Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularmäßig gestalteter Mietvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Frage der Abdingbarkeit der Tilgungsregelung des § 366 BGB in einem formularmäßig gestalteten Mietvertrag.

b) Zur Inhaltskontrolle einer formularmäßigen Aufrechnungsverbotsklausel in einem vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes abgeschlossenen Mietvertrag über Gewerberäume.

 

Orientierungssatz

(Abdingbarkeit der gesetzlichen Tilgungsregelung in AGB; Wirksamkeit eines Aufrechnungsverbots in AGB; Anwendung von AGB § 11 Nr 3 im kaufmännischen Verkehr)

1. Die Tilgungsregelung des BGB § 366 kann - auch im kaufmännischen Verkehr - in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam nur abbedungen werden, wenn zugleich eine bestimmte Tilgungsfolge für die in Betracht kommenden Forderungen festgelegt wird.

2. Eine in einem vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes abgeschlossenen Mietvertrag enthaltene Klausel, die nach ihrer Formulierung jede Aufrechnung gegenüber Forderungen des Vermieters ausschließt, bleibt auch nach dessen Inkrafttreten insoweit wirksam, wie nicht dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Das Verbot der sog. geltungserhaltenden Reduktion gilt insoweit nicht.

3. AGBG § 11 Nr 3 gilt im kaufmännischen Verkehr zwar nicht unmittelbar. Die Vorschrift muß aber zur Ausfüllung der Inhaltskontrolle gemäß AGBG § 24 S 2 in Verbindung mit AGBG § 9 herangezogen werden (Abweichung BGH, 1977-01-12, VIII ZR 252/75, WM IV 1977, 311).

 

Normenkette

BGB §§ 305, 366, 387; AGBG §§ 9, 24 S. 2, § 28 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin

KG Berlin

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 4. November 1982 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin vermietete den Beklagten am 3. März 1976 nach näherer Bestimmung eines im wesentlichen formularmäßig gestalteten Mietvertrages im Hause … Räume zum Betrieb eines Cafes für die Dauer von zehn Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit im Wege der Option. Die Gesamtkaltmiete ohne Nebenkosten betrug ursprünglich 13.000 DM + 11% Mehrwertsteuer (1.430 DM) = 14.430 DM (§ 5 Nr. 1 Mietvertrag). Außerdem hatten die Beklagten einen Parketagenzuschuß von 1.250 DM + 11% Mehrwertsteuer (137,50 DM) = 1.387, 50 DM zu zahlen (§ 7 Nr. 1 und 2 Mietvertrag). Die Kosten der Heizungs- und Klimaanlage werden gemäß § 6 Abs. 2 Buchst. a Mietvertrag nach dem prozentualen Mietflächenanteil auf die Mieter verteilt, die sonstigen Gemeinschafts- und Nebenkosten im prozentualen Anteil der Kaltmiete zu der in dem Abrechnungszeitraum erzielten Kaltmiete des Hauses (§ 6 Abs. 2 Buchst. b Mietvertrag). Nach einem Zusatz zu dieser Vertragsbestimmung sollen die sonstigen Gemeinschafts- und Nebenkosten„ca. 30% der Kaltmiete” ausmachen;„40% der diesbezüglichen Nebenkosten dürfen nicht zu Lasten des Mieters überschritten werden”. § 8 Mietvertrag enthält unter de Überschrift„Zahlungen” u. a. folgende Bestimmungen

„1. Der Mietzins, die Vorauszahlungen auf Gemeinschafts- und Nebenkosten und andere Zahlungen sind monatlich im voraus unter Angabe der vom Vermieter mitgeteilten Vertragsnummer, spätestens am 3. Werktag eines Monats, porto- und spesenfrei an den Vermieter bzw. an die von ihm zur Entgegennahme ermächtigte Person oder Stelle zu zahlen …

3. Befindet sich der Mieter mit Zahlungen im Rückstand, so sind Teilzahlungen nach den Bestimmungen des Vermieters ohne Rücksicht auf die Bestimmung des Mieters zu verrechnen.

4. Der Mieter kann gegenüber dem Mietzins und den Nebenkosten nicht aufrechnen und auch kein Minderungs- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen”

Aufgrund der in § 5 Nr. 2 Mietvertrag vereinbarten von der Landeszentralbank … genehmigten Wertsicherungsklausel erhöhten sich Pauschalkaltmiete und Parketagenzuschuß im Laufe der Vertragszeit mehrfach, so daß die Beklagten unter Berücksichtigung der Anhebung der Mehrwertsteuer auf 13% schließlich ab 1. Juli 1979 monatlich 23.918,16 DM und ab 1. August 1980 monatlich folgende Zahlungen zu leisten hatten:

„Pauschalkaltmiete

14.866,87 DM

Mehrwertsteuer (13%)

1.932,69 DM

Parketagenzuschuß

1.429,51 DM

Mehrwertsteuer (13%)

185,84 DM

Vorschuß füß Kosten der Heizungs- und Klimaanlage

1.765,– DM

Vorschuß für sonstige Gemeinschafts- und Nebenkosten

5.900,– DM

zusammen

26.079,91 DM”

Die Beklagten haben bis einschließlich Februar 1980 die Miete einschließlich der Vorauszahlungen auf die Gemeinschafts- und Nebenkosten voll bezahlt. Wegen angeblicher Nachforderungen aus der Abrechnung der Gemeinschafts- und Mietnebenkosten für 1979 streiten die Parteien in einem Parallelprozeß (12 O 452/80 LG Berlin). Die gesonderte Geltendmachung von Nachforderungen aus der Gemeinschafts- und Nebenkostenabrechnung für 1980 hat die Klägerin sich vorbehalten. Die von den Beklagten ab März 1980 bis August 1981 geleisteten Zahlungen deckten die Forderung der Klägerin von monatlich 23.918,16 DM bis Juli 1980 und von monatlich 26.079,91 DM ab 1. August 1980 nicht, so daß Rückstände aufgelaufen sind. Die Klägerin hat die Zahlungen der Beklagten zunächst auf die Vorauszahlungen für die Gemeinschafts- und Nebenkosten, in zweiter Linie auf den Parketagenzuschuß und sodann auf die Kaltmiete verrechnet. Sie hat auf diese Weise folgende Rückstände an Kaltmiete – und für die Monate Juni, Juli und August 1981 zugleich rückständige Vorschüsse auf Gemeinschafts- und Mietnebenkosten – errechnet:

„März 1980 restliche Miete

566,50

DM

April 1980 restliche Miete

51,56

DM

Mai 1980 restliche Miete

3.245,61

DM

August 1980 restliche Miete

9.134,30

DM

Oktober 1980 restliche Miete

9.134,30

DM

Januar bis Mai 1981 restliche Miete von je DM 9.280,34, insgesamt

64.962,38

DM

Juni, Juli und August 1981 die Miete einschließlich sämtliche Neben- und Gemeinschaftskosten von je DM 26.079,91 DM, insgesamt

78.239,73

DM

von der Klägerin insgesamt errechnet:

165.034,38

DM

(die Summe beträgt rechnerisch richtig 165.334,38 DM).

Den Betrag von 165.034, 38 DM zuzüglich Zinsen hat die Klägerin eingeklagt. Nach Klageerhebung haben die Beklagten durch Verrechnungsscheck dreimal 16.799,56 DM (14.866,97 DM + 1.932,69 DM) insgesamt 50.398,68 DM mit der Verwendungsbestimmung Kaltmiete für Juni, Juli und August 1981 gezah1t. Die Klägerin hat diese Verwendungsbestimmung „aus Gründen der Praktikabilität” hingenommen.

Im Hinblick auf die Zahlung von 50.398,68 DM haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt. Die Klägerin hat die Klage außerdem im Betrage von 0,20 DM zurückgenommen.

Die Klägerin hat danach beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner noch zur Zahlung von 114.635,70 DM (165.034,38 DM ./. 50.398,68 DM ./. 0,20 DM) zuzüglich Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagten haben im ersten Rechtszuge geltend gemacht, die Mietrückstände seien bedingt durch Mängel der Heizungs- und Klimaanlage und durch völlig überhöhte Mietnebenkosten. Die Kaltmieten hätten sie unter Vorbehalt der Rückforderung bezahlt. Den von ihnen aufgrund der mangelhaften Heizungs- und Klimaanlage für 1978 erlittenen Schaden durch Gewinneinbußen im Cafe haben die Beklagten mit 61.212,91 DM (später erhöht auf 64.317,38 DM) beziffert und zuzüglich Zinsen im Wege der Widerklage geltend gemacht.

Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 21. Dezember 1981 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Januar 1982 der Klage stattgegeben. Dagegen haben sich die Beklagten mit der Berufung zur Wehr gesetzt. Sie haben die von ihnen geleisteten Zahlungen im einzelnen aufgeführt und geltend gemacht, die Klägerin habe sie nur zum Teil berücksichtigt. Sie haben gemeint, die Vorschußzahlungen, die in den Einzelforderungen der Klägerin enthalten seien, seien wegen der schwerwiegenden Mängel der Heizungs- und Klimaanlage, welche der Klägerin bekannt seien, nicht fällig. Durch das im Mietvertrag enthaltene Aufrechnungs-, Minderungs- und Zurückbehaltungsverbot seien sie rechtlos gestellt.

Die Beklagten haben mit der schon im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzforderung von zuletzt 64.317,38 DM die Aufrechnung für den Fall erklärt, daß das vertragliche Aufrechnungsverbot unwirksam sei.

Ihre Berufung hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten das Klageabweisungsbegehren weiter; ihre Verurteilung zur Zahlung von Zinsen auf den für erledigt erklärten Hauptsacheteilbetrag von 50.398,68 DM nehmen sie jedoch hin.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klageforderung sei hinreichend bestimmt. Es handele sich für die Zeit bis Mai 1981 um restliche Kaltmiete, für die Monate Juni, Juli und August 1981 dagegen um Zuschüsse für die Parketagen und Vorauszahlungen auf die Gemeinschafts- und Mietnebenkosten.

Dagegen wendet sich die Revision nicht. Der Standpunkt der Vorinstanz ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Jedenfalls in der Berufungsinstanz ist aufgrund der Berufungsbegründung und der Erwiderung der Klägerin hierauf deutlich geworden, daß die Klägerin ihrer Berechnung die monatlichen Gesamtpauschalbeträge von 23.918,16 DM (zu zahlen bis einschließlich Juli 1980) und von 26.079,91 DM (zu zahlen ab August 1980) zugrunde gelegt hat und welche der von den Beklagten in der Berufungsbegründung angegebenen Zahlungen, die hinsichtlich ihrer Höhe unstreitig sind, sie auf welche Monate innerhalb der hier fraglichen Zeit verrechnet hat. Unzweifelhaft ist ferner, daß die Klägerin in diesem Rechtsstreit keine Ansprüche aus der Heizungs-, Klima- und Nebenkostenabrechnung für 1980 geltend macht. Diese hat sie sich allerdings vorbehalten. Gegenstand der Klage sind ebensowenig Ansprüche aus der entsprechenden Abrechnung für 1981, die die Klägerin am 21. Juni 1982 erstellt hat.

II.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, § 8 Nr. 3 Mietvertrag habe der Klägerin die Befugnis gegeben, die von den Beklagten geleisteten Zahlungen nach ihrer, der Klägerin, Bestimmung zu verrechnen. Die Klausel halte einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG stand, die auch dann zu erfolgen habe, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie hier, unter Kaufleuten verwendet würden. Eine unangemessene, mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 366 BGB) nicht zu vereinbarende Benachteiligung der Beklagten sei nicht ersichtlich. § 366 BGB sei dispositives Recht.

2. a) Die Revision hat darin recht, daß mit der Feststellung, § 366 BGB sei dispositiver Natur, nichts gewonnen ist, da zwingendes Recht weder durch individuelle Absprachen noch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen verdrängt werden kann.

b) Die Revision hat auch darin recht, daß die von der Klägerin durch Formularvertrag durchgesetzte Regelung des § 9 Nr. 3 Mietvertrag nachhaltig in die vom Gesetz dem Schuldner zugebilligte Position eingreift.

aa) Schuldet, wie hier, ein Mieter mehrere Mietzinsraten, so ist § 366 BGB entsprechend anwendbar (Senatsurteil vom 5. April 1965 – VIII ZR 10/64 = NJW 1965, 1373). Nach § 366 BGB kann deshalb der Schuldner mehrerer Mietzinsraten, wenn seine Leistung nicht zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten ausreicht, selbst bestimmen, welche Schuld getilgt werden soll. Trifft der Schuldner eine derartige Tilgungsbestimmung weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten, so greift dieTilgungsfolge gemäß § 366 Abs. 2 BGB ein (Senatsurteil vom 5. Februar 1969 – VIII ZR 42/67 = NJW 1969, 1846). Das Gesetz gibt dagegen dem Gläubiger kein – einseitiges – Bestimmungsrecht. Darüber besteht kein Streit (vgl. z.B. MünchKomm-Heinrichs, BGB, § 366, Rdn. 8 m. w. Nachw.).

bb) Ein einseitiges Tilgungsbestimmungsrecht, das ihr erlaubt, sich über Tilgungsbestimmungen des Mieters hinwegzusetzen, hat sich die Klägerin in § 8 Nr. 3 Mietvertrag einräumen lassen. Wortlaut und erkennbarer Sinn dieser Regelung machen deutlich, daß die Klägerin von dem Bestimmungsrecht von Fall zu Fall in der ihr zweckmäßig erscheinenden Weise soll Gebrauch machen können. Bereits in seiner Entscheidung vom 25. April 1907 hat das Reichsgericht nach eingehender Auseinandersetzung mit den unterschied1ichen Auffassungen in der Literatur, die sich bis heute gehalten haben (vgl. u. a. Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11.Aufl., § 366 Anm. III; BGB-RGRK, 12. Aufl., § 366 Rdn. 4; MünchKomm-Heinrichs, BGB, § 366 Rdn. 7 m. w. Nachw.), eine vorgängige Vereinbarung der Parteien über die Anrechnung künftiger Zahlungen auf eine bestimmte Schuld mit der Wirkung für zulässig angesehen, daß auf diese Weise das einseitige Bestimmungsrecht des Schuldners beseitigt wird (RGZ 66, 54, 59). Im späteren Urteil vom 26. Januar 1924 wird ebenfalls betont, eine von § 366 BGB abweichende Regelung erfordere einen Vertrag beider Teile (SeuffArch 78, Nr. 181; vgl. ferner RGZ 105, 29, 31). Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat angeschlossen (Senatsurteil vom 9. Juni 1959 – VIII ZR 175/58 = Betrieb 1959, 912 und vom 23. April 1980 – VIII ZR 341/78, nicht veröffentlicht). Davon abzuweichen besteht kein Anlaß. Die Parteien haben eine Vereinbarung geschlossen, die das einseitige Bestimmungsrecht des Schuldners und die gesetzliche Tilgungsfolge gemäß § 366 Abs. 2 BGB ausschließt. Da das nicht in einem individuell ausgehandelten, sondern in einem formularmäßig gestalteten Mietvertrag geschehen ist, war zu prüfen, ob die Klausel gemäß §§ 28 Abs. 2, 24 Satz 2, 9 AGBG einer Inhaltskontrolle standhält. Wie in vorausgegangenen Entscheidungen des erkennenden Senats, die Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Formularverträge aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes betreffen (Senatsurteile vom 16. September 1981 – VIII ZR 265/80 = BGHZ 81, 298; vom 28. Oktober 1981 – VIII 302/80 = BGHZ 82, 121 und vom 21. Dezember 1983 – VIII ZR 195/82 = WM 1984, 314), kommt es hier auf die – in anderem Zusammenhang allerdings zu erörternde – Frage nicht an, ob § 9 AGBG in derartigen Fällen uneingeschränkt Anwendung findet; denn eine an § 242 BGB orientierte Inhaltskontrolle müßte sich ebenfalls an folgende Gesichtspunkte halten.

cc) Grundsätzlich mag auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Tilgungsbestimmungsregelung des § 366 BGB abbedungen werden können. Wirksam ist das jedoch nur dann, wenn in der an die Stelle des Gesetzes tretenden Regelung die Belange auch des Schuldners in angemessener Weise berücksichtigt werden. Es darf nicht übersehen werden, „daß das Zahlungsgeschäft vom Schuldner ausgeht” (RGZ 66, 54, 59), daß er insbesondere Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung einer Schuld trägt. Er muß, wenn er die Tilgung schon nicht selbst bestimmen und demgemäß sie auch darlegen und beweisen kann, bei der Erfüllung wissen, auf welche Schuld er leistet. Dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der sich als Gläubiger das Erfüllungsbestimmungsrecht einräumen läßt, ist zuzumuten, sich bei Vertragsschluß auf eine bestimmte Tilgungsfolge für mehrere Forderungen festzulegen. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie in Mietverträgen die Regel, die verschiedenen Forderungen der Art nach feststehen. Schon das Reichsgericht hat in RGZ 66, 54, 59 die innere Rechtfertigung für die Beseitigung des einseitigen Bestimmungsrechts des Schuldners darin gesehen, daß durch die im voraus getroffene vertragliche Vereinbarung „der fraglichen Leistung (des Schuldners) die Richtung bestimmt angewiesen ist, in welcher sich das Zahlungsgeschäft alsdann durch den Leistungsakt vollzieht” (a.a.O. S. 59). Die Klägerin hätte deshalb in § 8 Nr. 3 bestimmen müssen, in welcher Art und Weise sie Teilleistungen des in Zahlungsrückstand geratenen Mieters auf die verschiedenen Forderungen verrechnen werde. Die Befugnis, dies von Fall zu Fall zu entscheiden, noch dazu ohne Verpflichtung, den Schuldner zumindest bei der Leistung entsprechend unterrichten zu müssen, vernachlässigt berechtigte Belange des Mieters einseitig und in unvertretbarer Weise.

§ 8 Nr. 3 Mietvertrag hält danach entgegen der Meinung des Berufungsgerichts einer Inhaltskontrolle nicht stand. Auch im kaufmännischen Verkehr ist eine derartige Klausel unwirksam.

c) Das Oberlandesgericht hätte auch von seinem Standpunkt einer wirksamen Vereinbarung aus Anlaß gehabt zu prüfen, ob § 9 Nr. 3 Mietvertrag nicht durch die Vertragspraxis stillschweigend einvernehmlich aufgehoben worden ist. Die Beklagten haben nämlich jedenfalls ab November 1980 nur Beträge bezahlt, die auf den Pfennig genau der monatlichen Kaltmiete = 14.966,87 DM und der darauf entfallenden Mehrwertsteuer = + 1.932,69 DM = 16.799,56 DM entsprachen. Bei solcher Fallgestaltung ist; falls der Gläubiger nicht widerspricht, eine vertragliche Wiederherstellung der gesetzlichen Tilgungsregelung zu erwägen. Abschließend braucht darüber im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.

3. Auch wenn danach von der Regelung des 3 366 BGB auszugehen ist, hat die Revision, wie noch darzulegen sein wird, keinen Erfolg. Die Beklagten haben nicht bestritten, daß sie der Klägerin im März 1980 566,50 DM, im April 1980 51,60 DM und im Mai 1990 3.245,61 DM schuldig geblieben sind. Für August 1980 haben die Beklagten am 8. September 1980 16.945, 61 DM gezahlt, so daß als Differenz zu den monatlich zu entrichtenden 26.079,91 DM 9.134,30 DM offen blieben. Für Oktober 1980 sind am 6. November 1980 wiederum 16.945,61 DM geleistet worden, so daß ebenfalls 9.134,30 DM offen blieben. Die Beklagten haben indessen am 17. Dezember 1980 weitere 9.134, 30 DM für Oktober 1980 nachgezahlt. Diese Summe hat die Klägerin auf September 1980 verrechnet. Durfte sie das nicht, so wäre zwar im Oktober 1980 kein Rückstand entstanden, wohl aber ein solcher für September 1980, denn die Beklagten behaupten nicht, für diesen Monat volle Zahlung erbracht zu haben. Für die Zeit von November 1980 bis Mai 1981 haben die Beklagten nach eigenen Angaben pro Monat 16.799,56 DM – zunächst aufgeteilt in Beträge von 14.866,87 DM (Kaltmiete) und 1.932,69 DM (Mehrwertsteuer) – gezahlt. Für jeden dieser Monate blieb mithin ein Betrag von 9.280,35 DM offen. Die Klägerin verlangt 9.280,34 DM pro Monat. Nach teilweiser Erledigung der Hauptsache bleiben für die Monate Juni, Juli und August 1981 ebenfalls Rückstände von je 9.280,35 DM, insgesamt also, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, 27.841,05 DM.

Von dem für die Klägerin nachteiligen Additionsfehler bei der Berechnung des gesamten Zahlungsrückstandes abgesehen (165.034,38 DM; richtig: 165.334,38 DM), hat sie den nicht getilgten Teil der Forderungen richtig berechnet. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe geleistete Zahlungen nur zum Teil berücksichtigt, ist durch die Angaben in der Berufungsbegründung widerlegt.

4. Die Beklagten hätten dem Zahlungsbegehren der Klägerin danach nur dann mit Erfolg begegnen können, wenn der Mietzins gemindert wäre, wenn sie Mietzinszahlungen zurückbehalten dürften oder wenn sie mit Schadensersatzforderungen aufrechnen könnten.

Keine dieser Möglichkeiten steht ihnen indessen offen.

a) Soweit die Beklagten auf das von ihnen in Anspruch genommene Recht der Minderung des Mietzinses zurückgreifen, ist der Revision der Erfolg versagt. Die weitgehende Haftung des Vermieters für Sachmängel, hier in bezug auf die Heizungs- und Klimaanlage, wird vielfach als nicht interessengerecht empfunden. Deshalb sind in der Vertragspraxis Gewährleistungsausschluß oder Gewährleistungsbeschränkung weit verbreitet. Soweit Haftungsausschluß oder Haftungsbegrenzung Gegenstand individueller Absprachen sind, begegnet dies in den Grenzen von Treu und Glauben keinen Bedenken (Senatsurteil vom 12. Februar 1959 – VIII ZR 54/58 = BGHZ 29, 289). In welchem Umfang Einschränkungen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts durch Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam sind, ist umstritten. Für den nichtkaufmännischen Bereich regelt nunmehr § 11 Nr. 10 AGBG die Grenzen des zulässigen Ausschlusses von Gewährleistungsrechten. Ob die Vorschrift auf Gebrauchsüberlassungsverträge Anwendung findet, ist zweifelhaft (vgl. Löwe/von Westphalen/Trinkner, AGBG, 2. Aufl., Einleitung zu § 11 Nr. 10 Rdn. 18 mit einem Überblick über den Stand der Meinungen). Für den kaufmännischen Bereich käme die Verbotsnorm unmittelbar ohnehin nicht zur Anwendung, sie könnte aber für die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG als Bewertungsmaßstab Bedeutung gewinnen. Auf Einzelheiten braucht im vorliegenden Fall indes nicht eingegangen zu werden, denn § 8 Nr. 4 Mietvertrag führt nicht zu einem vollständigen Gewährleistungsausschluß. Die Regelung schließt ersichtlich das Minderungsrecht nicht schlechthin aus, sondern nur dessen Verwirklichung durch Abzug vom geschuldeten Mietzins. Der Mieter wird insoweit auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen. Im übrigen liegt ein vollständiger Gewährleistungsausschluß auch schon deshalb nicht vor, weil die Schadensersatzpflicht des Vermieters gemäß § 538 BGB unter den dort gegebenen Voraussetzungen von dem Formularmietvertrag ebensowenig berührt wird, wie das Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 542 BGB.

Der Klägerin ist es danach nicht verwehrt, sich auf den vereinbarten Ausschluß des Minderungsrechts zu berufen.

b) Die Beklagten sind durch das in § 8 Nr. 4 Mietvertrag geregelte Verbot gehindert, gegenüber der Klageforderung mit – streitigen – Schadensersatzforderungen aufzurechnen.

aa) Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf ältere höchstrichterliche Rechtsprechung die vertragliche Vereinbarung von Aufrechnungsverboten als wirksam angesehen und dies in der Regelung des § 11 Nr. 3 AGBG bestätigt gefunden, wonach in AGB lediglich eine Bestimmung unwirksam sei, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen werde, mit einer unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen.

bb) Die Revision erachtet die Klausel des § 8 Nr. 4 Mietvertrag demgegenüber wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 3 AGBG für unwirksam und meint, eine geltungserhaltende Reduktion käme nicht in Betracht.

cc) Die in Rede stehende Klausel schließt nach ihrer Formulierung jede Aufrechnung gegenüber Forderungen des Vermieters aus, d. h. auch die Aufrechnung mit unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen des Mieters. Wäre der Mietvertrag nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes abgeschlossen worden, so wäre die Klausel sowohl im nichtkaufmännischen Bereich wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 3 AGBG, als auch bei Verwendung unter Kaufleuten unwirksam. Zwar gälte insofern § 11 Nr. 3 AGB nicht unmittelbar, die Vorschrift würde aber zur Ausfüllung der Inhaltskontrolle gemäß §§ 24 Satz 2, 9 AGBG herangezogen werde müssen (vgl. Löwe/von Westphalen/Trinkner, a.a.O. § 11 Nr. 3 Rdn. 21 m. w. Nachw.). Soweit aus dem Senatsurteil vom 12. Januar 1977 – VIII ZR 252/75 (= WM 1977, 311) etwas anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten.

Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere des erkennenden Senats, zur Frage der geltungserhaltenden Reduktion vom AGB-Gesetz inkriminierter Klauseln müßte im vorliegenden Falle, wie in aller Regel, zur Verneinung dieser Möglichkeit führen (BGH Urteil vom 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81 = BGHZ 84, 109, 114ff. = WM 1982, 871; Senatsurteile u. a. vom 19. September 1983 – VIII ZR 84/82 = WM 1983, 1153, vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83 = WM, 1984, 309 = BB 1984, 486 und vom 4. April 1984 – VIII ZR 313/82, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die in § 8 Nr. 4 Mietvertrag formulierte Klausel ist aus einem Guß. Sie läßt sich insbesondere nicht teilen. Zu einer differenzierenden Regelung bestand im übrigen nach der bei Vertragsschluß geltenden Rechtslage, wie noch darzulegen sein wird, kein Anlaß.

dd) § 28 Abs. 2 AGBG bestimmt u. a. für Mietverträge, die vor dem 1. April 1977 abgeschlossen worden und noch nicht abgewickelt sind, daß 9 AGBG anzuwenden ist. Welche Bedeutung dieser Regelung zukommt, ist in der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats offengeblieben (s. o. II. 2. b bb). Im Gesetzgebungsverfahren sah der CDU/CSU-Entwurf eines AGB-Gesetzes in § 34 vor, das Gesetz solle für Verträge gelten, die nach seinem Inkrafttreten geschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 7/3200). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthielt demgegenüber in § 16 Abs. 2 bereits eine Regelung, die der später Gesetz gewordenen Fassung des § 28 Abs. 2 AGBG entspricht (vgl. BT-Drucks. 7/3919). Die Bundesregierung hat der Übergangsregelung „vorwiegend klarstellende Funktion” zugedacht, da § 7 RegEntw (= § 9 AGBG) eine gesetzliche Konkretisierung des das Vertragsrecht nach § 242 BGB „schon jetzt” beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben darstelle. Durch die vorgeschlagene Regelung solle vermieden werden, daß möglicherweise noch etliche Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Verträge Geltung beanspruchten, deren Inhalt in unerträglichem Widerspruch zu den grundlegenden Wertungsmaßstäben des Gesetzes stehe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Generalklausel auf die vor Inkrafttreten des Gesetzes begründeten Dauerschuldverhältnisse bestünden nicht, „weil die in § 7 (§9) verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe” in jedem Fall eine verfassungskonforme Auslegung ermöglichten. Die Übergangsbestimmung sehe im übrigen nur eine unechte Rückwirkung vor, d.h. § 7 (§9) gelte nur insoweit, als aus den betreffenden Vertragsverhältnissen für die Zukunft Rechte und Pflichten erwachsen (BT-Drucks. 7/3919). Echte Rückwirkung eines Gesetzes liegt nur vor, wenn es nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139, 145, 146). Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Grenzen der Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung anders verlaufen als die einer echten Rückwirkung. Während echte Rückwirkung – von einigen anderen eng begrenzten Ausnahmefällen abgesehen – nur dann zulässig ist, wenn zwingende, dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnete Gründe des gemeinen Wohls sie rechtfertigen, ist bei einem Gesetz mit unechter Rückwirkung das Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen. Nur wenn eine solche Abwägung ergibt, daß das Vertrauen auf die Sicherheit der bestehenden Lage den Vorrang verdient, so erweist sich die Rückwirkung als unzulässig (BVerfGE 31, 222ff., 226, 227; vgl. auch BVerfGE 11, 139ff.; 13, 261ff.; 24, 220ff. und 36, 73ff.).

Da das AGB-Gesetz Verbraucherschutz gewährleisten und Benachteiligungen ausgleichen soll, die als Folge der Verdrängung schuldrechtlicher Normen des BGB durch Formularverträge und AGB eingetreten sind, gewinnt das gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit leicht das Übergewicht über das Vertrauen des Verwenders auf den Fortbestand seiner AGB auch nach Inkrafttreten neuer gesetzlicher Regelungen. Läßt andererseits der Gang des Gesetzgebungsverfahrens erkennen, daß bei den von – unechter –. Rückwirkung betroffenen Vertragsverhältnissen, wie dem hier in Rede stehenden Mietvertrag, eine verfassungskonforme Auslegung des AGB-Gesetzes erfolgen soll, so rechtfertigt das, Eingriffe in Altverträge nur insoweit vorzunehmen, als ihr unveränderter Fortbestand „in unerträglichem Widerspruch” zu den grundlegenden Wertungsmaßstäben des AGB-Gesetzes stünde (vgl. die Begründung zu § 16 RegEntw a.a.O.). Diese Auffassung hat sich, soweit ersichtlich, in der Literatur weitgehend durchgesetzt (vgl. Löwe/von Westphalen/Trinkner, a.a.O. § 28 Rdn. 8 m. w. Nachw.). Die von Leonardy formulierten Bedenken des Deutschen Richterbundes gegen die Übergangsregelung des § 16 Abs. 2 RegEntw = 28 Abs. 2 AGBG (DRiZ 1976, 108, 112) sind vereinzelt geblieben.

ee) Die von der Klägerin im vorliegenden Fall am 3. März 1976 durchgesetzte Aufrechnungsausschlußklausel war wirksam. Nach damals geltender Rechtsansicht hätte die Klägerin sich auf § 8 Nr. 4 Mietvertrag – nach Treu und Glauben – jedoch dann nicht berufen dürfen, wenn die beklagten Mieter eine unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt hätten. Die Klausel lief mithin auch vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGB-Gesetzes leer, soweit es dem Vertragspartner des Verwenders um die Aufrechnung mit unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zu tun war.

Das AGB-Gesetz läßt im nichtkaufmännischen wie im kaufmännischen Bereich Aufrechnungsverbote grundsätzlich zu, verbietet es jedoch, die Aufrechnung mit unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen auszuschließen. Die vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes bestehende materielle Rechtslage hat durch § 11 Nr. 3 bzw. §§ 24 Satz 2, 9 AGBG im Ergebnis keine Änderung erfahren. Der Schutz des Vertragspartners des Verwenders war damals durch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung in gleicher Weise gewährleistet wie nunmehr durch den Einwand, die nicht auf bestrittene Forderungen beschränkte Aufrechnungsverbotsklausel verstoße gegen das Gesetz. Die Aufrechterhaltung dieses Zustandes für ein Dauerschuldverhä1tnis, das vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes vereinbart worden ist, bedeutet keinen unerträglichen Widerspruch zu den grundlegenden Wertungsmaßstäben des AGB-Gesetzes, das nunmehr als formale Neuerung lediglich eine Formulierung verlangt, die die – gleichgebliebene – materielle Rechtslage eindeutig zum Ausdruck bringt. Das rechtfertigt es, den Aufrechnungsausschluß hier in dem nach § 11 Nr. 3 zulässigen Rahmen aufrechtzuerhalten.

III.

Der Revision mußte danach der Erfolg versagt bleiben. Das zieht die in § 97 ZPO geregelte Kostenfolge nach sich.

 

Fundstellen

BGHZ, 375

ZIP 1984, 1236

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge