Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliches Kündigungsrecht bei Steuerberatervertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Zum „dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen”.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Kündigung eines Steuerberatervertrags.

 

Normenkette

BGB § 627 Abs. 1; StBGebV § § 10, 33 Abs. 6, § 33 Anl. 3

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 26.02.1992; Aktenzeichen 18 U 7467/90)

LG Berlin (Urteil vom 27.11.1990; Aktenzeichen 10 O 257/89)

 

Tatbestand

Die klagenden Steuerberater verlangen von der beklagten GmbH ein Honorar, das diese ihnen wegen einer Vertragskündigung nicht zahlen will.

In zwei von den Klägern verwendeten formularmäßigen Urkunden vom 3. Februar 1984 betraute die Beklagte die Kläger mit der Buchführung und der Wahrnehmung steuerlicher Interessen. Der Vertrag wurde – rückwirkend – für das Jahr 1984 geschlossen und sollte sich jeweils um ein weiteres Jahr verlängern, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt worden war. Im „Auftrag” wurde eine Pauschalvergütung in Höhe einer 6/10-Gebühr nach Tabelle C der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) vereinbart; darauf waren monatliche Abschläge von 400 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Nach den Vertragsurkunden waren Inhalt des Vertrages die „Allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften” – Stand: 1. November 1982 –, herausgegeben vom Verlag des wissenschaftlichen Instituts der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten GmbH. In Nr. 10 dieser AGB heißt es u.a.:

(1) Der Vertrag endet durch Erfüllung der vereinbarten Leistungen, durch Ablauf der vereinbarten Laufzeit oder durch Kündigung. …

(2) Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Vertrag kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines jeden Kalendervierteljahres gekündigt werden, soweit nicht etwas anderes vereinbart wird. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

(3) Jeder Vertragspartner ist berechtigt, den Vertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos zu kündigen. Die Kündigung ist schriftlich unter Angabe von Gründen zu erklären. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn ein Vertragspartner den Vertrag oder eine Nebenpflicht verletzt und dem anderen eine Fortsetzung des Vertrags bei gerechter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner wegen der Schwere der Verletzung und der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Dauer des Vertrags nicht zugemutet werden kann.

Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 10. Februar 1989 und beauftragte einen anderen Steuerberater. Die Kläger nahmen durch Schreiben vom 13. Februar 1989 „die Kündigung zum 31. Dezember 89 an” und kündigten ihrerseits für diesen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 17. Februar 1989 begründete die Beklagte die Kündigung mit mangelhafter Arbeit der Kläger.

Die Kläger haben eine entgangene Vertragsvergütung von 27.000 DM für das Jahr 1989 begehrt; im Wege der Widerklage hat die Beklagte Erstattung einer Überzahlung in der vorangegangenen Zeit verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen, soweit sich die Berufung gegen die Klageabweisung gerichtet hat. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Klageforderung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch, den die Kläger auf § 611 Abs. 1, § 324 Abs. 1 BGB – mit § 428 BGB, § 5 StBGebV – gestützt haben, verneint, weil die Beklagte den Vertrag der Parteien gemäß § 627 BGB gekündigt habe. Dazu hat es ausgeführt: Die Steuerberatertätigkeit sei ein Dienst höherer Art, der üblicherweise aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werde. Das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB sei in Nr. 10 Abs. 3 AGB nicht wirksam ausgeschlossen worden. Dieses Recht könne nicht formularmäßig abbedungen werden, weil darin eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG liege. Im vorliegenden Falle wäre die Beklagte sonst noch über zehn Monate an die Kläger vertraglich gebunden gewesen, obwohl ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nicht mehr bestanden habe. Der Auftraggeber brauche dem Steuerberater, der sein Vertrauen verloren habe, nicht länger Einblick in seine Einkommens-, Vermögens- und sonstigen Betriebsverhältnisse zu gewähren.

II.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Vertrag sei durch eine außerordentliche Kündigung gemäß § 627 BGB beendet worden, trifft im Ergebnis zu, so daß der Klageanspruch nicht besteht (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB).

1. Der Vorderrichter ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Parteien einen Dienstvertrag geschlossen haben (vgl. BGHZ 115, 382, 386) und die klagenden Steuerberater – ähnlich wie ein Wirtschaftsberater (BGHZ 47, 303, 305) oder ein Rechtsanwalt (BGH, Urt. v. 16. Oktober 1986 – III ZR 67/85, NJW 1987, 315, 316) – Dienste höherer Art zu leisten hatten, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, weil der Mandant dem Steuerberater mit dem Auftrag zur Wahrnehmung seiner steuerlichen Interessen Einblick in seine Berufs-, Geschäfts-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 1982 – IVa ZR 314/80, WM 1982, 367, 368; OLG Koblenz NJW 1990, 3153). Insoweit beanstandet die Revision das Berufungsurteil auch nicht.

2. Die Revisionsrüge, das Berufungsgericht habe übersehen, daß kein Kündigungsrecht aus § 627 BGB besteht, wenn es sich um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen handelt, führt im Ergebnis nicht zum Erfolg.

a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 47, 303, 305; 90, 280, 282; 106, 341, 346; Senatsurt. v. 28. Februar 1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585) erfordert ein dauerndes Dienstverhältnis im Sinne des § 627 BGB keine Dienstleistung, die die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt. Es setzt auch keine soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten voraus. Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung ist es kein Kennzeichen oder gar Erfordernis eines dauernden Dienstverhältnisses, daß es auf unbestimmte Zeit eingegangen sein müsse. Ein Dauerverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn der Vertrag auf eine bestimmte längere Zeit abgeschlossen ist. Dafür kann ein Jahr genügen, wenn es sich um eine Verpflichtung für ständige oder langfristige Aufgaben handelt und die Vertragspartner von der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Verlängerung ausgehen.

Die Kläger haben zur Beklagten in einem solchen dauernden Dienstverhältnis gestanden. Ihr Vertrag war auf Dauer angelegt; er war auf ein Jahr geschlossen und verlängerte sich jeweils um ein Jahr, falls er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt worden war. Die Vertragspflichten wurden auch fünf Jahre lang erfüllt.

b) In diesem Dienstverhältnis haben die Kläger jedoch keine festen Bezüge erhalten.

Die vereinbarte „Pauschalvergütung” sollte einer 6/10-Gebühr nach Tabelle C (Buchführungstabelle) – Anlage 3 zur Steuerberatergebührenverordnung – entsprechen. Danach richtete sich das Entgelt nach dem Gegenstandswert, dieser wiederum gemäß § 33 Abs. 6 StBGebV nach dem Jahresumsatz. Daher hing die Vergütung davon ab, ob und in welchem Umfang die Beklagte Umsätze erzielte. Infolgedessen war nicht einmal ein bestimmtes Mindestentgelt vereinbart. Vielmehr konnte erst nachträglich festgestellt werden, ob und in welcher Höhe – entsprechend einem jährlichen Umsatz der Beklagten – ein Vergütungsanspruch entstanden war, der von Jahr zu Jahr verschieden sein oder sogar entfallen konnte. Daran ändert nichts, daß die Beklagte monatliche Abschläge zu entrichten hatte; soweit sich nachträglich herausstellte, daß eine Vergütungsforderung nicht entstanden war, waren diese Zahlungen zu erstatten. Das zwar letztlich bestimmbare, aber von ungewissen, schwankenden Voraussetzungen abhängige Entgelt kann nicht festen Bezügen im Sinne des § 627 BGB gleichgesetzt werden. Das entspricht dem Schutzzweck der in dieser Vorschrift enthaltenen Ausnahmeregelung. Sie will verhindern, daß eine bestimmte, vertraglich festgelegte Regelvergütung, mit der ein in einem dauernden Vertragsverhältnis stehender Dienstverpflichteter rechnen und planen darf, jederzeit entfallen kann, wenn der Dienstberechtigte sein Vertrauen zum Vertragspartner verloren hat.

3. Das Berufungsgericht hat – ohne Begründung – angenommen, das Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB werde durch Nr. 10 Abs. 3 AGB ausgeschlossen. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

a) Der Vorderrichter ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die von den Klägern verwendeten Vertragsformulare und Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter § 1 AGBG fallen und von den Parteien in ihren Vertrag einbezogen wurden (vgl. §§ 2, 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG; vgl. BGH, Urt. v. 12. Februar 1992 – VIII ZR 84/91, WM 1992, 657, 659). Insoweit wird auch keine Revisionsrüge erhoben.

b) Die – gegenüber der Inhaltskontrolle gemäß §§ 8 ff AGBG vorrangige (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 6. Aufl. § 9 Rdnr. 28) – Auslegung der vorformulierten Vertragsbedingungen, die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Anwendung finden, ergibt nicht eindeutig, daß das außerordentliche, jederzeitige Kündigungsrecht des § 627 BGB abbedungen werden sollte.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurt. v. 25. Juni 1992 – IX ZR 24/92, ZIP 1992, 1073, 1074 m.w.N.).

aa) Die Gesamtregelung der Vertragsbeendigung in den Vertragsurkunden, wonach sich der auf ein Jahr geschlossene Vertrag jeweils um ein Jahr verlängert, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wird, und in Nr. 10 AGB läßt einen Ausschluß dieser Vorschrift nicht unmißverständlich erkennen. Ausdrücklich ist das nicht niedergelegt worden; Nr. 10 Abs. 3 AGB gibt lediglich das – § 626 BGB entsprechende – außerordentliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde wieder. Diese Klausel enthält keinen eindeutigen Hinweis darauf, daß nur eine solche außerordentliche Kündigung zulässig sein sollte. Daran ändert es nichts, daß Nr. 10 Abs. 3 AGB überflüssig war, weil § 626 BGB unabdingbar ist. Auch die Klausel der Nr. 10 Abs. 1 AGB, die sich – dies ergibt sich aus dem Vergleich mit Nr. 10 Abs. 2 AGB – auf einen Vertrag mit bestimmter Laufzeit bezieht, läßt es offen, ob ein solcher Vertrag „durch Kündigung” gemäß § 627 BGB beendet werden kann.

bb) Auch unter Abwägung der Interessen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise besteht kein eindeutiger Anhaltspunkt für einen Willen verständiger und redlicher Vertragspartner, das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 627 BGB in den AGB auszuschließen.

Zwar könnte der Steuerberater in einem solchen Falle regelmäßig von einer bestimmten Vertragszeit ausgehen und deswegen Vorsorge zur Bewältigung der vereinbarten Dienste treffen. Er dürfte dann – abgesehen vom Ausnahmefall einer Kündigung aus wichtigem Grunde (§ 626 BGB) – damit rechnen, daß er nicht nur gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB einen seiner bisherigen Leistung entsprechenden Teil der Vergütung erhält, sondern das gesamte vereinbarte Entgelt bis zum Vertragsende.

Für den Mandanten hätte die Abweichung von der gesetzlichen Kündigungsregelung indessen überwiegend Nachteile. Zwar könnte auch sein Steuerberater nicht gemäß § 627 BGB jederzeit kündigen. Verliert der Mandant jedoch sein Vertrauen zum Steuerberater nach Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist – also ab Oktober des bis zum Jahresende laufenden Vertrages –, so könnte er den Vertrag mit einer ordentlichen Kündigung erst zum Ablauf des nächsten Jahres beenden. Während dieses erheblichen Zeitraums müßte er dem Steuerberater zur Erledigung der vereinbarten Dienste weiterhin Einblick in seine Berufs-, Geschäfts-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewähren, wenn er nicht hinnehmen will, daß der Steuerberater die vereinbarte Vertragsvergütung auch ohne Gegenleistung erhält. Wollte der Auftraggeber das Vertragsende infolge ordentlicher Kündigung nicht abwarten und die damit verbundene Vergütungspflicht nicht erfüllen, so müßte er den beschwerlichen Weg einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB mit ungewissem Ausgang beschreiten, weil ein wichtiger Kündigungsgrund darzulegen und zu beweisen wäre.

c) Zumindest müssen die Kläger die mögliche Auslegung, daß in den von ihnen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen § 627 BGB nicht ausgeschlossen wird, gemäß § 5 AGBG gegen sich gelten lassen, weil sie gegenüber ihrer Wertung des Klauselwerks für den Vertragspartner günstiger ist.

4. Danach ist die vom Berufungsgericht für grundsätzlich und klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob § 627 BGB durch AGB rechtswirksam ausgeschlossen werden darf, nicht entscheidungserheblich.

 

Fundstellen

BB 1993, 531

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