Entscheidungsstichwort (Thema)

VOB/C. AGB. Vekehrssitte als Auslegungshilfe. Ermittlung durch Gutachter. Anwendung DIN 18332 bei isoliert beauftragten Wärmedämmarbeiten. Aufmaß. Begutachtung durch Bausachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Abrechnungsregelungen der VOB/C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (hier DIN 18299 Abschnitt 5 und DIN 18332 Abschnitt 5).

b) Bei der Auslegung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen kommt der Verkehrssitte maßgebliche Bedeutung zu, wenn Wortlaut und Sinn der Regelung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Kommentierungen der VOB/C sind grundsätzlich keine geeignete Hilfe zu deren Auslegung.

c) Aus Wortlaut und Sinn der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob DIN 18332 Naturwerksteinarbeiten auch dann Anwendung findet, wenn Wärmedämmarbeiten für eine Natursteinfassade isoliert in Auftrag gegeben werden.

d) Auf welcher vertraglichen Grundlage das Aufmaß zu nehmen ist, ist eine Rechtsfrage und daher einer Begutachtung durch einen Bausachverständigen nicht zugänglich.

e) Die Ermittlung, ob eine Verkehrssitte besteht, kann dem Gutachter übertragen werden.

 

Normenkette

AGBG § 5; VOB/C DIN 18299 Abschn. 5; DIN 18332 Abschn. 5; ZPO §§ 286, 404

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 13.02.2003; Aktenzeichen 13 U 152/02)

LG Stuttgart

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 13.2.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn für Dämmarbeiten.

Die Beklagte wurde mit der Errichtung einer Natursteinfassade beauftragt. Sie schloss mit der Klägerin als Nachunternehmerin auf der Grundlage eines gesondert angefertigten Leistungsverzeichnisses einen Einheitspreisvertrag über die Erstellung der Wärmedämmung. Die VOB/B wurde vereinbart. Die Leistungen der Klägerin sind fertig gestellt. Die Schlussrechnung der Klägerin hat die Beklagte gekürzt, weil sie der Auffassung ist, das Aufmaß für die Wärmedämmung müsse auf der Grundlage der DIN 18299 Abschnitt 5 nach den Flächen der Wärmedämmung erstellt werden. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, das Aufmaß sei auf der Grundlage der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 nach den Außenmaßen der Fassadenbekleidung zu nehmen.

Die auf Zahlung von 19.612,57 EUR gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Die Beklagte verfolgt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin dürfe die Wärmedämmarbeiten nach DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 abrechnen. Die DIN-Normen neuester Fassung und die VOB/B und damit auch die Allgemeinen Technischen Bedingungen für Bauleistungen seien zum Gegenstand des Vertrages gemacht worden. Die vom Sachverständigen geteilte Auffassung des LG, die Wärmedämmarbeiten könnten auch dann nach der DIN 18332 abgerechnet werden, wenn sie isoliert beauftragt würden, scheine richtig. Der Wortlaut des Abschnitts 5.1.1.3, wonach bei Fassaden die Maße der Bekleidung zu Grunde zu legen seien, lasse diese Auslegung zu. Denn zur Fassade gehörten auch die erforderlichen Nebenleistungen. Einigkeit bestehe darüber, dass die Dämmarbeiten jedenfalls dann nach dem Maße der Bekleidung abzurechnen seien, wenn sie gemeinsam mit den Natursteinarbeiten in Auftrag gegeben würden. Das mache einen Sinn, weil die Abrechnung dadurch vereinfacht werde. Dieser Zweck greife auch bei einer isolierten Beauftragung. Es könne nicht beabsichtigtes Ziel der Norm sein, dem Unternehmer eine komplizierte und aufwendigere Art der Abrechnung aufzuerlegen, der nur einen Ausschnitt aus der Gesamtleistung mit geringeren wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erbringen habe.

Der Einholung eines Obergutachtens bedürfe es nicht. Es bestehe kein Anlass, der Frage nachzugehen, ob ein Brauch oder ein Gewohnheitsrecht bestehe, nach DIN 18332 abzurechnen. Soweit der Privatgutachter K. DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.1. anwenden wolle, überzeuge das nicht, weil Abschnitt 5.1.1.3. auch nach dessen Auffassung für Fassadenarbeiten spezieller sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, dass die VOB/B in den Vertrag einbezogen worden ist. Damit sind die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Vertragsbestandteil, § 1 Nr. 1 S. 2 VOB/B.

2. Die ATV sind im Teil C der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zusammengefasst. Sie bestehen aus Allgemeinen Regelungen für Bauarbeiten jeder Art und aus Regelungen für spezifische Gewerke. Außerdem führen sie eine DIN-Bezeichnung mit der Benennung des jeweiligen Gewerkes. DIN 18299 enthält die Regelungen für Bauarbeiten jeder Art. Die DIN 18300 ff. enthalten die gewerkespezifischen Regelungen. Sowohl die DIN 18299 als auch die DIN 18300 ff. enthalten in ihrem fünften Abschnitt Regelungen zur Abrechnung.

3. Das Berufungsgericht hat einen Handelsbrauch, § 346 HGB, oder eine allgemeine Verkehrssitte, § 157 BGB, wonach die Abrechnung der Wärmedämmung auch ohne Einbeziehung der ATV nach den Maßen der Außenbekleidung erfolgt, nicht festgestellt (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1980 - VIII ZR 178/79, MDR 1981, 47 = WM 1980, 1122). Es stützt sein Ergebnis vielmehr allein auf die Auslegung der in den Vertrag einbezogenen ATV.

4. Nach § 2 Nr. 2 VOB/B wird die Vergütung nach den vertraglichen Einheitspreisen und den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet. Nach der allgemeinen Regelung der DIN 18299 Abschnitt 5 ist die tatsächlich ausgeführte Leistung aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Leistung aufzumessen. Diese Abrechnungsregel ist anwendbar, wenn die nachfolgenden gewerkespezifischen ATV keine besondere Regelung für die Abrechnung der Wärmedämmarbeiten vorsehen.

Die Klägerin beruft sich auf die Regelung in DIN 18332 Naturwerksteinarbeiten Abschnitt 5.1.1.3. Danach sind bei der Ermittlung der Leistung, gleichgültig, ob sie nach Zeichnung oder nach Aufmaß erfolgt, bei Fassaden die Maße der Bekleidung zu Grunde zu legen. Abschnitt 5.1.1.1 sieht vor, dass bei Innenbekleidungen..., Dämmschichten,... die Maße der zu bekleidenden Fläche zu Grunde zu legen sind.

5. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie lässt das objektive Verständnis der beteiligten Verkehrskreise zu Unrecht außer Acht.

a) Die Abrechnungsregelungen der ATV enthalten vertragsrechtliche Regelungen. Sie nehmen Einfluss auf die Art der Abrechnung, § 14 Nr. 2 S. 2 VOB/B. Damit bestimmen sie auch den Preis für die erbrachte Leistung. Sie sind wegen ihrer vertragsrechtlichen Bedeutung Allgemeine Geschäftsbedingungen (Beck'scher VOB-Komm. Teil C/Motzke, Syst IV, Rz. 105; Vogel, Syst V Rz. 17; Kuffer, Syst VII Rz. 17; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, 4. Aufl., Rz. 146; Grauvogl, Jb. Baurecht 1998, 315, 331). Die Auslegung der Abrechnungsregelungen hat nach Grundsätzen zu erfolgen, die die Rechtsprechung zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelt hat.

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach objektiven Maßstäben so auszulegen, wie an den geregelten Geschäften typischerweise beteiligte Verkehrskreise sie verstehen können und müssen (BGH, Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 14/03 m.w.N.). Dabei kann eine Differenzierung nach unterschiedlichen Verkehrskreisen geboten sein (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rz. 16m.N. zur Rspr.). Werden die ATV in Verträgen zwischen Bauunternehmern vereinbart, so ist das den Wortlaut sowie den Sinn und Zweck der Regelung berücksichtigende, redliche Verständnis der Vertragspartner des Baugewerbes maßgebend.

c) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, dass es von dieser Auslegungsregel ausgegangen ist. Vielmehr orientiert sich das Berufungsgericht in erster Linie an der persönlichen Auffassung eines Sachverständigen.

aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass sich aus dem Wortlaut der ATV nicht eindeutig entnehmen lässt, ob die DIN 18332 anwendbar ist, wenn Wärmedämmarbeiten isoliert beauftragt werden. Die DIN 18332 betrifft nach ihrer Benennung Natursteinarbeiten. Dämmarbeiten sind keine Natursteinarbeiten. Andererseits enthält die DIN 18332 Regelungen zur Dämmung im Zusammenhang mit Natursteinarbeiten, sowohl hinsichtlich der Stoffe (2.4) als auch hinsichtlich der Ausführung (3.5). Danach ist es nach dem Wortlaut der ATV nicht ausgeschlossen, dass die DIN 18332 auch für Dämmarbeiten als Grundlage von Natursteinarbeiten anwendbar ist, wenn diese isoliert vergeben werden.

bb) Aus Sinn und Zweck der Abrechnungsregel der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 lässt sich nichts Entscheidendes herleiten. Allein das Interesse an einer vereinfachten Abrechnung, wie sie DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 vorsieht, rechtfertigt nicht die Anwendbarkeit der DIN 18332.

cc) Bei der Auslegung der ATV kommt der Verkehrssitte jedenfalls dann eine maßgebliche Bedeutung zu, wenn die ATV in ihrem Wortlaut nicht eindeutig ist und auch der Sinn und Zweck der Regelung einen eindeutigen Regelungsgehalt nicht erkennen lässt. Beide Parteien haben behauptet, die von ihnen favorisierte Abrechnung sei in der Natursteinbranche verkehrsüblich. Sie haben damit auch behauptet, dass im Baugewerbe die ATV in dem jeweils von ihnen vertretenen Sinn verstanden werden. Das Berufungsgericht durfte diese Behauptungen nicht unberücksichtigt lassen.

Das LG hat darüber Beweis erhoben, ob die Schlussrechnung der Klägerin prüffähig und sachlich richtig ist. Das Berufungsgericht hat lediglich ergänzende Stellungnahmen eingeholt. Diese Beweiserhebung ist verfahrensfehlerhaft. Die von den Parteien aufgeworfene Frage, auf welcher vertraglichen Grundlage das Aufmaß zu nehmen ist, ist eine Rechtsfrage. Diese Rechtsfrage ist einer Begutachtung durch einen Bausachverständigen nicht zugänglich.

Die Vorgerichte wären nicht gehindert gewesen, zur Ermittlung der notwendigen tatsächlichen Grundlagen für die von ihnen vorzunehmende Auslegung der ATV Beweis darüber zu erheben, wie die herangezogenen ATV im Baugewerbe verstanden werden. Diese Beweisfrage kann auch durch ein Gutachten eines Bausachverständigen beantwortet werden (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1995 - VII ZR 143/93, MDR 1995, 1011 = BauR 1995, 538 = ZfBR 1995, 191). Der Gutachter muss die Beweisfrage frei von nicht belegbaren Wertungen beantworten und darlegen, auf welcher Grundlage er der Auffassung ist, dass ATV im Baugewerbe in einem bestimmten Sinne verstanden werden. Dazu muss er, wenn nicht bereits Stellungnahmen der beteiligten Verkehrskreise oder z.B. der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammern vorliegen, in geeignetem Umfang Erkundigungen einholen und diese Quellen offen legen. Eine Kommentierung der VOB/C in der Literatur, wie sie z.B. von Franz in Damerau/Tauterat, VOB im Bild, Hochbau- und Ausbauarbeiten, vorgenommen wird, ist grundsätzlich nicht maßgebend für das objektive Verständnis der ATV. Sie ist nur dann eine geeignete Hilfe für deren Auslegung, wenn sie vom Baugewerbe als maßgebliche Darstellung akzeptiert wird und deshalb das objektive Verständnis der ATV wiedergibt.

d) Der Senat ist auf der Grundlage der bisherigen Beweiserhebung nicht in der Lage, selbst zu entscheiden. Die Ausführungen des Sachverständigen und die sonstigen Unterlagen bieten keine hinreichende Grundlage für eine Entscheidung darüber, wie die ATV auszulegen sind.

aa) Der Sachverständige hat die Anwendung der DIN 18332 im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der Leistung der Beklagten um Fassadenarbeiten handelt. Im Grundsatz seien die Abrechnungsregeln für Fassaden identisch in der DIN 18351 Abschnitt 5.1.1 und der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3. In der Praxis bedeute die Kommentierung in Damerau/Tauterat, VOB im Bild, zu diesem Punkt, die Fassade sei im Paket aufzumessen. Das gelte auch für den Fall, dass die Dämmung isoliert vergeben würde. Etwas anderes hätte in den Ausschreibungsunterlagen klargestellt werden müssen. Eine Abrechnung der Dämmung nach Aufmaß sei nur mit einem verhältnismäßig hohen Aufwand möglich. Nicht zuletzt, um einen unverhältnismäßigen Abrechnungsaufwand auszuschließen, seien die Abrechnungsregeln der VOB Teil C und die Erläuterungen der VOB im Bild geschaffen worden.

Auf die Frage, welche Art der Abrechnung verkehrsüblich sei, hat der Sachverständige erwidert, es werde das als verkehrsüblich zu erachten sein, was eben die VOB vorschreibe. Dazu habe er Stellung genommen. Zudem hat er erklärt, im Falle solcher Fassaden sei ihm noch nie etwas anderes als die Abrechnung der Klägerin vorgekommen. Fassadenarbeiten seien zwar nicht ausgesprochen seine Spezialität, er komme aber immer wieder bei verschiedenen Bauvorhaben mit Fassaden in Berührung.

bb) Mit seinen Ausführungen hat der Sachverständige zu dem vorrangig zu klärenden Punkt, ob die DIN 18332 auch dann anwendbar ist, wenn die Dämmarbeiten isoliert vergeben werden, lediglich seine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte Rechtsauffassung wiedergegeben. Die Ausführungen belegen nicht, dass im Baugewerbe die DIN 18332 auch bei isolierter Beauftragung der Wärmedämmarbeiten für anwendbar gehalten wird. Die Beklagte hat dargelegt, dass diese Abrechnung zu einer erheblichen Abweichung von den tatsächlichen Leistungen zu Lasten des Auftraggebers führt und die Zweckmäßigkeitserwägungen beim Bau einer kompletten Fassade nicht zwingend auch dann greifen, wenn die Wärmedämmung isoliert in Auftrag gegeben wird. Hinzu kommt, dass der Privatgutachter K. jedenfalls das Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens nicht geteilt hat. Dieser hat seine gutachterliche Stellungnahme unter dem Briefkopf des Fachverbandes "Deutscher Naturwerkstein-Verband e.V." abgegeben. Seiner Stellungnahme ist zu entnehmen, dass die Abrechnung nach Abschnitt 5.1.1.3 nicht ungeteilte Zustimmung im Baugewerbe findet. Sie deutet auf die Möglichkeit hin, dass DIN 18332 überhaupt nicht für anwendbar gehalten wird. So ist erklärlich, dass Herr K. die Regelung der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.1 nur "entsprechend" angewandt wissen will. Das Berufungsgericht hat den Hinweis auf die "entsprechende" Anwendung missachtet und so einen Widerspruch in der gutachterlichen Stellungnahme angenommen.

cc) Auch die sonstigen in den Akten befindlichen Stellungnahmen verschaffen nicht den Eindruck, dass die DIN 18332 in dem von der Klägerin gewollten Sinne verstanden wird. Nach Damerau/Tauterat, VOB im Bild, Hochbau- und Ausbauarbeiten, 16. Aufl., S. 114, sind mit der Herstellung der Fassade verlegte Dämmschichten, Trag- und Unterkonstruktionen grundsätzlich mit den Maßen der Fassadenbekleidung abzurechnen. Dabei sei ohne Bedeutung, ob diese in einer oder verschiedenen Leistungspositionen vorgegeben seien. Maßgebend sei, dass die Leistung als einziger Auftrag vergeben sei. Nichts anderes kann der mündlichen Stellungnahme des Bearbeiters der "VOB im Bild" Franz ggü. dem gerichtlichen Sachverständigen entnommen werden. Danach ist ungeachtet des Umstandes, dass die Kommentierung der ATV grundsätzlich nicht maßgebend für deren objektives Verständnis ist, lediglich gesagt, dass bei einer einheitlichen Beauftragung von Fassaden und Wärmedämmung eine Abrechnung nach einheitlichen Maßen stattfindet.

Auf die von der Revision eingeführten weiteren Stellungnahmen des Herrn Franz, die letztlich auf seine Kommentierung der VOB im Bild Bezug nehmen, kommt es nicht an.

III.

Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es erhält Gelegenheit, die Auslegung der ATV erneut vorzunehmen und die dafür notwendigen Grundlagen, möglicherweise durch Einholung von Stellungnahmen der beteiligten Verkehrskreise oder des Gutachtens eines anderen Sachverständigen, zu ermitteln. Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens der Auffassung, dass DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 und nicht Abschnitt 5.1.1.1 anzuwenden ist. Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen, wie sie der Senat zur Anwendung der DIN 18332 auf eine isolierte Beauftragung der Wärmedämmung angestellt hat. Der Sachverständige hat im Wesentlichen Zweckmäßigkeitserwägungen angestellt. Dabei hat er sich über den Wortlaut der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.1 hinweggesetzt. Danach findet bei Dämmschichten eine Abrechnung nach der zu belegenden Fläche statt. Inwieweit nach der Verkehrssitte diese Abrechnungsregelung entgegen ihrem Wortlaut bei Fassadenarbeiten außer Kraft gesetzt ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Der Umstand, dass die ATV eine vereinfachte Abrechnung bezwecken, zwingt nicht dazu, die Dämmschicht bei Fassaden nach dem Maße der Bekleidung abzurechnen. Auch die in Abschnitt 5.1.1.1 vorgesehene Abrechnung nach dem Maß der zu belegenden Fläche erlaubt im Zusammenspiel mit den Regelungen der 5.1.3 und 5.2 eine vereinfachte Abrechnung, die im Übrigen der tatsächlichen Leistung näher kommt, als die Abrechnung nach dem Maße der Bekleidung.

b) Zweifel bei der Auslegung der ATV gehen nach § 5 AGBG zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung gilt sowohl für die Frage, ob im Gesamtsystem der VOB/C die Regelung der DIN 18299 Abschnitt 5 oder der DIN 18332 eingreift, als auch für die Frage, ob bei Anwendung der DIN 18332 deren Abschnitt 5.1.1.1 oder Abschnitt 5.1.1.3 anwendbar ist.

c) Der Senat weist weiter vorsorglich darauf hin, dass nach der gebotenen Aufklärung des Verständnisses der ATV eine erneute Zulassung der Revision nicht geboten ist. Das Berufungsgericht hat keine Divergenzen aufgezeigt, die es rechtfertigen könnten, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Ebenso wenig begründet allein der Umstand, dass der BGH über die Auslegung einer ATV noch nicht entschieden hat, die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Abschnitt 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1193379

BGHR 2004, 1273

BauR 2004, 1438

DWW 2004, 234

NJW-RR 2004, 1248

EWiR 2004, 1113

IBR 2004, 487

IBR 2004, 550

MDR 2004, 1180

ZfBR 2004, 778

BrBp 2004, 464

NJW-Spezial 2004, 215

NZBau 2004, 500

BBB 2004, 58

FSt 2005, 230

JbBauR 2005, 327

JbBauR 2005, 375

ProzRB 2004, 303

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