Leitsatz (amtlich)

›Der Schädiger ist im Falle der Tötung eines Beamten grundsätzlich verpflichtet, dem Dienstherrn des Beamten die Beihilfeleistungen zu ersetzen, die dieser den Hinterbliebenen des Beamten auf Grund gesetzlicher Verpflichtung zu erbringen hat. Der auf den Dienstherrn übergegangene Anspruch besteht aber nur für die Zeit, in der der getötete Beamte während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens seinen Hinterbliebenen unterhaltspflichtig gewesen wäre.‹

 

Verfahrensgang

LG Münster

OLG Hamm

 

Tatbestand

Der klagende Landschaftsverband macht gegenüber den Beklagten geltend, sie seien ihm zur Erstattung der Beihilfeleistungen verpflichtet, die er den beihilfeberechtigten Hinterbliebenen des am 15. Januar 1973 gestorbenen Landesverwaltungsdirektors O. als dessen Dienstherr schon erbracht hat und in Zukunft noch zu erbringen verpflichtet ist. O. war an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben, den der bei dem Erstbeklagten haftpflichtversicherte Zweitbeklagte mit seinem Kraftfahrzeug schuldhaft verursacht hatte.

Am 28. Juli 1981/15. September 1981 schlossen der Kläger und der Erstbeklagte einen Abfindungsvergleich, durch den sich der Erstbeklagte zur Zahlung von 380.000 DM zum Ausgleich der "unfallbedingten Schadenersatzansprüche hinsichtlich der Hinterbliebenenbezüge (Unterhaltsansprüche der Hinterbliebenen O.)" verpflichtete. Dieser Vergleich erfaßte jedoch nicht Aufwendungen, die dem Kläger durch Beihilfeleistungen an die Hinterbliebenen des O. entstehen. Im Schreiben des Erstbeklagten an den Kläger vom 15. September 1981 heißt es hierzu: "Ihre unfallbedingten Aufwendungen bezüglich der von Ihnen an die Hinterbliebenen zu zahlenden Beihilfen werden hiervon nicht tangiert".

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Erstattung seiner für die Witwe und die beiden jüngsten Kinder des Verstorbenen in der Zeit vom 30. Juli 1981 bis zum 27. Juni 1983 erbrachten Beihilfeleistungen in Hohe von 4.984 DM nebst Zinsen. Ferner begehrt er die Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Beihilfeleistungen, die er aufgrund gesetzlicher Verpflichtung in Zukunft den Hinterbliebenen des O. zu erbringen hat.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; es hat den Feststellungsausspruch des Landgerichts jedoch dahin eingeschränkt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger künftige Beihilfeleistungen an die Hinterbliebenen des O. nur in Höhe der Beträge zu ersetzen, "zu deren Ansparung durch Krankenversicherungsbeiträge oder Rücklagen O. im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Angehörigen verpflichtet gewesen wäre".

Gegen dieses Urteil richten sich die zugelassenen Revisionen beider Parteien. Die Beklagten verfolgen ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, während der Kläger sich gegen die Einschränkung des Feststellungsausspruchs wendet.

 

Entscheidungsgründe

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stand den Hinterbliebenen des O. jedenfalls der Witwe und den beiden jüngsten Kindern gegen ihren Ehemann bzw. Vater als Teil ihres jeweiligen Unterhaltsanspruchs ein Anspruch auf Übernahme ihrer Krankheitskosten zu. Diese Ansprüche, die O. zu etwa 75 bis 80 % mit seinem Beihilfeanspruch gegen den Kläger abgedeckt habe, seien mit seinem Tod entfallen. Für den Anspruchsverlust hätten die Beklagten nach § 844 Abs. 2 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG als Schädiger bzw. Haftpflichtversicherer aufzukommen. Da die Angehörigen des O. nach dessen Tod gegen den Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Beihilfenverordnung des Landes Nordrhein Westfalen eigene Beihilfeansprüche erworben hätten, seien gemäß § 99 LBG NW ihre Schadensersatzansprüche aus § 844 Abs. 2 BGB auf den Kläger übergegangen. Diesem Forderungsübergang, der auch Beihilfeleistungen erfasse, stehe nicht entgegen, daß der Kläger auch schon zu Lebzeiten des O. für die durch Krankheit seiner Angehörigen verursachten Kosten habe Beihilfeleistungen erbringen müssen; denn mit den eigenen Beihilfeansprüchen der Angehörigen des O. sei der Kläger erst durch dessen Tod belastet. Der Abfindungsvergleich berühre den Forderungsübergang nicht. Die Höhe der auf den Kläger übergegangenen Ansprüche richte sich nach der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung des O. und damit seinen Beihilfeanspruch hinweggedacht nach den Beträgen, die er für eine private Krankheitsvorsorge hätte aufbringen müssen. Die für seine Witwe und seine beiden jüngsten Kinder in der Vergangenheit erbrachten Beihilfeleistungen des Klägers hätte O. selbst aufbringen können, so daß der Zahlungsantrag begründet sei. Für den Feststellungsausspruch sei jedoch eine Begrenzung erforderlich, um den Fall auszugrenzen, in dem eine so hohe Belastung durch Krankheitskosten auftrete, daß sie O. im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtung nicht mehr zu tragen verpflichtet gewesen wäre. Eine zeitliche Begrenzung der Erstattungspflicht der Beklagten sei hingegen nicht geboten.

II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Vielmehr sind die Beklagten nach § 99 LBG NW i.V.m. § 844 Abs. 2 BGB und § 3 Nr. 1 und 2 PflVG als Gesamtschuldner verpflichtet, dem Kläger in vollem Umfang die an die beihilfeberechtigten Hinterbliebenen des O. schon erbrachten und in Zukunft zu erbringenden Beihilfeleistungen zu erstatten. Die Revision des Klägers, die sich gegen die Einschränkung des Feststellungsausspruchs wendet, hat deshalb Erfolg. Jedoch ist für die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Beihilfeleistungen im Feststellungsausspruch eine zeitliche Begrenzung vorzusehen; insoweit führt auch die Revision der Beklagten zur Aufhebung des Berufungsurteils.

1. Nach § 99 des Landesbeamtengesetzes von Nordrhein-Westfalen (LBG NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Mai 1970 (GVBl. S. 344) geht dann, wenn ein Beamter getötet wird, ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der seinen Hinterbliebenen infolge der Tötung gegen einen Dritten zusteht, insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser infolge der Tötung zur Gewährung einer Versorgung oder einer anderen Leistung verpflichtet ist. Den Hinterbliebenen des O. stehen in Hohe der Beihilfeleistungen des Klägers gegen die Beklagten gemäß § 844 Abs. 2 BGB Schadensersatzansprüche zu.

a) Die Ersatzpflicht der Beklagten nach § 844 Abs. 2 BGB bestimmt sich nach den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen, die die Hinterbliebenen des O. gegen ihren Ernährer bei dessen Fortleben gehabt hätten (Senatsurteil vom 24. Juni 1969 VI ZR 284/67 VersR 1969, 897, 898). O. war nach §§ 1360 a, 1610 BGB verpflichtet, die im Fall der Erkrankung seiner Angehörigen entstehenden Kosten zu tragen. Hierfür standen ihm sein Beihilfeanspruch gegen seinen Dienstherrn und die Ansprüche aus einem zusätzlichen Krankenversicherungsvertrag, den er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts abgeschlossen hatte, zur Verfügung. Er hatte damit eine für Beamte übliche und in der Regel ausreichende Absicherung geschaffen, um seine Angehörigen von der Kostenlast im Krankheitsfall freizustellen (vgl. Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht, 4. Aufl., Rdn. 958). Nach dieser konkreten Gestaltung der Krankheitsvorsorge richten sich die Schadensersatzansprüche der Hinterbliebenen. Es stellt sich deshalb nicht die vom Berufungsgericht erörterte Frage, in welcher Höhe O. Beiträge für eine private Krankenversicherung hätte aufwenden oder Rücklagen bilden müssen, wenn er nicht als Beamter beihilfeberechtigt gewesen wäre. In Fällen wie dem vorliegenden wird die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, an der sich auch der unterhaltsrechtliche Anspruch seiner Angehörigen auf Vorsorge für den Krankheitsfall auszurichten hat, durch die Beihilfeberechtigung besonders mitgeprägt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß O. seine Angehörigen von den Aufwendungen im Krankheitsfall im Umfang seiner Beihilfeberechtigung voll freizustellen hatte.

b) Diese Ansprüche haben die Hinterbliebenen des O. durch dessen Tod verloren. Darin besteht ihr Schaden, den sie gemäß § 844 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen können (vgl. BGHZ 9, 179, 187). Daran ändert sich nichts dadurch, daß an die Stelle der Beihilfeberechtigung des O. nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der damals maßgebenden Verordnung des Landes Nordrhein Westfalen über die Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 9. April 1965 (GVBl. S. 103) mit dem Tod des Beamten eine eigene inhaltsgleiche Beihilfeberechtigung der Hinterbliebenen getreten ist. Denn diese Rechtsposition darf auf die Ersatzansprüche aus § 844 Abs. 2 BGB nicht im Wege der Vorteilsausgleichung angerechnet werden, vielmehr ist sie für den Forderungsübergang hinwegzudenken. Dies folgt daraus, daß ebenso wie im Fall des § 87 a BBG andernfalls die Regelung des § 99 LBG NW ausgehöhlt und in ihrem Sinn verkannt würde. Der Gesetzgeber will mit ihr gerade sicherstellen, daß der Dienstherr die Versorgungsleistungen, soweit sie zum Ausgleich des Unfallschadens dienen, nicht zur Entlastung des Schädigers erbringt (Senatsurteil vom 7. März 1961 VI ZR 172/60 VersR 1961, 539, 540; vgl. BGHZ 70, 67, 69 für die den beamtenrechtlichen Überleitungsvorschriften verwandte Vorschrift des § 1542 RVO).

2. Die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der den Hinterbliebenen des O. entstandenen und noch entstehenden Krankheitskosten in Höhe der Beihilfeberechtigung des Verstorbenen entspricht ihrer Zweckbestimmung nach der Beihilfeverpflichtung des Klägers. Auch die Beihilfeleistungen sind dazu bestimmt, die Hinterbliebenen von den Aufwendungen im Krankheitsfall zu entlasten. Damit ist dem Erfordernis der sachlichen Kongruenz der Ansprüche einer Voraussetzung für den Forderungsübergang nach § 99 LBG NW genügt (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1977 VI ZR 250/74 VersR 1977, 427 für den gleichliegenden Fall des § 87 a BBG).

Bei den Beihilfeleistungen, zu deren Gewährung der Kläger verpflichtet ist, handelt es sich jeweils um eine "andere Leistung" im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Dies ist für § 87 a Satz 1 BBG anerkannt und gilt nicht anders für die gleichlautenden Regelungen des gesetzlichen Forderungsübergangs in den Landesbeamtengesetzen, mithin auch für § 99 LBG NW (vgl. Senatsurteil vom 15. März 1983 VI ZR 156/80 VersR 1983, 686 zum Hessischen Beamtengesetz). Damit sind die Voraussetzungen des Forderungsübergangs erfüllt.

Der Senat verkennt nicht, daß die Heranziehung des Schädigers zur Krankheitsvorsorge für die Hinterbliebenen des getöteten Beamten in einer derart am konkreten Krankheitsfall bezogenen Weise, wie sie für die Beihilfeleistungen maßgebend ist, im Einzelfall zu einer wesentlich höheren Belastung führen kann als in den Fällen, in denen der Schädiger, weil der den Hinterbliebenen entgangene Unterhaltsanspruch auf Verschaffung des Schutzes durch eine Krankenversicherung gerichtet war, seine Ersatzpflicht durch Zahlung der entsprechenden Versicherungsbeiträge erfüllt. Nach Auffassung des Senats kann dies indes nicht dazu veranlassen, den Schädiger auch hier schadensrechtlich so zu behandeln, als habe er den Schutz der Hinterbliebenen des getöteten Beamten in der Beihilfe nach Art eines Versicherungsschutzes durch regelmäßig wiederkehrende "Beiträge", die etwa an den Gesamtaufwendungen des Dienstherrn für die Beihilfeberechtigungen zu orientieren wären, zu "bezahlen". Dem steht bereits entgegen, daß die Beihilfeberechtigung im öffentlichen Dienst nach Wesen und Inhalt mit einer durch Versicherungsbeiträge erkauften Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung nicht vergleichbar ist; für eine "beitragsmäßige Umrechnung" der Beihilfeberechtigung fehlt es an jeder praktikablen, wirtschaftlich einleuchtenden Grundlage. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine derartige Lösung, die bei konsequenter Anwendung in allen derartigen Fällen ohne Rücksicht darauf, ob es im Einzelfall überhaupt zum Eintritt der Beihilfe kommt, zu einer Beteiligung des Schädigers am Behilfeaufkommen führen müßte, für die Mehrzahl der Schadensfälle interessengerecht wäre.

Selbstverständlich bleibt es dem Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer unbenommen, durch Vereinbarungen mit den Geschädigten eine Ablösung der Beihilfe durch einen von ihm bezahlten Krankenversicherungsschutz anzustreben, wenn und soweit die jeweils maßgebenden Beihilfevorschriften eine derartige Ablösung durch Anrechnung von Versicherungsleistungen auf die Beihilfe zulassen. Ob und inwieweit die Geschädigten nach Maßgabe von § 254 Abs. 2 BGB ausnahmsweise gehalten sein können, einer derartigen Losung zuzustimmen, kann im Streitfall dahinstehen, da für einen derartigen Vorschlag der Beklagten nichts ersichtlich ist.

3. Den mithin auf den Kläger übergegangenen Ansprüchen auf Erstattung ihrer Beihilfeleistungen steht der Abfindungsvergleich nicht entgegen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich dieser Vergleich kraft ausdrücklicher Regelung nicht auf den mit den Beihilfeleistungen zusammenhängenden Rechtsübergang bezieht, läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

Allerdings rügt die Revision der Beklagten mit Recht, daß das Berufungsurteil ebensowenig wie das landgerichtliche Urteil für die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Beihilfeleistungen eine zeitliche Begrenzung aufweist. Dies hindert den Senat, durch Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils die Sache abschließend zu entscheiden. Denn eine zeitliche Begrenzung der Leistungsverpflichtung der Beklagten war geboten. Die auf den Kläger übergegangenen Ansprüche bestehen nur für die Zeit, in der O. während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens unterhaltspflichtig gewesen wäre. Der geschätzte Zeitpunkt seines natürlichen Todes ist daher im Urteil kalendermäßig anzugeben (vgl. RGZ 90, 226; Boujong in BGB RGRK, 12. Aufl., § 844 Rdn. 78; Palandt/Thomas, BGB, 44. Aufl., § 844 Anm. 6 B a). Die Sache war aus diesem Grund an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die zur Klärung dieser noch verbleibenden Frage erforderlichen Feststellungen zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992826

DRsp I(147)226b-c

NVwZ 1986, 507

DAR 1986, 114

MDR 1986, 665

VRS 71, 102

VersR 1986, 463

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