Leitsatz (amtlich)

a) Ein in einer früheren Versammlung herbeigeführter, aber nichtiger Vereinsbeschluß kann nicht dadurch geheilt werden, daß ihn die Mitgliederversammlung nachträglich so behandelt, als sei er wirksam zustande gekommen; der Beschlußgegenstand muß in satzungsmäßig einwandfreier Form erneut zur Abstimmung gestellt werden.

b) Bestreitet ein aus einem Vereinsbeschluß in Anspruch genommenes Mitglied dessen satzungsmäßiges Zustandekommen mit der Behauptung, unberechtigte Dritte hätten mit abgestimmt, so ist es grundsätzlich Sache des Vereins, dies mit dem Beweis zu widerlegen, es habe kein Unberechtigter mitgestimmt, oder zu behaupten und zu beweisen, der gefaßte Beschluß beruhe nicht auf der Stimmabgabe nicht stimmberechtigter Versammlungsteilnehmer. Ist jedoch nach der Satzung der Mitgliederversammlung jeweils die Niederschrift über die vorangegangene Versammlung zur Genehmigung vorzulegen, so muß das Mitglied behaupten und beweisen, daß Dritte mitgestimmt und erst ihre Stimmen die erforderliche Mehrheit erbracht haben, sofern es der Genehmigung nicht widersprochen hat und sich erst nachträglich auf die Nichtigkeit des Beschlusses beruft.

 

Normenkette

BGB § 32

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 11.11.1965)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. November 1965 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Landesinnungsverband der baugewerblichen Handwerksinnungen in den Regierungsbezirken Aa., D. und K.; die Beklagte gehört ihm als Mitglied an.

Wegen drohender Streikgefahr beschloß die Mitgliederversammlung am 31. März 1962, einen Unterstützungsfonds zur Abwehr gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen zu bilden und dazu über den üblichen Beitrag für das laufende Haushaltsjahr hinaus eine Sonderumlage zu erheben. Die Beklagte hält diesen Beschluß für satzungs- und gesetzwidrig. Infolgedessen weigert sie sich, den auf sie entfallenden Betrag von 53.853,67 DM zu zahlen.

Der daraufhin vom Kläger erhobenen Klage hat das Landgericht in Höhe des geltend gemachten Teilbetrages von 15.000 DM stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese auf den mit der Anschlußberufung gestellten Antrag des Klägers zur Zahlung weiterer 100 DM verurteilt. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif; das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehenbleiben.

1. Entgegen der Ansicht der Revision ist allerdings nichts gegen die Ansicht des Berufungsgerichts einzuwenden, der Beschluß vom 31. März 1962 sei nach seinem Inhalt mit der Satzung des klagenden Verbandes vereinbar.

Die Bildung des Unterstützungsfonds durch eine „Sonderumlage” hat eine satzungsmäßige Grundlage, weil die Unterstützung der Innungsmitglieder im. Streikfall dem in § 4 Satz 1 bestimmten Verbandszweck, die wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder der angeschlossenen Innungen zu fördern, eingeordnet werden und die Mitgliederversammlung auch ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Festsetzung des jährlichen Haushaltsplans gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 beschließen kann, außerordentliche Beiträge zu erheben.

Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang unter Verletzung des § 139 ZPO versäumt aufzuklären, wie die Verwaltung des Fonds geführt und welches Recht den Mitgliedern auf Unterstützung gewährt werde, ist unbegründet. Selbst wenn die Beklagte daraufhin den von der Revision auszugsweise wiedergegebenen Beschluß der Mitgliederversammlung vom 16. Februar 1954 vorgelegt hätte und man unterstellt, der darin enthaltene Ausschluß von Rechtsansprüchen der Mitglieder und die vorgesehene Beschneidung des Rechtsweges seien rechtlich nicht haltbar, wäre damit nicht die Rechtmäßigkeit der im Jahre 1962 beschlossenen Bildung eines neuen Fonds in Präge gestellt, sondern lediglich die Revisionsbedürftigkeit des Beschlusses vom Jahre 1954 in einzelnen Punkten dargetan. Im übrigen war das Berufungsgericht zu dem von der Revision vermißten Hinweis nicht verpflichtet, weil der Sachvortrag der Parteien keinen Anhaltspunkt enthielt, daß die Mitgliederversammlung bereits früher einen solchen Beschluß gefaßt und einzelne Punkte rechtlich nicht einwandfrei geregelt hätte.

Der weitere Einwand der Revision, der beschlossene Unterstützungsfonds sei im Falle eines gewerkschaftlichen Gesamtstreiks „ein Tropfen auf den heißen Stein” und deshalb „wirtschaftlich unsinnig” gewesen, ist rechtlich unerheblich; das Berufungsgericht brauchte auch in dieser Hinsicht auf keine weitere Aufklärung hinzuwirken, weil die Zweckmäßigkeit eines Vereinsbeschlusses nicht Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung sein kann. Schließlich hat sich die Beklagte zu Unrecht darauf berufen, nicht mehr zahlungspflichtig zu sein, seitdem die Streikdrohung weggefallen sei. Diese war zwar im Jahre 1962 der aktuelle Anlaß für die Bildung des Fonds. Es ist aber weder aus der Niederschrift über die Versammlung vom 31. März 1962 noch sonst irgendwie ersichtlich, daß die Mitgliederversammlung die Erhebung der „Sonderumlage” nur für den damals drohenden Streik beschlossen und die Beitragspflicht der Mitglieder rechtlich vom Fortbestand dieser Streikdrohung abhängig gemacht hätte.

2. Gesetzliche Vorschriften stehen der Rechtswirksamkeit des Beschlusses vom 31. März 1962 ebenfalls nicht entgegen. Die Bildung von Streikfonds wird von dem Wortlaut der Generalklausel dee § 82 Satz 1 HwO gedeckt, nach der die Innungsverbände „die wirtschaftlichen und sozialen Interessen” der Mitglieder der Innungen fördern können. Die Revision hat ihre Ansicht, eine solche Maßnahme verstoße dennoch gegen das Gesetz, in der Revisionsbegründungsschrift im wesentlichen mit der Erwägung zu stützen versucht, den Innungsverbänden stehe die Tariffähigkeit und damit auch die Befugnis zu Kampfmaßnahmen im Tarifstreit nicht zu. Die Tariffähigkeit sei ihnen zwar durch die Handwerksordnung verliehen (§ 82 Satz 2 Nr. 3 HwO). Das stehe aber zu Art. 9 Abs. 3 GG in Widerspruch und sei deshalb verfassungswidrige Diese Argumentation ist überholt. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluß vom 19. Oktober 1966 (BVerG E 20, 312) festgestellt, § 82 Satz 2 Nr. 3 HwO sei mit dem Grundgesetz vereinbare An diese Entscheidung ist der Senat gebunden (§ 31 BVerfGG). Infolgedessen ist der gegenteilige Schluß geboten, den Innungsverbänden sei mit der Tariffähigkeit zugleich die Freiheit eingeräumt, ebenso Streikfonds zu bilden, wie es regelmäßig bei den Sozialpartnern geschieht; denn es gehört zu den sachbedingten Voraussetzungen der Tarifautonomie, daß die Tarifparteien einander grundsätzlich mit annähernd paritätischen Verhandlungschancen gegenübertreten, weil sonst ein echt ausgehandelter Vertragsschluß zwischen ihnen nicht gesichert wäre und sich das Diktat des Stärkeren in einem freiheitswidrigen Sinne durchsetzen würde. Jedenfalls bilden die verfassungsrechtlichen Erwägungen der Revision und ihre damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausführungen keinen durchgreifenden Grund, den nach § 82 Satz 1 HwO weit gezogenen Handlungsspielraum der Innungsverbände im Wege der Auslegung dahin einzuengen, daß er die Errichtung von Streikfonds nicht umfasse.

3. Eine abschließende Entscheidung über den Zahlungsanspruch des Klägers läßt sich jedoch deshalb nicht treffen, weil das Berufungsgericht erneut prüfen muß, ob der Beschluß vom 31. März 1962 in einer dem satzungsmäßigen Verfahren entsprechenden Weise zustande gekommen ist, oder ob das nicht der Fall war und der Beschluß etwa aus diesem Grunde nicht rechtswirksam ist.

Die Beklagte hatte hierzu behauptet, in jener Mitgliederversammlung sei die Stimmberechtigung der Anwesenden nicht geklärt worden. Zahlreiche nicht stimmberechtigte Personen seien anwesend gewesen und hätten mitgestimmt. Im Protokoll sei das Abstimmungsergebnis nicht im einzelnen festgestellt, sondern lediglich vermerkt worden, die Erhebung der Sonderumlage sei „angenommen” worden.

Diesem Einwand ist das Berufungsgericht mit der Begründung entgegengetreten, der – zunächst möglicherweise nichtige – Beschluß sei jedenfalls später wirksam geworden, weil ihn die Mitgliederversammlung „bestätigt” habe. Das sei dadurch geschehen, daß sie in der nächsten Sitzung die Niederschrift über die Verhandlungen vom 31. März 1962 gebilligt und am 23. Oktober 1962 dem Haushaltsplan zugestimmt habe, in dem die Sonderumlage in Ansatz gebracht worden sei. Auf die umstrittene Frage, ob sich am 31. März 1962 Dritte an der Abstimmung beteiligt hätten, komme es daher nicht an.

Diese Ansicht ist rechtlich nicht haltbar. Eine gültige Beschlußfassung setzt die Einhaltung eines bestimmten, in §§ 19, 20 der Satzung des klagenden Verbandes geregelten Verfahrens voraus. Ein in einer früheren Versammlung herbeigeführter, aber nichtiger Beschluß kann daher nicht dadurch „geheilt” werden, daß ihn die Mitgliederversammlung nachträglich so behandelt, als sei er wirksam zustande gekommen, ohne hierbei den Beschlußgegenstand selbst in satzungsmäßig einwandfreier Form erneut zur Abstimmung zu stellen.

Rechtlich erheblich ist dagegen der vom Berufungsgericht nur beiläufig erörterte Gesichtspunkt, daß die Beklagte nicht behauptet habe, erst die Teilnahme Dritter habe die zur Beschlußfassung erforderliche Mehrheit zustande gebracht. Grundsätzlich gehört das allerdings nicht zur Darlegungs- und Beweislast des Mitglieds, das aus dem Vereinsbeschluß in Anspruch genommen werden soll. Im Streitfalle ist es vielmehr grundsätzlich Sache des Vereins, die Satzungsmäßigkeit des Beschlusses, aus dem er Rechte herleiten will, durch Behauptung und Beweis der zugrunde liegenden Tatsachen zu belegen. Bestreitet das verklagte Mitglied die Satzungsmäßigkeit mit der Behauptung, unberechtigte Dritte hätten das Abstimmungsergebnis beeinflußt, muß der Verein das regelmäßig mit dem Beweis widerlegen, daß kein Unberechtigter mitgestimmt hat, oder behaupten und beweisen, der gefaßte Beschluß beruhe nicht auf der Stimmabgabe nicht stimmberechtigter Versammlungsteilnehmer.

Dieser Grundsatz bedarf jedoch im vorliegenden Fall einer Einschränkung. Nach § 19 Abs. 3 der Satzung des Klägers hat der Vorstand der Mitgliederversammlung jeweils eine Niederschrift über die vorangegangene Versammlung zur Genehmigung vorzulegen, die sämtliche Beschlüsse und Abstimmungen enthalten muß. Ähnliche Bestimmungen enthalten die Satzungen zahlreicher Vereine. Sie haben den Sinn, den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, die in der Niederschrift enthaltenen Tatsachen zu berichtigen, zu ergänzen oder Widerspruch gegen ihre Richtigkeit zu erheben, damit der Verein rechtliche Bedenken gegen die gefaßten Beschlüsse ausräumen und den Vereinsorganen eine möglichst sichere Grundlage für künftige Maßnahmen geben kann. Hieraus ist zwar nicht zu folgern, es sei den Mitgliedern, die nicht widersprochen haben, schlechthin verwehrt, sich auch später hoch auf Mängel des Beschlusses zu berufen. Das könnte lediglich gelten, wenn es sich nur um Verstöße gegen verzichtbare, allein zum Schutz der Mitglieder bestimmte Verfahrensvorschriften handelt. Die Beteiligung Dritter oder andere Tatsachen, mit denen in Frage gestellt wird, ob ein Beschluß die satzungsmäßig erforderliche Stimmenzahl erhalten hat oder lediglich ein Scheinbeschluß gewesen ist, kommt eine so grundlegende vereinsrechtliche Bedeutung zu, daß es möglich sein muß, solche Mängel auch dann noch geltend zu machen, wenn die Mitgliederversammlung die Niederschrift erörtert und widerspruchslos genehmigt hat. Der Zweck jener Satzungsbestimmung würde aber verfehlt, wenn der Verein den Mitgliedern zwar satzungsgemäß Gelegenheit gegeben hat, Mängel vorzubringen, er aber dennoch auf unabsehbare Zeit hinaus damit belastet bliebe, Angriffen gegen seine Beschlüsse auch später noch mit dem bei fortschreitender Zeit zwangsläufig schwieriger werdenden Nachweis begegnen zu müssen, seinerzeit sei verfahrensmäßig alles in Ordnung gewesen. Der Genehmigung der Niederschrift kommt daher die rechtliche Bedeutung zu, daß Mitglieder, die keinen Widerspruch angemeldet haben, die Vermutung gegen sich gelten lassen müssen, die in der Niederschrift festgestellten Abstimmungen und Beschlüsse seien unter Beachtung des satzungsmäßigen Verfahrens zustande gekommen, es sei denn, aus der Urkunde selbst ergäbe sich etwas anderes. Das hat die für das Vereinsleben sachgerechte und den Mitgliedern zuzumutende Auswirkung, daß die Beweisschwierigkeiten das Mitglied treffen, das die formelle Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses erst nachträglich rügt. Es ist nunmehr seine Sache, diejenigen Tatsachen darzutun und zu beweisen, aus denen sich die Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses ergeben soll. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte infolgedessen die von ihr geltend gemachte Nichtigkeit des Beschlusses vom 31. März 1962 bisher nicht ausreichend damit dargetan, daß sie lediglich die Beteiligung Dritter behauptet und unter Beweis gestellt hat. Sie hätte darüber hinaus substantiiert behaupten und gegebenenfalls beweisen müssen, die Abstimmung habe für die Beschlußfassung keine Mehrheit erbracht, wenn man die Stimmen der angeblich beteiligten Dritten abziehe.

4. Mit der Begründung, an diesem Sachvortrag fehle es, kann die Revision jedoch nicht zurückgewiesen werden. Das Berufungsgericht hat der Beklagten den unter den vorliegenden Umständen erforderlichen Hinweis (§ 139 ZPO), wie die Rechtslage insofern zu beurteilen sein werde, nicht geben können, da es selbst von einer unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen ist. Dem Schrifttum und der Rechtsprechung konnte die Beklagte hierfür nichts entnehmen. Ihr muß daher zunächst Gelegenheit gegeben werden, ihren Sachvortrag danach auszurichten und entsprechende Beweise anzutreten. Hierzu muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Diesem bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens vorbehalten, weil diese vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt.

 

Unterschriften

Dr. Fischer, Bundesrichter Dr. Nörr ist ortsabwesend und deshalb nicht in der Lage zu unterschreiben Dr. Fischer, Liesecke, Fleck, Stimpel

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 209

NJW 1968, 543

Nachschlagewerk BGH

MDR 1968, 387

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