Leitsatz (amtlich)

a) § 1066 Abs. 1 BGB räumt dem Nießbraucher an einem Miteigentumsanteil nicht die Befugnis ein, bei der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes die Grenzen des Nießbrauchsrechts ohne das Einverständnis des belasteten Miteigentümers zu überschreiten (hier: Umgestaltung einer größeren Wohnung in drei kleinere);

b) Zur Frage, ob eine solche Umgestaltung im Rahmen eines größeren Mietshauses eine wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Gegenstandes im Sinne des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB darstellt.

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Entscheidung vom 26.10.1981)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 26. Oktober 1981 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage gegen die Klägerin stattgegeben hat. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges übertragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und der Kläger sind Miteigentümer eines in W. nahe dem Stadtzentrum gelegenen Grundstücks. Dieses ist mit einem 1955 errichteten Mietshaus bebaut. Das Erdgeschoß enthält Geschäftsräume. In den vier Obergeschossen befinden sich 15 Wohnungen, davon je vier im ersten, dritten und vierten sowie drei im zweiten Obergeschoß. Von den Wohnungen im zweiten Obergeschoß ist eine besonders groß (ca. 158 qm), die sogenannte Hauseigentümerwohnung. Sie wurde von dem früheren Ehemann der Klägerin bis zu seinem Tode im April 1978 bewohnt. Dieser war seit 1973 von der Klägerin geschieden. Er hat seine Miteigentumshälfte dem Kläger und den lebenslangen Nießbrauch daran der Beklagten vermacht.

Die Beklagte hat im April 1979 begonnen, die sogenannte Hauseigentümerwohnung in drei kleinere Wohnungen (2 * 2 Zimmer, Küche, Bad; 1 * 1 Zimmer, WC) umzugestalten. Die erforderlichen Kosten (nach ihrer Schätzung ca. 25.000 DM) will sie allein tragen. Die Arbeiten hat sie auf Grund einer von der Klägerin Anfang Mai 1979 erwirkten einstweiligen Verfügung einstellen müssen.

Die Kläger sehen in dem Umbau eine Verletzung ihres Eigentums. Mit der Klage verlangen sie von der Beklagten, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Sie haben - unter genauer Beschreibung der im einzelnen vorzunehmenden Maßnahmen - beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den früheren Zustand der Wohnung wiederherzustellen sowie 909,52 DM nebst Zinsen (für Gutachterkosten der Kläger) zu zahlen.

Die Beklagte hält die Klage für unbegründet. Dem Kläger fehle wegen des Nießbrauchs an seinem Miteigentum die Sachbefugnis. Außerdem habe er sich mit dem Umbau einverstanden erklärt. Diesem müsse auch die Klägerin zustimmen. Denn die Umgestaltung der Wohnung stelle wegen der damit verbundenen Werterhöhung und wegen der danach besseren Vermietbarkeit der kleineren Wohnungen zu einer insgesamt höheren Miete eine im Interesse aller Teilhaber liegende Verwaltungsmaßnahme dar.

Die Beklagte hat - widerklagend - beantragt, die Kläger zu verurteilen, dem Umbau der Wohnung auf Kosten der Beklagten gemäß der zeichnerischen Grundrißdarstellung des Architekten Henning vom 16. März 1981 in der in dem Antrag im einzelnen beschriebenen Weise zuzustimmen; hilfsweise hat sie die Widerklage allein gegen die Klägerin gerichtet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage sowie die Widerklage, "soweit sie sich gegen den Kläger richtet", abgewiesen; der (Hilfs-)Widerklage gegen die Klägerin hat es stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Kläger den Klageanspruch, die Klägerin außerdem den Antrag auf Abweisung der gegen sie gerichteten (Hilfs-)Widerklage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beklagte auf Grund des Nießbrauchs an dem Miteigentum des Klägers nach § 1066 Abs. 1 BGB bei der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Mietwohngrundstücks ganz an dessen Stelle getreten, so daß "eine etwa widerstreitende oder zustimmende Meinung und Erklärung dieses Miteigentümers von vorneherein unbeachtlich" sei. Schon deshalb sei die Klage des Klägers unbegründet. Zur Abweisung der Klage der Klägerin hat das Berufungsgericht ausgeführt, diese sei verpflichtet, der Umgestaltung der sogenannten Hauseigentümerwohnung auf Kosten der Beklagten zuzustimmen. Bei dem Umbau gehe es um eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltungsmaßnahme gemäß § 745 Abs. 2 BGB und nicht um eine wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Anwesens im Sinne des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB. Aus demselben Grunde sei der Widerklage gegen die Klägerin stattzugeben.

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

1.

Die Beklagte übt auf Grund ihres Nießbrauchs an dem Miteigentum des Klägers "die Rechte aus, die sich aus der Gemeinschaft der Miteigentümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und der Art ihrer Benutzung ergeben" (§ 1066 Abs. 1 BGB). Das eröffnet ihr aber nicht die Möglichkeit, die Grenze ihres Rechts bei der gemeinsamen Verwaltung und Benutzung des Mietwohngrundstücks ohne Zustimmung des Klägers zu überschreiten (vgl. RGRK - Rothe § 1066 Rnr. 2; Staudinger - Promberger § 1066 Rnr. 4; MünchKomm. - Petzold § 1066 Rnr. 3). Die Vorschrift des § 1066 Abs. 1 BGB erweitert nicht die Befugnisse (vgl. §§ 1036 ff. BGB) des Nießbrauchers für den Fall des Nießbrauchs an einem Miteigentumsanteil. Sie trägt lediglich der Besonderheit Rechnung, daß derjenige, von dem ein solcher Nießbraucher sein Recht (an dem ideellen Bruchteil einer Sache) herleitet, mit anderen Personen in einem Teilhaberverhältnis steht, für das die speziellen Regeln der §§ 741 ff. BGB gelten. Zutreffend weist daher die Revision darauf hin, daß die Bestimmung des § 1037 Abs. 1 BGB auch beim Nießbrauch an einem Miteigentumsanteil zu beachten ist. Damit kann auch hier der Nießbraucher die Sache nur mit Zustimmung des belasteten Teilhabers umgestalten, also in deren Substanz eingreifen (RGRK - Rothe § 1037 Rnr. 1).

2.

Nach dem Vortrag der Beklagten und dem von ihr vorgelegten Gutachten des Architekten Henning vom 4. Januar 1981 sind für die Umgestaltung der sogenannten Hauseigentümerwohnung in drei kleinere Wohnungen u.a. folgende Arbeiten notwendig: Änderung und Ergänzung der Sanitär-, Elektro- und Heizungsinstallationen; Beseitigen einer Türöffnung in der Mitteltragwand; Einbau einer Türöffnung zwischen Vorflur und großem Wohnzimmer; Einsetzen eines Raumteilers in diesem Zimmer; Einziehen eines Betonsturzes oder eines Trägers in der Mitteltragwand über einem dort neu anzubringenden Verteiler- oder Zählerschrank. Danach erfordert die Umgestaltung der Wohnung nicht unbedeutende Eingriffe in die bauliche Substanz des gemeinschaftlichen Anwesens. Der Maßnahme steht daher § 1037 Abs. 1 BGB entgegen. Das Berufungsgericht hätte deshalb die - auf.§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB gestützte - Klage des Klägers nur abweisen dürfen, wenn er der Umgestaltung der Wohnung zugestimmt hat. Ob das, was die Beklagte unter Beweisantritt behauptet hat, der Fall ist, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Insoweit bedarf daher die Sache der erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht.

3.

Davon, ob der Kläger sein Einverständnis mit der Umgestaltung der Wohnung erklärt hat, hängt außerdem die Entscheidung über die Klage der Klägerin und über die gegen sie gerichtete Widerklage ab. Zwar übt die Beklagte gegenüber der Klägerin nach § 1066 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Verwaltung und Benutzung des Mietwohngrundstücks die Rechte des Klägers aus. Jedoch begrenzt ihr Nießbrauchsrecht an dessen Miteigentum diese Stellung (vgl. oben Ziff. 1). Sie kann deshalb auch nicht ohne das Einverständnis des Klägers zur Umgestaltung der Wohnung die Zustimmung der Klägerin hierzu nach § 745 Abs. 2 BGB verlangen.

4.

Nun meint die Revision, der Klage der Klägerin sei auch dann stattzugeben - und demgemäß die Widerklage gegen sie abzuweisen -, wenn der Kläger mit der Umgestaltung der Wohnung einverstanden sein sollte. Denn keinesfalls greife zu Gunsten der Beklagten § 745 Abs. 2 BGB ein. Das trifft nicht zu.

a)

Nach § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber "eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung" des gemeinschaftlichen Gegenstandes fordern. Dazu können auch bauliche Veränderungen an einem gemeinsamen Hausgrundstück gehören (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.53 - V ZR 58/52, LM BGB § 745 Nr. 2; Urt. v. 17.9.54 - V ZR 35/54, LM BGB § 1004 Nr. 14). Diese müssen allerdings aus der Sicht eines vernünftigen Eigentümers angebracht sein, um das Anwesen in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten oder um es sachgemäß zu bewirtschaften oder zu benutzen. Hier hat nun das Berufungsgericht festgestellt, daß sich die sogenannte Hauseigentümerwohnung nach der Umgestaltung in drei kleinere Wohnungen besser und ertragreicher vermieten läßt als beim bisherigen Zuschnitt. Dazu hat es näher ausgeführt, daß speziell in dem örtlichen Bereich, in dem das Grundstück liegt, ein dringender Bedarf an Kleinst- und Kleinwohnungen des von der Beklagten für die geplanten drei Wohnungen vorgesehenen Zuschnitts bestehe; auch sei dort der für solche Wohnungen bei einer Vermietung erzielbare Quadratmeterpreis merklich höher als bei einer ungeteilten Großwohnung. Diese Feststellungen tragen die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der Umgestaltung der Wohnung gehe es um eine Verwaltungsmaßnahme nach § 745 Abs. 2 BGB.

b)

Nun kann es sein, daß eine Maßnahme, die der ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes dient, zugleich eine wesentliche Veränderung desselben im Sinne des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB darstellt. Dann ist der Teilhaber, der die Maßnahme nicht wünscht, nicht gehalten, ihr trotzdem zuzustimmen. Das folgt aus dem Inhalt dieser Vorschrift, die bestimmt, daß "eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes nicht (mehrheitlich) beschlossen oder verlangt werden kann". Insoweit schränkt § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB die Regelung des § 745 Abs. 2 BGB ein (vgl. auch Staudinger - Huber § 745 Rnr. 46). Der Revision ist deshalb zuzugeben, daß die Vorschrift des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Begehren der Beklagten auf Umgestaltung der sogenannten Hauseigentümerwohnung entgegenstehen würde, wenn in dieser Maßnahme eine wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Anwesens zu sehen sein sollte oder anders ausgedrückt, wenn dadurch dessen Zweckbestimmung oder dessen Gestalt in einschneidender Weise geändert werden würden (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.53 - V ZR 58/52, LM BGB § 745 Nr. 2). Das hat das Berufungsgericht auf Grund der besonderen Umstände des Falles verneint. Für ausschlaggebend hat es insoweit angesehen, daß durch die Umgestaltung der Wohnung weder die Zweckbestimmung noch die äußere Gestalt des Anwesens selbst verändert werden und - wie aus dem Zusammenhang seiner Ausführungen weiter zu entnehmen ist - durch die Vornahme dieser Maßnahme praktisch nur eine weitgehende Anpassung der sogenannten Hauseigentümerwohnung an die Größe der anderen (kleineren) Wohnungen des Hauses vollzogen wird. Diese Ausführungen, die im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegen, lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

c)

Richtig ist die Ansicht, daß eine Verwaltungsmaßnahme nach § 745 Abs. 2 BGB in aller Regel unzulässig ist, wenn sie einzelne Teilnehmer, insbesondere finanziell, unangemessen belastet (vgl. BGH Urt. v. 17.4.53 - V ZR 58/52, LM BGB § 745 Nr. 2). Jedoch spielt dieser Punkt hier keine Rolle, weil die Beklagte bereit ist, die Kosten für die Umgestaltung der Wohnung allein und endgültig zu tragen.

d)

Schließlich kommt es im Rahmen des § 745 Abs. 2 BGB nicht, wie die Revision meint, darauf an, daß der Wunsch der Beklagten nach einer eigenen kleineren Wohnung für ihr Verlangen nach der Umgestaltung der sogenannten Hauseigentümerwohnung bestimmend gewesen sein soll. Denn die Frage, ob eine von einem Teilhaber (oder von einem mit dessen Zustimmung handelnden Nießbraucher) geforderte Verwaltungsmaßnahme vernünftig ist und im Interesse aller Teilhaber liegt, ist aus objektiver Sicht und nicht nach den Motiven des Verlangenden zu beurteilen.

5.

Danach bedarf die Sache, soweit das Berufungsurteil angefochten worden ist, der erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018825

NJW 1983, 932-933 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1983, 560 (Volltext mit amtl. LS)

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