Leitsatz (amtlich)

Der Erlass eines Teilurteils über einen Vorschussanspruch in Höhe der für die Beseitigung von Schallschutzmängeln erforderlichen Kosten ist unzulässig, wenn der Besteller daneben einen auf dieselben Mängel gestützten, auf Ersatz eines Mietausfalls sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruch geltend macht, über den nicht zugleich entschieden wird.

 

Normenkette

ZPO § 301

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.12.2011; Aktenzeichen 4 U 3/11)

LG Gießen (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen 2 O 67/10)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Teilurteil des 4. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 16.12.2011 teilweise aufgehoben, soweit das Berufungsgericht den Klageantrag gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung eines Kostenvorschusses i.H.v. 49.884,80 EUR zzgl. Zinsen abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Kläger nehmen die Beklagten in unterschiedlichem Umfang auf Zahlung von Vorschuss und Schadensersatz sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Mängelbeseitigungskosten und zum Ersatz weiterer Schäden wegen Mängeln an einem neu errichteten Mehrfamilienhaus mit insgesamt fünf Wohnungen in Anspruch.

Rz. 2

Die Kläger beauftragten die Beklagte zu 1) mit Vertrag vom 29.12.2002/13.1.2003 mit der Lieferung und Erstellung eines Ausbauhauses der Ausbaustufe I, deren Umfang in der Bauleistungsbeschreibung näher umschrieben ist. In § 14 des Vertrags war als Sonderleistung ein "erhöhter Schallschutz wegen mehrerer Wohneinheiten im Gebäude" vereinbart. Die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 2) war von den Klägern mit dem Innenausbau beauftragt worden und die ebenfalls nicht beteiligte Beklagte zu 3) mit der Stellung des Bauantrags.

Rz. 3

Nach Errichtung des Hauses traten Mängel auf. Eine förmliche Abnahme sämtlicher Leistungen der Beklagten zu 1) erfolgte nicht. Nachdem die Kläger die Beklagte zu 1) erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert hatten, beantragten sie wegen der Mängel, u.a. auch wegen eines unzureichenden Schallschutzes, die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung der Mängel und zur Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten.

Rz. 4

Das LG hat die Beklagte zu 1), soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, wegen der Schallschutzmängel zur Zahlung eines Kostenvorschusses i.H.v. 49.884,80 EUR zzgl. Zinsen verurteilt. Daneben hat es den Klägern gegen die Beklagte zu 1) einen u.a. auf diese Mängel gestützten Schadensersatzanspruch wegen eines entstandenen Mietausfallschadens und wegen von ihnen vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten zuerkannt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten zu 1) das Urteil des LG teilweise abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 1) durch Teilurteil abgewiesen, soweit diese auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung der Schallschutzmängel i.H.v. 49.884,80 EUR zzgl. Zinsen gerichtet war.

Rz. 5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger, soweit das Berufungsgericht einen Kostenvorschussanspruch gegen die Beklagte zu 1) wegen der Schallschutzmängel einschließlich Zinsen aberkannt hat, die Aufhebung des Teilurteils und die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils, soweit das Berufungsgericht einen Vorschussanspruch der Kläger in Höhe der zur Beseitigung der Schallschutzmängel erforderlichen Kosten zzgl. Zinsen gegen die Beklagte zu 1) abgelehnt hat, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht führt aus, es könne hinsichtlich der Schallschutzmängel von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Teilurteil Gebrauch machen. Das Bestehen eines Kostenvorschussanspruchs in Höhe der Mängelbeseitigungskosten sei hinsichtlich der geltend gemachten Folgeschäden (Mietausfall, vorgerichtliche Kosten) präjudiziell. Es ist der Auffassung, den Klägern stehe wegen Mängeln des Schallschutzes an den Innendecken kein Anspruch auf Gewährleistung gegen die Beklagte zu 1) zu. Die Beklagte zu 1) habe die Decke über dem Erdgeschoss und über dem 1. Obergeschoss nach Ziff. 2.0 der Bauleistungsbeschreibung als massive Balkendecke mit aufliegender 22 mm Holzwerkstoffplatte geschuldet. Der weitere Innenausbau habe den Klägern selbst oblegen. Es sei unerheblich, dass im Bauvertrag die Herstellung eines erhöhten Schallschutzes vereinbart worden sei. Diese Verpflichtung habe sich mangels näherer Angaben allein auf die von der Beklagten zu 1) geschuldete Werkleistung bezogen. Die mangelnde Tritt- und Luftschalldämmung der beiden Innendecken des Hauses beruhe nach den Ausführungen der Sachverständigen jedoch nicht auf der Ausführung der Holzbalkendecke oder der darauf befestigten Holzwerkstoffplatte, sondern darauf, dass der weitere Ausbau und der Fußbodenaufbau mangelhaft ausgeführt worden seien.

II.

Rz. 8

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rz. 9

1. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils liegen nicht vor. Der Erlass eines Teilurteils ist unzulässig, wenn aufgrund der Entscheidung über den Teil des Anspruchs die Gefahr besteht, dass es bei der Entscheidung über den noch anhängigen Streitgegenstand im Schlussurteil zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn der durch Teilurteil beschiedene Anspruch und der noch rechtshängige Anspruch von gemeinsamen Vorfragen abhängen (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012 - VII ZR 25/11, BauR 2012, 1391 Rz. 11 = NZBau 2012, 440; v. 29.3.2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rz. 15; v. 28.11.2002 - VII ZR 270/01, BauR 2003, 381 [382] = NZBau 2003, 153, jeweils m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Die im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe der Mängelbeseitigungskosten erhebliche Vorfrage, ob die Beklagte zu 1) für die zugrunde liegenden Schallschutzmängel einzustehen hat, stellt sich für die Entscheidung über den auf diese Mängel gestützten weiteren Schadensersatzanspruch wegen des behaupteten Mietausfallschadens und der vorgerichtlich aufgewendeten Sachverständigenkosten erneut. Es besteht deshalb die Gefahr, dass hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Vorschuss- und des Schadensersatzanspruchs einander widersprechende Entscheidungen ergehen.

Rz. 10

Soweit das Berufungsgericht gemeint haben sollte, das erlassene Teilurteil entfalte eine Bindungswirkung auch hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden, vom LG zuerkannten Schadensersatzansprüche auf Ersatz eines infolge der Schallschutzmängel entstandenen Mietausfallschadens sowie vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten, weil insoweit über einen einheitlichen Lebenssachverhalt entschieden werde, ist diese Auffassung rechtsirrig. Eine solche Bindungswirkung kommt dem Teilurteil nicht zu.

Rz. 11

Ein Sachurteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann, und zwar auch dann, wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ins Auge gefasst hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.1997 - KZR 44/95, NJW 1997, 2954 [2955]; v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, NJW 1995, 1757 [1758]; v. 13.12.1989 - IVb ZR 19/89, BauR 1990, 249, 250, jeweils m.w.N.). Bei dem Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe der zur Beseitigung von Schallschutzmängeln erforderlichen Mängelbeseitigungskosten gem. § 637 Abs. 3 BGB und dem ergänzend geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen eines infolge desselben Mangels entstandenen Mietausfallschadens sowie wegen vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten gem. §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281 BGB handelt es sich um verschiedene Lebenssachverhalte und damit um verschiedene Streitgegenstände, weil die Ansprüche auf den Ausgleich unterschiedlicher Mangelfolgen gerichtet sind.

Rz. 12

Dies bedeutet, dass durch das angefochtene Teilurteil lediglich festgestellt wird, dass den Klägern der geltend gemachte Vorschussanspruch wegen der zur Beseitigung der Schallschutzmängel erforderlichen Kosten i.H.v. 49.884,80 EUR gegen die Beklagte zu 1) nicht zusteht. Durch die Abweisung dieses Vorschussanspruchs wird jedoch nicht zugleich bindend festgestellt, dass die Kläger gegen die Beklagte zu 1) auch keinen Anspruch auf Ersatz des ihnen aufgrund der Schallschutzmängel entstandenen, über die Mängelbeseitigungskosten hinausgehenden Mietausfallschadens und der von ihnen vorgerichtlich aufgewendeten Sachverständigenkosten haben.

Rz. 13

2. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 14

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung, die Beklagte zu 1) sei nicht für die unzureichende Schalldämmung verantwortlich, beruht auf einem Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte zu 1) sei nicht für die unzureichende Entkoppelung der Decken von den Wänden verantwortlich. Dies ergebe sich aus den Sanierungsvorschlägen der Sachverständigen, die die von der Beklagten zu 1) ausgeführte Holzbalkendecke einschließlich der aufgebrachten Holzwerkstoffplatte unangetastet ließen. Dieser Schluss ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht zutreffend. Denn es ist denkbar, dass die vom Sachverständigen P. beanstandete Geräuschübertragung über die flankierenden Bauteile bereits durch Maßnahmen vermieden worden wäre, die die Bauleistung der Beklagten zu 1) betrafen. Ob das der Fall ist, ist bislang nicht Gegenstand der Begutachtung gewesen. Daraus, dass die Sachverständigen zur Sanierung Maßnahmen vorgesehen haben, die die Ausführung der Unterdecke, den weiteren Deckenaufbau sowie die Anbringung von Vorsatzschalen an den Wänden zum Gegenstand haben, folgt das nicht. Vielmehr können sie der Ansicht gewesen sein, dass Eingriffe in die von der Beklagten zu 1) erstellte Deckenkonstruktion nicht mehr gewollt oder sinnvoll sind. Das Berufungsgericht wird sich nach der Zurückverweisung mit dieser Frage befassen und dem Sachverständigen konkret die Frage stellen müssen, ob die Beklagte zu 1) bereits bei den von ihr zu erbringenden Bauleistungen Maßnahmen hätte treffen können und müssen, um die Voraussetzungen für den vereinbarten erhöhten Schallschutz zu schaffen.

 

Fundstellen

DB 2014, 7

NJW 2014, 6

BauR 2014, 2127

EBE/BGH 2014

NJW-RR 2014, 1298

JZ 2014, 629

MDR 2014, 1138

NJ 2014, 4

NJ 2014, 527

ZfBR 2014, 759

NZBau 2014, 5

NZBau 2014, 695

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