Leitsatz (amtlich)

Eine Belehrung nach § 12 Abs. 3 VVG, die den Hinweis auf „Leistungsfreiheit aufgrund eingetretener Verjährung” enthält, ist geeignet den Versicherungsnehmer irrezuführen; sie ist deshalb unwirksam.

 

Normenkette

VVG § 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg

OLG Hamburg

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18. Juli 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Elektronik-Pauschalversicherung in Anpruch, die neben einer Sachversicherung eine Daten-/Datenträgerversicherung und eine Betriebsunterbrechungsversicherung umfaßt. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Fernmelde- und sonstige elektrotechnische Anlagen (AVFE 76, Fassung Dezember 1986, VerBAV 1986, 381, 433) und Zusatzbedingungen der Beklagten für die Elektronik-Pauschalversicherung für Büro-, Verwaltungs-, Handels- und Gewerbebetriebe (ZEPV) zugrunde.

Am 2. Februar 1996 kam es zu einem Brand in den Geschäftsräumen der Klägerin. Diese meldete der Beklagten mit Schadensanzeige vom 6. Februar 1996 einen Totalschaden an den versicherten Geräten. Mit Schreiben vom 10. April 1996 lehnte die Beklagte Versicherungsleistungen ab und forderte einen bereits gezahlten Vorschuß zurück, weil die Klägerin nach Eintritt des Versicherungsfalles an den Geräten manipuliert und sie als Versicherer über den Umfang des eingetretenen Schadens getäuscht habe. Das Schreiben endet:

„Wir machen darauf aufmerksam, daß ein Anspruch auf Entschädigung innerhalb einer Frist von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden muß, anderenfalls tritt nach Ablauf der Frist Leistungsfreiheit aufgrund eingetretener Verjährung ein. Im einzelnen verweisen wir hierzu auf § 12 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes.”

Noch im April 1996 machte die Klägerin die Kosten für die Neuanschaffung der zerstörten Geräte gerichtlich geltend und beantragte darüber hinaus die Feststellung, daß die Beklagte den Vorschuß nicht zurückverlangen könne sowie ihr den weitergehenden Schaden aus dem Versicherungsfall auf Neuwertbasis zu ersetzen habe. Der Rechtsstreit endete im Juni 1997 durch Vergleich. Die Beklagte verpflichtete sich darin, einen weiteren Betrag auf den Sachschaden zu zahlen.

Im Dezember 1997 reichte die Klägerin Klage auf Ersatz ihres Schadens aus dem Verlust von Daten in Höhe von 137.750 DM und auf Feststellung ein, daß die Beklagte ihr Versicherungsschutz für die durch den Vorfall vom 2. Februar 1996 bedingte Betriebsunterbrechung zu gewähren habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte gemäß § 12 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden sei. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts umfaßt das Versicherungsleistungen ablehnende Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 schon seinem Wortlaut nach sämtliche Ansprüche aus der Elektronik-Pauschalversicherung. Diese Ansprüche habe die Klägerin zuvor umfassend erhoben; ihre Schadensanzeige vom 6. Februar 1996 sei nicht auf Ansprüche aus der Sachversicherung beschränkt. Die streitgegenständlichen Ansprüche habe die Klägerin erstmals mit der Klageschrift vom 11. Dezember 1997 geltend gemacht, als die im Schreiben vom 10. April 1996 gesetzte Frist von sechs Monaten bereits verstrichen gewesen sei. Der Vorprozeß habe zu keiner Fristunterbrechung geführt. Denn jene Klage, die nicht als Teilklage gekennzeichnet gewesen sei, habe allein die Ansprüche aus der Sachversicherung zum Gegenstand gehabt, was die Klägerin in ihrem dortigen Schriftsatz vom 12. August 1996 selbst eingeräumt habe. Eine Erweiterung der Klage sei erst mit Schriftsatz vom 17. Februar 1997 in der Form erfolgt, daß der Feststellungsantrag sich auf den Schaden insgesamt habe beziehen sollen. Das sei wiederum außerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG geschehen.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Der Revision ist allerdings nicht darin zu folgen, daß die Klägerin mit ihrer Schadensanzeige vom 6. Februar 1996 nur die Ansprüche erhoben hat, die aus dem an den versicherten Geräten entstandenen Sachschaden resultierten. Vielmehr ist das Berufungsgericht zutreffend von einer umfassenden Anspruchserhebung ausgegangen. Dafür reicht es, daß der Versicherungsnehmer sein Verlangen nach Versicherungsschutz dem Grunde nach äußert, ohne daß er die Ansprüche im einzelnen schon genau bezeichnen oder beziffern müßte (Senatsurteil vom 25. Januar 1978 – IV ZR 122/76 – VersR 1978, 313 unter I 2). Ein Versicherungsnehmer, der Ersatzansprüche wegen eines Versicherungsfalles geltend macht, will sich regelmäßig nicht auf einzelne Ansprüche beschränken. Das gilt hier vor allem deshalb, weil aufgrund des brandbedingten Totalschadens an der Computer-Anlage alle durch die einheitliche Elektronik-Pauschalversicherung abgedeckten Risiken betroffen waren. Die Annahme einer Beschränkung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich ein entsprechender Wille eindeutig dem Inhalt der Schadensanzeige entnehmen ließe. Einen solchen Beschränkungswillen hat das Berufungsgericht verneint; die tatrichterliche Interpretation der Schadensanzeige läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

Waren mithin die Ansprüche aus der Elektronik-Pauschalversicherung sämtlich erhoben, konnte die Beklagte diese in ihrem Schreiben vom 10. April 1996 auch insgesamt zurückweisen.

2. Dennoch ist durch das Schreiben der Beklagten die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht in Lauf gesetzt worden. Schon deshalb geht die Auffassung des Berufungsgerichts fehl, die Klägerin habe Ansprüche aus der Daten- und der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht.

Die Frist zur Klagerhebung beginnt gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich abgelehnt hat. An die Rechtsfolgenbelehrung sind strenge Anforderungen zu stellen, denen das Schreiben der Beklagten nicht genügt. Die Belehrung muß den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, daß er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht (Senatsurteil vom 20. November 1980 – IVa ZR 25/80 – VersR 1981, 180 unter II A). Formulierungen, die diese Rechtsfolgen verdunkeln oder in einem minder gefährlichen Licht erscheinen lassen, machen die Belehrung unwirksam (Senatsurteil vom 25. Januar 1978, aaO unter II 2). Wenn die Beklagte in ihrem Schreiben vom 10. April 1996 auf „Leistungsfreiheit aufgrund eingetretener Verjährung” hinweist, so ist dies geeignet, den Versicherungsnehmer irrezuführen. Denn bei ihm kann in unzulässiger Weise der Eindruck erweckt werden, die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen der Leistungsfreiheit des Versicherers träten nicht ein, wenn ein die Verjährung hemmender oder sie unterbrechender Tatbestand gegeben sei. Die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG stellt jedoch – anders als die Fristen des § 12 Abs. 1 VVG – keine Verjährungsfrist dar. Daher sind die für den Anspruchsteller vorteilhaften Bestimmungen der §§ 201 ff. BGB auf sie weder direkt noch entsprechend anwendbar (BGHZ 98, 295, 298). Traf aber die seitens der Beklagten erteilte Belehrung in diesem wesentlichen Punkt nicht zu, war sie insgesamt unwirksam. Sie konnte die Klagefrist nicht in Gang setzen mit der weiteren Folge, daß die Verwirkungsfolgen des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht herbeigeführt sind (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1978, aaO unter II).

3. Aber auch die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe die fristwahrende Wirkung der im April 1996 erhobenen Teilklage für die weitergehenden Ansprüche verkannt, greift durch. Eine ordnungsgemäße Belehrung unterstellt, sind alle Ansprüche aus dem Versicherungsfall rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht worden.

Grundsätzlich kann eine Teilklage zur Wahrung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG für den gesamten Leistungsanspruch ausreichen, wenn sich jedenfalls aus den Gesamtumständen ergibt, daß der Versicherungsnehmer eine solche erheben wollte, und der Versicherer dadurch erkennen kann, daß der Kläger auf seinem Gesamtanspruch beharrt (Senatsurteil vom 27. Juni 2001 – IV ZR 130/00VersR 2001, 1013 unter II 1 im Anschluß an Senatsurteil vom 20. Dezember 1968 – IV ZR 529/68 – VersR 1969, 171, 172; Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 – IV ZR 280/99VersR 2001, 326 unter II 1). Davon ist hier auszugehen.

Im Vorprozeß hatte die Klägerin zwar zunächst nur ihren Sachschaden eingeklagt. Das ergibt sich aus dem Umstand, daß sie ausschließlich die bereits entstandenen und künftig noch entstehenden Kosten für die Neuanschaffung der zerstörten Geräte ersetzt verlangte. Daraus allein wurde für die Beklagte nicht deutlich, daß die Klägerin daneben auch ihren Schaden aus dem Verlust der Daten und aus der Betriebsunterbrechung weiterhin verfolgen wollte, zumal eine besondere Kennzeichnung als Teilklage fehlte. Daß die Klägerin aber über die begehrten Leistungen hinaus auch auf dem Ersatz der weiteren versicherten Schäden beharren wollte, ergibt sich – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – mit hinreichender Deutlichkeit aus ihrem Schriftsatz vom 12. August 1996. Darin wird zwar zunächst klargestellt, Ansprüche aus der Betriebsunterbrechungs- und der Datenträgerversicherung nicht zum Gegenstand des damaligen Rechtsstreits machen zu wollen. Das beruhte jedoch auf der zugleich offengelegten Rechtsauffassung der Klägerin, die Leistungsablehnung der Beklagten vom 10. April 1996 erstrecke sich ohnehin nur auf den Sachschaden. Im Anschluß daran heißt es jedoch: „Sollte das Ablehnungsschreiben der Beklagten tatsächlich so verstanden werden, daß damit die Regulierung sämtlicher Ansprüche der Klägerin abgelehnt worden … (ist), so müßte die Klage entsprechend erweitert werden.” Damit hat die Klägerin noch innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG klar zum Ausdruck gebracht, daß sie auf der Geltendmachung des gesamten Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis beharren wollte, ihre Klage also, sollte der Anspruch von der Beklagten insgesamt abgelehnt worden sein, nur eine Teilklage darstellte. Einer Bezifferung oder auch nur größenordnungsmäßigen Angabe des Gesamtschadens bedurfte es dabei nicht. Da die Klägerin einen Totalschaden der versicherten Geräte gemeldet hatte, konnte die Beklagte die voraussichtliche Schadenshöhe selbst einschätzen. Auf weiteres kommt es nicht an.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist zudem unschädlich, daß die angekündigte Klagerweiterung nicht binnen der Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG vorgenommen worden ist. Denn anderenfalls hätte es sich von vornherein um eine innerhalb der sechsmonatigen Frist umfassend erhobene Klage gehandelt. Die Problematik einer fristwahrenden Teilklage hätte sich dann gar nicht erst gestellt.

III. Da die Beklagte nicht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG leistungsfrei geworden ist, wird das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zum Grund und zur Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs nachzuholen haben.

 

Unterschriften

Terno, Dr. Schlichting, Seiffert, Dr. Kessal-Wulf, Felsch

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 19.09.2001 durch Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 651877

BGHR 2002, 100

NJW-RR 2002, 88

IBR 2002, 53

JurBüro 2002, 274

Nachschlagewerk BGH

ZAP 2001, 1507

DAR 2002, 34

MDR 2002, 91

NVersZ 2002, 58

NZV 2002, 117

VRS 2001, 412

VersR 2001, 1497

ZfS 2002, 28

PVR 2002, 275

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