Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung wegen Verzug des Steuerberaters bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung. Änderung der Rechtsprechung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 56 EStDV und § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG sowie § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG setzt Fristen allein für den Steuerpflichtigen. Für dessen vertragliche Beziehungen zu seinem steuerlichen Berater wären sie nur verbindlich, wenn sie vertraglich Leistungsinhalt geworden wären.

2. Ein steuerlicher Berater kommt mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten gegenüber seinem Mandanten nicht allein deswegen in Verzug, weil die Steuererklärung nicht innerhalb der hoheitlich festgesetzten Frist beim Finanzamt eingeht. Erfüllt der steuerliche Berater seine Pflicht, die pünktliche Abgabe der Steuererklärung mit Rat und Tat zu fördern, schuldhaft nicht ordnungsgemäß, so haftet er wegen positiver Vertragsverletzung (Abweichung BGH, 09.06.1982, IVa ZR 9/81, BGHZ 84, 244).

2. Die Erfüllung der Vertragspflicht des steuerlichen Beraters, bei der Anfertigung der Steuererklärung mitzuwirken, wird nicht ausnahmslos dadurch unmöglich, daß das Finanzamt die Steuerschuld auf Schätzungsgrundlage bestandskräftig festgesetzt hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ohne eine eindeutige Zusage übernimmt der steuerliche Berater im Zweifel nicht die Vertragspflicht, für den Leistungserfolg einzustehen, daß die steuerlichen Erklärungen zu den gesetzlich bestimmten Fristen fertiggestellt sind. Ein solches werkvertragsähnliches Versprechen kann von ihm regelmäßig nach Treu und Glauben nicht einseitig erwartet werden, weil er bei der Anfertigung der Steuererklärungen ganz entscheidend auf die Mitwirkung des Mandanten angewiesen ist.

2. In Verzug mit seiner vertraglichen Hauptpflicht zur Bearbeitung der Steuererklärungen gerät der Steuerberater regelmäßig erst, wenn er trotz Mahnung fällige Dienstpflichten nicht erfüllt.

 

Normenkette

StBerG § 33; BGB §§ 280, 284 Abs. 1, 2 S. 1, §§ 325, 675

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 19.09.1990; Aktenzeichen 26 U 5910/89)

LG Berlin (Urteil vom 14.06.1989; Aktenzeichen 18 O 167/88)

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb eine Pension. Am 12. Januar 1984 schloß er mit dem Beklagten, einem Steuerberater, einen schriftlichen Vertrag über die laufende Erledigung der Buchführung und die Fertigung der Umsatzsteuervoranmeldungen ab 13. Oktober 1983 gegen eine monatliche Pauschalvergütung. Im Mai 1985 setzte das zuständige Finanzamt auf Schätzungsgrundlage die Einkommen-, Kirchen- und Umsatzsteuer des Klägers für die Jahre 1982 und 1983 fest. Im einzelnen wurde für 1983 die Einkommensteuerschuld mit 47.000 DM zuzüglich 2.350 DM Verspätungszuschläge, die Kirchensteuerschuld mit 4.391 DM und die Umsatzsteuerschuld mit 17.680 DM zuzüglich 960 DM Verspätungszuschläge bemessen, während der Gewerbesteuermeßbetrag mit null DM bestimmt wurde. Die dem Kläger zugestellten Bescheide wurden rechtsbeständig. Die vom Finanzamt daraus versuchte Zwangsvollstreckung verlief erfolglos. Anfang 1986 widerrief das zuständige Wirtschaftsamt die dem Kläger erteilte Gewerbeerlaubnis wegen der Steuerschulden und Nichtabgabe der Steuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1985. Daraufhin schloß der Kläger seinen Beherbergungsbetrieb. Durch Strafbefehl wurde gegen den Kläger rechtskräftig eine Geldstrafe von 15.000 DM wegen Steuerverkürzung verhängt. Dem lag der Tatvorwurf zugrunde, daß der Kläger die Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1981 bis 1983 bis zum 31. Mai nach Ablauf eines jeden Jahres sowie die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 1983 bis zum zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres vorsätzlich unterlassen habe. Für die Zeit ab 1. Januar 1984 löschte das Finanzamt die für den Kläger geführten Steuerkonten wegen voraussichtlicher Uneinbringlichkeit der Steuern.

Der Kläger erwirkte 1987 ein rechtskräftiges Urteil, durch das der Beklagte verurteilt wurde, für den Kläger die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für die Kalenderjahre 1983 bis 1985 zu fertigen. Dem kam der Beklagte 1988 nach. Daraufhin verringerte das Finanzamt rückwirkend die für die Jahre 1982 und 1983 gegen den Kläger festgesetzten Steuerbeträge.

Im gegenwärtigen Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten Ersatz der Geldstrafe sowie die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind, daß der Beklagte die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für die Kalenderjahre 1983, 1984 und 1985 nicht bis zum 30. September des jeweiligen Folgejahres fertiggestellt hat. Der Beklagte leugnet einen Vertragsschluß über die Anfertigung von Steuererklärungen, beruft sich auf fehlende Unterlagen des Klägers und hat widerklagend Honoraransprüche für die Fertigung der Steuererklärungen geltend gemacht. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme den Beklagten zur Zahlung von 9.532,19 DM an den Kläger verurteilt sowie dessen Feststellungsantrag entsprochen; der Widerklage hat es überwiegend stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit er den Feststellungsausspruch angegriffen hat. Dagegen richtet sich seine Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht stellt fest, dem Kläger sei ein Schaden im Bereich der Einkommen- und Umsatzsteuer durch Verspätungszuschläge entstanden. Die Revision rügt mit Recht, daß damit die Voraussetzungen einer Ersatzpflicht für die verspätete Anfertigung von Gewerbesteuererklärungen nicht festgestellt sind.

Eine Klage auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht ist begründet, wenn ein Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist (RG GRUR 1932, 466, 468; BGH, Urt. v. 19. November 1971 – I ZR 72/70, LM § 24 WZG Nr. 69 = NJW 1972, 198; Urt. v. 10. Mai 1974 – I ZR 80/73, LM § 16 UWG Nr. 69; Senatsurt. v. 28. September 1989 – IX ZR 180/88, FamRZ 1990, 37, 39; v. 21. Dezember 1989 – IX ZR 234/88, WM 1990, 695, 698). Diese Voraussetzung muß für jeden einzelnen Schadensersatzanspruch vorliegen, dessen Bestehen festgestellt werden soll.

Steuerliche Forderungen sind nach Steuerart und Veranlagungszeitraum zu trennen. Die Steuerpflicht wird insoweit regelmäßig selbständig festgesetzt. Das bedingt zugleich, daß der steuerliche Berater in der Regel nur aufgrund eines besonderen Einzelvertrages tätig wird. Der vertragliche Schadensersatzanspruch wird durch den Umfang des erteilten Auftrags begrenzt. An der gebotenen Trennung ändert es im Ergebnis auch dann nichts, wenn dem steuerlichen Berater – wie hier behauptet ist – ein umfassender Dauerauftrag erteilt wurde. Dann bildet die Bearbeitung für jede Steuerart und jeden Veranlagungszeitraum, auch gebührenrechtlich, einen abtrennbaren Teil des vertraglichen Leistungsinhalts. Von den besonderen Umständen jedes Teils kann das Entstehen vertraglicher Schadensersatzansprüche abhängen. Sie bilden im Falle einer Ersatzklage jeweils einen gesonderten Streitgegenstand (Senatsurt. v. 20. Juni 1991 – IX ZR 226/90, WM 1991, 1597, 1601).

Für einen ihm drohenden Schaden wegen verspäteter Abgabe von Gewerbesteuererklärungen hat der Kläger hier nichts dargetan. Im Gegenteil ergibt sich aus seinem Vorbringen, daß er zu keiner Zeit zur Zahlung von Gewerbesteuer herangezogen worden ist. Sogar auf der Grundlage der vom Finanzamt im Mai 1985 geschätzten – später herabgesetzten – Werte für 1983 wurde der Gewerbesteuermeßbetrag auf null DM festgesetzt. Für die beiden Folgejahre hat der Beklagte für den Betrieb unstreitig noch weitaus niedrigere Umsätze und Einkünfte ermittelt. Anfang 1986 wurde der Betrieb eingestellt. Dementsprechend fehlt derzeit jede Wahrscheinlichkeit, daß den Kläger noch Vermögensnachteile wegen verspäteter Abgabe von Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1985 treffen könnten. Das Berufungsurteil kann daher in diesem Punkt keinen Bestand haben. Vor einer endgültigen Abweisung dieses Teils der Klage wird der Tatrichter sich allerdings noch eine Überzeugung darüber bilden müssen, ob ein Schadenseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 24. Juni 1969 – VI ZR 48/67, LM § 638 BGB Nr. 12 unter I 1).

II.

Das Berufungsgericht bejaht eine Schadensersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

1. Es stellt im Anschluß an die Beweiswürdigung des Landgerichts fest, zwischen den Parteien sei ein Steuerberatungsvertrag dahingehend zustande gekommen, daß der Beklagte alles habe erledigen sollen, was für den Kläger als Steuerpflichtigen nötig war. Das Ergebnis dieser tatrichterlichen Beweiswürdigung greift die Revision vergeblich an. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der unter dem Datum des 12. Januar 1984 schriftlich abgeschlossene Vertrag lediglich die Buchführung betraf. Es ist aufgrund der Beweisaufnahme erster Instanz davon ausgegangen, daß die Parteien schon im September 1983 mündlich einen Vertrag über die dauernde Bearbeitung aller anfallenden steuerlichen Aufgaben durch den Beklagten geschlossen haben. Rechts- oder Verfahrensfehler hierbei zeigt die Revision nicht auf. Dann ist es ihr verwehrt, das Beweisergebnis anders zu würdigen als das Berufungsgericht. Die Vernehmung des Klägers als Partei hatte der Beklagte selbst beantragt, § 445 Abs. 1 ZPO (S. 2 seiner Klageerwiderung = Bl. 18 GA).

2. Rechtlich hat das Berufungsgericht im Anschluß an BGHZ 84, 244, 248 ff ausgeführt: Die Rechtsbeziehungen der Parteien seien als Dienstvertrag zu beurteilen. Der Beklagte habe die dem Kläger obliegenden Steuererklärungen so rechtzeitig fertigstellen müssen, daß der Kläger in die Lage versetzt worden wäre, sie unterschrieben bis spätestens zum 31. Mai 1984 des jeweiligen Folgejahres beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Wenn es dem Beklagten unter Berücksichtigung seiner anderen beruflichen Verpflichtungen oder sonstiger Gründe nicht möglich gewesen wäre, diesen Zeitpunkt einzuhalten, so habe er es versäumt, bis jeweils spätestens 31. Mai des Folgejahres einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen. Er sei daher im Verhältnis zum Kläger mit seinen vertraglichen Verpflichtungen gemäß § 284 Abs. 2 BGB auch ohne Mahnung in Verzug geraten. Habe das Finanzamt die Besteuerungsgrundlage wegen Nichtabgabe einer Steuererklärung geschätzt und bestehe keine Möglichkeit mehr, die Schätzung zu beseitigen, so kämen die Vorschriften über die Unmöglichkeit zur Anwendung, also auch § 282 BGB. Demgegenüber könne der Beklagte nicht mit seiner Einlassung durchdringen, er habe den Kläger mehrfach darauf hingewiesen, daß ihm die erforderlichen Belege für die Erstellung der Einkommensteuererklärung fehlten. Die vom Kläger darzulegenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 284, 286 BGB lägen dem Grunde nach vor. Zwar habe der Beklagte mit Schreiben vom 3. Dezember 1986 beim Kläger Unterlagen für das Jahr 1983 angefordert. Zu diesem Zeitpunkt habe die Einkommensteuererklärung jedoch bereits fertiggestellt sein müssen, so daß davon auszugehen sei, daß der Verzug vom Beklagten auch schuldhaft gemäß § 285 BGB herbeigeführt worden sei. Es sei Sache des Beklagten, darzulegen und zu beweisen, daß der eingetretene Verzug von ihm nicht zu vertreten sei. Ihn habe in dieser Hinsicht eine doppelte Darlegungs- und Beweislast getroffen. Er habe einmal dartun müssen, daß er nicht in der Lage gewesen sei, durch rechtzeitiges Einreichen der Steuererklärungen den Erlaß eines auf Schätzung beruhenden Bescheides zu verhindern; ferner habe er darzulegen und zu beweisen, daß es ihm nicht möglich gewesen sei, diesen Bescheid durch Einlegung eines Rechtsmittels zu beseitigen und damit den Weg zu einer Gewinnfeststellung nach Maßgabe des tatsächlich erzielten Betriebsergebnisses freizumachen. Der Beklagte habe hier nicht bewiesen, daß er jeweils vor dem 30. September der für die Erklärungsabgabe maßgeblichen Jahre den Kläger auf das Fehlen bestimmter Unterlagen hingewiesen oder eine Fristverlängerung beim Finanzamt beantragt habe. Für die Jahre 1984 und 1985 sei nicht auszuschließen, daß das Finanzamt gegen den Kläger auch noch Zahlungen festsetzen werde, die allein darauf beruhten, daß die Steuererklärungen nicht fristgemäß abgegeben worden seien.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Zwar trifft der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zu, daß die von ihm festgestellten Vertragsbeziehungen der Parteien als Dienstvertrag zu beurteilen sind.

Ein Vertrag, durch den einem steuerlichen Berater, wie hier, allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers übertragen wird, ist regelmäßig ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (BGHZ 54, 106, 107 f; BGH, Urt. v. 1. Juli 1971 – VII ZR 295/69, WM 1971, 1206 unter 1; Urt. v. 6. Dezember 1979 – VII ZR 19/79, VersR 1980, 264, 265 unter II 1; Urt. v. 3. Februar 1988 – IVa ZR 196/86, WM 1988, 763, 764; Palandt/Thomas, BGB 50. Aufl., Einführung Rdn. 18 vor § 631; Gräfe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung 2. Aufl. Rdn. 123 f, 127 ff; Eckert/Böttcher, Steuerberatergebührenverordnung 2. Aufl. Vorbem. 1.3.2 vor § 1; Mittelsteiner/Scholz, Steuerberatergebührenverordnung 3. Aufl. Einführung 1 b; Gehre, Steuerberatungsgesetz § 33 Rdnr. 20, 24; Martens Anm. in NJW 1977, 766 f; Prütting WM 1978, 130 f; vgl. auch BGH, Urt. v. 6. November 1980 – VII ZR 237/79, WM 1981, 92 unter 1). Lediglich bei Einzelaufträgen, die auf eine einmalige, in sich abgeschlossene Leistung gerichtet sind, wird der Steuerberater das Risiko im allgemeinen hinreichend abschätzen können, um für einen bestimmten Erfolg seiner Tätigkeit als Werkleistung im Sinne von § 631 BGB einzustehen (vgl. RGZ 88, 223, 226 f; BGH, Urt. v. 20. Oktober 1964 – VI ZR 101/63, NJW 1965, 106). Im übrigen ist der Umstand, daß der steuerliche Berater bei ordnungsmäßiger Verrichtung der von ihm geschuldeten Dienste des öfteren auch greifbare Ergebnisse zustande zu bringen hat, entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht (OLG Celle DStR 1974, 290 f; OLG Nürnberg DStR 1974, 709 f; Späth DStR 1966, 91, 93 f und Anm. in DStR 1985, 282) mit der Annahme eines Dienstvertrags allgemein vereinbar.

b) Der Senat teilt jedoch nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Beklagte mit der Anfertigung der von ihm geschuldeten steuerlichen Leistungen vor dem Zugang des Schreibens des Rechtsanwalts P. vom 26. November 1986 – und damit zu einem für den vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Zeitpunkt – in Verzug geraten ist (§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB). § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach eine Mahnung zur Inverzugsetzung dann entbehrlich ist, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, greift nicht ein. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 56 EStDV und § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG sowie § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG setzt Fristen allein für den Steuerpflichtigen. Für dessen vertragliche Beziehungen zu seinem steuerlichen Berater wären sie nur verbindlich, wenn sie vertraglich Leistungsinhalt geworden wären.

Das ist hier nicht ausdrücklich geschehen. Ohne eine derartige eindeutige Zusage übernimmt der steuerliche Berater im Zweifel nicht die Vertragspflicht, für den Leistungserfolg einzustehen, daß die steuerlichen Erklärungen zu den gesetzlich bestimmten Fristen fertiggestellt sind (ebenso Haug Anm. in ZIP 1982, 1223 f; Späth DStR 1985, 450 unter 1. a.E.). Ein solches werkvertragsähnliches Versprechen kann von ihm regelmäßig nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) nicht einseitig erwartet werden, weil er bei der Anfertigung der Steuererklärungen ganz entscheidend auf die Mitwirkung des Mandanten angewiesen ist: Stellt dieser nicht alle erforderlichen Unterlagen – rechtzeitig vor Fristablauf (vgl. dazu Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters 3. Aufl. Rdn. 494) – zur Verfügung, so kann auch die fristgerechte Erstellung der Buchhaltung und der Entwürfe für die Steuererklärungen unmöglich sein. Darüber hinaus muß der Mandant Besonderheiten der Geschäftsführung gegebenenfalls schon als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Buchhaltung erläutern (Späth aaO Rdn. 508; Gräfe/Lenzen/Rainer aaO Rdn. 301). Bei der Aufklärung möglicherweise auftretender Unstimmigkeiten muß er mithelfen (Späth aaO Rdn. 509). Zudem ist Vertragsinhalt nicht nur das Erstellen des Entwurfs zu irgendeiner Steuererklärung, solange er nur fristgerecht vorliegt, sondern – im Rahmen des rechtlich Zulässigen – die Anfertigung gerade auch einer dem Mandanten möglichst günstigen Erklärung. Das kann Bewertungen voraussetzen, die der steuerliche Berater nur zusammen mit seinem Auftraggeber vorzunehmen vermag (Wais Anm. in NJW 1968, 2200). Um Steuervergünstigungen zu erlangen und steuerliche Nachteile zu vermeiden, kann der Berater auf die Unterstützung des Mandanten durch ausreichende Information über verwirklichte Steuertatbestände, über seine persönlichen Verhältnisse und geschäftlichen Pläne sowie die wirtschaftlichen Erwartungen angewiesen sein (Späth aaO Rdn. 495; Gräfe/Lenzen/Rainer aaO Rdn. 126, 295 f). Gelegentlich mag sich der steuerliche Berater sogar im vorhinein mit den zuständigen Finanzbeamten darüber abstimmen, welche Gestaltung diese hinzunehmen gewillt sind. Letztlich muß der Steuerpflichtige den Entwurf der Erklärung vor der Abgabe eigenverantwortlich prüfen und unterzeichnen (§ 25 Abs. 3 Satz 4 EStG, § 18 Abs. 3 Satz 3 UStG, § 150 Abs. 2 Satz 1 AO), ohne daß dafür eine Frist kalendermäßig bestimmt ist.

Das Berufungsgericht folgt mit seiner gegenteiligen Meinung der Entscheidung BGHZ 84, 244 ff. Auf die dort für entscheidend gehaltene Erwägung, es gehe um vertragliche Hauptleistungspflichten des steuerlichen Beraters, deren Verletzung nach den Regeln über Verzug oder Unmöglichkeit zu behandeln sei (ebenso Dehner in Anm. LM § 280 BGB Nr. 6), kommt es jedoch erst dann entscheidend an, wenn der Inhalt dieser Pflichten feststeht. Er wird in der genannten Entscheidung nicht ausdrücklich umrissen. Insbesondere begründet sie nicht, weshalb der steuerliche Berater die Gewähr für das rechtzeitige Einreichen der Steuererklärungen übernehmen sollte.

Die Auffassung des Berufungsgerichts führte im Ergebnis dazu, daß der steuerliche Berater einseitig das Risiko einer unzulänglichen Mitwirkung des Mandanten zu tragen hätte. Dementsprechend ist der IVa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 84, 244, 250; Urt. v. 20. Oktober 1982 – IVa ZR 275/80, StB 1983, 143; Urt. v. 12. März 1986 – IVa ZR 183/84, WM 1986, 675, 677 unter II 3) davon ausgegangen, daß der steuerliche Berater sogar im Falle einer ungenügenden oder unpünktlichen Mitwirkung seines Mandanten die objektiven Voraussetzungen des Verzuges – oder der zu vertretenden Unmöglichkeit (§ 280 BGB) – verwirkliche und mit dem Hinweis auf die Obliegenheitsverletzung der Gegenseite lediglich sein Verschulden gemäß §§ 285, 282 BGB auszuschließen vermöge. Die Beweislast für eine unzulängliche Mitwirkung des Mandanten wird damit auf den steuerlichen Berater verlagert.

Der erkennende Senat, der nunmehr zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten betreffend Ansprüche aus steuerlicher Beratung allein zuständig ist, hält diese Abgrenzung der vertraglichen Leistungspflichten nicht für ausgewogen und sachgerecht. Sie ist auch weder für einen wirksamen Schutz des Mandanten erforderlich noch durch Besonderheiten der steuerlichen Beratung geboten. Der Senat gibt deshalb die entgegenstehende Rechtsprechung des IVa-Zivilsenats auf.

Statt dessen sind die Vertragspflichten der steuerlichen Berater grundsätzlich wie diejenigen anderer Dienstverpflichteter (im Sinne von § 627 BGB) im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages zu bestimmen. Diese verpflichten sich zur sorgfältigen und fachkundigen Beratung sowie Betreuung des Mandanten, insbesondere dazu, daß sie ihrerseits alle Schritte rechtzeitig vorbereiten, die für ein fristgebundenes Handeln ihres Mandanten erforderlich sind. Sie übernehmen jedoch regelmäßig nicht die Gewähr für das rechtzeitige Gelingen des Bemühens. Dementsprechend verpflichtet sich der steuerliche Berater, nach besten Kräften mit Rat und Tat im Rahmen des Zumutbaren mitzuwirken, daß der steuerpflichtige Mandant die festgesetzten Fristen für die Abgabe der Steuererklärung einhalten kann. Er hat rechtzeitig sowie klar und unmißverständlich darauf hinzuweisen, welche bestimmten einzelnen Unterlagen für die ordnungsgemäße Geschäftsbesorgung nötig sind (LG Düsseldorf DStR 1980, 692 f; Gräfe/Lenzen/Rainer aaO Rdn. 294, 305, 712). Auf Unstimmigkeiten in dem ihm vom Mandanten vorgelegten Material muß er achten (vgl. BGH, Urt. v. 5. Oktober 1967 – VII ZR 17/65, VersR 1968, 48, 49 unter 2; Urt. v. 1. Juli 1971 – VII ZR 295/69, WM 1971, 1206 unter 3; Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts der Steuerbevollmächtigten e.V. DStR 1965, 347, 348; Späth aaO Rdn. 139 f). Die wesentlichen tatsächlichen Voraussetzungen muß er durch Rückfragen und Erörterung mit dem Mandanten zu klären versuchen (Späth aaO Rdn. 132). Über notwendige weitere Mitwirkungshandlungen muß er den Mandanten erforderlichenfalls rechtzeitig belehren. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten kann ihn nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig machen. Hingegen gerät er in Verzug mit seiner vertraglichen Hauptpflicht zur Bearbeitung der Steuererklärungen regelmäßig erst, wenn er trotz Mahnung (§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB) fällige Dienstpflichten nicht erfüllt.

3. Auch für eine Unmöglichkeit (§ 280 BGB) der vom Beklagten geschuldeten Anfertigung von Entwürfen für die Steuererklärungen ist hier nichts ersichtlich. Der Beklagte hat sie auf ausdrückliches Verlangen des Klägers im Jahre 1988 nachgeholt. Der Umstand, daß wenigstens für das Jahr 1983 bereits rechtsbeständige Steuerbescheide vorlagen, schloß die nachträgliche Anfertigung als sinnvolle Maßnahme weder rechtlich noch auch nur wirtschaftlich aus. Das Finanzamt hat den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1983 aufgrund der eingereichten Umsatzsteuererklärung 1983 sowie den Einkommensteuerbescheid 1983 wegen anderer neuer tatsächlicher Erkenntnisse zugunsten des Klägers geändert. Soweit infolge der Verspätung Mehrkosten entstanden sind, begründen diese keine Unmöglichkeit, sondern sind in Ermangelung einer vorherigen Mahnung des Klägers gegebenenfalls insoweit zu ersetzen, wie sie auf einer Verletzung der vertraglichen Betreuungspflichten des Beklagten beruhen.

4. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte die erforderlichen Unterlagen für die Anfertigung von Steuererklärungen – beginnend ab 1983 – nicht vor dem 3. Dezember 1986 vom Kläger angefordert. Soweit die Revision demgegenüber rügt, daß die Aussage des Zeugen K. nicht ausdrücklich gewürdigt sei, übersieht sie, daß dieser nach seinen Bekundungen zeitlich erst nach der Zeugin S. und damit nach Mitte Juli 1987 mit dem Kläger verhandelt hat (Sitzungsniederschrift des Kammergerichts v. 2. Juli 1990 = Bl. 239 Rücks. GA i.V.m. S. 4 f der Niederschrift v. 23. Mai 1990 = Bl. 217 Rücks. GA). Unstreitig hat der Beklagte auch nicht für eine Verlängerung der gesetzlichen Fristen zur Abgabe der Steuererklärungen gesorgt. Dann hätte er sogar mit Bezug auf die Einkommensteuererklärung für 1985 den Kläger so rechtzeitig zur Übergabe aller erforderlichen Unterlagen auffordern müssen, daß er die Erklärungsentwürfe – gemäß dem Klageantrag – spätestens noch bis zum 30. September 1986 hätte fertigstellen können. Indem er das unterließ, hat er seine Vertragspflichten fahrlässig verletzt (§ 276 Abs. 1 BGB). Da diese Pflichten unabhängig von der Übergabe der inzwischen gegen den Kläger ergangenen Steuerbescheide bestanden, ist es für das Verschulden des Beklagten, entgegen der Ansicht der Revision, unerheblich, daß ihm die Bescheide nicht ausgehändigt wurden.

Die Unterlassung des Beklagten könnte einen Vermögensschaden des Klägers verursacht haben, wenn dieser auf eine fristgerechte Aufforderung hin dem Beklagten die erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung gestellt hätte. Dafür könnte der Umstand sprechen, daß der Kläger den Beklagten auf dessen konkretes Verlangen letztlich 1988 in die Lage versetzt hat, die Steuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1985 zu fertigen, sei es teilweise auch nur aufgrund von Schätzungen, soweit die Belege des Klägers lückenhaft waren. Jedoch wird das Berufungsgericht abschließend über eine mögliche Schadensursächlichkeit dieser Pflichtverletzungen zu befinden haben.

III.

Das Berufungsgericht schließt ein Mitverschulden des Klägers unter dem Gesichtspunkt, daß er es unterlassen habe, dem Beklagten die auf Schätzungen beruhenden Steuerbescheide vom 15. Mai 1985 – für das Jahr 1983 – vor Ablauf der Widerspruchsfrist vorzulegen, als nicht ursächlich aus. Zur Begründung verweist es auf die nachträgliche Abänderung des bestandskräftig gewordenen Bescheides für 1983 durch das Finanzamt, die aber die angefallenen Säumnis- und Verspätungszuschläge nicht berührt habe. Sodann läßt es ausdrücklich offen, „ob die Ersatzpflicht bezüglich einzelner Schäden nicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu mindern ist, weil der Kläger diese abzuwenden oder zu mindern in der Lage gewesen wäre”. Es meint, diese Frage werde „bei den zukünftig zu entscheidenden Zahlungsansprüchen zu beachten sein, ebenso bei dem bereits im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Zahlungsanspruch im Zusammenhang mit der Bestrafung des Klägers”.

1. Diese Ausführungen können dahin verstanden werden, daß das Berufungsgericht die Prüfung aller anderen möglichen Umstände, die ein Mitverschulden des Klägers begründen könnten, als das verspätete Vorlegen der Bescheide für 1983 einem möglichen künftigen Verfahren über „Zahlungsansprüche” vorbehalten will. Als ein derartiger Umstand kam hier insbesondere in Betracht, daß dem Kläger das Fehlen sämtlicher Steuererklärungen während eines Zeitraums von drei Jahren seit Beauftragung des Beklagten selbst aufgefallen sein muß, ohne daß er deswegen den Beklagten erinnert hätte. Zwar greift der Einwand des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB) dann nicht ein, wenn die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Inhalt des Vertrages dem in Anspruch genommenen Schädiger allein oblag. Deswegen kann es dem vertraglich zu Beratenden im allgemeinen nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein – auf dem bestimmten Gebiet an Wissen überlegener – Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 12. März 1986 – IVa ZR 183/84, WM 1986, 675, 677 unter II 5).

Im vorliegenden Zusammenhang geht es aber nicht um eine fehlerhafte Beratung des Beklagten, auf dessen überlegene Sachkunde der Kläger vertrauen durfte, sondern um eine schlichte Untätigkeit in einem Bereich, den auch der Kläger eigenverantwortlich zu gestalten und überwachen hatte. Jeder Gewerbetreibende muß wissen, daß er in seinem Betrieb Grundaufzeichnungen zu führen und Belege zu sammeln hat (Gräfe/Lenzen/Rainer aaO Rdn. 713 f). Lückenhafte oder fehlerhafte Grundaufzeichnungen hat er zu vertreten (Späth aaO, Rdn. 506 ff; vgl. auch BGH, Urt. v. 30. November 1972 – VII ZR 56/71, WM 1973, 150 f). Die Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung beim Finanzamt trifft ihn, wie oben zu II 1 b ausgeführt, steuerrechtlich unabhängig von einer Beratung selbst (vgl. auch BFH BStBl 1984 II 693 f). Er muß deshalb das Tätigwerden des steuerlichen Beraters wenigstens in einem gewissen Rahmen überwachen (vgl. BGHSt 7, 336, 349; BGH, Urt. v. 18. Juni 1953 – 3 StR 675/52, Deutsche Steuer-Rundschau 1953, 474 f; BFH BStBl 1962 III 493 f; Späth aaO, Rdn. 511). Insoweit hätte insbesondere die Zustellung der auf Schätzung beruhenden Bescheide vom 15. Mai 1985 Anlaß bieten können, auch an die Fertigstellung der Steuererklärungen für 1984 und 1985 zu erinnern.

2. Da das Berufungsgericht diesen auf § 254 Abs. 1 BGB gründenden Mitverschuldenseinwand nicht ausgeräumt hat, rügt die Revision die Entscheidung zutreffend als verfahrensfehlerhaft. Denn beim Erlaß eines Feststellungsurteils über den Grund des Anspruchs darf – anders als bei einem Grundurteil – nicht offenbleiben, ob der Kläger den Eintritt des Schadensereignisses mitverschuldet hat und deshalb einen Teil des ihm entstandenen Schadens selbst tragen muß (BGH, Urt. v. 25. November 1977 – I ZR 30/76, NJW 1978, 544; v. 14. Juni 1988 – VI ZR 279/87, VersR 1988, 1139; Senatsurt. v. 7. Juni 1988 – IX ZR 278/87, WM 1988, 1352, 1355). Davon ist hier auszugehen, weil die unter 1. dargelegten Umstände jeden dem Kläger entstandenen Schaden schon dem Grunde nach mitverursacht haben können. Es geht also nicht nur darum, ob die Höhe einzelner, abtrennbarer Schadensteile von einem Mitverschulden des Klägers im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB beeinflußt ist.

In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch überprüfen müssen, ob der Einkommensteuerbescheid 1983 – von bloßen Verspätungsfolgen abgesehen – in vollem Umfange den vom Kläger nachträglich angefertigten Erklärungen angepaßt worden ist.

IV.

Das nach alledem auf Verfahrens- und Rechtsfehlern beruhende Urteil ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird BGHZ 107, 236, 242 zu berücksichtigen haben.

 

Fundstellen

BGHZ, 382

BB 1991, 2465

NJW 1992, 307

ZIP 1992, 548

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