Leitsatz (amtlich)

Sondereigentum kann nur in den Grenzen entstehen, die sich aus dem zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplan ergeben.

Die erstmalige plangerechte Herstellung einer Wand, die zwei Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt, ist unabhängig von der dinglichen Zuordnung der herzustellenden Wand Aufgabe aller Wohnungseigentümer und nicht nur der benachbarten Sondereigentümer.

Der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht.

Ist den Vertragsparteien bei der Veräußerung von Wohnungseigentum nicht bekannt, dass das Sondereigentum in größerem Umfang entstanden ist, als es die tatsächliche Bauausführung erkennen lässt, erlaubt eine vor Vertragsschluss erfolgte Besichtigung des Kaufobjekts nicht den Schluss, dass die Auflassung auf das Sondereigentum in den von der Bauausführung vorgegebenen Grenzen beschränkt worden ist.

 

Normenkette

WEG §§ 3, 8, 21 Abs. 4, 5 Nr. 2, § 6 Abs. 1; BGB §§ 242, 925 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 11.11.2014; Aktenzeichen 1 S 332/13)

AG Soest (Urteil vom 25.09.2013; Aktenzeichen 13 C 142/13)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Dortmund vom 11.11.2014 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Soest vom 25.9.2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der letzte Halbsatz am Ende des Tenors (mit dem Wortlaut "und der Auftrag dem günstigen Anbieter erteilt wird") entfällt.

Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das zu der Anlage gehörige Wohngebäude wurde 1972 als Mietshaus für 18 Parteien errichtet. Bei dem Bau des Kellergeschosses wurde von den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauplänen abgewichen, um einen Fensterzugang für den innenliegenden Kellerraum Nr. 7 zu schaffen. Durch die hierfür erforderliche Verlegung einer Innenwand verkleinerte sich der nach den Plänen 8,43 m2 große Kellerraum Nr. 3 um eine Fläche von 3,94 m2.

Rz. 2

Im Jahr 1984 erfolgte die Aufteilung in Wohnungseigentum. Für die Erstellung des Aufteilungsplans wurden die ursprünglichen, der Baugenehmigung zugrunde liegenden Baupläne verwendet. Infolgedessen zeigt der im Grundbuch in Bezug genommene Aufteilungsplan nicht die tatsächliche Bauausführung der Kellerräume Nr. 3 und Nr. 7, sondern die ursprüngliche Planung. Im Jahr 2011 erwarb der Kläger nach vorheriger Besichtigung das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 sowie an dem Kellerraum Nr. 3. Von dem Aufteilungsplan nahm er erst nach dem Erwerb Kenntnis.

Rz. 3

In der Eigentümerversammlung vom 17.4.2013 wurde der Antrag des Klägers, den Kellerraum Nr. 3 in den aus dem Aufteilungsplan ersichtlichen Grenzen herzustellen, mehrheitlich abgelehnt. Hiergegen wendet er sich mit der Anfechtungsklage. Zugleich verlangt er festzustellen, dass die dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung des Kellerraums Nr. 3 auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft und die Erteilung des Auftrags an den günstigsten Anbieter beschlossen ist. Das AG hat der Klage vollen Umfangs stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will der Kläger die Zurückweisung der Berufung erreichen; die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht meint, die Abgrenzung des Sondereigentums richte sich nicht nach dem Aufteilungsplan, sondern nach der tatsächlichen Bauausführung. Der teilende Eigentümer habe die Aufteilung offenkundig an den seit zwölf Jahren bestehenden baulichen Gegebenheiten ausrichten wollen und die veralteten Bauunterlagen aufgrund eines schlichten Versehens verwendet. Solche Fehler bei der planerischen Erfassung wirkten sich auf die Zuweisung des Sondereigentums nicht aus und dürften keine Umbaupflichten nach sich ziehen. Die für die Begründung von Wohnungseigentum an einem noch zu errichtenden Gebäude geltenden Grundsätze seien auf die Aufteilung eines bereits bestehenden Gebäudes nicht übertragbar. Zudem sei auch insoweit in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass bei unwesentlichen Abweichungen auf die tatsächliche Bauausführung abzustellen und der Aufteilungsplan entsprechend zu berichtigen sei. Um eine solche unwesentliche Abweichung gehe es hier, da nur ein Kellerraum betroffen sei und die Fläche des gesamten Sondereigentums lediglich um 6 % gemindert werde. Schließlich habe der Kläger die streitige Fläche nicht gutgläubig erworben. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs sei ihm bekannt gewesen, weil er den Kellerraum in seinem tatsächlichen Umfang vor dem Erwerb besichtigt habe.

II.

Rz. 5

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 6

1. Die Anfechtungsklage hat Erfolg. Der angefochtene Negativbeschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil der Kläger die plangerechte Herstellung des Kellerraums Nr. 3 von den Beklagten verlangen kann.

Rz. 7

a) Im Ausgangspunkt stützt sich der geltend gemachte Anspruch auf § 21 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 WEG. Hiernach kann jeder Wohnungseigentümer von den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich verlangen, dass das Gemeinschaftseigentum plangerecht hergestellt wird, da unter Instandsetzung auch die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu verstehen ist. Beschließen die Wohnungseigentümer die plangerechte Herrichtung der Wohnanlage auf Kosten der Gemeinschaft mehrheitlich nach § 21 Abs. 3 WEG, sind die hiervon betroffenen Wohnungseigentümer ab diesem Zeitpunkt nach § 14 Nr. 4 WEG zur Duldung des Umbaus verpflichtet. § 22 WEG steht dem nicht entgegen, weil die erstmalige plangerechte Herrichtung keine bauliche Veränderung im Sinne der genannten Norm darstellt. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn ein Gebäude planwidrig erstellt wurde und sodann die Planwidrigkeit behoben wird (vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 14.11.2014 - V ZR 118/13, NJW 2015, 2027 Rz. 20, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ).

Rz. 8

b) Ob die vorhandene Trennwand planwidrig ist, richtet sich nach der Grundbucheintragung, und zwar nach der Teilungserklärung und dem dort in Bezug genommenen Aufteilungsplan.

Rz. 9

aa) Bei der Auslegung von Grundbucheintragungen, die der Senat in vollem Umfang überprüfen kann, ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Eintragung sowie der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Grundstücksrechts nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 30.6.1995 - V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 166).

Rz. 10

bb) Danach ist für die Abgrenzung des Sondereigentums nicht die tatsächliche Bauausführung, sondern der Aufteilungsplan maßgeblich. Letzterer soll sicherstellen, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts Rechnung getragen wird, indem er die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe des Sondereigentums und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich macht (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WEG; vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1995 - V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 166 f.; Urt. v. 18.7.2008 - V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 12; Urt. v. 15.1.2010 - V ZR 40/09, NZM 2010, 407 Rz. 7; Urt. v. 16.11.2012 - V ZR 246/11, NZM 2013, 153 Rz. 5 f.). Bei Grundstücken ergibt sich der Grenzverlauf aus der dem Liegenschaftskataster zugrunde liegenden Liegenschaftskarte (vgl. § 2 Abs. 2 GBO); hierauf erstreckt sich die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs gem. § 891 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2005 - V ZR 11/05, Rpfleger 2006, 181 f.; Urt. v. 8.11.2013 - V ZR 155/12, BGHZ 199, 31 Rz. 11). Dieselbe sachenrechtliche Abgrenzungsfunktion wie das Liegenschaftskataster erfüllt bei der Aufteilung in Wohnungseigentum der Aufteilungsplan, der an die Stelle der Vermessung und katastermäßigen Erfassung tritt (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1995 - V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 166 f.; Urt. v. 18.7.2008 - V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 12). Dagegen hat der tatsächliche Besitzstand bei der Auslegung der Eintragung außer Betracht zu bleiben, weil er als Umstand außerhalb des Grundbuchs nicht für jedermann erkennbar ist (vgl. KG NZM 2001, 1127, 1128; OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 103, 104).

Rz. 11

cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist in diesem Zusammenhang unerheblich, in welchem Ausmaß die tatsächliche Bauausführung von dem Aufteilungsplan abweicht.

Rz. 12

(1) Allerdings entspricht es der ganz überwiegenden Ansicht, dass Sondereigentum ausnahmsweise in den von der tatsächlichen Bauausführung vorgegebenen Grenzen entsteht, wenn diese nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht (BayObLG, NZM 1998, 973, 975; OLG Düsseldorf, OLGZ 1977, 467, 469; OLG Celle OLGZ 1981, 106, 108; KG NZM 2001, 1127, 1128; OLG Frankfurt, ZMR 2012, 30, 31; OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 103, 104; Armbrüster in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 2 Rz. 77; Timme/Gerono, WEG, 2. Aufl., § 3 Rz. 102, 105; Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 7 Rz. 35; Then in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 3 Rz. 15; a.A. Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 3 Rz. 78; Hügel/Elzer, WEG, § 3 Rz. 90; Röll, MittBayNot 1991, 240, 242).

Rz. 13

(2) Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Sondereigentum kann nur in den Grenzen entstehen, die sich aus dem zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplan ergeben. Eine hiervon abweichende tatsächliche Bauausführung stellt unabhängig von ihrem Ausmaß einen Umstand außerhalb des Grundbuchs dar, der nicht für jedermann erkennbar ist. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob auch geringfügige Abweichungen einen Anspruch einzelner Wohnungseigentümer auf Herstellung eines plangerechten Zustands bzw. auf Anpassung der Teilungserklärung und des Aufteilungsplans begründen können.

Rz. 14

dd) Für die Aufteilung eines bestehenden Gebäudes gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts anderes als bei der Errichtung von Bauwerken. Das Gesetz differenziert insoweit nicht. Der Aufteilungsplan ist auch dann maßgeblich, wenn er einen bereits vorhandenen Bestand aufgrund eines Versehens unzutreffend erfasst. Nichts anderes folgt aus der von der Revisionserwiderung herangezogenen Angabe in der Teilungserklärung, wonach ein bestehendes Gebäude aufgeteilt werden soll. Da der vorhandene Gebäudebestand aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist, ergeben sich die Einzelheiten der Aufteilung gerade nicht aus der Teilungserklärung, sondern aus dem darin in Bezug genommenen Aufteilungsplan.

Rz. 15

c) Die Entstehung von Sondereigentum nach Maßgabe des Aufteilungsplans wird grundsätzlich - und auch hier - nicht dadurch gehindert, dass die tatsächliche Aufteilung des errichteten Gebäudes von der nach dem Aufteilungsplan vorgesehenen abweicht.

Rz. 16

aa) Die ausreichend eindeutige Abgrenzbarkeit kann auch gegeben sein, wenn eine vorgesehene Trennwand fehlt, aber ihre Lage nach dem Aufteilungsplan eindeutig feststellbar ist ("Luftschranken", näher BGH, Urt. v. 18.7.2008 - V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 10 ff.). Daher scheidet die entsprechende Anwendung von Überbaurecht (§§ 912 ff. BGB; hierfür Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 3 Rz. 78b ff.; Hügel/Elzer, WEG, § 3 Rz. 92; Röll, MittBayNot 1991, 240, 242) auf Fallgestaltungen wie die vorliegende aus. Ein in dem Aufteilungsplan vorgesehenes Sondereigentum gelangt nur dann nicht wirksam zur Entstehung, wenn es gegen sonstiges Sondereigentum und gegen das Gemeinschaftseigentum nicht mehr eindeutig abgrenzbar ist (BGH, Urt. v. 5.12.2003 - V ZR 447/01, NJW 2004, 1798, 1800; Urt. v. 18.7.2008 - V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 9; Urt. v. 20.5.2011 - V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rz. 19).

Rz. 17

bb) Danach ist das Sondereigentum an den Kellerräumen Nr. 3 und Nr. 7 in den von dem Aufteilungsplan vorgegebenen Grenzen entstanden. Die Lage beider Räume ist nach dem Aufteilungsplan ohne Weiteres identifizierbar; es befindet sich lediglich eine Trennwand an einer anderen Stelle als vorgesehen. Ob der Kläger die Divergenz zwischen Aufteilungsplan und Bauausführung kannte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil das Grundbuch nicht i.S.v. § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB unrichtig ist. Da auch der Eigentümer des Kellerraums Nr. 7 sein Sondereigentum nur in den von dem Aufteilungsplan vorgegebenen Grenzen erworben hat, stehen dessen Rechte nicht entgegen.

Rz. 18

d) Zu Recht verlangt der Kläger die dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung von den Beklagten; die Mitwirkung daran wird nicht allein von dem benachbarten Sondereigentümer des Kellerraums Nr. 7 geschuldet. Die erstmalige plangerechte Herstellung einer Wand, die zwei Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt, ist unabhängig von der dinglichen Zuordnung der herzustellenden Wand Aufgabe aller Wohnungseigentümer, also auch dann, wenn - wie hier - eine nicht tragende Wand versetzt werden muss.

Rz. 19

aa) Allerdings hat der Senat eine solche nicht tragende Trennwand in seinem Beschluss vom 21.12.2000 (V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 248) als "gemeinsames Sondereigentum" der beiden betroffenen Sondereigentümer angesehen (vgl. auch BGH, Urt. v. 18.7.2008 - V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 11 a.E.). Dass Zwischenwände dieser Art im sog. "Nachbareigentum" stehen, entspricht der ganz überwiegenden Ansicht; ermöglichen soll dies insb. eine entsprechende Anwendung der §§ 921, 922 BGB im Verhältnis der Sondereigentümer zueinander (OLG München NJW-RR 2006, 297, 298; OLG Schleswig, DNotZ 2007, 620, 621 f.; OLG Zweibrücken Rpfleger 1987, 106; Armbrüster in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 3 Rz. 30 und § 5 Rz. 134; Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 3 Rz. 10 und § 5 Rz. 61; Timme/Gerono, WEG, 2. Aufl., § 3 Rz. 26; Elzer/Schneider in Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl., § 3 Rz. 79; Hügel/Elzer, WEG, § 5 Rz. 39 a.E.; PWW/Lemke, BGB, 10. Aufl., § 921 Rz. 18; Weitnauer, WEG, 9. Aufl., § 5 Rz. 36; Gaier, FS Wenzel [2005], 145, 149; vgl. auch BR-Drucks. 75/51, 13; a.A. Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 3 Rz. 7; Commichau, DNotZ 2007, 622, 623 f.). In Betracht kommt allerdings nicht Mitsondereigentum, das das Wohnungseigentumsgesetz ebenso wenig vorsieht wie dinglich verselbständigte Untergemeinschaften an einzelnen Gebäudeteilen (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1995 - V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 168 f.; Urt. v. 21.10.2011 - V ZR 75/11, NJW-RR 2012, 85 Rz. 9), sondern allenfalls vertikal ("lotrecht") geteiltes Sondereigentum, wie es dem Eigentum an einer Grenzanlage i.S.d. §§ 921, 922 BGB entspricht (näher hierzu BGH, Urt. v. 27.3.2015 - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rz. 8 ff.).

Rz. 20

bb) Ob an der Anerkennung eines "Nachbareigentums" in diesem Sinne festzuhalten ist, oder ob insb. die bei einer Unterteilung des Sondereigentums entstehenden Rechtsprobleme auch dann lösbar wären, wenn Außenwände des Sondereigentums als einheitliche Sachen im gemeinschaftlichen Eigentum stünden, bedarf keiner Entscheidung. Denn eine nicht tragende Trennwand muss jedenfalls dann wie gemeinschaftliches Eigentum behandelt werden, wenn es um ihre erstmalige plangerechte Herstellung geht. Diese ist nicht allein Aufgabe der betroffenen Sondereigentümer (a.A. BayObLG WuM 1996, 491 ff.). Auch die §§ 921, 922 BGB regeln nur bereits vorhandene Grenzanlagen (vgl. Staudinger/Roth, BGB [2009], § 921 Rz. 5; Säcker in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 922 Rz. 8). Dagegen ist die erstmalige Verwirklichung der sachenrechtlichen Abgrenzung nach Maßgabe des Aufteilungsplans von allen Wohnungseigentümern gleichermaßen zu gewährleisten. Dies gilt unabhängig davon, ob es um die Abgrenzung des Sondereigentums zum Gemeinschaftseigentum oder um die Abgrenzung der Sondereigentumseinheiten untereinander geht; auch kann in diesem Zusammenhang nicht entscheidend sein, ob eine tragende (und damit ohne Weiteres im gemeinschaftlichen Eigentum stehende) oder eine nicht tragende Wand versetzt werden muss, um die Vorgaben des Aufteilungsplans erstmals zu verwirklichen. Ebenso ist die Entfernung der vorhandenen Trennwand Aufgabe aller Wohnungseigentümer, selbst wenn diese infolge der planwidrigen Errichtung im Sondereigentum des Klägers stehen sollte.

Rz. 21

e) Der Anspruch auf erstmalige Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustands ist nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen. Dies kommt allerdings in Betracht, wenn seine Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern nach den Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist.

Rz. 22

aa) So kann es etwa liegen, wenn die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erfordert oder Kosten verursacht, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer unverhältnismäßig sind (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2014 - V ZR 118/13, NJW 2015, 2027 Rz. 21, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Die Gewichtung der berechtigten Belange der unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer richtet sich nach dem Ausmaß der Abweichung und der damit verbundenen Beeinträchtigung. Infolgedessen kann der Herstellungsanspruch ausgeschlossen sein, wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht. Dann sind die Wohnungseigentümer im Grundsatz verpflichtet, Teilungserklärung und Aufteilungsplan so zu ändern, dass diese der tatsächlichen Bauausführung entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2014 - V ZR 118/13, NJW 2015, 2027 Rz. 21, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Bei geringfügigen Abweichungen können sich aber auch die mit einer Anpassung des Aufteilungsplans verbundenen Kosten als unverhältnismäßig erweisen, so dass es im Ergebnis bei den bestehenden Verhältnissen bleiben muss.

Rz. 23

bb) Hiernach ist den Beklagten die Herstellung des plangerechten Zustands zuzumuten. Weil das Kellerabteil Nr. 3 durch die tatsächliche Bauausführung nicht geringfügig verkleinert, sondern fast halbiert wird, handelt es nicht um eine unwesentliche Abweichung. Dass gemessen daran unverhältnismäßige Kosten durch die Versetzung der Wand verursacht werden, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Geltendmachung des Anspruchs auch nicht deshalb treuwidrig, weil eigene Belange des Klägers nicht berührt wären.

Rz. 24

(1) Da die plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums im Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann sie ohnehin jeder Wohnungseigentümer verlangen. Im Einzelfall kann es sich aber als treuwidrig erweisen, wenn ein von der Abweichung nicht unmittelbar betroffener Wohnungseigentümer einen solchen Anspruch geltend macht, obwohl sich die eigentlich betroffenen Wohnungseigentümer dem widersetzen.

Rz. 25

(2) Der Kläger ist von der abweichenden Bauausführung jedoch unmittelbar betroffen, weil er (auch) das Sondereigentum an dem planwidrig abgetrennten Teil des Kellerraums Nr. 3 erworben hat.

Rz. 26

(a) Allerdings hat das Berufungsgericht - wenn auch in anderem Zusammenhang - festgestellt, dass der Kläger den Keller vor Vertragsschluss besichtigt und von dem Aufteilungsplan keine Kenntnis gehabt habe; darüber hinaus habe bis zum Jahr 2012 niemand eine Umbaumaßnahme in Erwägung gezogen. Demnach gingen die Parteien des im Jahr 2011 geschlossenen Kaufvertrags bei Vertragsschluss davon aus, dass (nur) der besichtigte verkleinerte Kellerraum Teil des Sondereigentums war.

Rz. 27

(b) Dem Eigentumserwerb des Klägers steht dies aber nicht entgegen; die Auflassung hat sich insgesamt auf das Sondereigentum an dem Kellerraum Nr. 3 erstreckt. Es liegt keine versehentliche Falschbezeichnung vor, die dazu führte, dass das Sondereigentum nur in den Grenzen der tatsächlichen Bauausführung aufgelassen worden wäre.

Rz. 28

(aa) Nach den getroffenen Feststellungen hat der Kläger einen Miteigentumsanteil von 674/10.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 nebst zugehörigem Kellerraum erworben. Allerdings gelten auch bei einer notariellen Urkunde die allgemeinen Regeln für die rechtliche Behandlung einer Falschbezeichnung. Danach kann ein übereinstimmender tatsächlicher Wille der Vertragsparteien den Inhalt des Rechtsgeschäfts bestimmen und dem Wortlaut der Vereinbarung vorgehen (vgl. BGH, Urteil vom 7.12.2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039; Urt. v. 2.12.2005 - V ZR 11/05, Rpfleger 2006, 181 f.; Urt. v. 18.1.2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rz. 12; Urt. v. 18.7.2008 - V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 18).

Rz. 29

(bb) An einem solchen übereinstimmenden Willen fehlt es. Ist den Vertragsparteien - wie hier - bei der Veräußerung von Wohnungseigentum nicht bekannt, dass das Sondereigentum in größerem Umfang entstanden ist, als es die tatsächliche Bauausführung erkennen lässt, erlaubt eine vor Vertragsschluss erfolgte Besichtigung des Kaufobjekts nicht den Schluss, dass die Auflassung auf das Sondereigentum in den von der Bauausführung vorgegebenen Grenzen beschränkt worden ist. Andernfalls wäre die Auflassung nämlich insgesamt unwirksam; da unzweifelhaft der gesamte Miteigentumsanteil übereignet werden sollte, hätte sie die gem. § 6 Abs. 1 WEG unzulässige Entstehung eines isolierten Sondereigentumsanteils zur Folge (hier in Gestalt des durch die Wand abgetrennten Kellerteils; vgl. BayObLGZ 1987, 390, 395 f.). Dieses Ergebnis liefe den vernünftigen Interessen beider Parteien zuwider, die eine wirksame Eigentumsübertragung erzielen wollen. Nichts anderes lässt sich dem Urteil des Senats vom 18.7.2008 (V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 Rz. 17 ff.) entnehmen; dieses betraf eine Auflassung durch Insichgeschäft des teilenden Eigentümers unter Befreiung von den Vorgaben des § 181 BGB.

Rz. 30

f) Der Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB greift auch nicht unter dem - von Amts wegen zu prüfenden (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1965 - Ib ZR 101/63, NJW 1966, 343, 345) - Gesichtspunkt der Verwirkung ein. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 8.5.2015 - V ZR 178/14, ZMR 2015, 731 Rz. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, ohne dass es darauf ankäme, ob und unter welchen Voraussetzungen eine eingetretene Verwirkung den Kläger als Rechtsnachfolger binden kann (offen gelassen durch BGH, Urt. v. 8.5.2015 - V ZR 178/14, a.a.O., Rz. 14). Die Beklagten konnten nicht darauf vertrauen, dass der fortwährende Widerspruch zwischen tatsächlicher Bauausführung und Grundbuchinhalt auch in der Zukunft von allen Seiten hingenommen werden würde. Sie hätten es ihrerseits in der Vergangenheit in der Hand gehabt, die Situation durch eine einvernehmliche Anpassung des Aufteilungsplans an die tatsächlichen Verhältnisse zu beheben.

Rz. 31

2. Auch die Beschlussersetzungsklage gem. § 21 Abs. 4, Abs. 8 WEG ist im Wesentlichen begründet. Wie ausgeführt, kann der Kläger die plangerechte Herstellung der Trennwand verlangen. Allerdings bedarf es keines Ausspruchs über die Erteilung des Auftrags an den günstigsten Anbieter.

Rz. 32

a) Da die Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer eingreift, dürfen Maßnahmen nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist. Es ist daher stets zu prüfen, ob und ggf. auf welche Weise es den Wohnungseigentümern ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Regie eine Entscheidung zu treffen. Ist - wie hier - nur das "Ob" einer Maßnahme umstritten und nichts dafür ersichtlich, dass die Wohnungseigentümer ihrer grundsätzlichen Verpflichtung nach rechtskräftiger Klärung nicht nachkommen werden, genügt es in der Regel, wenn das Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG die entscheidende Richtung vorgibt (näher BGH, Urt. v. 24.5.2013 - V ZR 182/12, ZMR 2014, 219 Rz. 31).

Rz. 33

b) Daran gemessen ist die Beschlussfassung über die Durchführung der Maßnahme ausreichend. Der Verwalter ist gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, den Beschluss umzusetzen, indem er Vergleichsangebote einholt, diese prüft und den Auftrag erteilt. Er ist zwar in aller Regel gehalten, den günstigsten Anbieter zu wählen; auch können ihm die Wohnungseigentümer eine dahingehende Weisung erteilen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Es kann im Einzelfall triftige Gründe dafür geben, einen teureren Anbieter zu beauftragen (vgl. BayObLG WE 1995, 287 f.; AG München ZMR 2012, 739 f.; so für die Auswahl des Verwalters BGH, Urt. v. 22.6.2012 - V ZR 190/11, NZM 2012, 654 Rz. 11; Urt. v. 27.2.2015 - V ZR 114/14, NJW 2015, 1378 Rz. 10).

III.

Rz. 34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, § 49 Abs. 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen i.S.v. § 49 Abs. 1 WEG, die Prozesskosten den Beklagten aufzuerlegen, da diese eine Beschlussfassung abgelehnt haben. Dass der Senat bei der Abfassung des Tenors hinsichtlich der Beschlussersetzung von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und in einem Nebenpunkt nicht dem Antrag des Klägers entsprochen hat, ändert hieran nichts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8846525

BGHZ 2016, 29

NJW 2016, 473

DNotI-Report 2016, 5

JR 2017, 74

MittBayNot 2016, 505

NZM 2016, 132

ZAP 2016, 57

ZMR 2016, 2

ZMR 2016, 215

ZfIR 2016, 276

DNotZ 2016, 278

JZ 2016, 70

MDR 2016, 147

WuM 2016, 47

ZWE 2016, 75

ZWE 2016, 79

MietRB 2016, 41

NJW-Spezial 2016, 163

NotBZ 2016, 139

RdW 2016, 221

ZNotP 2015, 421

BBB 2016, 61

IWR 2016, 48

MK 2016, 19

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