Leitsatz (amtlich)

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem Bauvertrag enthaltene Vereinbarung, wonach der Auftragnehmer, wenn er in Verzug gerät, für jeden Arbeitstag der Verspätung eine Vertragsstrafe von 0,5 %, höchstens jedoch 5 % der Auftragssumme zu zahlen hat, ist unwirksam.

 

Normenkette

AGBG § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Aktenzeichen 17 U 18/97)

LG Dortmund (Aktenzeichen 12 O 163/96)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Dezember 1997 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten 133.400 DM restlichen Werklohn für ein schlüsselfertig errichtetes Mehrfamilienhaus mit 19 Wohnungen. Der Beklagte hat den Betrag in der Meinung einbehalten, ihm stehe in dieser Höhe eine Vertragsstrafe für Terminsüberschreitungen zu. Die Parteien haben unter anderem die vom Beklagten gestellten Besonderen Angebots- und Auftragsbedingungen für Bauleistungen (BAuA) vereinbart. Nr. 7 BAuA (Vertragsstrafe) lautet:

Hat der Auftragnehmer die Überschreitung vereinbarter Ausführungs- und Lieferfristen zu vertreten – das gilt auch für Zwischentermine –, wird eine Vertragsstrafe von 5 [permil] der Vertragssumme für jeden Arbeitstag wirksam, mit dem er sich in Verzug befindet … Die Höhe der Vertragsstrafe ist begrenzt auf maximal 5 % der Vertragssumme. Dem Auftraggeber bleibt das Recht vorbehalten, einen weiteren Schaden geltend zu machen.

Die Klägerin hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Das Berufungsgericht hält ebenso wie das Landgericht die Vertragsstrafenklausel für unwirksam. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Vertragsstrafenklausel nicht um eine individuell ausgehandelte Klausel, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Diese sei wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Der Prozentsatz von 0,5 % der Vertragssumme für jeden Arbeitstag sei unbillig. Er benachteilige die Klägerin in nicht vertretbarer Weise. Die Klausel lasse bereits bei einer Terminsüberschreitung von nur zehn Arbeitstagen den gesamten Vertragsstrafenanspruch entstehen. Bei einem so großen Bauprojekt sei eine Überschreitung von Terminen auch ohne eigenes Verschulden nicht auszuschließen. Demgegenüber seien die zu befürchtenden wirtschaftlichen Nachteile des Beklagten infolge verspäteter Vermietbarkeit gering. Der mit der Strafklausel verfolgte Zweck, die pünktliche Fertigstellung des Objektes, hätte auch mit einer niedrigeren Strafe pro Arbeitstag als Druckmittel erreicht werden können.

II.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1. Der Senat hält die Verfahrensrügen zu der Feststellung, die Vertragsstrafenklausel sei nicht individuell ausgehandelt worden, für nicht durchgreifend (§ 565 a ZPO).

2. Die Vertragsstrafenklausel hält der Inhaltskontrolle gemäß § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand. Bedenken ergeben sich nicht aus der Gesamthöhe (a), sondern aus dem Zusammenwirken des Tagessatzes von 0,5 % mit der Gesamthöhe der Vertragsstrafe von 5 % der Auftragssumme (b).

a) Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, deren Höhe sich nach einem bestimmten Prozentsatz der Auftragssumme je Arbeitstag richtet, muß eine Begrenzung nach oben aufweisen (BGH, Urteile vom 19. Januar 1989 - VII ZR 348/97, BauR 1989, 327, und vom 22. Oktober 1987 - VII ZR 167/86, BauR 1988, 86, jeweils m.w.N.). Dies ist bei der Klausel im Vertrag der Parteien der Fall. Der Senat hat bei einem größeren Bauvorhaben eine Obergrenze von 10 % der Angebotssumme für unbedenklich gehalten (BGH, Urteil vom 25. September 1986 - VII ZR 276/84, BauR 1987, 92). Die Vereinbarung der Parteien liegt mit 5 % der Auftragssumme deutlich darunter.

b) Der vereinbarte Tagessatz von 0,5 % der Auftragssumme ist auch bei einer Obergrenze von 5 % der Auftragssumme zu beanstanden. Er benachteiligt die Klägerin unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG.

(1) Die zulässige Ausgestaltung einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Vertragsstrafe läßt sich allgemein gültig nicht bestimmen. Es gibt jedoch einen Rahmen für wirksame Strafklauseln. Dieser ergibt sich aus dem doppelten Zweck der Vertragsstrafe. Sie soll als Druckmittel den Schuldner anhalten, seine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Zugleich soll sie den Gläubiger in den Stand setzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten jedenfalls bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1982 - VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305, 312 m.w.N.).

Die Druckfunktion erlaubt durchaus eine spürbare Vertragsstrafe. Mit ihr kann deutlich gemacht werden, welches Gewicht sowohl dem Termin als auch der Dauer seiner Überschreitung beigemessen wird, und entschieden darauf hingewirkt werden, daß Verzögerungen unterbleiben oder in Grenzen gehalten werden. Das Maß der Vertragsstrafe muß nach den in Betracht kommenden Auswirkungen bestimmt werden (BGH aaO 314/315, Urteil vom 12. März 1981 - VII ZR 293/79, BauR 1981, 374). Gerade bei Bauverträgen mit hoher Auftragssumme ist darauf zu achten, daß sich die Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen hält (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 - VII ZR 167/86, BauR 1988, 86).

Der weitere Zweck, dem Gläubiger den Einzelnachweis eines Schadens zu ersparen, weist in dieselbe Richtung. Die Vertragsstrafe muß sich innerhalb voraussichtlicher Schadensbeträge halten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht auf den individuellen Schaden des Vertragsstrafengläubigers an. Die Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG beruht auf einer allgemeinen Interessenabwägung. Maßgeblich ist eine überindividuell-generalisierende, von den konkreten Umständen des Einzelfalles absehende Betrachtungsweise (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., Rdn. 78 zu § 9; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., Rdn. 51 zu § 9; jeweils m.w.N.). Dementsprechend kommt es darauf an, ob allgemein bei Verträgen der von den Parteien geschlossenen Art Nachteile zu erwarten sind, welche die Ausgestaltung der Vertragsstrafe als angemessen erscheinen lassen.

Diese Grundsätze sind nicht nur für die Beurteilung der in der Strafklausel vorgesehenen Gesamthöhe maßgeblich, sondern ebenso für den Tagessatz. Dieser bestimmt das Zeitmaß: Ein hoher Tagessatz läßt die Vertragsstrafe schneller anwachsen und die Obergrenze erreichen als ein niedriger Tagessatz. Die Bemessung der Zeitspanne, in der eine ansonsten unproblematische Vertragsstrafe ganz oder teilweise verfällt, kann dazu führen, daß die Zwecke der Vertragsstrafe verfehlt werden und diese den Zusammenhang mit den Verzugsauswirkungen verliert. Eine solche Folge ist unzulässig.

(2) Der Tagessatz von 0,5 % kann nicht hingenommen werden.

Der Senat hatte über genau diese Zahlenkonstellation bisher noch nicht zu befinden. Er hat entschieden, daß eine Klausel mit einem Tagessatz von 0,1 % bei einer Obergrenze der Vertragsstrafe von 10 % der Angebotssumme wirksam ist (BGH, Urteil vom 25. September 1986 - VII ZR 276/84, BauR 1987, 92). Einen Tagessatz von 0,15 % hat er als verhältnismäßig niedrig bezeichnet (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 - VII ZR 167/86, BauR 1988, 86). In zwei älteren Entscheidungen hat der Senat Tagessätze von 0,2 % und 0,3 % für unbedenklich gehalten (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1978 - VII ZR 139/75, BGHZ 72, 222; Urteil vom 1. April 1976 - VII ZR 122/74, BauR 1976, 279).

Der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Vertrag der Parteien vorgesehene Tagessatz überschreitet diese Größenordnung erheblich. Er beschränkt die Vertragsstrafe nicht auf ihre berechtigten Zwecke und ist nicht mehr geeignet, die beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

Aus 0,5 % je Arbeitstag ergibt sich ein zu enger zeitlicher Rahmen. Schon nach zehn Arbeitstagen, die im allgemeinen zwei Wochen entsprechen, ist die volle Vertragsstrafe verfallen. Die bei einer angemessen gestalteten Vertragsstrafenklausel mit jedem Tag des Verzuges steigende Dringlichkeit der Erledigung kann nicht entstehen. Denn in der kurzen Zeitspanne von zehn Tagen läßt sich bei einem größeren Bauvorhaben kaum etwas veranlassen, um die Folgen der Verspätung aufzufangen und die verspäteten Leistungen nachzuholen. Dem Auftragnehmer bleibt fast keine Möglichkeit zu reagieren und die Verwirkung der vollen Vertragsstrafe zu vermeiden. Die Situation ist im praktischen Ergebnis nicht sehr viel anders, als wenn der Anspruch auf die Vertragsstrafe ohne zeitliche Abstufung gleich mit dem Tag der Terminsüberschreitung entstände.

Darüber hinaus bewirkt der zu enge Zeitrahmen vor allem, daß die Vertragsstrafe sich nicht in dem Bereich voraussichtlicher Schäden hält. Auf der Grundlage der insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt die generalisierende und typisierende Abschätzung möglicher Verzugsfolgen, daß Nachteile in Höhe von 5 % der Auftragssumme nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen entstehen. Das mag im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände anders sein. Für solche Situationen enthält die Strafklausel die zusätzliche Bestimmung, daß das Recht vorbehalten bleibt, weiteren Schaden geltend zu machen. Jedoch können Fälle einer besonders ungünstigen Schadensentwicklung die für typische Fälle unangemessene Ausgestaltung der Strafklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht rechtfertigen.

 

Unterschriften

Ullmann, Thode, Haß, Wiebel, Wendt

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.01.2000 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 2000, 1057

DB 2000, 1511

NJW 2000, 2106

BauR 2000, 1049

EWiR 2001, 197

IBR 2000, 369

Nachschlagewerk BGH

WM 2000, 1298

ZAP 2000, 827

ZfIR 2000, 524

MDR 2000, 827

ZfBR 2000, 331

NZBau 2000, 327

RdW 2000, 400

FSt 2001, 232

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