Leitsatz (amtlich)

1. Der Fürsorgeverband, er einen Beamten unterstützt hat, kann den Anspruch des Beamten auf sein – nachzuzahlendes – Gehalt nach Massgabe des § 21a RFV auf sich überleiten.

2. Hat der Beamte diesen Anspruch an einen Dritten abgetreten, bevor die Überleitungsanzeige des Fürsorgeverbandes wirksam wird, so wird der öffentliche Dienstherr von seiner Nachzahlungspflicht durch eine Zahlung an den Fürsorgeverband nicht schon deswegen befreit, weil ihm die Abtretung nicht in der Form des § 411 BGB bekanntgegeben wurde; der Schutz des guten Glaubens wird ihm vielmehr nur im Rahmen des § 408 Abs. 2 BGB zuteil.

 

Normenkette

Reichsfürsorgepflichtverordnung vom 5. Juni 1931/11. Mai 1943 § 221a; BGB §§ 408, 411-412

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 21.12.1951)

LG München I

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München vom 21. Dezember 1951 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war vom 16. Juni 1947 bis 3. März 1950 als Oberwachtmeister der Landpolizei Bayern Beamter auf Probe. In der Zeit vom 1. September 1948 bis 29. Juni 1949 war er aus beamtenrechtlichen Gründen entlassen. Die damals seitens der Chefdienststelle Schwaben der Landpolizei am 6. August 1948 ergangene Entlassungsverfügung wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. April 1949 aufgehoben. Daraufhin stand der Kläger vom 30. Juni 1949 bis zu seiner von der gleichen Chefdienststelle neuerlich ausgesprochenen Entlassung wieder im Dienst.

Für die Zeit vom 1. September 1948 bis Juni 1949 waren dem Kläger keine Dienstbezüge ausgezahlt worden. Er hat seinerzeit beginnend am 1. November 1948 bis in die Zeit seiner Wiedereinstellung hinein, sowie nach seiner abermaligen Entlassung für sich und seine Familienangehörigen vom Bezirksfürsorgeverband Kempten-Land Fürsorgeunterstützung, insgesamt vom 1. November 1948 mit Unterbrechungen bis 31. Januar 1951 1.955 DM, erhalten. Der Fürsorgeverband hat diesen Betrag der Chefdienststelle Schwaben der Landpolizei mit einem ihr am 24. Januar 1951 zugegangenen, vom 20. Januar 1951 datierten Schreiben mitgeteilt und gemäss § 21 a Reichsfürsorgepflicht-Verordnung (RFV) erstattet verlangt.

Bereits im März 1950 hatte der Kläger Klage auf Nachzahlung der während seiner zwischenzeitlichen Entlassung angefallenen, von ihm auf 2.452,50 DM errechneten Bezüge eingereicht. Mit Entschliessung vom 7. Februar 1951 genehmigte das Bayerische Staatsministerium des Innern eine Nachzahlung in Höhe von 2.012,48 DM. Die Kasse der Chefdienststelle Schwaben überwies hiervon die Summe von 1.955 DM an den Fürsorgeverband und zahlte dem Kläger nur die Spitze von 57,48 DM aus.

Der Kläger will die Zahlung an den Fürsorgeverband nicht gelten lassen und hat bezüglich des in der Revisionsinstanz allein noch interessierenden Betrages von 1.836 DM darauf verwiesen, er habe letztere Summe in der Zeit vom 24. Dezember 1949 bis Juni 1950 in verschiedenen einzelnen Beträgen privatschriftlich oder mündlich an einige seiner Gläubiger abgetreten. Der hierbei beteiligte Gläubiger Rechtsanwalt Dr. Lange hat die zu seinen Gunsten erfolgten Abtretungen hinsichtlich einer Abtretung von 600 DM am 10. Juli 1950 dem Bayerischen Staatsministerium des Innern zur Kenntnis gebracht, allerdings nicht in der Form des § 411 BGB. Der Gläubiger Szekelyi hat für seine Forderung Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 2. September 195 und 4. April 1951 erwirkt, die am 11. April 1951 dem Bayerischen Staat und der Regierungshauptkasse Schwaben als Drittschuldnern zugestellt wurden. Er will vorher mehrere Pfändungsbenachrichtigungen gegenüber dem Beklagten vorgenommen haben.

In der Schlussverhandlung vor dem Landgericht beantragte der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, an die Abtretungsempfänger des Klägers und an letzteren selbst im einzelnen ausgeworfene Beträge von insgesamt 2.395,02 (= die vom Kläger errechneten 2.452,50 DM abzüglich der an ihn gezahlten 57,48 DM) zu zahlen. Der Kläger ist von den Abtretungsempfängern ermächtigt worden, ihre Ansprüche gegen den Beklagten im eigenen Namen gerichtlich zu verfolgen.

Das Landgericht gab der Klage nur soweit statt, als der Kläger Zahlungen an seine Gläubiger verlangte, nämlich in Höhe von 1.836,09 DM, und wies den weitergehenden Klageanspruch als unbegründet ab. Es nahm an, der Kläger habe in Höhe der zugesprochenen Beträge seine Gehaltsansprüche wirksam an seine Gläubiger abgetreten, der Beklagte habe insoweit nicht mit befreiender Wirkung an den Fürsorgeverband zahlen können, weil der Kläger nicht, wie dies § 408 Abs. 2 EGB vorschreibe, gegenüber dem Fürsorgeverband anerkannt habe, dass seine Gehaltsforderungen auf diesen übergegangen seien. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte bittet um die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass seine Ansprüche auf Nachzahlung von Dienstbezügen entgegen dem Berufungsurteil durch die von dem Beklagten an den Bezirksfürsorgeverband getätigte Überweisung nicht getilgt, sondern an seine Abtretungsempfänger zur Auszahlung zu bringen seien. Für diese Gehaltsansprüche, die der Kläger auf Grund einer wirksamen Ermächtigung seitens der Abtretungsempfänger geltend macht, ist die Revision ohne Zulassung und ohne das Erfordernis einer Revisionssumme zulässig (§ 547 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; § 71 Abs. 2 Nr. 1 GVG); hierbei ist unerheblich, dass der Kläger inzwischen aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist.

Für die vermögensrechtlichen Klageansprüche, die alle aus dem früheren Beamtenverhältnis des Klägers hergeleitet werden, steht der Rechtsweg vor den ordentlichen Gericht offen (Art. 95 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Bayern) [GVBl 1946, 333] und Art. 157 Abs. 1 BayBG [GVBl 1946, 349] auch wenn sie vom Kläger rechtswirksam an einen Dritten abgetreten sein sollten.

Jedoch ist die Klage vor den ordentlichen Gerichten nach Art. 158 Abs. 1 Satz 1 BayBG erst zulässig, wenn die oberste Dienstbehörde den Anspruch abgelehnt hat oder wenn sie innerhalb eines Monats, nachdem ihr der Antrag zugegangen ist, nicht entschieden hat. Andererseits muss (Satz 2) die Klage bei Verlust des Klagerechts innerhalb drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung oder nach Ablauf der für sie bestimmten Frist erhoben werden. Das Verfahren nach Art. 158 BayBG wird (so auch ausdrücklich § 12 der Verordnung über die Vertretung des Bayerischen Staates in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten usw. vom 8. August 1950 [GVBl S 115]) durch das Abhilfeverfahren Art. 2 BayAG ZPO u KO nicht berührt.

Damit, ob die Voraussetzungen des Art. 158 BAyBG vorliegen, hat sich das Landgericht in seinem Urteil nur unzureichend, das Oberlandesgericht überhaupt nicht befasst. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist vom Revisionsgericht auch in tatsächlicher Beziehung von Amts wegen zu überprüfen, denn bei dem in Art. 158 BayBG geregelten Vorverfahren handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung. Die Überprüfung ergibt, dass den gesetzlichen Erfordernissen genügt ist.

Die gegen den Kläger am 6. August 1948 ergangene Entlassungsverfügung enthielt keinen Vorbescheid im Sinne des Art. 158 BayBG. Mit seinem Verlangen auf Nachzahlung von Bezügen ist der Kläger erstmals mit seinem am 28. November 1949 beim Staatsministerium des Innern eingegangenen Gesuch vom 24. September 1949 hervorgetreten. Jenes Ministerium war seine oberste Dienstbehörde (Art. 13 BayBG; Art. 43 Abs. 1, Art. 49 ff BayVerf 1949; vgl. Leonhard in JZ 1951, 37). Die Klage, die als gesetzlichen Vertreter des Beklagten die Zweigstelle des Oberfinanzpräsidenten in München bezeichnet, ist allerdings erst am 29. März 1950 (Mittwoch) eingereicht und folglich nach Ablauf der in Art. 158 BayBG vorgesehenen Fristen erhoben worden. Da die Ansprüche des Klägers ablehnende Entschliessung des Innenministeriums vom 26. Januar 1950 hatte sich jedoch auf ein von der Militärregierung erlassenes Zahlungsverbot berufen. Das Zahlungsverbot wurde nachträglich rückwirkend ab 8. Mai 1945 aufgehoben. Das machte einen neuen Vorbescheid erforderlich. Ändert sich nämlich nach der Erteilung des Vorbescheids infolge Inkrafttretens neuer gesetzlicher Bestimmungen die dem früher erteilten Bescheid zugrundeliegende Rechtslage, so kann der aus ihr erwachsene neue Anspruch nur nach Erteilung eines neuen Vorbescheids erhoben werden (RG Urt vom 8. April 1930 – III 249/29; Nadler-Wittland-Ruppert, Deutsches Beamtengesetz 1938 § 143 Anm. 6). Der neue Vorbescheid erging am 7. Februar 1951 dahin, dass der von dem Kläger verlangte Betrag mit einem geringen Abstrich anerkannt wurde. Soweit der Vorbescheid positiv ist, eröffnet er freilich den Rechtsweg nicht. Nur wenn die oberste Dienstbehörde den Anspruch ablehnt oder ihn nicht fristgemäss verbescheidet, ist nach der Fassung des Art. 158 BayBG die Klage zulässig (vgl. Nadler-Wittland-Ruppert aaO Bem 10a und 20 zu dem insoweit gleichlautenden § 143 DBG). Den zur Auszahlung genehmigten Betrag überwies aber die Kasse der Landpolizei nahezu völlig an den Fürsorgeverband. Die Zahlung wollte der Kläger namentlich bezüglich der in der Revisionsinstanz allein im Streit befangenen 1.836,09 DM nicht gegen sich gelten lassen. Der Beklagte erachtete dagegen seine Schuld durch Zahlung an den Fürsorgeverband getilgt und hielt seinen Antrag auf Klageabweisung aufrecht. Hier liegt ein neuerlicher, jetzt negativer Vorbescheid. Er hat dem Kläger, der die Klagefrist infolge der bereits vorliegenden Rechtshängigkeit seines Klagebegehrens nicht versäumen konnte, den ordentlichen Rechtsweg eröffnet. Klage ist sonach zulässig. In dem Streitverfahren wird der Beklagte gemäss Art. 159 BayBG – siehe auch § 6 der genannten Verordnung vom 8. August 1950 – durch die obere Dienstbehörde vertreten, der der Beamte untersteht oder bei Beendigung des Beamtenverhältnisses unterstanden hat. Das ist hier das Bayerische Staatsministerium des Innern. Dieses hat hier auch den Beklagten vertreten.

Nach der formellen Seite begegnet daher die Klage keinen Bedenken.

II.

Das Berufungsgericht ist im Gegensatz zu dem Landgericht der Ansicht, dass der Beklagte auch in Ansehung der vom Kläger an seine Gläubiger abgetretenen Gehaltsforderungsteile zu 1.836,09 DM mit schuldbefreiender Wirkung an den Fürsorgeverband hat zahlen können. Die Abtretungen seien zwar schon vor dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der in § 21 a RFV vorgesehene Rechtsübergang wirksam geworden sei; sie hätten aber, weil sie nicht in der Form des § 411 BGB dem Beklagten bekanntgegeben worden seien, von ihm nicht beachtet zu werden brauchen. Diese Auffassung, die die Revision bekämpft, ist nicht frei von Rechtsirrtum.

1. Nach § 21 a RFV in der Fassung der Verordnung des Reichspräsidenten vom 5. Juni 1931 (RGBl I, 279 [306]) und der 3. Verordnung zur Vereinfachung des Fürsorgerechts vom 11. Mai 1943 (RGBl I, 301) kann der Fürsorgeverband, der auf Grund der Verordnung einen Hilfsbedürftigen unterstützt hat, nach näherer Massgabe der Bestimmung bewirken, dass Rechtsansprüche, die der Hilfsbedürftige gegen einen Dritten auf Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs hat, zum Ersatz auf den Fürsorgeverband übergehen; diese Wirkung wird durch eine schriftliche Anzeige an den Dritten herbeigeführt. Die Regelung des § 21 a wird, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, durch die Bundesverordnung über den Ersatz von Fürsorgekosten vom 30. Januar 1951 (BGBl I, 154) nicht berührt. Das ergibt sich mit Deutlichkeit aus ihrem § 1 und wird durch das Rundschreiben des Bundesministers des Innern zur Durchführung der Verordnung (GesMinBl Nr. 14 vom 1. Juni 1951 S 132) bestätigt. Auch die Bayerische Flüchtlingsgesetzgebung (§ 5 des Flüchtlingsgesetzes vom 19. Februar 1947 [GVBlBay S 51] und Ausführungsbestimmungen hierzu vom 8. Juli 1947 [GVBl Bay S 153]) hat hieran nichts geändert.

Von dem Rechtsübergang des § 21 a RFV werden auch solche Rechtsansprüche des Unterstützten betroffen, die von seiner Bedürftigkeit nicht abhängen (§ 21 a Abs. 1 Satz 2). Zu den Ansprüchen gehören nicht nur eigentliche Unterhaltsansprüche, wie sie etwa in §§ 1601 ff BGB normiert sind, sondern auch Unterhaltsansprüche vertraglicher Art, Privatversicherungen, Altenteilsverträge, Leibrenten (Baath-Kneip-Langlotz, Fürsorgepflicht 13. Aufl § 21 a RFV Vorbem und. Anm. 3; Jehle, Fürsorgerecht 1950, § 21 a RFV Anm. 1; Kraegeloh, Handbuch des fürsorgerechtlichen Erstattungsrechts 1933, § 13). Die Ansprüche des Unterstützten können also ganz verschiedenen Rechtsgebieten angehören. Entscheidend ist nur: einmal dass der Rechtsanspruch für die Zeit der Unterstützung besteht, und zum anderen, dass er der Fürsorgeunterstützung insofern gleichartig ist, als er der Deckung des Lebensbedarfs des Berechtigten dienen soll. Das Gesetz will im Bereich des § 21 a RFV die Möglichkeit schaffen, ein von der öffentlichen Fürsorge Unterstützter einen ihm gegen einen Dritten zustehenden Anspruch auf Leistungen zur Deckung seines Lebensbedarfs insoweit zu Gunsten des Fürsorgeverbandes einbüsst, als der Verband zur Deckung eben dieses Lebensbedarfs mit seinen Unterstützungshandlungen eingegriffen hat. Dadurch soll verhindert werden, dass auf der einen Seite der Unterstützte nochmals von einem Dritten (Unterhalts-)Leistungen erhält, derer er infolge der empfangenen Fürsorgeleistungen nicht mehr als bedürftig angesehen wird, auf der anderen Seite dagegen die öffentliche Fürsorge, die mit ihren Fürsorgeleistungen anstelle des Dritten den Lebensbedarf des Unterstützten bestritten hat, unter Umständen leer ausgeht. Deshalb soll der Fürsorgeverband instandgesetzt sein, gleichzeitige und gleichartige Ansprüche des Unterstützten gegen Dritte auf sich zum Ersatz der Fürsorgeaufwendungen überzuleiten. Solche Ansprüche sind auch die Ansprüche des Beamten auf seine (nachzuzahlenden) Dienstzüge, die dem Beamten für die Zeit der Unterstützung gegen seinen Dienstherrn zustanden, von diesem aber nicht erfüllt wurden. Die Bezüge wären, hätte sie der Dienstherr dem Beamten rechtzeitig gewährt, von letzterem zu seiner Lebensführung verwendet worden und sollten der Deckung des Lebensbedarfs dienen; diesen soll der Beamte, der von der öffentlichen Fürsorge unterstützt wird, für denselben Zeitraum nicht ein zweites Mal erhalten. Gehaltsansprüche eines Beamten werden daher von dem Rechtsübergang des § 21 a RFV betroffen. Ob dasselbe auch für Gehalts- und Lohnansprüche von Angestellten und Arbeitern zutrifft, kann im vorliegenden Fall offengelassen werden.

Der Übergang der Ansprüche auf den Fürsorgeverband tritt jedoch erst ein, wenn dessen schriftliche Anzeige dem Dritten zugeht (Baath-Kneip-Langlotz Vorbem, Jehle. Anm. 1, Muthesius, Bundesrechtliche Grundlagen der öffentlichen Fürsorgepflicht 4. Aufl. Anm. 8, je zu § 21 a RFV). Die Ansprüche des Unterstützten können daher nicht auf den Fürsorgeverband übergehen, wenn sie ihm in dem Augenblick, in dem die Anzeige bei dem Dritten eintrifft, nicht mehr zustehen. Der Bezirksfürsorgeverband Kemten-Land konnte daher durch seine Überleitungsanzeige keine Gehaltsansprüche des Klägers erwerben, insoweit dieser sie bereits an seine Gläubiger abgetreten hatte.

2. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Abtretungen können aus § 411 BGB nicht hergeleitet werden. Die Aushändigung einer öffentlich beglaubigten Urkunde über die Abtretung der von einer öffentlichen Kasse zu leistenden Bezüge ist, wie anerkannt, keine Voraussetzung für die Gültigkeit der Abtretung. Wohl aber greift die von den Vordergerichten nicht erörterte Vorschrift des Art. 80 BayBG ein, die in Übereinstimmung mit § 400 BGB bestimmt, dass ein Beamter – vorbehaltlich anderweiter gesetzlicher Regelung – seine Dienstbezüge nur soweit abtreten kann, als sie nicht der Pfändung unterliegen. Die Pfändung von Dienstbezügen eines Beamten richtete sich in der hier fraglichen Zeit nach der Lohnpfändungsverordnung vom 30. Oktober 1940 (RGBl I, 1451). Die Verordnung begreift unter Arbeitseinkommen Bezüge, deren Rechtsgrundlage gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen sind (vgl. Stein-Jonas-Schönke § 1 LPfVO VII vor 1). Namentlich sind auch die nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis zu zahlenden Bezüge Arbeitseinkommen; es sind dies auch Unterhaltsbeträge, die einem ausgeschiedenen oder strafweise aus dem Dienst entfernten Beamten durch einen Gnadenerweis bewilligt werden (Wittland DR 1941, 29 [30]). Dadurch, dass der öffentliche Dienstherr einem Beamten Beträge bei Fälligkeit schuldig geblieben ist, können diese ihre Eigenschaft als Gehaltsförderung nicht verlieren (so mit Recht auch Stein-Jonas-Schu[XXXXX] § 7 LPfVO II 4 b). Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung seiner rückständigen Bezüge sind daher nach näherer Bestimmung der Lohnpfändungsverordnung unpfändbar gewesen Sie standen nicht etwa, weil es sich um eine Nachzahlung handelt wie eine gewöhnliche Forderung dem Zugriff der Gläubiger offen. Nach diesem Pfändungsschutz bemisst sich; ob und in welcher Höhe der Kläger seine Ansprüche abtreten konnte. Wie [XXXXX] aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedener Beamter nach der sagten den Pfändungsschutz nicht mit Notwendigkeit verlieh so werden die dem Pfändungsschutz entsprechenden Abtretung verbote nicht mit der Entlassung des Beamten hinfällig. Der Verstoss gegen sie macht die Abtretung nichtig.

Insofern die Revision wegen der Zulässigkeit der Abtretung auf den Beschluss des Grossen Senats für Zivilsachen vom 10. Dezember 1951 (BGHZ 4, 153 ff) verweist, ist ihr zuzugeben, dass die vom Grossen Senat beschrittenen Gedankengänge nicht nur, wie in Leitsatz niedergelegt, auf unpfändbare Unfallrentenansprüche, sondern auch auf andere Rentenansprüche, hierunter auf Beamtengehälter, zur Anwendung gebracht werden können (vgl. Pagendarm in LM 1 zu § 400 BGB). Die Revision übersieht aber bei ihrer in diesem Zusammenhang aus § 286 ZPO erhobenen Rüge, dass der Kläger selbst in seinem Schriftsatz vom 30. April 1951 unter Vorlage der Abtretungserklärungen vorgetragen hatte, er habe an seine Gläubiger K. und Dr. L. Forderungsbeträge zum Ausgleich für ein Rundfunkgerät und Anwaltshonorare abgetreten. Dann ist nicht zu ersehen, dass jene Gläubiger freiwillig für den notwendigen Lebensunterhalt des Klägers aufkommen wollten und der Kläger durch die von den Gläubigern empfangenen Geldbeträge wirtschaftlich so gestellt wurde, wie er im Falle der von dem Beklagten zu erbringenden Leistungen gestellt wäre. Für die Heranziehung der Entscheidung des Grossen Senats ist danach kein Raum. Bei den anderen Abtretungsempfängern (Gemeinde W. und S.) ist bisher vom Kläger ein Tatbestand, wie ihn der Grosse Senat fordert, nicht substantiiert behauptet. Im besonderen fehlt es an der Darlegung, in welcher Weise die von den beiden Gläubigern gegebenen Beträge zum Lebensunterhalt des Klägers gedient haben. Nach dieser Richtung wird das Berufungsgericht an das die Sache im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen ohnehin zurückzuverweisen ist, gegebenenfalls weitere Feststellungen zu treffen haben.

3. Die von dem Gläubiger S. erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse haben einen nach § 21 a RFV eintretenden Rechtsübergang, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht hindern können. Der Rechtsübergang ist, wenn überhaupt, am 24. Januar 1951 mit dem Zugang der Überleitungsanzeige bewirkt worden. Die genannten Beschlüsse sind jedoch erst nachträglich am 11. April 1951 dem Beklagten und der Regierungshauptkasse Schwaben zugestellt worden. Ihre Wirksamkeit hätte durch die Pfändungsbenachrichtigungen, die S. vorgenommen haben will, nur auf einen um drei Wochen früheren Zeitpunkt verlegt werden können (§ 845 Abs. 2 ZPO).

4. Das Ergebnis des unter 1) bis 3) Ausgeführten ist sonach dies, dass die im Streit befangenen Ansprüche des Klägers insoweit nicht auf den Fürsorgeverband übergegangen sind, als sie der Kläger zuvor wirksam an seine Gläubiger abgetreten hat. Die Meinung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die rechtsgeschäftlichen Abtretungen des Klägers nicht zu beachten brauchen, weil sie ihm nicht in der Form des § 411 mitgeteilt worden seien, verkennt, wie die Revision mit Recht bemängelt, die Rechtslage:

Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt keinen gutgläubigen Erwerb von Forderungen. Es enthält nur in §§ 407 ff Vorschriften zum Schutz des gutgläubigen Schuldners. Der Schuldner, der in Unkenntnis einer Abtretung an den früheren (ersten) Gläubiger und nicht an den neuen zweiten Gläubiger leistet, wird nach § 407 geschützt. Den Schutz überträgt § 408 Abs. 1 auf den Fall, dass der Gläubiger eine Forderung tatsächlich mehrfach abtritt und der Schuldner in Unkenntnis der früheren und in Kenntnis der späteren Abtretung an den späteren Zessionar leistet. Daneben schützt § 409 gegen die Unrichtigkeit § 410 gegen den Mangel einer Abtretungsanzeige. Ist im Falle mehrfacher Forderungsübertragung die erste Übertragung nicht im Weg einer Abtretung, sondern auf Grund Gesetzes erfolgt, so finden die Vorschriften des § 408 gemäss § 412 BGB ebenfalls Anwendung (Staudinger 9. Aufl § 406 III 1; Planck 4. Aufl § 408, 3). Dass dagegen, und so liegen die Dinge hier, eine zweite Übertragung kraft Gesetze erfolgt, ist begrifflich unmöglich. Denn das Gesetz kann die Forderung nur von dem wirklichen Gläubiger auf einen anderen übertragen, nicht aber von einem früheren Gläubiger, der infolge einer von ihm vorgenommenen Abtretung nicht mehr Gläubiger ist. Denkbar ist aber, was die Vorschrift des § 408 Abs. unmittelbar regelt, dass der bisherige Gläubiger einem Dritten gegenüber anerkennt, die von ihm (dem bisherigen Gläubiger) abgetretene Forderung sei kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen. Ein solches, auch mündlich wirksames Anerkenntnis ist nach § 408 Abs. 2 wie eine nochmalige Abtretung der Forderung zu behandeln (vgl. Staudinger § 408 III 1). Das Anerkenntnis erweckt den Rechtsschein, dass die Forderung nicht abgetreten ist, bevor sie scheinbar kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen ist. Sie ersetzt gewissermassen den gesetzlichen Forderungsübergang (Loewenwarter, Wegweiser durch das BGB 18. Aufl IV 6 = S 184).

Nach § 408 Abs. 2 BGB genügt also nicht die Unkenntnis des Schuldners von der früheren Abtretung. Andererseits genügt das Anerkenntnis nur, sofern der Schuldner bei der Leistung die frühere Abtretung nicht kennt (Planck § 408 2 b). Denn wenn der Schuldner die Abtretung kennt, ist sein guter Glaube und der ihm nach §§ 407 ff BGB zustehende Schutz ausgeschlossen. Der gute Glaube des Schuldners ist daher bei der Anwendung des § 408 Abs. 2 BGB für sich allein belanglos. Folglich ist auch die nach § 411 BGB beim Fehlen einer öffentlich beglaubigten Abtretungsurkunde vermutete Unkenntnis der öffentlichen Kasse für sich allein nicht entscheidend. Der durch § 411 BGB angeordnete Schutz des guten Glaubens kann daher dem Beklagten in einem Fall wie dem vorliegenden nur im Rahmen des § 408 Abs. 2 BGB zugute kommen. Da aber der Kläger gegenüber dem Bezirksfürsorgeverband Kempten-Land einen scheinbar kraft Gesetzes eingetretenen Rechtsübergang nicht anerkannt hat, hat der Beklagte nicht mit befreiender Wirkung an den Fürsorgeverband zahlen können, soweit der Kläger seine Gehaltsansprüche rechtswirksam an seine Gläubiger abgetreten hatte.

Insoweit ist daher die Klage begründet. Sie kann auch nicht etwa deswegen als unbegründet abgewiesen werden, weil die vom Kläger zugunsten seiner Gläubiger vorgenommenen Abtretungen seiner Gehaltsansprüche der auszahlenden Kasse nicht in der Form des § 411 BGB bekanntgegeben worden sind.

Insoweit der Kläger seine Gehaltsforderungen nicht wirksam an seine Gläubiger abgetreten hat, sind diese nach Maßgabe des § 21 a RFV auf den Bezirksfürsorgeverband übergegangen und durch die Überweisung des Beklagten mit Wirkung auch gegenüber den Gläubigern des Klägers getilgt worden.

III

Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Abweisung der Klage im vollen Umfang kann daher mit der vorliegenden Begründung nicht gehalten werden. Die erforderlichen Feststellungen, in welchem Umfang die Gehaltsansprüche des Klägers pfändbar und damit abtretbar waren sind vom Berufungsgericht von seinem abweichenden Standpunkt aus nicht getroffen. Da ohne sie nicht endgültig entschieden werden kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweite Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit werden die vom Kläger erhobenen verfahrensrechtlichen Rügen gegenstandslos und bedürfen, soweit sie nicht bereits behandelt sind, keiner Erörterung mehr.

Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Berufungsgericht zu beachten haben: Der in § 21 a RFV in der zitierten Fassung geregelte Rechtsübergang setzt die Gleichzeitigkeit der Leistungen des Fürsorgeverbandes und der Ansprüche des Hilfsbedürftigen allgemein und nicht nur für die Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen im Sinne der §§ 1601 BGB

voraus. Der Hilfsbedürftige muss nach § 21 a Abs. 1 Satz RFV für die Zeit seiner Unterstützung Rechtsansprüche gegen einen Dritten haben. Nach § 21 a Abs. 2 Satz 1 RFV bewirkt die Anzeige an den Dritten den Übergang des Rechtsanspruchs für die Zeit seit Eintritt der Hilfsbedürftigkeit bis zu ihrer Beendigung. Die Besonderheit bezüglich der nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen besteht nur darin, dass § 21 a Abs. 2 Satz 2 RFV für ihre Person näher die Voraussetzungen regelt, unter denen sie von einem Fürsorgeverband für die Vergangenheit in Anspruch genommen werden können.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision ist dem Urteil des Berufungsgerichts vorzubehalten.

 

Unterschriften

Dr. Geiger, Rietschel, Dr. Kreft, Dr. Wolany, Dr. Hußla

 

Fundstellen

Haufe-Index 892336

BGHZ, 298

Nachschlagewerk BGH

VerwRspr 1954, 330

VerwRspr 1954, 71

DVBl. 1954, 511

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