Leitsatz (amtlich)

a) Die Rechtsprechung des Senats zum Anspruch auf Baulastbestellung aus dem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis einer Dienstbarkeit (vgl. BGHZ 106, 348 ff) betrifft nicht Fallgestaltungen, in denen zwischen den Beteiligten vertragliche Beziehungen (hier: Kaufvertrag) bestehen.

b) Aus dem Inhalt eines solchen Vertrages und eventuell dessen ergänzender Auslegung beantwortet sich primär die Frage, ob der Käufer eines Teilgrundstücks gegen den Verkäufer Anspruch auf Bestellung von Baulasten hat, falls dies zur Genehmigung der Grundstücksteilung erforderlich ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1018, 242, 157D

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 12.06.1992)

LG Bad Kreuznach

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Juni 1992 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 11. Oktober 1985 kaufte der Kläger vom Beklagten für 950.000 DM eine noch abzuteilende Grundstücksfläche von etwa 2.000 qm. Auf dieser Fläche war bei Vertragsschluß bereits ein vom Kläger mit Zustimmung des Beklagten – teilweise an der „neuen” Grundstücksgrenze – errichteter Rohbau eines Geschäftshauses vorhanden. Nach dem Vertrag hatte der Kläger die Teilungsgenehmigung zu erwirken; für eine näher bezeichnete Fläche auf dem Restgrundstück des Beklagten war ihm das Recht eingeräumt, diese als gemeinschaftliche Einfahrt mitzubenutzen und eine entsprechende Grunddienstbarkeit bewilligt. Der Beklagte hatte „im Rahmen des geltenden Baurechts Gewähr für die Zulässigkeit einer Bebauung” auf dem Kaufgrundstück übernommen.

Die zuständige Behörde hat die Teilungsgenehmigung davon abhängig gemacht, daß der Beklagte durch Baulasten die nach der Landesbauordnung für das Gebäude erforderlichen Abstandsflächen auf sein Grundstück übernimmt und die erforderliche Ein- und Ausfahrt zur Verfügung stellt.

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Bestellung entsprechender Baulasten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hält die Ansprüche des Klägers für begründet. Die Verpflichtung des Beklagten zur Baulastbestellung hinsichtlich der Ein- und Ausfahrt ergebe sich als Nebenpflicht aus dem durch die Dienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis. Unerheblich sei, daß die Dienstbarkeit erst bewilligt und noch nicht eingetragen sei. Offenbar im Wege ergänzender Auslegung entnimmt es den vertraglichen Vereinbarungen, daß der Beklagte eine Baulast für die vom Kläger einzuhaltenden Abstandsflächen auf das Restgrundstück zu übernehmen hat.

Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Zur Baulast im Hinblick auf die Sicherung der Ein- und Ausfahrt für das Kaufgrundstück ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft. Die von ihm angeführte Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 348 ff; fortgeführt in den Urteilen vom 6. Oktober 1989, V ZR 127/88, WM 1990, 320 ff; v. 26. Oktober 1990, V ZR 105/89, WM 1991, 239, 240 ff und v. 3. Juli 1992, V ZR 203/91, WM 1992, 1784 ff) betrifft nur Sachverhalte, in denen die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten allein durch die Dienstbarkeit und das daraus folgende gesetzliche Schuldverhältnis gekennzeichnet ist, vertragliche Beziehungen aber fehlen (vgl. z.B. BGHZ 106, 348, 350). Im vorliegenden Fall bestehen zwischen den Parteien aber gerade vertragliche Bindungen, aus deren Inhalt in erster Linie die Frage beantwortet werden muß, ob dem Kläger Ansprüche auf Übernahme der begehrten Baulasten zustehen; denn die vertragliche Regelung hat grundsätzlich Vorrang vor dem dispositiven Gesetzesrecht. Da eine ausdrückliche vertragliche Bestimmung hierzu fehlt und nach den bisherigen Feststellungen auch kein Anhaltspunkt für eine unmittelbare Vertragsauslegung gegeben ist, hätte das Berufungsgericht – wie auch im Zusammenhang mit der Baulast für die Abstandsflächen – prüfen müssen, ob im Wege ergänzender Vertragsauslegung (vgl. § 157 BGB) ein entsprechender Anspruch des Klägers begründet ist. Die dafür nötigen Voraussetzungen mögen sich zwar teilweise mit den Anforderungen überschneiden, die der Senat für die Begründung von Nebenpflichten aus einem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis zur Dienstbarkeit aufgestellt hat, sind aber in ihrem Ansatz (Regelungslücke, die entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen ist) von anderer Art. Da auch die ergänzende Vertragsauslegung zum Bereich der Tatsachenfeststellung gehört (vgl. Senatsurt. v. 30. März 1990, V ZR 113/89, BGHR BGB § 157 – ergänzende Auslegung 9), muß das Berufungsgericht von dem oben beschriebenen Ansatz aus die bisher fehlenden Feststellungen nachholen.

Insoweit wird für die erneute Verhandlung und Entscheidung noch auf folgendes hingewiesen: Das Berufungsgericht geht unter dem Aspekt der Deckungsgleichheit davon aus, daß die vereinbarte Grunddienstbarkeit sich mit der verlangten Baulast inhaltlich deckt. Es stellt dabei ersichtlich darauf ab, daß der Beklagte die für die Dienstbarkeit vorgesehene Fläche (bezeichnet in Verbindung mit dem als Vertragsanlage I beigefügten Plan als „gemeinschaftliche Einfahrt … zwischen den Linien A-H und B-K”) entsprechend dem Verlangen der Baubehörde nicht nur als Ein-, sondern auch als Ausfahrt zur Verfügung stellen müsse. Es weist dabei zusätzlich darauf hin, daß die Parteien zwar hinsichtlich der Ein- und Ausfahrt eine bestimmte Regelung nach Maßgabe der Vertragsanlage I getroffen, insoweit aber auch Änderungswünsche der Baugenehmigungsbehörde als maßgeblich vereinbart haben. Dieser Ausgangspunkt dürfte schon deshalb nicht zutreffen, weil das Verlangen der Baubehörde vernünftigerweise wohl nicht dahin verstanden werden kann, daß der Kläger die als „gemeinsame Einfahrt” bezeichnete Fläche auf dem Restgrundstück des Beklagten auch als Ausfahrt benützen soll. Dann würde nämlich auf dem Grundstück des Beklagten der Fall eintreten, daß entgegen den Regeln des Straßenverkehrs rechtsseitig eine Ausfahrt (nämlich die des Klägers) läge, was die Stadtverwaltung gerade vermeiden will. Das Verlangen der Baubehörde dürfte deshalb so zu verstehen sein, daß der Kläger für seine Ausfahrt diejenige des Beklagten mitbenutzen soll. Damit würde er allerdings auch eine Fläche in Anspruch nehmen, die nach dem Vertragswortlaut von der Dienstbarkeit nicht erfaßt ist, weil sich diese „ausschließlich auf die … gemeinschaftliche Einfahrt” bezieht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts würden sich dann Baulast und Dienstbarkeit inhaltlich gerade nicht decken. Dieser Gesichtspunkt würde allerdings eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne des Klägers nicht ausschließen. Insoweit ist für den Fall einer vertraglichen Regelungslücke nur entscheidend, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die spätere behördliche Forderung hinsichtlich der Ein- und Ausfahrtsregelung mit Absicherung durch Baulast bewußt gewesen wäre und sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten (BGHZ 81, 135, 141). Hält das Berufungsgericht eine ergänzende Vertragsauslegung für zulässig, wird es jedenfalls auch für die dann zusätzlich in Anspruch genommene Fläche die vertragliche Regelung über die Kosten der Unterhaltung und Instandsetzung sowie zur Verkehrssicherungspflicht beachten müssen, die die Parteien hinsichtlich der gemeinschaftlichen Einfahrt getroffen haben (S. 6 Nr. 1 Abs. 2 des Vertrages).

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die ergänzende Vertragsauslegung im Hinblick auf die Baulast zur Abstandsfläche.

Rechtsfehlerfrei legt das Berufungsgericht allerdings die Vertragsklausel, der Käufer werde die notwendige Teilungsgenehmigung „selbst erwirken”, dahin aus, daß hiermit nur die Frage angesprochen sei, wer insoweit tätig werden solle, damit aber nicht das Risiko der Genehmigungserteilung allein auf den Kläger verlagert werden sollte. Die gegen diese Auslegung erhobene Revisionsrüge hält der Senat für unbegründet (§ 565 a ZPO).

Rechtsfehlerhaft sind aber teilweise die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Feststellung des hypothetischen Parteiwillens.

Es geht im vorliegenden Fall nicht nur um die aus dem Vertrag folgende Pflicht der Parteien, das Ihrige zur Herbeiführung der Genehmigung zu tun (vgl. auch BGHZ 14, 1, 2), die im Einzelfall auch dazu führen kann, an einer die Genehmigungsfähigkeit herbeiführenden Vertragsänderung unbedeutenden Umfangs mitzuwirken (vgl. BGHZ 67, 34, 35), es geht auch darum, daß der Beklagte durch die Baulastbestellung eine erhebliche zusätzliche Leistung erbringen müßte. Der Senat versteht die Ausführungen des Berufungsgerichts insgesamt dahin, daß es nach dem Maßstab von Treu und Glauben einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen feststellt (vgl. insoweit auch die Klausel am Ende des notariellen Vertrages zur Ausfüllung einer ergänzungsbedürftigen Lücke).

a) Das Berufungsgericht hebt maßgeblich darauf ab, daß eine Bebauung des Restgrundstücks in dem behördlich geforderten Abstandsbereich schon mit Rücksicht auf die entlang der künftigen Grundstücksgrenze verlaufenden Zu- und Abfahrten beider Parteien unmöglich sein wird und deshalb das Vorbringen des Beklagten zur Wertminderung des Restgrundstücks nicht nachvollziehbar sei. Mit Recht verweist die Revision darauf, daß die geforderte Abstandsfläche nicht nur in dem Bereich liegt, der mit der Zufahrtsdienstbarkeit zugunsten des Klägers belastet werden soll, sondern auch und vor allem in einem darüber hinausgehenden Bereich, in dem zwar nach der Vertragsanlage I derzeit die Ein- und Ausfahrt zum Restgrundstück des Beklagten liegt. Dieser ist aber grundsätzlich darin frei, wie er künftig die Zufahrt (außerhalb des mit der Dienstbarkeit belasteten Bereichs) gestaltet. Das Berufungsgericht stellt nicht fest, daß der Beklagte nach den örtlichen Gegebenheiten auf Dauer genötigt wäre, diesen Zustand zu belassen. Soweit es ausführt, der Beklagte habe nicht behauptet, daß die entlang der künftigen Grundstücksgrenze verlaufende Zufahrt „voraussichtlich in der Zukunft entbehrlich sein würde”, verkennt es die Behauptungs- und Beweislast. Sie obliegt dem Kläger hinsichtlich der auslegungsrelevanten Tatsachen, die eine ihm günstige Vertragsauslegung stützen (vgl. BGHZ 20, 109, 111).

b) Das Berufungsgericht stellt hilfsweise darauf ab, der Beklagte müsse im übrigen eine eventuelle Wertminderung seines Restgrundstücks durch die Baulast hinnehmen, weil er die – von der Wahrung des baurechtlichen Abstands abhängige – baurechtliche Zulässigkeit des vom Kläger bereits in Angriff genommenen Bauvorhabens gewährleistet habe.

Nach dem Vertragswortlaut leistet der Verkäufer, „soweit es sich um eine Baustelle handelt, im Rahmen des geltenden Baurechts Gewähr für die Zulässigkeit der Bebauung”. Rechtsbedenkenfrei kann diese Klausel zwar mit dem Berufungsgericht und entgegen der Auffassung der Revision auf das konkrete und bei Vertragsabschluß schon im Rohbau vorhandene Bauvorhaben bezogen werden; entscheidend ist aber die Frage, ob dieser Vertragsklausel über ihren Wortlaut hinaus Relevanz für die Risikoverteilung hinsichtlich der Erlangung der Teilungsgenehmigung zukommt mit der Folge, daß der Beklagte verpflichtet sein sollte, die erforderliche Abstandsfläche auf seinem Restgrundstück abzusichern. Dazu fehlt bislang eine ausreichende Begründung durch das Berufungsgericht. Wäre die Klausel in dem oben beschriebenen Umfang zu verstehen, ging es auch nicht mehr um eine ergänzende, sondern um eine unmittelbare Vertragsauslegung dahin, daß der Gewährleistungsklausel die Pflicht des Beklagten zur Baulastbestellung entnommen werden müßte.

c) Unter Verweisung auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils, stellt das Berufungsgericht ferner darauf ab, der Beklagte müsse bei Errichtung eines Gebäudes auf seinem Grundstück ohnehin aufgrund der baurechtlichen Vorschriften den Abstand wahren. Das ist zwar im Ansatz zutreffend (§ 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO Rheinland-Pfalz), berücksichtigt aber nicht die Möglichkeit eines Grenzanbaues (§ 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO), die nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. Stich/Gabelmann, LBauO § 8 Rdn. 12). Das Berufungsgericht wird deshalb in seine Erwägung auch die Prüfung einbeziehen müssen, ob ohne Baulast ein solcher Grenzanbau im vorliegenden Fall in Betracht käme.

3. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, da nach Maßgabe der Ausführungen unter Ziff. 1 und 2 weitere tatrichterliche Feststellungen notwendig sind. Erforderlich ist eine zusammenfassende Prüfung, ob die Parteien nach Treu und Glauben ohne oder evtl. mit weiteren Gegenleistungen des Klägers die verlangte Baulastbestellung hinsichtlich der Ein- und Ausfahrt sowie der Abstandsflächen vereinbart hätten, wenn ihnen die spätere behördliche Forderung bewußt gewesen wäre.

 

Unterschriften

Vogt, Räfle, Lambert-Lang, Wenzel, Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 1530777

NJW 1994, 2757

BGHR

NVwZ 1994, 1240

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1994, 885

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