Leitsatz (amtlich)

a) Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft können aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Gemeinschaft Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung und des Schadensersatzes für Mangelfolgeschäden an alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen.

b) Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, die nicht zu den Ersterwerbern gehören, sind nur befugt, Zahlung an die Mitglieder der Wohnungseigentümerversammlung zu verlangen, wenn sie Inhaber der geltend gemachten Gewährleistungsansprüche sind oder wenn die Inhaber der Ansprüche sie dazu ermächtigt haben, die Ansprüche geltend zu machen.

c) Im Regelfall ist zu vermuten, daß Zweiterwerber von den Ersterwerbern dazu stillschweigend ermächtigt sind, Zahlung an die Mitglieder der Wohnungseigentümerversammlung zu verlangen.

a) Ein Architekt haftet für das fehlerhafte Bodengutachten eines Sonderfachmannes nicht schon deshalb, weil er den Sonderfachmann im eigenen Namen beauftragt hat.

b) Ein Architekt haftet für ein fehlerhaftes Gutachten eines von ihm beauftragten Sonderfachmannes als seines Erfüllungsgehilfen nach den werkvertraglichen Gewährleistungsregeln, wenn die Klärung der Gutachterfrage zu seinen vertraglichen Pflichten gehört. Ob das der Fall ist, ergibt sich nicht ohne weiteres durch eine Bezugnahme auf die in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 HOAI beschriebenen Leistungsbilder, sondern aus einer Auslegung des Architektenvertrages nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts.

c) Hat der Architekt sich zur Klärung der Gutachterfrage gegenüber seinem Auftraggeber nicht vertraglich verpflichtet, haftet er für ein fehlerhaftes Gutachten des von ihm beauftragten Sonderfachmannes nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, wenn der Fehler auf seinen unzureichenden Vorgaben beruht, wenn er einen unzuverlässigen Sachverständigen ausgewählt hat oder wenn er Mängel des Gutachtens nicht beanstandet, die für ihn nach den von einem Architekten zu erwartenden Kenntnissen erkennbar sind.

 

Normenkette

BGB §§ 278, 631, 633, 635; WEG §§ 21, 23

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 04.07.1995; Aktenzeichen 28 U 4503/94)

LG Ingolstadt (Urteil vom 17.06.1994; Aktenzeichen 3 O 1328/92)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. Juli 1995 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 9. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Mitglieder der Miteigentümergemeinschaft verlangen von der Baubetreuerin, der Beklagten zu 1, und dem Architekten, dem Beklagten zu 2, als Gesamtschuldnern Kostenvorschuß zur Abdichtung einer Tiefgarage gegen Grundwasser und Ersatz von Mangelfolgeschäden in Höhe von insgesamt 779.965,70 DM nebst Zinsen.

I.

Die klagenden Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sind Eigentümer einer im Bauherrenmodell erbauten Wohnanlage, die aus 41 Wohn- und Ladeneinheiten sowie zwei Tiefgaragenebenen besteht. Von diesen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft waren 19 als Ersterwerber Mitglied der Bauherrengemeinschaft.

Im Oktober 1983 schlossen die Bauherrengemeinschaft, vertreten durch den Treuhänder, und der Beklagte zu 2 einen Architektenvertrag über sämtliche Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 zur Errichtung der Eigentumswohnanlage. Im März 1983 hatte der Beklagte zu 2 die Firma B. mit der Baugrunduntersuchung beauftragt. Das im April 1983 erstellte Gutachten war fehlerhaft, weil die B. das Grundwasser als Schichtwasser angesehen und bezeichnet hatte. Aufgrund des fehlerhaften Gutachtens wurde anstelle der erforderlichen wasserundurchlässigen Wanne eine wasserdurchlässige Ausführung geplant und ausgeführt. Die fehlende Dichtigkeit gegen Wasser führte dazu, daß Ende 1984 und im Verlaufe des Jahres 1985 Grundwasser in die zweite Ebene der Tiefgarage eindrang.

II.

Das Landgericht hat die ursprünglich auf Schadensersatz gerichtete Klagforderung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Kläger haben in der Berufungsinstanz ihre Klage geändert; sie verlangen statt des Schadensersatzes Vorschuß für die Mängelbeseitigungskosten und im übrigen Schadensersatz für die Mangelfolgeschäden.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Ansprüche der Kläger auf Vorschuß für die Mangelbeseitigungskosten und auf Ersatz der Mangelfolgeschäden gegen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach gerechtfertigt seien. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte zu 2 die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung beruht nicht auf der Säumnis der Kläger.

Die Revision hat Erfolg, sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

I.

1. Das Berufungsgericht meint, die Kläger seien insgesamt als Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sachbefugt, auch soweit sie nicht schon Bauherren des Projektes gewesen seien. Aufgrund der Erwerberverträge habe jeder Eigentümer einen auf die ganze Leistung gerichteten Anspruch auf mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums erworben.

2. Diese Erwägungen bedürfen einer Einschränkung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes werden aus Werkverträgen, die der Baubetreuer oder Treuhänder in Vertretung für die Bauherrengemeinschaft abschließt, nicht die Bauherrengemeinschaft, sondern die einzelnen Bauherren berechtigt und verpflichtet (BGH, Urteil vom 10. Mai 1979 – VII ZR 30/78 = BGHZ 74, 258, 262; Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 72/84 = ZfBR 1985, 132 = BauR 1985, 314 f; Urteil vom 27. Februar 1992 – IX ZR 57/91 = ZfBR 1992, 164, 165 = BauR 1992, 373, 374 m.w.N.). Die Erwerber können ohne einen Beschluß der Eigentümergemeinschaft die Ansprüche auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten, auf Vorschuß und auf Ersatz der Mangelfolgeschäden selbständig geltend machen (Urteil vom 10. März 1988 – VII ZR 171/87 = ZfBR 1988, 181 = BauR 1988, 336, 337).

Nach der Rechtsprechung des Senates sind die Wohnungseigentümer befugt, primäre Gewährleistungsrechte aufgrund eines Gemeinschaftsbeschlusses in der Weise einheitlich und gemeinschaftlich zu verfolgen, daß der Verwalter die Ansprüche in gewillkürter Prozeßstandschaft im eigenen Namen geltend macht (Urteil vom 4. Juni 1981 – VII ZR 9/80 = BGHZ 81, 35, 37 f) oder daß mehrere Wohnungseigentümer mit Billigung der Gemeinschaft Zahlung des Kostenvorschusses an den Verwalter verlangen (Beschluß vom 26. September 1991 – VII ZR 291/90 = ZfBR 1992, 30 = BauR 1992, 88).

Diese Grundsätze sind auf den Fall übertragbar, daß die Wohnungseigentümer aufgrund eines Beschlusses der Gemeinschaft Zahlung an alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen. Das einzelne Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist allerdings nur dann befugt, Erfüllung an alle Mitglieder der Gemeinschaft zu verlangen, wenn es Inhaber des geltend gemachten Gewährleistungsanspruchs ist oder wenn es von dem Anspruchsinhaber ermächtigt worden ist, den Anspruch geltend zu machen. Im Regelfall ist zu vermuten, daß Zweiterwerber von den Ersterwerbern dazu stillschweigend ermächtigt worden sind.

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Haftung des Beklagten zu 2 wie folgt begründet:

Der beklagte Architekt hafte für das fehlerhafte Gutachten. Die Grunduntersuchung gehöre nach § 15 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HOAI zu den eigenen Aufgaben des Architekten. Der Architekt habe die Wahl, ob er die Bodenuntersuchung selbst ausführe, im eigenen Namen in Auftrag gebe oder als Vertreter des Bauherrn einen Dritten beauftrage. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den Umständen der Auftragsvergabe an den Sonderfachmann, die Firma B., stehe fest, daß der beklagte Architekt den Gutachtenauftrag nicht als Vertreter im Namen der Bauherrengemeinschaft, sondern im eigenen Namen erteilt habe. Er hafte deshalb für das Verschulden der Firma B. als seiner Erfüllungsgehilfin.

2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken:

Der Architekt haftet für Fehler eines von ihm beauftragten Sonderfachmannes nicht schon deshalb, weil er den Sonderfachmann im eigenen Namen beauftragt hat. Die Haftung des Architekten für das Gutachten eines Sonderfachmannes kommt unter zwei unterschiedlichen Aspekten in Betracht.

Der Archtitekt haftet für Mängel des Gutachtens nach den werkvertraglichen Gewährleistungsregeln in Verbindung mit § 278 BGB, wenn die vom Sonderfachmann begutachtete Frage nach den Bodenverhältnissen zu dem vom Architekten aufgrund des Architektenvertrages geschuldeten Werkerfolg gehört. Der Inhalt des Architektenvertrages und die Pflichten der Vertragsparteien sind nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts zu ermitteln und nicht nach den Leistungsbildern der HOAI (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1996 – VII ZR 283/95, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Der Inhalt und Umfang der Verpflichtung des beklagten Architekten ergeben sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ohne weiteres aus der Bezugnahme im Vertrag auf die in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 HOAI beschriebenen Leistungsbilder. Die Pflicht des Architekten zur Untersuchung der Bodenverhältnisse und Abgrenzung der Verantwortlichkeit des Architekten und des Sonderfachmannes für die Untersuchung der Bodenverhältnisse sind nicht Regelungsgegenstand der Leistungsbilder der HOAI. Wenn die Vertragsparteien die Verpflichtung des Architekten hinsichtlich der Untersuchung der Bodenverhältnisse nicht hinreichend beschrieben haben, ist die Frage, was der Architekt zu leisten hat, durch Auslegung des Vertrages zu klären. Im Rahmen der Auslegung kommt dem Kriterium ein besonderes Gewicht zu, ob die Ermittlung der Bodenverhältnisse Fachkenntnisse voraussetzt, die typischerweise von einem Architekten zu erwarten sind, oder ob die speziellen Fachkenntnisse eines Sonderfachmannes notwendig sind. An der erforderlichen Auslegung fehlt es bisher.

Gehört die Gutachterfrage nicht zu den primären Leistungspflichten des Architekten, so haftet er bei Zuziehung eines Fachmannes nur für dessen Auswahl und dessen Überprüfung nach dem Maß der von ihm als Architekten zu erwartenden Kenntnisse. Er haftet für Fehler des Gutachtens nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, wenn der Mangel des Gutachtens auf seinen unzureichenden Vorgaben beruht, wenn er einen unzuverlässigen Sonderfachmann ausgewählt hat oder wenn er Mängel nicht beanstandet, die für ihn nach den von einem Architekten zu erwartenden Kenntnissen erkennbar waren.

Ob und gegebenenfalls aufgrund welcher der genannten Haftungstatbestände eine Haftung des Beklagten zu 2 in Betracht kommt, läßt sich nicht beurteilen, weil das Berufungsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen hat.

III.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine Entscheidung des Senates in der Sache war nicht möglich, weil eine Entscheidung über eine etwaige Haftung des Beklagten zu 2 aufgrund der fehlenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht möglich ist. Das Berufungsgericht wird vor einer Entscheidung den Parteien Gelegenheit einräumen müssen, ihren Sachvortrag gegebenenfalls zu ergänzen.

 

Unterschriften

L, Q, T, H, W

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 19.12.1996 durch Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512619

NJW 1997, 2173

NWB 1997, 1361

Nachschlagewerk BGH

MDR 1997, 542

Englert / Grauvogl / Maurer 2004 2004, 945

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