den Behälter erfassen, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens eine Greifleiste jedes Paares mit einer Stützplatte versehen ist, an deren unterem Ende und auf der den zu ergreifenden Behältern zugewandten Innenseite der Schlauch angeordnet ist, und daß ein mit dem Schlauch zusammenwirkendes, unter Federspannung stehendes Band vorgesehen ist, das den Schlauch in einen flach gedrückten Zustand drängt.”

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung und Feststellung der Schadenersatzpflicht wegen angeblicher Verletzung seines Patents und eines damit inhaltsgleichen Gebrauchsmusters, hilfsweise auf Feststellung der Abhängigkeit des Gebrauchsmusters 7 304 085 von dem Patent des Klägers in Anspruch genommen und – nach Klageabweisung durch das Landgericht und Einlegung der Berufung hiergegen – im zweiten Rechtszug zusätzlich die Übertragung des Gebrauchsmusters 7 240 132 und Einwilligung der Beklagten zu 1) und 2) in dessen Umschreibung beantragt, und zwar mit der Begründung, es handle sich um eine Diensterfindung.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger sämtliche Klageanträge weiterverfolgt. Der Senat hat durch Beschluß vom 11. Dezember 1979 die Revision nicht angenommen, soweit sie über den die Herausgabe des Gebrauchsmuster 7 240 132 betreffenden Klageantrag hinausging.

Die Beklagten beantragen, die Revision auch wegen dieses Antrags zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt, soweit darüber noch nicht entschieden ist, zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Berufungsgericht hat einen Vindikationsanspruch des Klägers in Bezug auf das Gebrauchsmuster 7 240 132 verneint, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, daß die Beklagten zu 1) und 2) bereits bei ihrem Ausscheiden aus den Diensten des Klägers im Erfindungsbesitz gewesen seien. Die Beweisaufnahme habe kein eindeutiges Ergebnis gebracht. Die Einlassung der Beklagten, sie hätten es in Kenntnis des Arbeitnehmererfindungsrechts vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bewußt unterlassen, nach einer Lösung für eine Palettieranlage zu suchen, die sie künftig hätten herstellen wollen, sei nicht widerlegt. Dies wirke sich zu Lasten des Klägers aus. Danach bestünden hinsichtlich dieses Gebrauchsmusters auch keine Ansprüche aus den §§ 1 und 17 UWG, da die Gebrauchsmusteranmeldung nicht auf der unbefugten Verwertung geheimer Kenntnisse beruhe.

2. Die Revision macht geltend: Bei rechtlich zutreffender Betrachtungsweise hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Beklagten schon vor ihrem Ausscheiden im Erfindungsbesitz gewesen seien. Dafür spreche eine Anzahl von Umständen, so insbesondere der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Beendigung der Arbeitsverhältnisse und der Gebrauchsmusteranmeldung, der eine Vermutung, mindestens aber einen Anscheinsbeweis zu Gunsten des Klägers begründe. Die Beklagten hätten die Vermutung nicht widerlegt, den Anscheinsbeweis nicht erschüttert.

Da die Lehre des Gebrauchsmusters eine Diensterfindung sei, stelle sie auch ein Betriebsgeheimnis dar; dessen Verwertung durch die Beklagten begründe einen Anspruch auf Herausgabe des Gebrauchsmusters auch aus den §§ 1 und 17 UWG und aus § 826 BGB.

Den Beklagten sei es darüber hinaus verwehrt, sich gegenüber dem Kläger darauf zu berufen, daß sie die Lehre des Gebrauchsmusters erst nach dem 30. September 1972 erfunden hätten. Denn sie seien während ihres Dienstverhältnisses mit der Aufgabe betraut gewesen, eine Lösung für das mit dem Vorschlag des Gebrauchsmusters bewältigte Problem zu finden. Da sie es nach ihren eigenen Angaben bewußt unterlassen hätten, nach der Lösung zu suchen, hätten sie sich in diesem Falle einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten schuldig gemacht.

3. Die Rügen der Revision sind teilweise gerechtfertigt.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Tatsachen, die den Tatbestand der Diensterfindung und den der widerrechtlichen Entnahme begründen, zur Behauptungs- und Beweislast des Klägers stehen. Das zieht die Revision auch nicht in Zweifel.

Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, daß sich aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere aus dem zeitlichen Zusammenhang, Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Diensterfindung und damit für den Entnahmetatbestand ergeben können, die dem Kläger den weiteren Beweis erleichtern oder gar ersparen können. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht besonders hervorgehoben und gewürdigt, daß die Beklagten die Erfindung bereits kurze Zeit nach ihrem Ausscheiden aus den Diensten des Klägers zum Gebrauchsmuster angemeldet haben. Es hat in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob danach ein Beweis des ersten Anscheins oder eine Vermutung für das Vorliegen einer Diensterfindung spreche. Richtigerweise hätte es diesen Umstand als ein Beweisanzeichen beurteilen müssen, welches einen Anscheinsbeweis begründet. Die weitere Folgerung, der Beweiswert des zeitlichen Zusammenhangs sei nicht ausreichend, weil die Beweisaufnahme die „Vermutung” erschüttert habe, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil ein Anscheinsbeweis vom Beweisgegner nicht widerlegt zu werden braucht, vielmehr seine Bedeutung bereits einbüßt, wenn er erschüttert wird.

Das Berufungsgericht hat der Parteiaussage des Beklagten zu 2) zwar keinen erheblichen Beweiswert beigemessen. Es hat aber in den Bekundungen der übrigen Zeugen eine teilweise, wenn auch nicht vollständige Bestätigung der Angaben der Beklagten gefunden und ist insgesamt zu dem Schluß gekommen, daß der tatsächliche Hergang nicht im Sinne der Klagebehauptungen aufgeklärt sei. Dieser Schluß erscheint möglich; er verstößt nicht gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze und ist ohne Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften zustande gekommen. Das Revisionsgericht ist deshalb an diese Beurteilung gebunden. Demgegenüber gehen die Beanstandungen der Revision nur dahin, daß das Berufungsgericht die Umstände des Falles und das Beweisergebnis anders hätte würdigen müssen. Die Revision begibt sich damit auf ihr verschlossenes Gebiet.

b) Da mit dem Berufungsgericht davon auszugehen ist, daß sich ein Erfindungsbesitz der Beklagten noch während des Bestehens der Arbeitsverhältnisse nicht hat nachweisen lassen, scheitert nicht nur der Anspruch des Klägers aus § 5 Abs. 4 GbmG, § 5 PatG; auch die Voraussetzungen von Ansprüchen auf Übertragung des Gebrauchsmusters aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 826 BGB oder nach wettbewerbsrechtlichen Vorschriften (§§ 1, 17 UWG) sind nicht nachgewiesen. Denn die Anmeldung des Gebrauchsmusters könnte nur dann als sittenwidrige Verwertung geheimen, im Betrieb erlangten Wissens angesehen werden, wenn die Beklagten die Lehre bereits während ihres Dienstverhältnisses gekannt und entgegen den Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes dem Kläger vorenthalten hätten. In diesem Zusammenhang hilft der Revision auch ihr Hinweis auf die den Beklagten angeblich bekannt gewesene „Maiskizze” des Klägers nicht weiter, und zwar, unabhängig von dem Ausmaß der Übereinstimmung dieser Skizze mit der Lehre des Gebrauchsmusters, weil das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß nicht festgestellt hat, daß die Beklagten diese Skizze gekannt hätten, sondern nur, daß sie sie nach der von dem Zeugen Kustner bekundeten Auffassung hätten kennen müssen.

c) Das Berufungsgericht hat indessen nicht geprüft, ob die Beklagten zur Übertragung des Gebrauchsmusters aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung des Arbeitsvertrages verpflichtet sind. Hierzu hätte nach den getroffenen Feststellungen und dem Parteivorbringen Anlaß bestanden. Aus diesem Grunde kann das angefochtene Urteil, soweit es den Anspruch auf Herausgabe des Gebrauchsmusters verneint, keinen Bestand haben.

Das Berufungsgericht hat der Aussage des Zeugen K. entnommen, die Beklagten seien mit der durch die Lehre des Gebrauchsmusters gelösten Aufgabe im Betriebe des Klägers „konfrontiert” gewesen. Der Zeuge hat wörtlich hierzu vor dem Landgericht ausgesagt, es habe ein „genereller Auftrag an die Konstruktionsabteilung” bestanden, eine Lösung für das Problem des Greifens von Kurzhalsflaschen zu finden. Diese Aussage hat der Zeuge vor dem Oberlandesgericht dahin ergänzt, daß seines Wissens ein besonderer schriftlicher Auftrag an die Beklagten nicht erteilt worden sei; wohl aber seien sie mit dem Problem „durchaus vertraut” gewesen. Nach diesen Bekundungen kann der Schluß naheliegen, daß die Suche nach einer Lösung zu den besonderen vertraglichen Obliegenheiten der Beklagten gehörte, insbesondere des Beklagten zu 1), der als Leiter der Konstruktionsabteilung in erster Linie für die Ausführung eines solchen Auftrags in Betracht kam. Falls ein solcher Auftrag den Beklagten erteilt worden sein sollte, würde insbesondere die Aussage des Beklagten zu 2), die er vor dem Berufungsgericht gemacht hat, die Folgerung nahelegen, daß die Beklagten der Verpflichtung, diesen Auftrag nach Kräften zu erfüllen, schuldhaft nicht nachgekommen sind. Denn der Beklagte zu 2) hat bekundet, er und der Beklagte zu 1) hätten, in Kenntnis des Aneignungsrechts des Arbeitsgebers nach dem ArbEG, bewußt keine konstruktiven Überlegungen in Richtung auf die Lösung des Problems angestellt. Dies wäre, eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten vorausgesetzt, pflichtwidrig gewesen und hätte Schadensersatzansprüche des Klägers wegen positiver Vertragsverletzung auslösen können. Hätten die Beklagten sich pflichtgemäß ihrem Auftrag gewidmet, sich um eine Lösung zu bemühen und hätten sie diese noch während des Dienstverhältnisses auffinden können, dann hätten sie durch ihr pflichtwidriges Verhalten den Kläger um sein Aneignungsrecht nach dem ArbEG gebracht. Ihre Verpflichtung, diesen Schaden wieder gutzumachen, würde in Anwendung der Grundsätze des § 249 BGB zum Inhalt haben, den Kläger so zu stellen, als hätte seine – in dem Übertragungsverlangen liegende – Inanspruchnahme Erfolg gehabt. Sie hätten dem Kläger daher das unterdessen eingetragene Schutzrecht zu übertragen; nach dessen Erlöschen infolge Zeitablaufs wären sie verpflichtet, dem Kläger alle mit dem Gebrauchsmuster verbundenen Rechte abzutreten.

Ob diese Folgerungen zu ziehen sind, hängt freilich von einer erneuten Würdigung der erhobenen Beweise und der gesamten Umstände des Falles ab. Diese ist dem Revisionsgericht verwehrt, vielmehr dem Tatrichter vorbehalten. Deshalb muß die Sache im Umfang der Aufhebung – die sich auch auf die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils erstreckt – an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

4. Da der endgültige Ausgang des Rechtsstreits noch nicht feststeht, ist dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.

 

Unterschriften

Ballhaus, Ochmann, Hesse, Brodeßer, von Albert

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502307

BGHZ

BGHZ, 252

NJW 1981, 345

GRUR 1981, 128

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1980, 1092

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