Leitsatz (amtlich)

a) Zahlt der Mieter, nachdem er während des Mietverhältnisses von Mängeln der Mietsache Kenntnis erlangt hat, den Mietzins trotz erhobener Beanstandungen weiter, so kommt es auf die Umstände des Falles an, ob hierin ein vollständiger oder nur teilweiser Verzicht auf seine Gewährleistungsrechte, insbesondere auf sein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 542 BGB, zu sehen ist.

b) Zur Frage, ob ein Mietvertrag, der eine genehmigungsbedürftige, von der Landeszentralbank noch nicht genehmigte Wertsicherungsklausel enthält, wegen schwebender Unwirksamkeit dieser Klausel insgesamt schwebend unwirksam ist.

 

Normenkette

BGB §§ 139, 539, 542; WährG § 3

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 15.02.1973)

LG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks in D., Wo. Platz …. Sie vernietete am 29. November 1966 an den Beklagten einen im Hof dieses Grundstücks gelegenen Lagerraum und mit Vertrag vom 8. September 1969 ein unmittelbar am Wo. Platz gelegenes Ladenlokal mit Büroräumen und Nebenräumen. Die Vermietung erfolgte zum Betrieb eines Elektrogroßhandels. Die mit Vertrag vom 8. September 1969 gemieteten Räume hatte vorher die Firma Ka.&Fa., ein Leihwagenunternehmen, mietweise inne. Das Mietverhältnis war erstmals zum 15. September 1974 kündbar. Der Mietzins für sämtliche Mieträume betrug monatlich 2 650 DM.

Der Beklagte kündigte mit Rechtsanwaltschreiben vom 4. Januar 1971 zum 31. Januar 1971 und räumte zu diesem Termin. Die Klägerin vernietete die Bäume ab 1. Dezember 1971 anderweitig für monatlich 2 000 DM.

Mit der Klage verlangt sie den Mietzins von Februar bis einschließlich November 1971 mit zusammen 26 500 DM (10 × 2 650 DM) sowie den Mietzinsausfall für Dezember 1971 und Januar 1972 in Höhe von 1 300 DM (2 × 650 DM), insgesamt also 27 800 DM. Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision strebt der Beklagte die Abweisung der Klage an. Die Klägerin hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. 1. Das Berufungsgericht hat die Berechtigung der Kündigung des Beklagten nur unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob die Fortsetzung des Vertrages nach § 242 BGB noch zumutbar war. Es hat die Unzumutbarkeit verneint und deshalb die Kündigung als unwirksam beurteilt.

2. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht § 542 BGB übersehen hat. Nach dieser Vorschrift kann der Mieter, dem der vertragsmäßige Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht gewährt oder wieder entzogen wird, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kundigen. Dabei genügt jede nicht unerhebliche Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs (§ 542 Abs. 2 BGB). Auf ein Verschulden des Vermieters kommt es nicht an, und die Kündigung ist selbst dann zulässig, wenn der Vermieter auf die Umstände, die zur Gebrauchsentziehung oder -einschränkung führen, keinen Einfluß hat (RGZ 98, 101 und 286; Senatsurteil vom 15. Februar 1967 – VIII ZR 222/64 = WM 1967, 515, 517). § 542 BGB gilt gerade auch bei Mängeln der Mietsache, und als solche gelten nicht nur körperliche Fehler, sondern auch Verhältnisse, die die Mietsache in ihrer Tauglichkeit zum vertragsmäßigen Gebrauch beeinträchtigen (Senatsurteile vom 15. Februar 1967 aaO und vom 9. Dezember 1970 – VIII ZR 149/69 = NJW 1971, 424).

3. Nach Tatbestand und Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ist folgender Sachverhalt unstreitig: Unmittelbar neben dem vom Beklagten gemieteten Ladenlokal befindet sich die Gaststätte „Faßschänke”, in welcher u. a. Alkoholiker, Stadtstreicher und Dirnen verkehren. Durch dieses Publikum wurde und wird das Mietgrundstück laufend verunreinigt. Ferner wurden der Beklagte, sein Personal, Lieferanten und Kunden seines Geschäfts wiederholt belästigt.

Darüber hinaus sind, nachdem das Berufungsgericht die im ersten Rechtszug vorgenommene umfangreiche Beweisaufnahme ebensowenig wie die vom Beklagten vorgelegten Urkunden verwertet hat und auf die ins einzelne gehende Darstellung des Beklagten über die Torfälle in und vor seinem Geschäft allein in der Zeit vom 24. September bis 8. Oktober 1970 nicht eingegangen ist, das Beweisergebnis, soweit es dem Beklagten günstig ist, sowie sein Sachvortrag als zutreffend zu unterstellen. Danach wurde der Gehweg vor dem Geschäft des Beklagten, aber auch der Ladeneingang und das Schaufenster sowie der neben dem Geschäft gelegene Torweg, die Zufahrt zum Kunden- und Lieferantenparkplatz, häufig, wenn nicht laufend durch menschlichen Kot, Urin und Erbrochenes verschmutzt. Kunden des Beklagten zerschnitten sich durch zerschlagene Flaschen in der Toreinfahrt die Autoreifen. Lieferanten, Kunden und Angestellten des Beklagten wurde die Zufahrt zum Parkplatz im Hof durch Belästigungen, gelegentlich sogar durch Tätlichkeiten verwehrt. Der Beklagte und Besucher seines Geschäftes wurden im Laden durch betrunkene Dirnen belästigt. Das führte dazu, daß Kunden und Lieferanten ihre geschäftliche Zusammenarbeit mit dem Beklagten einschränkten oder unterbrachen, jedenfalls derartiges in Aussicht stellten.

Bei einem solchen Sachverhalt kann nicht zweifelhaft sein, daß der Beklagte in seinem vertragsmäßigen Gebrauch, nämlich der Ausübung seines Verkaufsgeschäftes, in nicht unerheblichem Maße gehindert worden ist.

4. Grundsätzlich konnte er das Mietverhältnis kündigen, wenn ihm nicht bei Abschluß des Mietvertrages die Hinderung im Gebrauch der Mietsache bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war: § 543, 539 BGB. Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt, weil es glaubte, im Rahmen seiner Würdigung nach § 242 BGB darauf abstellen zu können, daß die von der „Faßschänke” ausgehenden Zustände objektiv im wesentlichen bereits vor Vertragsbeginn bestanden hätten und der Beklagte die daraus sich ergebenden „Nebenwirkungen und Risiken” hinnehmen müsse. Ob dieser Betrachtungsweise bei der Anwendung des § 242 BGB zugestimmt werden könnte, kann offenbleiben. Eine Kündigung aus § 542 BGB ist jedenfalls nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 543 BGB grundsätzlich nur bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Kündigungsgründe bei Vertragschluß oder Vertragsbeginn ausgeschlossen.

Der Beklagte hat dazu vorgetragen, während der Zeit, in der er lediglich einen Lagerraum im Hinterhof gemietet hatte, seien ihm die von dem Publikum der „Faßschänke” ausgehenden Belästigungen und Verunreinigungen nicht aufgefallen. Einmal habe der von der Firma K.&F. unterhaltene Mietwagenbetrieb mit seiner starken Benutzung der Toreinfahrt und dem ständigen Kommen und Gehen von Mietwageninteressenten und Personal die ruhestörenden Elemente aus der „Faßschänke” weithin abgehalten. Die nächtlichen Verschmutzungen seien durch das Personal der Firma K. & F. in der Regel beseitigt gewesen, wenn er, der Beklagte, morgens zu seinen Geschäftsräumen im Hof des Grundstücks Wo. Platz … gekommen sei.

Dieser im Revisionsrechtszug zu unterstellende Sachverhalt erlaubt dem Revisionsgericht keine Beurteilung der Frage, ob dem Beklagten aus Fahrlässigkeit die Umstände, wegen deren er gekündigt hat, unbekannt geblieben sind. Erst recht nicht ist eine Bewertung des Maßes der Fahrlässigkeit möglich.

5. § 543 BGB verweist auf § 539 BGB. Diese Vorschrift wird entsprechend angewendet auf Fälle, in denen der Mieter einen Fehler der Mietsache erst nach Abschluß des Vertrages oder Überlassung der Mietsache erkennt, dann aber gleichwohl weiterhin vorbehaltlos den Mietvertrag erfüllt. Der erkennende Senat hat ausgesprochen, daß dem Mieter in einem solchen Falle unter Umständen die Rechte aus §§ 537, 538 BGB selbst dann nicht zustehen, wenn er wiederholt Beanstandungen vorbringt (Senatsurteile vom 5. Juli 1961 – VIII ZR 155/60 = ZMR 1961, 359; vom 15. Februar 1967 – aaO und von 17. Mai 1967 – VIII ZR 265/64 = WM 1967, 850). Indessen ist in jedem derartigen Fall das Verhalten des Mieters zu würdigen und zu prüfen, ob ein Verzicht auf Gewährleistungsrechte (§§ 537, 538, 542 BGB) angenommen werden kann.

Macht der Mieter etwa Mängel geltend und zahlt er gleichwohl den Mietzins weiter, so kann das je nach Sachlage bedeuten, daß er für die Zeit, in der die Entrichtung des Mietzinses erfolgt, die an sich kraft Gesetzes eintretende Minderung nicht geltend Bachen will, sieh aber, wenn der Fehler nicht beseitigt wird, für die Zukunft eine Minderung vorbehält. Die Entscheidung, ob überhaupt ein Verzieht auf Gewährleistungsrechte, ein vollständiger oder nur ein teilweiser Verzicht anzunehmen ist, hängt insbesondere von der Ernsthaftigkeit der Beanstandungen, aber auch von der Länge der Zeit ab, in der die ungekürzten Mietzahlungen erfolgen (vgl. RG JW 1936, 2706 und das Senatsurteil vom 17. Mai 1967 aaO). Von einer vorbehaltlosen Mietzahlung kann etwa dann nicht gesprochen werden, wenn der Mieter rügt und zunächst in der Erwartung die volle Miete weiter zahlt, der Vermieter werde den Mangel demnächst abstellen (BGH Urteil vom 30. Dezember 1972 – VIII ZR 165/71 = WM 1973, 146).

Im vorliegenden Falle hat der Beklagte in einem Brief vom 22. August 1970 der Klägerin Mietminderung oder Kündigung für den Fall angedroht, daß sie nicht imstande sei, für geordnete Verhältnisse zu sorgen. Wenn bei einer solchen Fallgestaltung der Mieter nicht sofort die Miete kürzt, kann in seinem Verhalten kein Verzicht auf Gewährleistungsrechte gesehen werden. Insbesondere wenn die schwerwiegende Entscheidung der Frage der Kündigung und damit der Aufgabe der Mieträume auf dem Spiele steht, braucht darin, daß – wie hier – noch ein viertel Jahr lang die Miete weiter bezahlt und dann erst gekündigt wird, nicht ohne weiteres ein Abstandnehmen von der Geltendmachung der Gewährleistungsrechte, also auch vom Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 542 BGB zu liegen. Das gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Falle, von vornherein naheliegt, daß dem Vermieter eine Beseitigung der beanstandeten Umstände nicht möglich sein wird. Auch in einem solchen Falle wird dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen sein, innerhalb deren er sich entscheiden kann, ob er den Mietzins, kündigen, oder den Vertrag unverändert fortsetzen will.

Eine andere Frage ist freilich, ob der Beklagte nicht überhaupt zu spät der Klägerin gegenüber die von der „Faßschänke” ausgehenden Zustände gerügt hat. Sollte er die Verunreinigungen und Belästigungen alsbald nach Eröffnung seines Ladengeschäfts am Wo. Platz (September 1969) festgestellt haben, so wäre darin, daß er bis 22. August 1970 weder Beanstandungen erhob, noch Mietkürzungen vornahm, ein Verzicht auf jegliche Gewährleistungsrechte zu sehen. Indessen fehlt es auch hierzu an tatsächlichen Feststellungen. Zwar führt das Berufungsgericht aus, der Beklagte habe sich schon vor seinem Schreiben vom 22. August 1970 bei seinen Vormietern Ka.&Fa. darüber beschwert, sie hätten ihn über die Zustände am Wo. Platz nicht aufgeklärt. Das Berufungsgericht läßt den Zeltpunkt dieser Beschwerde indessen offen und meint, es könne dies (auch) Mitte 1970 gewesen sein. Traten die beanstandeten Zustände in der Stärke und der Häufigkeit, die schließlich die Kündigung veranlaßte, erst Mitte des Jahres 1970 auf, so könnte der Brief vom 22. August 1970, also die erste Beanstandung gegenüber der Klägerin, noch rechtzeitig gewesen sein.

Der Beklagte behauptet hierzu, die Zustände seien zunächst noch hinnehmbar gewesen; dadurch, daß zwei übelbeleumundete Gaststätten am Wo. Platz geschlossen worden seien, habe sich im Laufe seiner Vertragszeit das Dirnen- und Stadtstreicherunwesen ganz auf die „Faßschänke” verlagert und damit zu den untragbar gewordenen Beeinträchtigungen seines Ladengeschäfts geführt. Auch hierzu trifft das Berufungsgericht im Gegensatz zum Landgericht keine Feststellungen. Es unterstellt aber, daß der Dirnen- und Stadtstreicherbetrieb in der „Faßschänke” nach dem 1. September 1969 zugenommen hat. Dann aber ist im Revisionsrechtszug zugunsten des Beklagten zu unterstellen, daß die Beeinträchtigung seines Ladengeschäfts nicht lange vor dem 22. August 1970 so erheblich geworden ist, daß sie eine Kündigung nach § 542 BGB rechtfertigte.

II. Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten werden Aber auch eine andere Begründung trägt die getroffene Entscheidung nicht (§ 563 ZPO).

Das Berufungsgericht nimmt zwar an, daß die in Nr. 6 der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag verabredete Wertsicherungsklausel nach § 3 WährG genehmigungspflichtig ist. Eine Genehmigung der Landeszentralbank wurde unstreitig nicht eingeholt. Das Berufungsgericht meint, das berühre die Ansprüche der Klägerin nicht; der Mietvertrag sei nur schwebend unwirksam und solange dieser Schwebezustand nicht beendet sei, seien die Parteien einstweilen gebunden.

Diese Ausführungen sind nicht frei von rechtlichen Bedenken. Sollte ihnen die Auffassung zugrunde liegen, ein schwebend unwirksamer Vertrag löse die gleichen Rechte und Pflichten aus wie ein wirksamer, so könnte dem nicht zugestimmt werden. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Klägerin keine Mietzinsansprüche gegen den Beklagten erheben kann.

Die etwaige Genehmigungsbedürftigkeit der Wertsicherungsklausel – insoweit wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, seine Rechtsauffassung im erneuten Berufungsverfahren zu überprüfen – hatte zumindest nicht ohne weiteres die (schwebende) Unwirksamkeit des gesamten Vertrages nach § 139 BGB zur Folge. Ob bei Unwirksamkeit eines Vertragsteiles das gesamte Vertragswerk unwirksam ist, muß jeweils von Fall zu Fall beurteilt werden, wie schon der Wortlaut des § 139 BGB zeigt. Auch bei Wertsicherungsklauseln ist zu fragen, ob die Parteien den Vertrag nicht auch ohne die Klausel geschlossen hätten. Das zu bejahen, liegt bei einem nur fünfjährigen Mietvertrag, dessen Wirksamkeit – auch im Prozeß – von keiner Seite in Frage gezogen worden ist, besonders nahe (vgl. auch das BGH Urteil vom 6. Juli 1959 – VII ZB 175/58 = WM 1959, 1198).

III. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, Dieses hat auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges zu entscheiden, weil deren Verteilung vom Ausgang der Hauptsache abhängt.

 

Unterschriften

Dr. Haidinger, Braxmaier, Dr. Hiddemann, Wolf, Merz

 

Fundstellen

Haufe-Index 538060

NJW 1974, 2233

JR 1975, 108

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