Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung eines Sparbuchs. Anlegung eines Sparbuches auf den Namen eines Kindes ohne Aushändigung des Sparbuches an das Kind

 

Leitsatz (amtlich)

Legt ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes an, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, so ist aus diesem Verhalten i.d.R. zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will.

 

Normenkette

BGB §§ 328, 331; AO § 39

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 04.11.2002; Aktenzeichen 22 U 55/02)

LG Münster (Urteil vom 14.12.2001; Aktenzeichen 4 O 404/01)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das am 4.11.2002 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats des OLG Hamm aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist der Großvater väterlicherseits der 1976 und 1980 geborenen Kläger. Unter dem 30.5.1985 legten die Eltern der Kläger für jeden der Kläger ein Sparbuch an. Als Kontoinhaber war dabei jeweils einer der Kläger und als Antragsteller der Beklagte angegeben. Auf diese Konten überwies der Beklagte sodann jeweils 50.000 DM.

Die Eltern der Kläger stellten als deren gesetzliche Vertreter unter demselben Datum an die Sparbuch gerichtete Vollmachtsurkunden zu Gunsten des Beklagten aus, wonach dieser u.a. ermächtigt war, über die Sparkonten der Kläger zu verfügen. Der Beklagte erhielt die Sparbücher. Er löste am 16.11.1989 die Sparkonten auf und behielt das Geld für sich.

Nachdem die Kläger von den Sparguthaben erfahren hatten, widerriefen sie mit Schreiben v. 16.7.2001 die dem Beklagten erteilte Vollmacht und verlangen mit ihrer Klage die Zahlung von je 50.000 DM.

Das LG hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben; die Berufung blieb ohne Erfolg.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision strebt der Beklagte die Klageabweisung an. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.

Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Kläger keinen Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kläger hätten deshalb einen Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten, weil die Sparkasse an den Beklagten als im Verhältnis zu den Klägern Nichtberechtigten Auszahlungen von den Sparkonten der Kläger vorgenommen habe. Berechtigte seien die Kläger gewesen, weil sie im Zeitpunkt der Auszahlung an den Beklagten Inhaber der Konten und der Sparforderungen gegen die Sparkasse gewesen seien. Jedenfalls ergebe sich ein Herausgabeanspruch aus §§ 812, 818 Abs. 1 2. Halbs. BGB. Durch die Auflösung der Sparkonten sei die Vollmacht des Beklagten erloschen. Spätestens sei die Vollmacht aber auf Grund des Schreibens der Kläger v. 16.7.2001 erloschen. Es bestehe deshalb kein Rechtsgrund mehr, für ein Behalten des auf Grund der Vollmacht Erlangten. Die Forderung gegen die Sparkasse sei den Klägern nämlich wirksam geschenkt worden und das aus ihr Erlangte stehe ihnen zu.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat sich nur mit der Frage befasst, ob die Kläger von vornherein - also schon mit der Anlegung der Konten oder jedenfalls mit der Einzahlung auf diese Konten - Inhaber der Guthabenforderungen geworden sind. Die Sachlage legte hier aber darüber hinaus die Frage nahe, ob der Beklagte die Sparguthaben nicht etwa seinen Enkeln, den Klägern, auf den Todesfall mit der Wirkung zuwenden wollte, dass diese im Zeitpunkt des Todes des Beklagten Inhaber der Sparguthaben werden sollten, soweit der Beklagte nicht vorher anderweitig darüber verfügt hatte.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lässt die Einrichtung eines Sparkontos auf den Namen eines anderen für sich allein noch nicht den Schluss auf einen Vertrag zu Gunsten Dritter zu (BGHZ 21, 148 [150]; BGHZ 28, 368 [369]). Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der Vereinbarung mit der Bank oder Sparkasse Kontoinhaber werden sollte (BGH, Urt. v. 2.2.1994 - IV ZR 51/93, NJW 1994, 931). Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt (BGH, Urt. v. 29.4.1970 - VIII ZR 49/69, NJW 1970, 1181), denn gem. § 808 BGB wird die Sparkasse durch die Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall dem Berechtigten ggü. frei. Typischerweise ist, wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, aus diesem Verhalten zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will (BGHZ 46, 198 [203]; BGHZ 66, 8 [11]; Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 328 Rz. 53; Erman/H.P. Westermann, BGB, 11. Aufl., § 328 Rz. 34). Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Kläger, die zu dieser Zeit noch minderjährig waren, Sparguthaben angelegt, ohne die Sparbücher aus der Hand zu geben. Er hat sich darüber hinaus, von den Eltern der Kläger gleichzeitig mit der Anlegung der Sparkonten eine Vollmacht erteilen lassen, durch die er ggü. der Sparkasse ermächtigt war, über die Sparkonten der Kläger zu verfügen. Die Kläger ihrerseits wussten von den Sparguthaben nichts. Damit handelt es sich um einen Fall, in dem typischerweise anzunehmen ist, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tod vorbehalten will, wie dies der Beklagte auch behauptet.

Soweit sich aus der Entscheidung des IV. Zivilsenats des BGH v. 2.2.1994 (BGH v. 2.2.1994 - IV ZR 51/93, NJW 1994, 931) anderes ergibt, hält der nunmehr für das Schenkungsrecht zuständige erk. Senat hieran nicht fest. Allerdings lag in dem dort entschiedenen Fall die Ausgangssituation insofern anders, als der dortige Kläger, der seiner Nichte, der dortigen Beklagten, 50.000 DM auf ein Sparkonto überwiesen hatte, nunmehr seinerseits auch formal als Forderungsinhaber in das Sparbuch eingetragen werden wollte. Deshalb kam es dort darauf an, ob die Beklagte die Forderung ohne Rechtsgrund erlangt hatte. Der IV. Senat hat die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der dortige Kläger habe berechtigt sein sollen, über das Kontoguthaben zu Lebzeiten im eigenen Interesse zu verfügen, ausdrücklich offen gelassen, weil dies keiner Entscheidung bedürfe. Im vorliegenden Fall kann die Frage nicht unentschieden bleiben. Durfte der Beklagte zu seinen Lebzeiten im Verhältnis zu den Klägern weiterhin über das Guthaben verfügen, so war eine solche Absprache Rechtsgrund der von ihm getroffenen Verfügung über die Sparguthaben. Dies ist danach zu beurteilen, welchen Zweck der Beklagte mit der Anlegung der Sparbücher auf den Namen der Kläger verfolgt hat. War es Zweck des Geschäfts, den Klägern für den Fall des Todes des Beklagten etwas zuzuwenden, was aus dem Verhalten des Beklagten typischerweise zu schließen ist, dann durfte der Beklagte im Verhältnis zu den Klägern über die Sparguthaben weiterhin verfügen. Auf die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung, die das Berufungsgericht verneint hat, kommt es dann nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte auf Grund der Vereinbarung mit der Sparkasse einerseits und den Klägern, vertreten durch ihre Eltern, andererseits über das Sparguthaben verfügen durfte. War er hierzu berechtigt, so hat er nicht ohne Rechtsgrund über das Sparguthaben verfügt; die Kläger haben dann keinen Bereicherungsanspruch gegen ihn. Dies hat das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, bisher nicht aufgeklärt, weil es der Frage nicht nachgegangen ist, ob der Beklagte die Sparguthaben seinen Enkeln auf den Todesfall mit der Wirkung zuwenden wollte, dass diese im Zeitpunkt des Todes des Beklagten Inhaber der Sparguthaben werden sollten, soweit der Beklagte nicht vorher anderweitig darüber verfügt hatte.

Das Berufungsgericht wird diese Aufklärung nunmehr nachzuholen haben.

 

Fundstellen

BFH/NV Beilage 2005, 282

DB 2005, 719

NJW 2005, 980

NWB 2005, 1189

BGHR 2005, 618

EBE/BGH 2005, 71

FamRZ 2005, 510

FamRZ 2005, 967

DNotI-Report 2005, 52

WM 2005, 462

WuB 2005, 403

ZAP 2005, 497

ZEV 2005, 259

ErbBstg 2005, 191

MDR 2005, 855

BKR 2005, 204

FamRB 2005, 141

NJW-Spezial 2005, 203

RdW 2005, 210

VP 2005, 75

ZBB 2005, 144

ZErb 2005, 183

ZFE 2005, 168

ZGS 2005, 127

BBV 2005, 39

BFH/NV-Beilage 2005, 282

JT 2005, 182

Kreditwesen 2005, 621

SJ 2005, 40

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