Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitgliederwerbung eines Idealvereins zu Zwecken des Wettbewerbs, hier: Erbenberatung und Anlageberatung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliederwerbung eines Idealvereins als ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs anzusehen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Idealverein, der durch ein Beratungsangebot den Kreis der von ihm betreuten Mitglieder zu erweitern versucht, handelt zu Zwecken des Wettbewerbs und ist, auch wenn er außer dem Mitgliedsbeitrag kein besonderes Entgelt für seine Tätigkeit verlangt, als Gewerbetreibender anzusehen, wenn er, mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Anlageberatern und Rechtsanwälten im Wettbewerb stehend, deren Beratungsmöglichkeit durch Mitgliederwerbung beeinträchtigt.

 

Normenkette

StBerG § 8 Abs. 1; UWG § 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.06.1981; Aktenzeichen 2 U 108/80)

LG Düsseldorf (Urteil vom 10.06.1980; Aktenzeichen 36 O 155/79)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 1981 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Beklagte nimmt als eingetragener Verein die „schutzbedürftigen ideellen und materiellen” Interessen der Wertpapierbesitzer wahr. Sie verfolgt nach § 3 ihrer Satzung keine eigenwirtschaftlichen Ziele.

Im April 1979 richtete sie ein Rundschreiben an ihre Mitglieder, das folgende Einleitung enthielt:

„Eine ständige Überprüfung unseres Leistungsangebotes für unsere Mitglieder hat uns den Gedanken nahegelegt, daß im Erbfall eine beratende Hilfestelle wünschenswert sein könnte.

Wir wenden uns deshalb heute mit der Frage an Sie, ob Ihnen eine individuelle Beratung Ihrer Erben auf dem Gebiet der Wertpapieranlage zur gegebenen Zeit nützlich und sinnvoll erscheinen würde, um das mögliche Defizit Ihrer Erben an Anlageerfahrung für eine Übergangszeit auszugleichen

…”

Die Mitglieder sollten mitteilen, ob sie an einer derartigen Beratung ihrer Erben interessiert seien. Im Juni 1979 wandte sich die Beklagte wiederum in einem Rundschreiben unter dem Betreff „Beratung im Erbfall” an ihre Mitglieder. In diesem Rundschreiben teilte sie u.a. folgendes mit:

Wir haben uns nunmehr im Hinblick auf diese positive Resonanz dazu entschlossen, den Beratungsdienst für

Erben unserer Mitglieder aufzunehmen. In der Anlage erhalten Sie zwei Musterschreiben, mit denen die individuelle Beratung ihrer Erben bei uns angefordert werden kann. Wir freuen uns darüber, daß wir mit diesem neuen Service-Angebot ganz offensichtlich in sehr vielen Fällen einem Bedürfnis unserer Mitglieder entsprechen können.

Mit den uns in dieser Sache zugegangenen Zuschriften wurden zugleich eine ganze Reihe von Fragen und Anregungen an uns herangetragen, die mit diesem Brief nicht sämtlich beantwortet werden können. Die interessierendsten Themen sollen jedoch schon hier in aller Kürze eine Antwort finden.

1. Die Beratung Ihrer Erben erfolgt durch uns selbstverständlich unentgeltlich als Folge Ihrer bestehenden Mitgliedschaft. Daß wir uns darüber freuen würden, wenn Ihre Erben Ihre Mitgliedschaft, die der Satzung gemäß durch Tod erlischt (§ 4 Abs. 3), fortführten, wollen wir nicht verhehlen.

2. Die Beratung, die wir im Todesfall Ihren Erben zukommen lassen wollen, können wir leider nicht bereits jetzt allen Mitgliedern gegenüber vornehmen.

Wir gehen davon aus, daß unsere aktiven Mitglieder die Beratung durch die Zeitschrift „Wertpapier” zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus beantworten wir Einzelfragen unserer Mitglieder gern, wenn sie an uns herangetragen werden. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen (schwere, dauerhafte Krankheit oder hohes Alter) kann diese Beratung ausnahmsweise auch erweitert werden. Zu einer individuellen Anlageberatung jedes einzelnen Mitgliedes reicht jedoch unser kleiner Personalstab nicht aus. Letztlich ist das eine Frage der Kosten oder auch der Beitragshöhe.

3. Viele Fragen bezogen sich auf die Höhe der Erbschaftssteuer. Die Antwort kann jedoch nicht mit wenigen Worten erteilt werden. Wir fügen diesem Schreiben deshalb einen Auszug aus dem Erbschaftssteuergesetz (§§ 15 – 19) an, aus dem Sie in der Regel die Antwort auf Ihre Fragen finden werden. Sollten bei Ihnen danach noch Probleme unbeantwortet sein, bitten wir Sie, uns dies ebenfalls durch eine besondere Zuschrift, aus der sich Ihr Problem ergibt, zur Kenntnis zu bringen.

Das für die Erben bestimmte Musterschreiben nahm Bezug auf das Beratungsangebot „auf dem Gebiet der Wertpapier-Vermögensanlage” vom Juni 1979 und enthielt die Bitte um Übersendung derjenigen Formulare, anhand deren über das Vermögen Auskunft erteilt werden könne. Diese Anfrage sollte zur Folge haben, daß die Erben ein Formular der Beklagten erhielten. Die Erben sollten sich selbst Auskünfte und Unterlagen von Dritten, wie „Banken, Steuerberatern pp” beschaffen. In dem Formular wurden die Erben nach ihren Erwartungen bezügl. des ererbten Wertpapiervermögens, nach dem Nachlaßvermögen im übrigen, darunter auch nach der beabsichtigten steuerlichen Behandlung der Bausparverträge und nach möglicherweise bestehenden Steuerschulden bei Beteiligungen an Gesellschaften gefragt.

Die Klägerin, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Berufsinteressen der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften im Bereich der OFD Düsseldorf wahrnimmt, hat in diesem Schreiben das Angebot einer steuerberatenden Tätigkeit für Nichtmitglieder der Beklagten gesehen. Sie hat, gestützt auf die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes und des UWG, von der Beklagten verlangt, daß diese es bei Meidung von Ordnungsgeldern unterlasse, zu Wettbewerbszwecken

  1. anzukündigen, daß Nichtmitglieder der Beklagten in mit Todesfällen zusammenhängenden Angelegenheiten des Steuerrechts beraten werden,
  2. Nichtmitglieder der Beklagten in mit Todesfällen zusammenhängenden Angelegenheiten des Steuerrechts

zu beraten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe gegen das Steuerberatungsgesetz und damit gegen § 1 UWG verstoßen, da das Rundschreiben nach seinem Inhalt als das Angebot steuerberatender Tätigkeit aufzufassen sei, wobei dahingestellt bleiben könne, ob die Beklagte dies wirklich beabsichtige, da das Schreiben jedenfalls diesen Eindruck erwecke. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, weil nicht feststehe, daß die Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt habe.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagte mit ihrer Ankündigung gegen das Steuerberatungsgesetz verstoßen habe. Sie habe nämlich das Rundschreiben nicht zum Zwecke des Wettbewerbs versandt, da ihre Tätigkeit nicht auf Gewinnerzielung gerichtet sei. Die Beklagte verfolge entsprechend ihrer Satzung keine eigenwirtschaftlichen Ziele und habe die Beratung auch unentgeltlich angeboten. Sie habe lediglich bezweckt, ihren Mitgliederbestand zu erhalten und zu vergrößern, das aber sei nach der Rechtsprechung des Senats kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Auch werde nicht etwa der Wettbewerb der Mitglieder der Beklagten gefördert.

II. Der gegen dieses Urteil gerichteten Revision war der Erfolg zu versagen.

1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte in dem Schreiben vom Juni 1979 Dritten steuerliche Beratung anbiete und dafür werbe. Gleichwohl hat es die Klage abgewiesen. Mit der von ihm gegebenen Begründung kann das Urteil aber nicht aufrechterhalten bleiben. Bei dem vom Berufungsgericht als möglich unterstellten Sachverhalt handelt die Beklagte zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr i.S. des § 1 UWG. Sie tritt mit ihrem Beratungsangebot auf den Markt, auf dem andere gewerbliche Unternehmen gleiche oder ähnliche Dienste anbieten, wie etwa Anlageberater; aber auch Steuerberater und Rechtsanwälte stehen zur entgeltlichen Vermögensberatung in Erbfällen zur Verfügung. Wenn die Beklagte nach ihrer Satzung auch keinen Gewinn erwirtschaften darf, vermehrt sie doch durch ihr Beratungsangebot den Kreis der von ihr betreuten Personen. Damit scheidet diese als Auftraggeber für die übrigen Berater aus, und die Stellung der Beklagten als Beraterin wird zu deren Lasten verstärkt. Damit aber fördert die Beklagte ihren eigenen Wettbewerb zum Nachteil der anderen, mit Beratungsaufgaben befaßten Personen. Das aber bedeutet ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs (BGHZ 3, 270, 277 – Constanze; BGH GRUR 1983, 120 = WRP 1983, 145 – ADAC Verkehrsrechtsschutz und st. Rspr.). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch die Lohnsteuerhilfevereine, weil sie im Wettbewerb mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern stehen, und deren Beratungsmöglichkeit durch die Mitgliederwerbung beeinträchtigen, als Gewerbetreibende angesehen, obwohl sie außer den Mitgliedsbeiträgen kein besonderes Entgelt für ihre Tätigkeit verlangen (BGH GRUR 1976, 370 = WRP 1976, 235 – Lohnsteuerhilfevereine I; GRUR 1978, 180 = WRP 1978, 126 – Lohnsteuerhilfevereine II).

Da sich die Beklagte mit dem von der Klägerin befugtermaßen (BGHZ 79, 390 – Steuerberaterkammer) beanstandeten Angebot nicht darauf beschränkt, im Rahmen ihrer Vereinsautonomie nur ihre Mitglieder anzusprechen, sondern sich über den Kreis der Mitglieder hinaus, nach dem vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalt, an die Erben wendet, brauchen die Wettbewerber, die sich aus der Vereinstätigkeit der Beklagten entstehende Beeinträchtigung ihre Stellung im Wettbewerb, soweit diese unzulässig ist, auch nicht hinzunehmen (BGHZ 56, 327, 333 – Feld und Wald I; GRUR 1983, = WRP 1983, 145 – ADAC Rechtsschutz).

Das Beratungsangebot der Beklagten stellt auch nicht etwa, worauf das Berufungsgericht abgestellt hat, eine Mitgliederwerbung dar, die nicht den Vorschriften des UWG unterfiele. Das wäre nur dann der Fall, wenn es sich um eine „reine” Mitgliederwerbung handelte, durch die die Wettbewerbsverhältnisse im geschäftlichen Verkehr nicht berührt würden und wettbewerblich weitergehende Interessen nicht verfolgt würden (vgl. BGH GRUR 1968, 205, 206 – Teppichreinigung; GRUR 1970, 182 Sportkommission; GRUR 1972, 427, 428 – Mitgliederwerbung; GRUR 1973, 371 = WRP 1973, 93 – Gesamtverband). Die Beklagte beschränkt sich hier, wie ausgeführt, nicht auf die reine Mitgliederwerbung, sondern sie tritt als Mitbewerberin neben anderen gewerblich tätigen Beratern mit ihrem Angebot auf. Zudem macht sie ihr Beratungsangebot nicht nur für den Fall des Beitritts, also zum Zwecke der Mitgliederwerbung, sondern es soll nach dem ausdrücklichen Inhalt dieses Schreibens vom Juni 1979 auch dann gelten, wenn die Erben ihr nicht beitreten.

2. Mit ihrem Beratungsangebot verstößt die Beklagte aber nicht gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Das wäre, wie die Vorinstanzen bei dem gegebenen Sachverhalt zutreffend angenommen haben, nur dann der Fall gewesen, wenn die Beklagte damit gegen die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes, § 2, und das in ihm enthaltene Werbeverbot, § 8 Abs. 1, verstoßen hätte um dadurch einen Vorsprung im Wettbewerb zu erlangen (vgl. BGH GRUR 1970, 179, 182 = WRP 170, 217 – Lohnsteuerzahler; BGH GRUR 1983, 130, = WRP 1983, 154 – Lohnsteuerhilfe Bundesverband). Die Klägerin beanstandet das Vorgehen der Beklagten nur insoweit, als das Beratungsangebot den Erben, also Nicht-Mitgliedern der Beklagten und damit Dritten gelten soll. Die Beklagte hat aber ein derartiges, an Dritte gerichtetes Angebot, soweit es sich um Steuerberatung in dem Schreiben handelt, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, nicht gemacht. Die Auslegung des Schreibens vom Juni 1979 und der Anlagen, die der Senat vornehmen kann, da alle für die Auslegung maßgeblichen Unterlagen vorhanden sind (BGHZ 65, 107) ergibt, daß den Erben ein Steuerberatungsangebot nicht gemacht wird. Das Schreiben vom Juni 1979 befaßt sich nach seinem wesentlichen Inhalt mit der Anlageberatung. Mehr als Folge der Anlageberatung wird auch die Beratung in Erbschaftssteuerangelegenheiten angesprochen. Dieses Angebot richtet sich aber nur an die Mitglieder der Beklagten, denn nur diese sind Adressaten des Schreibens, und nur sie werden auch in dem Schreiben angesprochen. Die Erben erhalten, von Seiten der Beklagten, keine Kenntnis von dem Beratungsangebot. In dem für sie nach dem Todesfall bestimmten Anschreiben ist nur die Vermögensberatung angesprochen. Der den Erben zugesandte Fragebogen läßt erkennen, daß die Erben nur in Fragen der Vermögensanlage beraten werden sollen, denn es werden, soweit Fragen der Besteuerung maßgeblich sind, gerade von Steuerberatern bereits den Erben erteilte Auskünfte erbeten. Die Erben können demnach gar nicht der Auffassung sein, sie könnten in steuerlichen, insbesondere erbschaftssteuerlichen Fragen eine Beratung durch die Beklagte erfahren.

 

Fundstellen

GRUR 1984, 283

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