Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für das Vorliegen einer Erbengemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn der Miterbe sein Notverwaltungsrecht überschreitet, können Ansprüche wegen nützlicher Verwendungen bestehen.

 

Normenkette

BGB §§ 2038, 748, 683-684

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30. Januar 1986 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Erben bzw. Erbeserben nach dem am 15. November 1948 verstorbenen Konrektor Johann Anton M. (Erblasser) und nach dessen am 9. März 1978 verstorbener Ehefrau Luise M. Zum Nachlaß des Erblassers gehörten zwei Grundstücke in Norderney, die im Jahre 1981 zum Zwecke der Aufhebung der Erbengemeinschaft versteigert wurden; das fast hundert Jahre alte Bauernhaus, das sich dort befand, wurde bald darauf abgebrochen. Der Erlös in Höhe von über 838.000 DM wurde unter die Mitglieder der Erbengemeinschaft im Verhältnis ihrer Erbteile verteilt. Ein Restbetrag von 200.000 DM ist bei einer Sparkasse hinterlegt; er bildet den Gegenstand des Rechtsstreits.

Von dem hinterlegten Betrag hat der Kläger zunächst 155.000 DM nebst Zinsen vorab für sich gefordert. Hierzu hat er sich darauf gestützt, nach dem Tode der Mutter (Vorerbin des Vaters) sei er in das auf dem Grundbesitz befindliche Haus gezogen, um das väterliche Erbe zu erhalten. Er habe werterhaltende und werterhöhende Maßnahmen im Gesamtwert von rund 270.000 DM getroffen. Die Beklagten sind dieser Forderung entgegengetreten und haben sich darauf berufen, der Kläger habe gegen den Willen der meisten Miterben gehandelt, seine Maßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Überdies müsse der Kläger Nutzungsentschädigung zahlen; insoweit haben sie die Aufrechnung erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, darin einzuwilligen, daß von dem hinterlegten Betrag 14.897,19 DM nebst Zinsen an den Kläger ausgezahlt werden. Auf die Widerklage hat es den Kläger verurteilt einzuwilligen, daß der Restbetrag zugunsten der Erbengemeinschaft ausgekehrt wird. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Beklagten dahin erkannt, daß nur 8.312,18 DM nebst Zinsen an den Kläger und das übrige zugunsten der Erbengemeinschaft auszuzahlen seien. Mit seiner Revision verlangt der Kläger weitere 48.681,97 DM vorab für sich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander nach den besonderen Vorschriften über die Erbengemeinschaft zu beurteilen ist (§§ 2032 ff. BGB). Maßgebend sind insoweit §§ 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB, 748 BGB. Danach ist jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft grundsätzlich verpflichtet, die Kosten der Erhaltung des Nachlasses nach dem Verhältnis seines Erbteils mitzutragen. Indessen kommt die Entscheidung darüber, welche Kosten für die Erhaltung des Nachlasses aufgewendet werden, nicht jedem einzelnen Miterben oder einigen von ihnen zu, sondern steht als Verwaltungsmaßnahme im allgemeinen allen Miterben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB); sie beschließen darüber im Rahmen des § 745 BGB (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB) durch Stimmenmehrheit. Davon macht § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB für bestimmte Fälle eine Ausnahme, indem er jedem einzelnen Miterben gewissermaßen ein Notverwaltungsrecht einräumt (BGHZ 6, 76, 82; vgl. auch BGH Urteil vom 17.9.1954 - V ZR 35/54 - LM BGB § 1004 Nr. 14). Das hat zur Folge, daß ein einzelner Miterbe, wenn er, wie hier der Kläger, eigenmächtig vorgeht, Ersatz der von ihm für nötig gehaltenen Erhaltungsaufwendungen gemeinschaftsrechtlich, d.h. aufgrund des § 748 BGB (vgl. RGZ 109, 167, 171) nur dann zu beanspruchen hat, wenn er zu einem derartigen Vorgehen ausnahmsweise berechtigt war. Das alles hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.

Soweit das Berufungsgericht vom Kläger geltend gemachte Aufwendungen nicht als notwendige Erhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 2038 BGB hat gelten lassen, insbesondere wegen der Dachisolierung, der Heizungsanlage und des Arbeitsaufwandes des Klägers, ist es rechtlich nicht zu beanstanden.

2.

Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor, dann ist damit noch nicht gesagt, daß dem Kläger auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten wegen seiner Aufwendungen auf das Haus keinerlei Ansprüche zustünden. Vielmehr kann ein Mitglied einer Erbengemeinschaft in einem solchen Falle bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der §§ 2038, 748 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag haben (vgl. z.B. Lange/Kuchinke, Erbrecht 2. Aufl. § 45 II 7 b, II 4 b Fn. 48; Brox, Erbrecht 10. Aufl. Rdn. 475; MK-Dütz, BGB § 2038 Rdn. 50; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 2038 Rdn. 21; Strohal, Erbrecht Band II 3. Aufl. S. 92 Fn. 11 h; für die schlichte Gemeinschaft vgl. schließlich auch BGHZ 16, 12, 17; von Gamm in BGB-RGRK, 12. Aufl. §§ 744-746 Rdn. 15; MK-Schmidt, BGB 2. Aufl. § 748 Rdn. 17, 3; Palandt/Thomas, BGB 46. Aufl. § 748 Anm. 2; Jauernig/Stürner, BGB 4. Aufl. §§ 743-748 Anm. 2 b bb; für §§ 951, 818 BGB: BGH Urteil vom 29.6.1966 - V ZR 163/63 - LM BGB § 743 Nr. 3/4 Bl. 3 R, 4). Dem können die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses hier schon deshalb nicht entgegenstehen (vgl. BGHZ 39, 186, 188 f.; 41, 157, 163; 41, 341, 346; aber auch BGHZ 64, 333, 339 a.E.), weil diese hier nicht eingreifen. Der Kläger war nämlich als Miterbe gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 743 Abs. 2 BGB zum Besitz berechtigt, solange er die übrigen Mitglieder der Miterbengemeinschaft in ihrem Recht auf Mitgebrauch nicht beeinträchtigte. Von einer derartigen Beeinträchtigung kann aber keine Rede sein. Zwar waren die Miterben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts überwiegend gegen die Inbesitznahme durch den Kläger und auch gegen dessen Baumaßnahmen. Dadurch wurde er aber, solange niemand von ihnen den Mitgebrauch für sich beanspruchte, nicht zu einem nichtberechtigten Besitzer (vgl. BGH LM § 743 Nr. 3/4 Bl. 2; Urteil vom 17.4.1953 - V ZR 58/52 - NJW 1953, 1427).

Auch das hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Vielmehr hat es ausdrücklich geprüft, ob der Kläger einen Anspruch aus § 683 BGB hat. Es hat das rechtsfehlerfrei verneint, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Das Oberlandesgericht hat es aber unterlassen zu prüfen, ob dem Kläger ein Anspruch aus § 684 BGB zusteht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kommt nämlich, wenn die Voraussetzungen des § 683 BGB nicht erfüllt sind, ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung in Betracht. Einen solchen Ausgleich in den Fällen der vorliegenden Art von vornherein auszuschließen, besteht kein Grund.

Demgegenüber können die Beklagten sich nicht auf die Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung (vgl. BGHZ 23, 61) berufen. Nach dem Vortrag des Klägers haben seine Aufwendungen auf das Grundstück dessen Wert beträchtlich erhöht. Auch die Beklagten halten eine Erhöhung des Wertes des Grundbesitzes infolge der Maßnahmen des Klägers für möglich; allenfalls handele es sich aber um eine Wertsteigerung in Höhe von 100.000 DM, wobei zweifelhaft sei, ob dieser Betrag in voller Höhe in den Versteigerungserlös eingegangen sei.

Feststellungen hat das Berufungsgericht hierzu nicht getroffen. Daher muß revisionsrechtlich davon ausgegangen werden, daß die Aufwendungen des Klägers, auch soweit das Berufungsgericht sie nicht als notwendige Maßnahmen anerkannt hat, der Erbengemeinschaft in Gestalt eines Mehrerlöses zugute gekommen sein können. Das schließt es aus, daß die Beklagten einen etwaigen Anspruch des Klägers mit Hilfe des Gedankens der aufgedrängten Bereicherung von vornherein abwehren könnten.

Deshalb kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Das Berufungsgericht wird die Prüfung zu § 684 BGB nachholen müssen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen des Klägers, auf die er sich jetzt noch stützen kann, die Höhe des Versteigerungserlöses günstig beeinflußt haben; zu diesem Zweck wird das Berufungsgericht sich sachverständig beraten lassen müssen und die Möglichkeiten des § 287 ZPO auszuschöpfen haben.

Derartige Ansprüche können freilich überhaupt nur in Betracht kommen, soweit § 687 Abs. 2 BGB das nicht ausschließt. Das wird das Berufungsgericht vorweg zu prüfen haben. Dabei wird es zunächst darauf ankommen, ob der Kläger wußte, daß er zu seinen eigenmächtig vorgenommenen Maßnahmen nicht berechtigt war. Für eine solche Kenntnis reicht es aber nicht aus, daß der Kläger von der ablehnenden Haltung der anderen Miterben wußte. § 684 BGB bleibt vielmehr auch dann anwendbar, wenn der Kläger überzeugt war und überzeugt sein durfte, sich noch im Rahmen seines Notverwaltungsrechts gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zu bewegen.

Außerdem wird die Liste der Mitglieder der Erbengemeinschaft im Tenor zu vervollständigen sein.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dr. Lang

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456410

NJW 1987, 3001

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