Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzpflicht eines Steuerberaters wegen verspäteter Abgabe von Steuererklärungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Macht der Steuerberater geltend, an den Fristüberschreitungen bei Abgabe der Steuererklärungen sei er schuldlos, weil der Steuerpflichtige ihm die erforderlichen Unterlagen trotz Aufforderung nicht zur Verfügung gestellt habe, trifft insoweit nicht den Steuerpflichtigen, sondern den Steuerberater die Beweislast dafür, daß er die Verzögerung nicht zu vertreten hat.

2. Ein vollständiger Ausgleich des Schadens des Steuerpflichtigen durch Zinsvorteile setzt voraus, daß diesem solche Vorteile mindestens in Höhe seines Schadens (einschließlich der für die Verspätungszuschläge anzusetzenden Zinsen) tatsächlich entstanden sind. Die Beweislast dafür trägt der Steuerberater.

 

Normenkette

StBerG § 33; BGB §§ 276, 675

 

Tatbestand

Die Beklagte war seit 1955 als Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin für die Klägerin und deren Gesellschafter, die Eheleute P., tätig. Zu ihren Aufgaben gehörte die Überwachung der von Angestellten der Klägerin geführten Buchhaltung, die Fertigstellung von Jahresabschlüssen sowie die Betreuung der Klägerin und ihrer Gesellschafter in Steuerangelegenheiten. Die Klägerin hat den Vertrag am 8. Oktober 1976 gekündigt. Ihre Honoraransprüche beziffert die Beklagte auf insgesamt 112 465,65 DM. Hierauf hat sie von der Klägerin Vorschüsse in Höhe von 34 500,– DM erhalten. Die Klägerin hat die Erstattung von ihr gezahlter Verspätungszuschläge in Höhe von insgesamt 41754,– DM und die Rückzahlung der Vorschüsse verlangt. Dagegen hat die Beklagte mit ihren angeblichen Honoraransprüchen aufgerechnet. Die Klägerin meint, der Beklagten ständen keine Honoraransprüche zu. Soweit diese Ansprüche sich auf die Zeit vor dem Jahre 1974 beziehen, hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. Im übrigen ist sie der Ansicht, die Beklagte habe überhaupt keine brauchbaren Dienste geleistet. Die Beklagte habe die Festsetzung der Verspätungszuschläge durch das Finanzamt in der Zeit vom 29. April 1974 bis zum 13. August 1976 in Höhe von insgesamt 41 754,– DM verschuldet. An die Treuhand- und Revisions-AG habe sie u. a. für von der Beklagten versäumte Arbeiten 23 660,– DM zahlen müssen. Mit Ansprüchen auf Ersatz der zuletzt genannten Zahlungen hat die Klägerin gegenüber etwa bestehenden Honoraransprüchen der Beklagten hilfsweise aufgerechnet. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 76 254,– DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 45123,93 DM stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat „das hilfsweise Heranziehen des Schadensersatzanspruches von 23 660,– DM im Verhandlungstermin vom 7. Juni 1979 zur Stützung der Klage” nicht zugelassen, weil darin eine Klageänderung ohne Einwilligung der Beklagten liege, die nicht sachdienlich sei. Das war rechtsfehlerhaft. Die Klägerin hatte in jener mündlichen Verhandlung erklärt, die Klage werde hilfsweise bis zur Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Betrages auch auf den genannten Schadensersatzanspruch gestützt. Die Sitzungsniederschrift ergibt nicht, aus welchem Anlaß diese Erklärung abgegeben wurde. Die Erklärung stellte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ein neues oder verändertes Vorbringen der Klägerin dar. Die Klägerin hatte schon in der Klageschrift ihren Anspruch auf Zahlung von 34500,– DM (den sie neben dem Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vom Finanzamt festgesetzten Säumniszuschläge in Höhe von 41754,– DM eingeklagt hatte) zwar in erster Linie darauf gestützt, daß überhaupt kein Honoraranspruch entstanden und die Beklagte deshalb zur Rückzahlung der Abschlagszahlungen verpflichtet sei, hilfsweise aber darauf, daß die Beklagte „aus dem Gesichtspunkt der Schlechterfüllung und des Schadensersatzes” die Beträge zurückzahlen müsse. Nichts anderes besagt die in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht abgegebene Erklärung. In ihr lag somit weder eine Klageänderung noch ein irgendwie neuartiges Vorbringen. Das Berufungsgericht hätte über diesen von der Klägerin hilfsweise unverändert geltend gemachten Anspruch in der Sache entscheiden müssen, wenn es mit dem Landgericht von einem bestehenden Honoraranspruch der Beklagten ausgehen und deshalb der Hauptbegründung des Klageantrages nicht folgen wollte.

II.

Gegen das angefochtene Urteil bestehen auch im übrigen rechtliche Bedenken.

1. Die Klägerin hatte nach dem Inhalt des vom Berufungsgericht festgestellten Vertrages einen Anspruch gegen die Beklagte auf ordnungsgemäße Buchführung und ordentliche und fristgerechte Abgabe der erforderlichen Steuererklärungen. Daß die Steuererklärungen nicht fristgerecht abgegeben worden und daß deswegen die Verspätungszuschläge festgesetzt worden sind, ist unstreitig. Wenn die Beklagte geltend macht, an den Fristüberschreitungen treffe sie keine Schuld, weil die Klägerin ihr die erforderlichen Unterlagen trotz Aufforderung nicht zur Verfügung gestellt habe, so trifft insoweit nicht die Klägerin, sondern die Beklagte die Beweislast dafür, daß sie die Verzögerung nicht zu vertreten hatte (BGH, Urteil vom 9. Juni 1982 = WM 1982, 903). Das hat das Berufungsgericht verkannt.

2. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen von der Beklagten verschuldeter Verspätungszuschläge könne nicht anerkannt werden, weil die Klägerin nicht substantiiert bestritten habe, daß ihr durch die Nichtzahlung (gemeint ist offenbar verspätete Zahlung) von Steuern Zinsvorteile zugekommen wären, welche die Summe der Verspätungszuschläge übersteigen könnten. Dagegen bestehen rechtliche Bedenken.

Ein vollständiger Ausgleich des Schadens der Klägerin durch Zinsvorteile würde voraussetzen, daß der Klägerin solche Vorteile mindestens in Höhe ihres Schadens (einschließlich der für die Verspätungszuschläge anzusetzenden Zinsen) tatsächlich entstanden sind. Die Feststellung, solche Vorteile könnten den Schaden übersteigen, enthält nicht zwingend die Feststellung, daß sie mindestens in Höhe des Schadens entstanden sind. Weiterhin würde es nicht genügen, daß die Klägerin Zinsvorteile theoretisch hätte ziehen können. Es ist vielmehr Sache der Beklagten, vorzutragen, und gegebenenfalls zu beweisen, welche Vorteile die Klägerin tatsächlich gezogen oder schuldhaft unter Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) zu ziehen unterlassen hat. Schließlich enthält die vom Berufungsgericht angeführte Aufstellung in der Berufungsbegründung der Beklagten nichts darüber, warum die fraglichen Steuern gerade zu den jeweils angegebenen Zeitpunkten und nicht etwa mehr oder weniger lange Zeit danach hätten gezahlt werden müssen, ohne daß es zum Ansatz- von Verspätungszuschlägen gekommen wäre, und ob nicht etwa bei pflichtgemäßer Durchführung des Mandats der Beklagten weitere Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen hätten erwirkt werden können.

III

Da das angefochtene Urteil auf den oben angeführten Rechtsfehlern beruht und der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, war der Rechtsstreit unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

Ob das Landgericht mit Recht der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von Vorschüssen (§ 812 BGB) aberkannt und in Verbindung damit der Beklagten einen Honorarrestanspruch zugesprochen hat, kann das Berufungsgericht nur auf eine Anschlußberufung der Klägerin nachprüfen. Ob eine solche in der Berufungserwiderung vom 6. Juni 1979 lag, erscheint zweifelhaft. Die Klägerin hat jedoch Gelegenheit, gegebenenfalls nunmehr eine zulässige Anschlußberufung einzureichen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2101135

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