Leitsatz (amtlich)

Die berührungslose Augeninnendruckmessung (Tonometrie) und die Prüfung des Gesichtsfeldes mittels einer Computermessung (automatische Perimetrie) durch Optiker verstößt gegen § 1 HeilprG, sofern sie nur mit einem allgemein gehaltenen Hinweis verbunden wird, der nicht hinreichend deutlich über die mit diesen Leistungen verbundene mittelbare Gesundheitsgefährdung aufklärt.

 

Normenkette

HeilprG § 1 Abs. 2; UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach

OLG Koblenz

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Juli 1996 im Kostenpunkt und im Umfang der im neu gefaßten Tenor ausgesprochenen Verbote unter I. 1. a) (3) aa) und bb) hinsichtlich des Anbietens und der Durchführung der berührungslosen Augeninnendruckmessung (Tonometrie) und der Prüfung des Gesichtsfeldes (automatische Perimetrie) sowie I. 1. b) (3) aa) hinsichtlich der Werbung für berührungslose Augeninnendruckmessung aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt ein Optikergeschäft. Im Jahre 1994 bot sie in Zeitungen, auf der Rückseite von Kundenrechnungen und auf Schildern vor ihrem Ladengeschäft optometrische Dienstleistungen an. Dabei handelt es sich unter anderem um berührungslose Augeninnendruckmessungen (Tonometrie) und um die Prüfung des Gesichtsfeldes mittels einer Computermessung (automatische Perimetrie). Diese Leistungen erbrachte die Beklagte auch in ihren Geschäftsräumen.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat – neben dem Angebot anderer Dienstleistungen, die nicht (mehr) Gegenstand des Revisionsverfahrens sind – das Angebot und die Durchführung der vorbezeichneten Leistungen im Geschäft der Beklagten sowie die Werbung für die berührungslose Augeninnendruckmessung als Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 Abs. 2 HeilprG beanstandet und Unterlassung begehrt, weil es sich dabei um Augenärzten vorbehaltene Heilbehandlungen handele. Hilfsweise hat sie verlangt, die Tätigkeiten und die Werbung der Beklagten hierfür zu verbieten, wenn die Kunden vor der Durchführung der Maßnahme bzw. in der Werbung nicht darauf hingewiesen würden, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund am Auge ausschließen könne, und/oder wenn die Beklagte den Kunden nach Durchführung der Maßnahme sinngemäß mitteile, es habe sich ein normaler Wert oder Befund ergeben.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Beklagten (unter d des Urteilsausspruchs) unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel und Abweisung der Klage im übrigen untersagt, die vorbezeichneten Dienstleistungen in ihrem Geschäft anzubieten und durchzuführen, wenn sie den Kunden nach Durchführung der Maßnahme mitteile, es habe sich ein normaler Befund oder Wert ergeben. Es hat ihr ferner die Werbung für die berührungslose Augeninnendruckmessung untersagt, wenn die Leistungen kostenlos angeboten würden.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert, den Urteilsausspruch neu gefaßt und dabei – soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung – der Beklagten unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt,

1. a) in ihrem Augenoptikergeschäft folgende Dienstleistungen anzubieten und durchzuführen:

(3)

  1. berührungslose Augeninnendruckmessung (Tonometrie)

    und/oder

  2. Prüfung des Gesichtsfeldes (automatische Perimetrie),

ohne den Kunden vor Durchführung der Maßnahme darauf hinzuweisen, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann,

b) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in werblichen Mitteilungen folgende Dienstleistungen anzubieten:

(3)

  1. berührungslose Augeninnendruckmessung (Tonometrie)

    und/oder

  2. Prüfung des Gesichtsfeldes (automatische Perimetrie)

ohne in der Werbung darauf hinzuweisen, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann,

zu b): insbesondere, wenn dies so geschieht wie in den nachstehend wiedergegebenen Anzeigen, Rückseiten der Rechnungen der Beklagten und Werbetafeln (es folgen verschiedene Beispiele).

Auf die Revision der Klägerin hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufgehoben, als die unter 1. a) (3) aa) und bb) sowie unter 1. b) (3) aa) ausgesprochenen Verbote den Zusatz „ohne den Kunden vor Durchführung der Maßnahme (bzw. in der Werbung) darauf hinzuweisen, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann” enthalten, und im Umfang der Aufhebung auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts dahingehend abgeändert, daß dieser Zusatz entfällt (BGH, Urt. v. 10.12.1998 – I ZR 137/96, GRUR 1999, 512 = WRP 1999, 315 – Optometrische Leistungen I).

Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht (2. Kammer des Ersten Senats) dieses Urteil durch Beschluß vom 7. August 2000 – 1 BvR 254/99 – wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG aufgehoben und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen (BVerfG NJW 2000, 2736).

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren nunmehr in dem Umfang weiter, in dem ihre Revision in dem ersten Urteil des Senats Erfolg hatte. Hilfsweise beantragt sie, den im Urteil des Berufungsgerichts bei den Verboten unter 1. a) (3) aa) und bb) sowie unter 1. b) (3) aa) enthaltenen Zusatz dahingehend zu fassen, daß der Kunde vor der Durchführung der Maßnahme durch eine von ihm zu unterzeichnende schriftliche Belehrung darüber aufzuklären sei,

  1. daß die Messungen nur eine ergänzende Hilfsdiagnosefunktion (Indizfunktion) für die Glaukomerkennung erfüllen könnten,
  2. daß eine sichere Diagnose nur durch einen Augenarzt geleistet werden könne,
  3. daß eine Fehlerquote der Messungen (Verkennung eines tatsächlich vorliegenden Glaukoms) sehr hoch (bis zu 50 %) sei,
  4. sowie darüber, was ein Glaukom sei und welche Gefahren damit verbunden seien,
  5. wobei der Begriff „Normalwert” oder ähnliche Begriffe nicht verwendet werden dürften.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat das Angebot der in Rede stehenden Leistungen, deren Durchführung und die Werbung hierfür nicht schlechthin untersagt, sondern nur entsprechend dem hilfsweisen Klagebegehren. Hierzu hat es ausgeführt:

Das Anbieten und Durchführen der Tonometrie durch die Beklagte sei nicht generell wettbewerbswidrig. Die berührungslose Augeninnendruckmessung durch einen Optiker verstoße nur dann gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 Abs. 2 HeilprG sowie gegen § 3 UWG, wenn der Optiker den Kunden vor einer Untersuchung nicht darüber aufkläre, daß das Verfahren nur zur Abklärung eines Indizes für ein Glaukom geeignet sei, ein Wert im statistischen Normalbereich deshalb kein Beweis für ein gesundes Auge sei und eine abschließende Beurteilung nur durch einen Augenarzt vorgenommen werden könne. Außerdem sei das Verhalten ohne eine derartige Aufklärung irreführend.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 HeilprG erfasse anerkanntermaßen heilkundliche Verrichtungen nicht, die für sich gesehen kein ärztliches Fachwissen voraussetzten und keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge hätten, es sei denn, eine mittelbare Gesundheitsgefährdung sei die Folge, etwa weil ein Leiden, dessen Diagnose ärztliches Fachwissen erfordere, nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werde. Auf dieser Grundlage sei einem Optiker das Anbieten und Durchführen der Tonometrie grundsätzlich erlaubt; denn dieses Verfahren setze kein ärztliches Fachwissen voraus und könne keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben. Die Beklagte gebe auch nicht vor, ein Glaukom positiv oder negativ diagnostizieren zu können oder zu wollen, sondern biete lediglich eine Messung des Augeninnendrucks an und teile sodann mit, ob nach dem Meßergebnis statistisch gesehen von einem erhöhten Augeninnendruck auszugehen sei. Daß die Mitarbeiter der Beklagten nach der Messung mitteilten, es habe sich ein normaler Wert ergeben, rechtfertige, da es sich dabei nur um eine formalisierte Einordnung des Meßergebnisses handele, keine andere Beurteilung. Eine mittelbare Gefährdung könne von der Untersuchung jedoch dann ausgehen, wenn der Optiker den Kunden nicht darüber aufkläre, daß nur ein Augenarzt zuverlässig eine Glaukomerkrankung ausschließen könne. Es bestehe die nicht fernliegende Gefahr, daß der hierüber nicht aufgeklärte Kunde sich zu Unrecht gesund wähne und wegen des Ergebnisses im Normbereich davon abgehalten werde, einen Augenarzt aufzusuchen, was zu irreversiblen Schäden des Auges mit der Folge der Erblindung führen könne.

Auch das Anbieten und Durchführen der automatischen Perimetrie sei weder nach § 1 UWG i.V. mit § 1 Abs. 2 HeilprG noch nach § 3 UWG wettbewerbswidrig, wenn die Beklagte den Kunden vorher darüber aufkläre, daß nur ein Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen könne. Die automatische Perimetrie sei grundsätzlich keine Heilbehandlung i.S. des § 1 Abs. 2 HeilprG. Ihre Ergebnisse lieferten Aussagen über Erkrankungen der Netzhaut, der Sehnerven, der Sehbahnen (innerhalb des Gehirns) und der Sehzentren des Gehirns. Die bei ihrer Durchführung erforderliche hohe Konzentration der Probanden könne zwar in Einzelfällen zu einer psychischen Belastung führen; das reiche aber zur Annahme einer nennenswerten Gesundheitsgefährdung nicht aus. Jedoch bestehe eine mittelbare Gefährdung der Kunden, weil ein aus statistischer Sicht im Normbereich liegender Befund noch keine Garantie dafür darstelle, daß das Gesichtsfeld im Einzelfall unversehrt sei. Es sei deshalb nicht auszuschließen, daß ein Kunde, der keine subjektiven Beschwerden habe, tatsächlich aber an einer Augenkrankheit leide, wegen des normalen Ergebnisses der perimetrischen Prüfung davon abgehalten werden könnte, einen Augenarzt aufzusuchen. Diese Gefahr entfalle aber, wenn die Beklagte vor der Untersuchung darauf hinweisen müsse, daß nur ein Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen könne.

Soweit die Klägerin ein generelles Verbot der Werbung für die berührungslose Augeninnendruckmessung begehre, könne sie damit nicht durchdringen. Die Beklagte sei allerdings verpflichtet, in der Werbung darauf hinzuweisen, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen könne. Die Werbung wecke sonst bei dem Verbraucher die unzutreffende Vorstellung, die Augeninnendruckmessung reiche als Vorsorgeuntersuchung für das Erkennen einer Glaukomerkrankung aus, während das Meßergebnis in Wahrheit nur ein Indiz hierfür sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision der Klägerin haben Erfolg, soweit sie sich dagegen richten, daß das Berufungsgericht hinsichtlich der auf die Tonometrie und die Perimetrie bezogenen Anträge zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Sie führen in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Gegenstand des erneuten Revisionsverfahrens ist nur noch das vom Senat uneingeschränkt ausgesprochene Verbot des Anbietens und Durchführens der berührungslosen Augeninnendruckmessung (Tonometrie) und der Prüfung des Gesichtsfeldes mittels einer Computermessung (automatische Perimetrie) sowie das Verbot der Werbung für die Tonometrie. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Tenor seines Beschlusses vom 7. August 2000 das Senatsurteil vom 10. Dezember 1998 formell insgesamt aufgehoben. Aus den Gründen des Beschlusses ist jedoch ersichtlich, daß das Senatsurteil nur insoweit als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen worden ist, als die Berufung der Klägerin Erfolg hatte und zu einem uneingeschränkt ausgesprochenen Verbot geführt hat. Soweit der Senat hinsichtlich der Prüfung des Dämmerungssehens und der Blendempfindlichkeit mittels eines Nyktometers die Klageabweisung bestätigt hat, hat es damit aus den im Senatsurteil angeführten Gründen auch weiterhin sein Bewenden. Dies gilt auch, soweit der Senat in seinem ersten Urteil ausgeführt hat, daß der Rechtsstreit hinsichtlich der Werbung für die Prüfung des Gesichtsfeldes nicht in die Revisionsinstanz gelangt ist.

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, im Anbieten und Durchführen der Tonometrie und der Perimetrie durch Augenoptiker sowie in der Werbung hierfür sei jedenfalls dann kein Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 Abs. 2 HeilprG sowie gegen § 3 UWG zu sehen, wenn – entsprechend dem Hilfsbegehren der Klägerin – vor Durchführung der Maßnahme bzw. in der Werbung darauf hingewiesen werde, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen könne, hält auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung allerdings – wie der Senat bereits in seinem ersten Urteil ausgeführt hat – von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen.

Nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist Ausübung der Heilkunde jede berufs- und gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten oder Körperschäden, auch wenn sie im Dienste eines anderen ausgeübt wird. Diese Begriffsbestimmung ist ihrem Wortlaut nach sehr weit gefaßt. Bei wörtlicher Auslegung würden auch zahlreiche heilkundliche Verrichtungen mehr handwerklicher oder technischer Art unter das Ausübungsverbot fallen, was ersichtlich nicht der Sinn und Zweck des Gesetzes sein sollte (BGH, Urt. v. 4.2.1972 – I ZR 104/70, NJW 1972, 1132, 1133 – Augenoptiker). Die mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG gebotene verfassungskonforme Auslegung erfordert Einschränkungen. Vom Ausübungsverbot werden dementsprechend nur Tätigkeiten erfaßt, die ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen und keine gesundheitlichen Schädigungen zur Folge haben können, wobei auch nur mittelbare Gesundheitsgefährdungen genügen, etwa dadurch, daß das frühzeitige Erkennen ernster Leiden, das ärztliches Fachwissen voraussetzt, verzögert werden kann und daß die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung nicht nur geringfügig ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.9.1977 – 1 StR 389/77; Urt. v. 29.6.1987 – II ZR 5/87, NJW 1987, 2928, 2930 m.w.N.; BVerwGE 23, 140, 146; 35, 308, 310; Pelchen in Erbs/Kohlhaas/Pelchen, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 HeilprG Rdn. 8).

Dieser rechtliche Maßstab wird auch durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nicht in Frage gestellt. Ergänzend wird dort jedoch – für das weitere Verfahren bindend (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) – darauf verwiesen, daß sich in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit in Gestalt eines Tätigkeitsverbots nur mit mittelbaren Gefahren für die Volksgesundheit begründet wird, Verbot und Schutzgut so weit voneinander entfernen, daß bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten ist. Die Gefahren müssen hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig erfolgversprechend sein.

b) Ob die mit der Durchführung der Tonometrie und der Perimetrie durch Augenoptiker verbundenen Gesundheitsgefahren in diesem Sinne wahrscheinlich sind und ob sie sich bei einem aufklärenden Hinweis der vom Berufungsgericht als genügend angesehenen Art hinreichend ausschließen lassen, kann auf der Grundlage der bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.

Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet angenommen, daß die in Rede stehenden Verrichtungen kein ärztliches Fachwissen voraussetzen und daß mit ihnen zudem keine konkreten Gesundheitsgefahren verbunden sind. Weiterer Aufklärung bedarf aber die von ihm bejahte Frage, ob auch keine mittelbaren Gesundheitsgefahren zu befürchten sind, wenn der Kunde vorab den Hinweis erhält, daß ein krankhafter Befund nur durch einen Augenarzt zuverlässig ausgeschlossen werden kann.

aa) Wie der Senat bereits in seinem ersten Urteil ausgeführt hat, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß mit der berührungslosen Augeninnendruckmessung grundsätzlich eine mittelbare Gesundheitsgefährdung verbunden ist. Das Berufungsgericht hat es als unstreitig angesehen, daß die Messung nur eine begrenzte Aussagekraft hat. Dazu hat es ausgeführt, ein erhöhter Augeninnendruck sei lediglich ein Indiz für ein Glaukom. Auch bei erhöhtem Augeninnendruck müsse der Kunde nicht krank sein; andererseits könne er aber bei nicht erhöhtem Augeninnendruck an einem sogen. Niederdruckglaukom leiden. Damit bestehe die nicht fernliegende Gefahr, daß der Kunde sich zu Unrecht gesund wähne und wegen des Ergebnisses im Normbereich davon abgehalten werde, einen Augenarzt aufzusuchen. Das könne im Einzelfall gefährlich sein; denn unstreitig müsse ein Glaukom frühzeitig behandelt werden, damit es nicht zu irreversiblen Schäden des Auges mit Erblindung komme.

Auch bei der Prüfung des Gesichtsfeldes besteht nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine mittelbare Gesundheitsgefährdung der Kunden, die sich beim Augenoptiker einer solchen Prüfung unterziehen. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Ergebnisse der Perimetrie lieferten Aussagen über Erkrankungen der Netzhaut, der Sehnerven, der Sehbahnen (innerhalb des Gehirns) und der Sehzentren des Gehirns. Ein aus statistischer Sicht im Normbereich liegender Befund gebe nach dem von der Klägerin vorgelegten und von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Privatgutachten noch keine Garantie dafür, daß das Gesichtsfeld im Einzelfall unversehrt sei. Umgekehrt müsse eine Abweichung von der Norm nicht krankheitsbedingt sein. Nach Prof. Dr. D. seien ca. 15 – 25 % der Befunde fehlerhaft. Damit sei bei Durchführung der Untersuchung durch den Optiker die mittelbare Gefahr nicht auszuschließen, daß ein Kunde, der keine subjektiven Beschwerden habe, tatsächlich aber an einer Augenkrankheit leide, wegen eines angeblich normalen Ergebnisses der perimetrischen Prüfung davon abgehalten werde, einen Augenarzt aufzusuchen.

bb) Das Berufungsgericht hat des weiteren angenommen, daß die aufgezeigten mittelbaren Gesundheitsgefahren für sich gesehen nicht ausreichten, ein generelles Verbot der Tonometrie und der Perimetrie zu begründen. Es ist vielmehr davon ausgegangen, daß die mittelbaren Gesundheitsgefahren entfielen, sofern über diese hinreichend aufgeklärt werde.

Demgegenüber hat der Senat in seinem ersten Urteil offen gelassen, ob die Erfüllung von Aufklärungspflichten überhaupt aus dem Verbotstatbestand herausführen kann. Denn jedenfalls der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Hinweis sei so allgemein gehalten, daß er nicht ausreiche, die festgestellten mittelbaren Gesundheitsgefahren auszuschließen. Die Annahme des Berufungsgerichts, bei einer Aufklärung entfielen die mittelbaren Gesundheitsgefahren, hält indessen der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, so daß zur Frage einer Einschränkung des Verbots durch einen aufklärenden Hinweis weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind (vgl. nachfolgend unter cc).

Von einer Aufhebung und Zurückverweisung könnte nur dann abgesehen werden, wenn allein die vom Berufungsgericht aufgezeigten mittelbaren Gesundheitsgefahren ein generelles Verbot der Tonometrie und Perimetrie rechtfertigen würden, ohne daß es auf einen aufklärenden Hinweis ankäme. Davon kann jedoch aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausgegangen werden. Danach würde ein solches generelles Verbot die Beklagte in ihrer Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Es lasse sich nicht durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls rechtfertigen, da in die gebotene Gesamtabwägung auch der Nutzen einer Durchführung von Tonometrie und Perimetrie durch Augenoptiker einzubeziehen sei, der in der Wahrscheinlichkeit einer vermehrten Aufdeckung von vorhandenen oder drohenden Augenerkrankungen bestehe. Dem verbleibenden Risiko, daß ein in Wahrheit erkrankter Kunde im Anschluß an eine bei ihm ohne Befund gebliebene Optiker-Untersuchung von einem Besuch beim Augenarzt absehe, könne durch einen aufklärenden Hinweis ausreichend begegnet werden. Dieses Verständnis des Bundesverfassungsgerichts, nach dem ein generelles Verbot der Tonometrie und der Perimetrie zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Berufsausübungsfreiheit führt, ist für den Senat bindend (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). Es beruht auf der vom Bundesverfassungsgericht für geboten erachteten Berücksichtigung der Bedeutung und der Tragweite des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit. Deshalb verweist die Revision auch ohne Erfolg darauf, daß die Ausführungen auf der Würdigung eines tatsächlichen Sachverhalts beruhten, die Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen sei. Die vor allem auf Stellungnahmen des Bundesverwaltungsgerichts und der Berufsverbände beruhenden Plausibilitätserwägungen des Bundesverfassungsgerichts sind ersichtlich nicht als abschließende Feststellungen gedacht, wie den Formulierungen „eher fernliegend” und „erscheint plausibel” zu entnehmen ist. Diese Erwägungen werden aber in die erneute Prüfung einzubeziehen sein, welche Anforderungen an den gebotenen aufklärenden Hinweis zu stellen sind. Daß ein derartiger Hinweis, sofern er hinreichend deutlich über die Gefahren und Risiken aufklärt, geeignet sein kann, mittelbare Gesundheitsgefährdungen auszuschließen, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Dies hat der Senat in seinem ersten Urteil nicht ausgeschlossen. Er hat vielmehr zu Gunsten der Beklagten die generelle Möglichkeit einer aus dem Verbotstatbestand herausführenden Aufklärung unterstellt, jedoch anders als das Berufungsgericht den konkret in Rede stehenden Hinweis nicht genügen lassen.

cc) Insoweit wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß die von diesem aufgezeigten mittelbaren Gesundheitsgefahren nicht zu befürchten seien, sofern vorab darüber aufgeklärt werde, daß ein krankhafter Befund nur durch einen Augenarzt zuverlässig ausgeschlossen werden könne.

Wie der Senat bereits in seinem ersten Urteil ausgeführt hat, hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung dafür sprechen können, daß ein so allgemein gehaltener Hinweis bei allen Kunden der Beklagten die nötige Beachtung findet und daher hinreichend über die konkret bestehenden Gefahren und Risiken aufklärt, nämlich die Schwere und Wahrscheinlichkeit möglicher Gesundheitsgefahren mit – im Falle nicht rechtzeitiger Behandlung – irreversiblen Schäden des Auges, die zur Erblindung führen können. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß ein nicht unerheblicher Teil der Kunden der Beklagten, die bei dieser eine Messung bzw. Prüfung vornehmen lassen, sich damit zufrieden gibt, daß eine mit Fragen der Sehfähigkeit vertraute Person diese Maßnahmen vorgenommen hat, und deshalb meint, sich keiner weiteren Kontrolle des Auges mehr unterziehen zu müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn den Kunden – was das Berufungsgericht als zulässig angesehen hat – nach Durchführung der Maßnahmen mitgeteilt wird, es habe sich ein normaler Wert oder Befund ergeben. Selbstverständlich erwarten die Kunden auch eine Mitteilung des Ergebnisses der Messung bzw. Prüfung. Denn es erscheint – worauf die Revision zu Recht hinweist – fernliegend, daß die von der Beklagten angesprochenen Personen eine Augeninnendruckmessung und eine Prüfung des Gesichtsfeldes lediglich um ihrer selbst willen – gewissermaßen zur Befriedigung einer nicht diagnostisch orientierten Neugierde – vornehmen lassen; es ist vielmehr kein anderer Zweck erkennbar als der, etwas über den Gesundheitszustand des Auges und die Möglichkeiten einer Erkrankung zu erfahren. Der Senat hat in seinem ersten Urteil außerdem ausgeführt, daß – was im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts allerdings in Zweifel gezogen wird – im Falle einer Messung bzw. Prüfung durch den Optiker ohne Auffälligkeiten erfahrungsgemäß nicht unerhebliche Teile der Kunden ungeachtet des vorab gegebenen Hinweises, daß eine gesicherte Abklärung nur durch einen Augenarzt erfolgen könne, mit einem Gefühl trügerischer Sicherheit darauf vertrauen, daß schon alles in Ordnung sei, und von dem an sich erforderlichen Arztbesuch abgebracht werden. Aufgrund all dieser Umstände erscheint, jedenfalls solange der Hinweis nur allgemein gehalten ist, die Gefahr nicht ausgeschlossen, daß schwere Erkrankungen des Auges, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits im Frühstadium einer Behandlung bedürfen, zunächst unerkannt bleiben. Dies muß jedenfalls gelten, solange die konkrete Bedeutung und Aussagekraft der von der Beklagten angebotenen Messungen und Prüfungen nicht allgemein bekannt sind. Wie der Senat in seinem ersten Urteil, auf das insoweit Bezug genommen wird, ausgeführt hat, ergeben die Akten für eine solche Allgemeinkenntnis keine Anhaltspunkte.

dd) Dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts läßt sich keine abschließende und bindende Entscheidung entnehmen, die einer Berücksichtigung vorstehender Erwägungen entgegenstehen könnte. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dem Risiko, daß ein in Wahrheit erkrankter Kunde im Anschluß an eine bei ihm ohne Befund gebliebene Optiker-Untersuchung von einem an sich geplanten Besuch beim Augenarzt absehe, könne gerade durch den vom Berufungsgericht angeordneten aufklärenden Hinweis ausreichend begegnet werden. Diese Äußerung schließt aber an die Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts an, es erscheine plausibel, daß die Wahrscheinlichkeit einer Aufdeckung von vorhandenen oder drohenden Augenerkrankungen nach der Durchführung einer Untersuchung mittels Tonometrie und Perimetrie durch einen Augenoptiker, d.h. deren Nutzen, größer sei als das genannte Risiko. Mit der Übernahme der Formulierung „erscheint es plausibel” ist erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß keine abschließende Feststellung getroffen, sondern lediglich eine Schlüssigkeitskontrolle vorgenommen werden sollte. Auch die weiteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, es sei eher fernliegend, das Verbot der Messungen durch den Optiker als einen Beitrag zur Verbesserung der Volksgesundheit zu werten, sprechen dagegen, die zuvor getroffene Aussage, dem verbleibenden Risiko könne gerade durch den vom Berufungsgericht angeordneten aufklärenden Hinweis ausreichend begegnet werden, im Sinne einer abschließenden Feststellung zu verstehen. Andernfalls wäre auch der nachfolgende Hinweis nicht veranlaßt gewesen, für eine entsprechende Sachverhaltsbewertung hätte es der Darlegung bedurft, daß sich die Anzahl der beschwerdefreien Personen, die bisher vorsorglich die Augenärzte zur Durchführung von Tonometrie und Perimetrie konsultiert habe, durch das Angebot der Optiker stärker vermindere als die Zahl derjenigen wachse, die nach der Messung durch einen Optiker den Arzt aufsuche.

Die Plausibilitätserwägungen des Bundesverfassungsgerichts stehen im übrigen im Gesamtzusammenhang mit der Aussage, daß die grundsätzlich gegebene Möglichkeit eines aufklärenden Hinweises unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Annahme eines generellen Verbots entgegensteht. Zu der der tatrichterlichen Würdigung durch die Fachgerichte unterliegenden Frage, wie der aufklärende Hinweis im konkreten Fall beschaffen sein muß, und zu den Bedenken des Senats, daß jedenfalls der im Verbotsausspruch des Berufungsgerichts enthaltene einschränkende Hinweis nur allgemeiner Natur ist und deshalb nicht ausreicht, hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert.

3. Der Senat sieht sich beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden, ob der im Verbotsausspruch des Berufungsgerichts enthaltene aufklärende Hinweis ausreicht und, falls dies zu verneinen ist, welchen Inhalt der Hinweis haben muß, um die festgestellten mittelbaren Gesundheitsgefahren hinreichend auszuschließen. Insoweit bedarf es einer weiteren tatrichterlichen Prüfung. Dabei wird die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zugrundezulegen sein, daß sich in den Fällen, in denen der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit in Gestalt eines Tätigkeitsverbots nur mit mittelbaren Gefahren für die Volksgesundheit begründet wird, Verbot und Schutzgut so weit voneinander entfernen, daß die Gefahren hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig erfolgversprechend sein müssen. Von letzterem hängen auch die Anforderungen an den Inhalt des im Streitfall gebotenen aufklärenden Hinweises ab.

Die im ersten Urteil des Senats enthaltenen Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit eines Gesundheitsschadens, mit denen der Senat seine Auffassung begründet hat, daß jedenfalls der hier gegebene Hinweis nicht ausreicht (vgl. oben unter II. 2 b cc), werden zumindest teilweise durch die vom Bundesverfassungsgericht angeführten tatsächlichen Umstände in Zweifel gezogen, die über die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und die ergänzende Wertung des Senats hinausgehen. Namentlich zu den berücksichtigten Stellungnahmen des Bundesverwaltungsgerichts und der Berufsverbände haben die Parteien keine Äußerungen abgeben können, die im wiedereröffneten Revisionsverfahren berücksichtigt werden könnten (§ 561 Abs. 1 ZPO). Dies gilt insbesondere auch für die ergänzenden Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 7. Februar 2001, in dem diese u.a. ausgeführt hat, sie sei zu der vom Bundesverfassungsgericht vermißten Begründung in der Lage. Sie hat insoweit unter Bezugnahme auf das vorgelegte Gutachten Prof. Dr. O. dargelegt, daß der Personenkreis, der sich in trügerischer Sicherheit wähnt, aufgrund des Angebots und der Ankündigung von Tonometrie und Perimetrie durch Optiker erheblich erweitert wird. Es entspricht dem Gebot prozessualer Fairneß sowie dem Erfordernis des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, den Parteien im Rahmen einer neuen Tatsachenverhandlung vor dem Berufungsgericht die Möglichkeit zu eröffnen, sich zu diesen neuen Umständen zu äußern. Die Klägerin wird dabei Gelegenheit haben, ihr Vorbringen zu den Anforderungen an einen die mittelbaren Gesundheitsgefahren hinreichend ausschließenden aufklärenden Hinweis, wie es dem in der Revisionsinstanz neu formulierten Hilfsantrag zugrunde liegt, zu präzisieren. Das Berufungsgericht wird dabei auch die Antragsfassung und in diesem Zusammenhang insbesondere zu erörtern haben, ob der im Hilfsantrag enthaltene einschränkende Zusatz letztlich nur als Minus gegenüber dem Hauptantrag gedacht ist mit der Folge, daß dann nur ein unechter Hilfsantrag vorläge.

III. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision der Klägerin insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der auf die Tonometrie und die Perimetrie bezogenen Anträge zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. In diesem Umfang war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Erdmann, Starck, Bornkamm, Pokrant, Schaffert

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

NJW 2001, 3408

BGHR 2001, 794

BGHR

GRUR 2001, 1170

Nachschlagewerk BGH

ArztR 2001, 272

GewArch 2001, 481

WRP 2001, 1166

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