Entscheidungsstichwort (Thema)

Kaufvertrag. Rechtsmangel der Kaufsache. Rechte Dritter. Diebstahlsverdacht. Polizeiliche Beschlagnahme. Sicherstellung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Rücktritt vom Kaufvertrag. Gefahrübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Eine auf der Grundlage von § 111b StPO rechtmäßig durchgeführte Beschlagnahme der Kaufsache in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren begründet einen Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, sofern der Sachverhalt, auf Grund dessen die Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang bestand.

 

Normenkette

BGB a.F. § 434; StPO § 111b

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 19.02.2003; Aktenzeichen 3 U 135/02)

LG Stuttgart

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 19.2.2003 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger kaufte von dem Beklagten mit Vertrag v. 2.5.2000 einen PKW M. zum Preis von 98.000 DM. Den Kaufpreis zahlte der Kläger noch am selben Tag in bar und erhielt das Fahrzeug. Das Fahrzeug war am 7.2.2000 bei einem Pariser Kommissariat als gestohlen gemeldet worden. Am 18.5.2000 wurde das Fahrzeug im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts der Hehlerei von der Polizei in Frankfurt am Main bei einer vom Kläger beauftragten Spedition sichergestellt. Diese Maßnahme wurde durch Beschluss des AG Frankfurt am Main v. 15.8.2000 richterlich bestätigt. Zur Begründung heißt es, die Beschuldigten, zu denen neben beiden Parteien weitere Personen gehörten, ständen im Verdacht, das Fahrzeug im Inland verschoben zu haben. Der sichergestellte PKW könne als Beweismittel von Bedeutung sein, auch die Voraussetzungen des Verfalls lägen vor. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch Beschluss des LG Frankfurt am Main v. 9.9.2000 zurückgewiesen.

Bereits am 25.8.2000 hatte die Polizei das Fahrzeug an eine Firma I. GmbH, M. , im Auftrag der mutmaßlichen Eigentümerin herausgegeben.

Der Kläger hat den Beklagten unter Anrechnung einer vorprozessualen Zahlung von 10.000 DM auf Rückzahlung des restlichen Kaufpreises i. H. v. 88.000 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat in beiden Instanzen obsiegt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Kläger sei zu Recht nach §§ 440 Abs. 1, 325 Abs. 1 BGB a. F. vom Kaufvertrag zurückgetreten und könne deshalb Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Eine rechtmäßige Sicherstellung der Kaufsache in einem Ermittlungsverfahren begründe einen Rechtsmangel, wenn diese Maßnahme auch auf die §§ 111b, 111c StPO gestützt werde. Die Rechtsstellung des Käufers sei durch die staatliche Befugnis, einzelne Gegenstände ihrem Besitzer auf Dauer zu entziehen, beeinträchtigt. Eine Beschlagnahme des Fahrzeugs lediglich zu Beweiszwecken nach § 94 StPO, die keinen Rechtsmangel darstelle, liege nicht vor. Es könne dahinstehen, ob das Fahrzeug tatsächlich gestohlen sei und der Beklagte deshalb dem Kläger das Eigentum daran nicht habe verschaffen können.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Sicherstellung des Fahrzeugs durch polizeiliche Beschlagnahme am 18.5.2000, bestätigt durch Beschluss des AG Frankfurt am Main v. 15.8.2000, einen Rechtsmangel darstelle.

Eine auf der Grundlage von § 111b StPO durchgeführte Beschlagnahme der Kaufsache in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren begründet einen Rechtsmangel, der den Käufer nach Maßgabe der §§ 440 Abs. 1, 325 Abs. 1 S. 1, 327 S. 1, 346 ff. BGB a. F. zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Nach § 434 BGB a. F., der hier noch anwendbar ist (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB), ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Unerheblich ist dabei, ob der Dritte sein Recht erst nach Gefahrübergang ausübt. Der Verkäufer ist verpflichtet, schon die bloße Gefahr der Inanspruchnahme zu beseitigen (RG RGZ 111, 86 [89]; Staudinger/Köhler, BGB, 13. Bearb., § 434 Rz. 5; Soegel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 434 Rz. 81; Westermann in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 434 Rz. 10; Erman/Grunewald, BGB, 10. Aufl., § 434 Rz. 1). Maßgebend ist allein, dass der Sachverhalt, der Rechte Dritter entstehen ließ, bereits bei Gefahrübergang bestand.

Unter die Rechte Dritter i. S. d. § 434 BGB a. F. fallen öffentlich-rechtliche Befugnisse wie eine staatliche Beschlagnahme, sofern diese tatsächlich ausgeübt wird, zu Recht erfolgt und den Verfall oder die Einziehung der Sache zur Folge haben kann (RG RGZ 111, 86 [89]; Staudinger/Köhler, BGB, 13. Bearb., § 434 Rz. 26; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 434 Rz. 69; Westermann in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 434 Rz. 10; Erman/Grunewald, BGB, 10. Aufl., § 434 Rz. 5). Darunter ist auch eine Beschlagnahme in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach §§ 111b, 111c StPO zu verstehen. Diese ist nach § 111b Abs. 1 StPO zulässig, wenn Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für den Verfall oder die Einziehung des sicherzustellenden Gegenstandes nach §§ 73, 74 StGB vorliegen. Für den Käufer besteht die Gefahr, dass ihm die Kaufsache durch den staatlichen Eingriff entzogen wird und das Eigentum an der Sache auf den Staat nach § 73e Abs. 1 S. 1 StGB übergeht. Gleiches gilt nach § 111b Abs. 5 StPO, wenn die Beschlagnahme der Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche des durch die Tat Verletzten dienen soll. Auch in diesem Fall läuft der Käufer Gefahr, seine Rechtsstellung zu verlieren. Es ist daher gerechtfertigt, eine staatliche Beschlagnahme der Sache nach § 111b StPO als Ausübung des Rechts eines Dritten i. S. d. § 434 BGB a. F. anzusehen.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Käufer durch die Beschlagnahme seine Rechte an der Sache nicht nur vorübergehend, sondern endgültig verliert. Zwar wurde das Fahrzeug durch die Polizei in Frankfurt am Main bereits am 25.8.2000 ohne Absprache mit der Staatsanwaltschaft oder dem Ermittlungsrichter freigegeben. Die Aufhebung erfolgte jedoch nicht zu Gunsten des Klägers, sondern einer Firma I. GmbH, M. , die das Fahrzeug auch unverzüglich im Auftrag einer französischen Versicherung abholte und nach Frankreich verbrachte. Es kann dahinstehen, ob die Freigabe zu Recht erfolgte. Jedenfalls ist dem Kläger durch die Beschlagnahme der PKW entzogen worden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens tatsächlich möglich gewesen wäre, das Fahrzeug wieder in Besitz zu nehmen.

2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass die Beschlagnahme tatsächlich nicht auf § 111b Abs. 5 StPO gestützt worden, sondern die Maßnahme nur zur Sicherung von Beweismitteln nach § 94 StPO erfolgt sei. Vorliegend ist die Sicherstellung jedenfalls auch aus § 111b StPO begründet worden, so dass dahinstehen kann, ob eine lediglich nach § 94 StPO durchgeführte Sicherstellung der verkauften Sache als Beweismittel einen Rechtsmangel darstellen kann (verneinend OLG Köln, Urt. v. 25.7.2001 - 11 U 201/00,OLGReport Köln 2002, 169; OLG Hamm v. 30.9.1999 - 22 U 139/98, OLGReport Hamm 2000, 67 [68]; LG Bonn NJW 1977, 1822 [1823]; Staudinger/Köhler, § 434 Rz. 26; Soergel/Huber, § 434 Rz. 69; a. A. Erman/Grunewald, § 434 Rz. 5).

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die maßgebliche Beschlagnahmeanordnung, die durch den Beschluss des AG Frankfurt am Main v. 18.5.2000 und den Beschluss des LG Frankfurt am Main v. 9.9.2000 bestätigt wurde, eine Sicherstellung nach § 111b StPO umfasste. Die Beschlagnahme am 18.5.2000 und der dabei ausgefüllte "Nachweis über sichergestellte/beschlagnahmte Gegenstände" lässt unmittelbar keinen sicheren Schluss auf die Rechtsgrundlage dieser Maßnahme zu. Aus dem Stand des Ermittlungsverfahrens ergibt sich jedoch eindeutig, dass wegen des Verdachts der Hehlerei u. a. an dem verkauften Fahrzeug ermittelt wurde. Insofern lag es auf der Hand, dass eine Beschlagnahme des Fahrzeugs nicht nur zu Beweiszwecken erfolgte, sondern auch, um den Gegenstand für den Staat oder den Verletzten zu sichern. Ist der Zweck der Maßnahme jedoch offensichtlich, so ist eine nähere Bezeichnung entbehrlich (BGH, Beschl. v. 25.2.1985 - 1 StE 4/85, NStZ 1985, 262, unter 1. b aa; KK/Nack, StPO, 5. Aufl., § 111b Rz. 14).

Darüber hinaus wird der Sicherungscharakter der Beschlagnahme nach § 111b Abs. 1 StPO im Beschluss des AG Frankfurt am Main v. 15.8.2000 ausdrücklich genannt. Die richterliche Bestätigung erwähnt die Vorschriften der §§ 111b, 111c, 111e StPO i. V. m. § 73 StGB und führt aus, die Voraussetzungen des Verfalls lägen vor. Unschädlich ist, dass zusätzlich auch die Voraussetzungen einer Sicherstellung nach § 94 Abs. 1 StPO zu Beweiszwecken als erfüllt angesehen werden (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 94 Rz. 2). Gleiches gilt für den bestätigenden Beschluss des LG Frankfurt am Main v. 9.9.2000.

Weiterhin ist unerheblich, dass die Beschlagnahme nicht ausdrücklich § 111b Abs. 5 StPO benennt. Diese Vorschrift enthält eine Erweiterung der Befugnisse lediglich für den Fall, dass auf Grund § 73 Abs. 1 S. 2 StGB die Sicherung der Interessen möglicher Verletzter Vorrang vor dem möglichen Verfall des Gegenstandes zu Gunsten des Staates genießt. Ist aufgrund der Verdachtslage noch offen, ob der Verfall nach § 73 StGB zu sichern ist oder ob es sich um eine Sicherstellung nach § 111b Abs. 5 StPO handelt, so kann die Anordnung wahlweise auf beide Vorschriften gestützt werden (KMR/Mayer, StPO, 7. Aufl., § 111b Rz. 28; SK-StPO/Rudolphi, § 111b Rz. 11; KK/Nack, § 111b Rz. 20; weiter gehend Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 111b Rz. 7). Die ausdrückliche Angabe der Normen ist entbehrlich, da in beiden gerichtlichen Beschlüssen Sicherungsgegenstand und Sicherungszweck so konkret angegeben sind, dass für die von der Beschlagnahme Betroffenen Anlass und Zielrichtung der Sicherstellung klar erkennbar waren.

3. Zum Zeitpunkt der Übergabe am 2.5.2000 war das Fahrzeug bereits in Paris als gestohlen gemeldet, so dass ein entsprechender Diebstahlsverdacht und die Voraussetzungen einer Sicherstellung nach § 111b StPO bereits bei Gefahrübergang vorlagen.

Nach diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob sich das Rücktrittsrecht des Klägers auch aus dem von ihm behaupteten Diebstahl des Fahrzeuges im Februar 2000 und einem deshalb möglicherweise gescheiterten Eigentumsübergang ergibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1132079

DB 2004, 1722

NJW 2004, 1802

BGHR 2004, 927

EBE/BGH 2004, 3

WM 2004, 2448

DAR 2004, 349

MDR 2004, 744

JWO-VerkehrsR 2004, 129

KfZ-SV 2006, 30

JT 2005, 28

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