Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung für Schäden der Ehefrau des Mandanten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steuerberater haftet, wenn er für seinen Mandanten eine fehlerhafte, günstige Unternehmensbilanz erstellt, woraufhin sich die Ehefrau des Mandanten veranlaßt sieht, von ihr aufgenommene Darlehen an das in Wahrheit marode Unternehmen ihres Mannes weiterzuleiten und zu dessen Gunsten Sicherheiten zu übernehmen.

2. Die von der Ehefrau geltend gemachten Schäden stehen zwar außerhalb des Schutzbereichs möglicher steuerrechtlicher dienstvertraglicher Pflichten des Steuerberaters; besteht aber die Besonderheit, daß der Mandant die Erstellung einer Unternehmensbilanz in Auftrag gab, weil seine Hausbank eine Entscheidung über einen zu gewährenden Kredit von deren Vorlage und Inhalt abhängig gemacht hatte, ist der als Kreditgeber des Auftraggebers vorgesehene Dritte regelmäßig als vom Parteiwillen in den Schutzbereich des (Steuerberatungs-)Vertrages einbezogen anzusehen. Kommen mehrere Personen als Darlehens- bzw. Kreditgeber in Betracht – wie hier die Ehefrau des Auftraggebers –, besteht kein rechtliches Hindernis, die vertragliche Schutzpflicht auch auf diese Personen auszudehnen, vorausgesetzt, daß auch sie nach der Vorstellung der Vertragsparteien ihre Entscheidung an der erstellten Bilanz ausrichten.

 

Normenkette

BGB § 276; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.1991; Aktenzeichen 14 U 152/87)

LG Offenburg (Urteil vom 23.06.1987; Aktenzeichen 2 O 273/86)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagten ihr zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, der ihr dadurch entstanden sei, daß sie im Vertrauen auf eine von den Beklagten erstellte günstig lautende, aber unzutreffende Bilanz für das Geschäft ihres Ehemannes selbst Darlehen aufgenommen und für im Hinblick auf diese Bilanz gewährte Darlehen ihres Ehemannes Sicherheiten gestellt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin weder selbst in Vertragsbeziehungen zu den Beklagten gestanden habe noch in den Schutzbereich des Vertrages zwischen ihrem Ehemann und den Beklagten, in dessen Erfüllung diese die Bilanz erstellten, einbezogen gewesen sei.

Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Das Berufungsgericht sieht die Feststellungsklage als zulässig an. Das wird von der Revision als ihr günstig hingenommen und läßt Rechtsfehler auch nicht erkennen.

2. Das Berufungsgericht bejaht auch eine positive Vertragsverletzung der Beklagten. Auch das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den durch Sachverständigengutachten erhärteten Feststellungen beruhte das fehlerhafte Ergebnis der von den Beklagten erstellten Bilanz des Ehemannes der Klägerin nicht auf unzureichender Unterrichtung durch diesen, sondern auf mangelhafter Auswertung von Unterlagen, die den Beklagten vollständig vorlagen.

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei in den Schutzbereich des zwischen ihrem Ehemann und den Beklagten geschlossenen Vertrages einbezogen gewesen, wird von der Revision als ihr günstig hingenommen und von der Revisionserwiderung ohne Erfolg bekämpft.

Eine vertragliche Pflicht der Beklagten, Schäden der hier geltend gemachten Art von der Klägerin fernzuhalten, ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß die – unrichtige – Feststellung eines zu hohen Betriebsergebnisses im Unternehmen des Ehemannes auch die von der Klägerin zu zahlende Einkommensteuer erhöht hätte. Um steuerliche Nachteile dieser Art geht es hier nicht. Die geltend gemachten Schäden – im Vertrauen auf die Richtigkeit der Unternehmensbilanz gewährte Darlehen und Sicherheiten für den Betrieb des Ehemannes – stehen außerhalb des Schutzbereichs möglicher steuerrechtlicher dienstvertraglicher Pflichten der Beklagten.

Andererseits steht fest, daß der Ehemann der Klägerin die Beklagten mit der Erstellung der Unternehmensbilanz beauftragte, weil seine Hausbank die Entscheidung über einen zu gewährenden Kredit von deren Vorlage und Inhalt abhängig gemacht hatte. In einem solchen Fall ist der als Kreditgeber des Auftraggebers vorgesehene Dritte regelmäßig als vom Parteiwillen in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen anzusehen (vgl. BGH Urteil vom 26. November 1986 – IVa ZR 86/85 – VersR 1987, 262, 264 m.w.N.). Kommen mehrere Personen als Darlehens- bzw. Kreditgeber in Betracht, so besteht kein rechtliches Hindernis, die vertragliche Schutzpflicht auch auf diese Personen auszudehnen, vorausgesetzt, daß auch sie nach der Vorstellung der Vertragsparteien ihre Entscheidung an der erstellten Bilanz ausrichten. Dies war hier bei der Klägerin der Fall.

II.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin sei durch das Verhalten der Beklagten kein Schaden entstanden, ist jedoch durch Rechtsirrtum beeinflußt.

Die mangelhafte Bilanzerstellung durch die Beklagten hat einen Schaden der Klägerin verursacht, wenn die Klägerin

  • die Einbeziehung des (unabhängig von der Bilanz gewährten) Darlehens der Volksbank O. in die von ihr früher für Geschäftsverbindlichkeiten ihres Ehemannes gestellten Sicherheiten im Hinblick auf die Bilanz zugelassen hat (1);
  • im Hinblick auf den günstigen Inhalt der unrichtig erstellten Bilanz ihrem Ehemann die Valuta des von ihr bei der M. H.-Bank aufgenommenen Darlehens hat zukommen lassen (2).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1. Das Berufungsgericht hat sich nicht davon überzeugt, daß die Volksbank O. bei Vorlage einer zutreffenden Bilanz dem Ehemann der Klägerin einen weiteren Kredit nicht bewilligt hätte. Dies wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Das Berufungsgericht stützt seine Annahme darauf, daß die Volksbank – nach Aufdeckung des Fehlers in der Bilanz – über mehrere Jahre hinweg das Kreditvolumen auf nahezu eine halbe Million DM ausgeweitet hat. Diese Entwicklung der Geschäftsbeziehung durfte das Berufungsgericht zum Anlaß nehmen, den der Klägerin obliegenden Beweis nicht als geführt anzusehen. Wenn es dabei das Schreiben der Volksbank vom 7. Mai 1989 nicht erwähnt, so läßt sich daraus nicht schließen, daß es dieses Schreiben nicht in seine Würdigung einbezogen hat. Der Tatrichter muß nicht jede Einzelheit des Parteivorbringens erörtern (Zöller/Schneider, ZPO 17. Aufl. § 313 Rn. 19).

Neue Sicherheiten hat die Klägerin im Hinblick auf die unzutreffende Bilanz nach den Feststellungen nicht bestellt. Die Revision macht jedoch mit Erfolg geltend, die Klägerin hätte bei Kenntnis von der wahren finanziellen Lage ihres Ehemannes eine Auffüllung der nicht valutierten Grundschulden und Bürgschaften verhindern können und auch verhindert.

a) Hinsichtlich der Bürgschaften macht die Revision mit Erfolg geltend, die Klägerin hätte diese mit Wirkung für die Zukunft kündigen können und habe nur im Hinblick auf die unrichtige Bilanz davon abgesehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Bürge, der es auf unbestimmte Zeit übernommen hat, für den einem Dritten eröffneten Kredit einzustehen, nach Treu und Glauben das Recht, die Bürgschaft nach Ablauf eines gewissen Zeitraums oder bei Eintritt besonders wichtiger Umstände mit der Wirkung zu kündigen, daß die Bürgschaft sich auf die Verbindlichkeiten beschränkt, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits begründet waren (BGH Urteil vom 4. Juli 1985 – IX ZR 135/84 – BGHWarn 1985 Nr. 212 = WM 1985, 969). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Bürgschaften der Klägerin in den Jahren 1976 und 1979 übernommen worden. Der Zeitfaktor läßt daher die Eröffnung einer Kündigungsmöglichkeit noch nicht geboten erscheinen. Der Klägerin stand aber ein „besonders wichtiger Umstand” zur Seite, der ihre Kündigung nach Treu und Glauben gerechtfertigt hätte. Ein solcher Umstand ist in der erheblichen Verschlechterung der Vermögenslage ihres Ehemannes zu sehen, wie sie in der berichtigten Bilanz zum Ausdruck kommt. Eine erhebliche Verschlechterung der Vermögenslage des Hauptschuldners kann nach Treu und Glauben die Kündigung einer Bürgschaft für die Zukunft rechtfertigen (Mormann in BGB-RGRK 12. Aufl. § 765 Rn. 17; Staudinger/Horn, BGB 12. Aufl. § 765 Rn. 81). In einem solchen Fall ist dem Bürgen die Erstreckung seiner Verpflichtung auf neue Verbindlichkeiten des Hauptschuldners nach Treu und Glauben nicht weiter zuzumuten. Der Gläubiger wird durch die Einräumung des Kündigungsrechts nicht unangemessen benachteiligt; denn es steht ihm frei, ob er unter diesen Umständen dem Hauptschuldner weitere Kredite gewährt.

Die Klägerin hat vorgetragen, bei Kenntnis der richtigen Bilanzzahlen hätte sie ihr Vermögen nicht zur Absicherung des Geschäfts ihres Ehemannes zur Verfügung gestellt. Sie hat auch substantiiert und unter Beweisantritt behauptet, daß eine solche Entscheidung – wenn sie auch zum Zusammenbruch des Geschäfts ihres Ehemannes geführt hätte – wirtschaftlich vernünftig gewesen wäre und im Interesse der Familie gelegen hätte. Letzteres kann ein Indiz dafür sein, daß die Klägerin sich tatsächlich in der behaupteten Weise entschieden hätte. Die abschließende Entscheidung dieser Frage und damit über den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Schaden der Klägerin muß dem Tatrichter vorbehalten bleiben.

b) Hinsichtlich der Grundschulden kann die Revision allerdings nicht mit dem von ihr geltend gemachten Gesichtspunkt durchdringen, diese hätten ursprünglich nur konkrete Geschäftsverbindlichkeiten des Ehemannes der Klägerin gesichert, so daß ihr Sicherungszweck im Einverständnis mit der Klägerin auf das neue Darlehen habe erstreckt werden müssen. Sie beruft sich dafür nur auf die Feststellungen des Berufungsgerichts, aus denen sich dies jedoch nicht ergibt. Nach diesen Feststellungen „betrafen die (ursprünglich) durch die Grundschulden gesicherten Verbindlichkeiten den Geschäftsbetrieb des Ehemannes”. Daraus ergibt sich nicht, daß diese Grundschulden „zunächst nur zur Sicherung konkreter, zum Zeitpunkt der Kreditaufstockung bereits teilweise getilgter Darlehensforderungen gewährt” worden sind. Die Revision legt auch nicht dar, daß dies von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen substantiiert behauptet worden sei. Die Grundschulden können daher ebensogut als Sicherheit für alle gegenwärtigen und zukünftigen Kreditverpflichtungen des Ehemannes der Klägerin aus seinem Geschäftsbetrieb im Rahmen der mit der Volksbank bestehenden Geschäftsverbindung (vgl. BGH Urteil vom 17. Dezember 1980 – VIII ZR 307/79 – WM 1981, 162) bestellt worden sein.

Die Klägerin hätte aber die Sicherungsabrede, auf der die Bestellung der Grundschulden beruhte, angesichts der Verschlechterung der Vermögenslage ihres Ehemannes mit der Wirkung kündigen können, daß für die Zukunft nach Wirksamwerden der Kündigung entstandene Forderungen der Bank nicht mehr durch die Grundschulden gesichert wurden.

Die Sicherungsabrede hat wesentliche Ähnlichkeiten mit einer auf unbestimmte Zeit übernommenen Bürgschaft für zukünftige Kreditforderungen. Der Umfang der durch die Grundschuld und durch die Bürgschaft gesicherten Forderungen ist meist derselbe. Der Bürge hat die Möglichkeit, bei wesentlicher Verschlechterung der Vermögenslage des Hauptschuldners die Bürgschaft zu kündigen mit der Wirkung, daß seine Haftung für nach Wirksamwerden der Kündigung entstehende Forderungen entfällt (vgl. oben a). Der Gedanke, daß eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Hauptschuldners nach Treu und Glauben eine Kündigung der Bürgschaft für die Zukunft rechtfertigt, gilt auch für die Auslegung des Sicherungsvertrages über die Bestellung einer Grundschuld (vgl. Räbel, NJW 1953, 1247, 1248 f).

2. Hinsichtlich des Darlehens der M. H.-Bank verneint das Berufungsgericht einen Schaden der Klägerin, weil sie das Darlehen selbst aufgenommen habe und ihre Belastung mit dem Rückzahlungsanspruch durch die Auszahlung des Darlehens an sie ausgeglichen worden sei. Dabei übersieht das Berufungsgericht, daß Darlehensaufnahme und Weitergabe der Darlehensvaluta hier als wirtschaftliche Einheit angesehen werden müssen. Der Schaden der Klägerin ist dadurch entstanden, daß sie die Darlehensvaluta, wie bei der Aufnahme des Darlehens von vornherein beabsichtigt, ihrem Ehemann für sein Handelsgeschäft zur Verfügung gestellt hat. Diese Maßnahme war durch die fehlerhafte Bilanz verursacht. Sie führte ebenso zu einem Schaden der Klägerin, wie wenn sie ihrem Ehemann das Geld aus ihrem eigenen Vermögen darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte.

Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber geltend macht, dieser Schaden sei deshalb nicht durch die fehlerhafte Bilanz verursacht, weil die Klägerin diese Bilanz überhaupt nicht gekannt habe, kann sie den Bestand des angefochtenen Urteils damit nicht retten.

Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils, der insoweit von den Beklagten nicht beanstandet worden ist, hat die Klägerin ihre Klage zunächst darauf gestützt, daß die Beklagten „für ihren Ehemann eine falsche Bilanz erstellt und die Klägerin damit in einen Irrtum über die Lage des Geschäfts des Ehemanns versetzt hätten”; darin liegt die Behauptung, die Klägerin habe von der falschen Bilanz Kenntnis genommen, denn sonst hätte sie dadurch nicht in einen Irrtum versetzt werden können. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin „dann klargestellt, daß ihr Schaden auch (sic!) dadurch entstanden sei, daß sie für das Geschäft des Ehemanns Darlehen selbst (mit) aufgenommen habe und hierfür Sicherheiten gestellt habe”. Durch diesen weiteren Vortrag ist die Behauptung, die falsche Bilanz gekannt zu haben, nicht aufgegeben worden. Im Gegenteil wurde in dem Schriftsatz vom 18. Mai 1991 vorgetragen, wenn die im Mai 1983 vorgelegte Bilanz richtig gewesen wäre, hätte die Volksbank keinen Kredit gewährt; „jedenfalls hätte Frau Sch. nicht ihr Vermögen zur Absicherung zur Verfügung gestellt”. Darin liegt mindestens implizit die Behauptung, die Klägerin habe den (unzutreffenden) Inhalt der Bilanz gekannt; sonst könnte ihr Verhalten dadurch nicht beeinflußt worden sein.

Nach der Lebenserfahrung liegt die Kenntnis der Klägerin vom Ergebnis der von den Beklagten erstellten Bilanz für den Betrieb ihres Ehemannes auch so nahe, daß für die Beklagten aller Anlaß bestand, diese Kenntnis zu bestreiten; das haben sie aber – wie die Revisionserwiderung selbst einräumt – nicht getan.

 

Fundstellen

ZBB 1993, 184

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