Leitsatz (amtlich)

1. Für die Begründung der Kaufmannseigenschaft nach HGB § 1 Abs 2 Nr 8 ist die gewerbsmäßige Tätigkeit einer Verbreitung und Verwertung von Druckwerken entscheidend. Der Abschluß von Verlagsgeschäften iS des Gesetzes über das Verlagsrecht vom 1901-06-19 (VerlG) ist nicht erforderlich.

2. Ist ein Handelsgewerbe von Anfang an auf einen vollkaufmännischen Betrieb angelegt und steht die alsbaldige Entfaltung zu einem Großbetrieb bevor, so handelt es sich um ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe.

3. Bei einer offenen Handelsgesellschaft, die auf unbestimmte Zeit eingegangen ist, kann das ordentliche Kündigungsrecht auf bestimmte Zeit ausgeschlossen werden. Die Zeitdauer für einen solchen Ausschluß muß nicht kalendermäßig festgelegt werden, sie kann sich auch nach den Besonderheiten der einzelnen Gesellschaft aus dem Gesellschaftszweck ergeben.

4. Bei einer in Abwicklung befindlichen offenen Handelsgesellschaft kann ein Gesellschafter einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch im eigenen Namen geltend machen, wenn es sich bei diesem Anspruch um den letzten Vermögenswert der Gesellschaft handelt und der Vermögenswert nach dem Auseinandersetzungsverfahren diesem Gesellschafter allein zukommt.

 

Tatbestand

Im Sommer 1945 vereinbarten der Kläger und der beklagte Ehemann, gemeinsam einen Adreßbuchverlag ins Leben zu rufen. Sie beantragten hierzu eine vorläufige Arbeitserlaubnis der Militärregierung, die ihnen am 27. September 1945 von der Publication Section erteilt wurde. Der Beklagte war früher jahrelang als Vertreter von Adreßbuchverlagen tätig gewesen und ging schon seit längerem mit der eigenen Herausgabe solcher Werke um; er sollte die fachmännische Leitung des neuen Verlags übernehmen. Dem Kläger, der von einem jüdischen Elternteil abstammt und Inhaber einer Fahrradgroßhandlung war, sollte die kaufmännische Leitung zufallen. Vereinbart war eine Einlage von zunächst je 9.000 RM und hälftige Teilung des Gewinns. Am 29. Oktober 1945 meldeten der Kläger und der beklagte Ehemann den „Adreßbuchverlag E. und K.” beim Gewerberegister an. Am 1. Dezember 1945 wurde eine Bürokraft für den Verlag angestellt, am 2. Januar 1946 eine zweite. Im Dezember 1945 führten die Parteien Besprechungen mit Druckereien wegen Übernahme der anfallenden Druckarbeiten sowie mit einem Hauseigentümer und einem Bauunternehmer über Abmietung und Instandsetzung von Büroräumen; diese wurden sodann Anfang Januar 1946 bezogen. Am 2. Januar 1946 wurde eine größere Anzahl Vertreter eingestellt und unterwiesen, die alsbald mit der Werbetätigkeit begannen. Am 7. Januar 1946 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem beklagten Ehemann. Am gleichen Tage wurde entsprechend einem schon am 5. Januar 1946 gegebenen Auftrag des Beklagten das Büro des Unternehmens in die Wohnung der Beklagten verlegt. Der beklagte Ehemann wies das Personal und die Vertreter an, ausschließlich nach seinen Weisungen zu arbeiten und dem Kläger keine Aufschlüsse mehr zu erteilen. Am 8. Januar 1946 gründeten die beiden Beklagten ohne Verständigung des Klägers eine offene Handelsgesellschaft „Bayerischer Adreßbuchverlag A. und H. K.” und setzten in der Folgezeit die Vorbereitungen zur Herausgabe eines Fernsprechbuchs und eines Handels- und Gewerbeadreßbuchs für Bayern gemeinschaftlich fort. Auch die begonnene Werbung von Inserenten und Buchbestellern wurde für die neue Gesellschaft der Beklagten weitergeführt. Zwischen den Streitteilen fanden noch weitere Verhandlungen über ein Ausscheiden des Klägers aus der bisherigen Gesellschaft gegen Abfindung statt. Zu einer Einigung kam es nicht. Am 28. Februar 1946 zahlte der Beklagte die vom Kläger geleistete Einlage von 9.000 RM zuzüglich einer Vergütung von 500 RM an diesen zurück. Am 20. März 1946 antwortete der Kläger, daß er ein Ausscheiden aus der Firma ohne dahingehende Vereinbarungen ablehne und die 9.500 RM dem Beklagten zur Verfügung stelle. Mit Schreiben vom 30. März 1946 kündigte der beklagte Ehemann dem Kläger „die seinerzeit geschlossene Gesellschaft des bürgerlichen Rechts” und teilte ihm mit, daß die Konten der Gesellschaft aufgelöst und weder Guthaben noch Verbindlichkeiten vorhanden seien. Durch Schreiben seines Anwalts vom 3. Mai 1946 wies der Kläger die Kündigung als zur Unzeit erfolgt zurück und erklärte, daß er bis zur Herausgabe des Adreßbuchs Mitgliedschafter bleibe. Die beiden Beklagten setzten die Verlagstätigkeit allein fort. Im August 1947 brachten sie die erste Auflage des Fernsprechbuchs für Bayern, im Dezember 1948 die erste Auflage des Handels- und Gewerbeadreßbuchs für Bayern heraus.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagten ihm gemeinsam für allen Schaden verantwortlich seien, der ihm aus den unerlaubten Handlungen im Zusammenhang mit der Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses entstanden sei.

Das Landgericht hat dem Feststellungsbegehren mit der Einschränkung entsprochen, daß die Beklagten dem Kläger zum Schadensersatz in Höhe des Auseinandersetzungsanspruchs verpflichtet seien, der dem Kläger im Falle der Übernahme des Adreßbuchverlages durch den beklagten Ehemann am 31. Dezember 1946 zugestanden haben würde. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung dahin erweitert, daß die Beklagten dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet seien, der ihm dadurch entstanden sei, daß der vom Kläger und dem beklagten Ehemann gegründete Adreßbuchverlag in der Zeit vom 8. Januar 1946 bis zum 31. Dezember 1948 ihrer Gesellschaft entzogen gewesen sei. Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Kläger hatte in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht seine zunächst nur gegen den Ehemann gerichtete Klage auch auf dessen Ehefrau erweitert. Ausweislich des Sitzungsprotokoll hat der Prozeßbevollmächtigte des beklagten Ehemanns daraufhin erklärt, daß er auch dessen Ehefrau vertrete und der Klageerweiterung wegen fehlender Sachdienlichkeit widerspreche. Sodann hat er als Vertreter der beklagten Partei seinen Klageabweisungsantrag gestellt. Die Revision meint, daß angesichts dieses Sachverhalts das Gericht eine Entscheidung darüber hätte treffen müssen, ob es die Klagerweiterung als Klagänderung für sachdienlich erachte. Ferner hätte das Berufungsgericht das gegen die beklagte Ehefrau gerichtete Urteil des Landgerichts schon deshalb aufheben müssen, weil diese zur mündlichen Verhandlung überhaupt nicht geladen gewesen sei, ihr gegenüber die Ladungs- und Einlassungsfrist nicht gewahrt worden sei und sie schließlich überhaupt keinen Sachantrag gestellt habe.

Diese Verfahrensrügen der Revision sind unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision bedarf es keiner besonderen Begründung, wenn eine Klagänderung als sachdienlich zugelassen wird. Es genügt, wenn sich aus dem Gesamtinhalt der Urteilsgründe hinreichend deutlich ergibt, daß die Klagänderung als sachdienlich angesehen wird (RGZ 155, 229). Diesem Erfordernis ist vorliegendenfalls entsprochen, da die getroffene Feststellung gegenüber der Ehefrau die Zulassung der gegen sie gerichteten Klagerweiterung voraussetzt. Einer besonderen Erörterung der Zulassung in den Urteilsgründen bedurfte es daher nicht. Des weiteren kann auch darin, daß die Ehefrau zur mündlichen Verhandlung über die Klagerweiterung nicht geladen und ihr gegenüber auch die Ladungs- und Einlassungsfrist nicht gewahrt worden ist, kein prozessualer Verstoß erblickt werden, der dem Urteil des Berufungsgerichts anhaftet. Denn ein Mangel der Klagerhebung, wie etwa die fehlende Zustellung, kann geheilt werden, wenn der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erscheint und sich auf die Verhandlung ohne Rüge des Mangels (§ 295 ZPO) einläßt (Stein-Jonas Kom ZPO § 295 IV, 1; Baumbach-Lauterbach Kom ZPO § 264, 2 C). Eine solche Heilung der mangelhaften Klagerhebung ist hier eingetreten. Die Ehefrau hat durch ihren Prozeßbevollmächtigten nicht gerügt, daß sie nicht geladen worden ist und die gesetzlichen Fristen ihr gegenüber nicht gewahrt worden sind. Sie hat vielmehr entgegen der Ansicht der Revision durch ihren Prozeßbevollmächtigten zur Sache verhandelt und einen ordnungsgemäßen Antrag gestellt. Denn daß der Antrag des Vertreters „der beklagten Partei” auch die Stellung eines Antrages in ihrem Namen umfaßt, kann nicht zweifelhaft sein, nachdem der Prozeßbevollmächtigte zuvor erklärt hatte, daß er auch die beklagte Ehefrau vertrete.

II. Das Berufungsgericht ist der Meinung, daß die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem beklagten Ehemann als ein Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft zu beurteilen sei. Die Herausgabe von Adreß- und Telefonbüchern stelle ein Handelsgewerbe iS des § 1 Abs 2 Nr 8 HGB dar. Dieses Handelsgewerbe sei auch über den Umfang eines Kleingewerbes (§ 4 HGB)) hinausgegangen, da für dieses zum mindesten seit dem 2. Januar 1946 vollkaufmännische Einrichtungen erforderlich gewesen seien.

1. Die Revision stellt in diesem Zusammenhang zunächst die Auffassung des Berufungsgerichts zur Nachprüfung, daß der Adreßbuchverlag ein Handelsgewerbe iS des § 1 Abs 2 Nr 8 HGB sei. Gegen diese Auffassung bestehen jedoch keine Bedenken. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, daß es nicht ein Erfordernis der Verlagsgeschäfte des § 1 Abs 2 Nr 8 HGB ist, daß der Unternehmer Verlagsverträge iS des Gesetzes über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901 abschließt L (RGZ 5, 67; Düringer-Hachenburg-Geiler Kom HGB 3. Aufl § 1 Bem 44; Ritter Kom HGB § 1 Bem 6 Nr 8; Würdinger in RGRK HGB § 1 Bem 48; etwas einschränkend Wieland, Handelsrecht I S 77). Es ist insbesondere nicht erforderlich, daß der Unternehmer urheberrechtlich geschützte Werke herausgibt. Wesentlich für die Anwendung des § 1 Abs 2 HGB ist vielmehr die gewerbsmäßige Verbreitung und Verwendung von Druck- oder Kunstwerken, da allein diese Tätigkeit für die Begründung der Kaufmannseigenschaft von Bedeutung ist. Es ist daher in diesem Zusammenhang ohne Belang, ob die Sammlung und Veröffentlichung von Adressenmaterial und ihre Verbindung mit Reklamemaßnahmen, wie die Revision hervorhebt, etwa keine verlegerische Tätigkeit sei. Es genügt, daß in einem Adreßbuchverlag, der sich mit der Herausgabe und der Verbreitung von Adreß- und Telefonbüchern befaßt, die für die Kaufmannseigenschaft entscheidende gewerbsmäßige Tätigkeit einer Verbreitung und Verwertung von Druckwerken vorliegt.

2. Des weiteren können entgegen der Auffassung der Revision auch keine Bedenken dagegen erhoben werden, daß das Berufungsgericht hier das Vorliegen eines Kleingewerbes verneint hat. Es ist allerdings im allgemeinen davon auszugehen, daß es für die Frage, ob ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe oder ein Kleingewerbe vorliegt, auf die Verhältnisse ankommt, wie sie sich in dem jeweils maßgeblichen Zeitpunkt darstellen, und daß es nicht von Bedeutung ist, ob sich das Geschäft später zu einem vollkaufmännischen Betrieb entwickeln kann. Denn die bloße Möglichkeit einer solchen Entwicklung, die im übrigen bei dem selbstverständlichen Wunsch eines jeden Kaufmanns nur selten auszuschließen sein wird, kann einen zur Zeit vorliegenden Kleinbetrieb noch nicht zu einem vollkaufmännischen Betrieb machen (RG JW 1908, 149; KG in OLGE 7, 146; 14, 331; Würdinger aaO § 4 Bem 17; Düringer-Hachenburg-Geiler aaO § 4 Bem 11). Etwas anderes muß jedoch dann gelten, wenn daß Gewerbe von Anfang an auf einen vollkaufmännischen Betrieb angelegt ist und die alsbaldige Entfaltung zu einem Großbetrieb bevorsteht (Düringer-Hachenburg-Geiler aaO; Würdinger aaO); denn auch die Vorbereitungstätigkeit gehört schon zum Gewerbebetrieb, so daß auch ein erst in der Entwicklung befindlicher Betrieb als vollkaufmännischer Betrieb angesehen werden kann, wenn eine solche Entwicklung der Anlage eines solchen Betriebes entspricht und genügend zuverlässige Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß das Unternehmen eine entsprechende Ausgestaltung und Einrichtung in Kürze erfahren wird (KG in OLG 43, 203). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gesichtspunkte ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht im vorliegenden Fall einen vollkaufmännischen Betrieb zum mindesten seit dem 2. Januar 1946 angenommen hat (wird ausgeführt).

Schließlich bemängelt die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem beklagten Ehemann sei als ein Gesellschaftsvertrag anzusehen, der die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft zum Inhalt habe. Dieser Auffassung, so meint die Revision, stehe die übereinstimmende Beurteilung der Parteien entgegen, die noch während des Prozesses gemeinsam von dem Vorliegen lediglich einer bürgerrechtlichen Gesellschaft ausgegangen seien. Das Berufungsgericht hat jedoch dieser Beurteilung beider Parteien mit Recht keine selbständige Bedeutung beigemessen. Es besteht im Schrifttum Einigkeit darüber, daß es in diesem Punkt nicht auf die Beurteilung der Vertragschließenden ankommt. Sind die objektiven Voraussetzungen für das Vorliegen einer offenen Handelsgesellschaft gegeben, so ist es ohne Belang, ob die Beteiligten für ihren gesellschaftlichen Zusammenschluß auch die Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft gewollt haben oder nicht (Weipert, RGRK HGB § 105 Bem 15; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft § 1 II). Das Vorliegen einer offenen Handelsgesellschaft ist in diesem Fall unabhängig von dem Willen der Vertragschließenden.

III. …

IV. In seinen weiteren Ausführungen legt das Berufungsgericht dar, daß die am 30. März 1946 ausgesprochene Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses entgegen der Ansicht des Landgerichts die Auflösung der Gesellschaft nicht zum 31. Dezember 1946 herbeigeführt habe. Zwar müsse nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages davon ausgegangen werden, daß die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit eingegangen sei und daher nicht etwa einer ordentlichen Kündigung überhaupt entzogen gewesen sei. Dagegen müsse nach den besonderen Verhältnissen dieser Gesellschaft angenommen werden, daß die ordentliche Kündigung für einen bestimmten Zeitraum durch stillschweigende Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen worden sei. Für das Vorliegen eines solchen Ausschlusses spreche entscheidend, daß das Verlagsunternehmen vor dem Erscheinen der geplanten Werke die Arbeitskraft und in sehr erheblichen Ausmaß auch die Mittel der Gesellschafter in Anspruch nehmen mußte und ihnen unzumutbare Verluste zugefügt haben würde, wenn die Gesellschaft vor dem Erscheinen der ersten der beiden Verlagswerke ohne Fortführung des Geschäftsunternehmens aufgelöst worden wäre. Bei dieser Sachlage müsse nach dem vernünftigerweise vorauszusetzenden Willen der beiden Gesellschafter der stillschweigende Ausschluß der ordentlichen Kündigung bis zu diesem Zeitpunkt angenommen werden. In seinen weiteren, im wesentlichen tatsächlichen belegten Darlegungen kommt das Berufungsgericht sodann unter entsprechender Berücksichtigung der Entwicklung, die der Geschäftsbetrieb der Beklagten genommen hat, zu dem Ergebnis, daß als dieser Zeitpunkt der 31. Dezember 1948 in Betracht komme und daß daher die Kündigung des Beklagten erst zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaft zur Auflösung gebracht habe.

Die Revision meint, daß es gemäß § 723 Abs 3 BGB unzulässig sei, bei einer auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Gesellschaft das ordentliche Kündigungsrecht für eine kalendermäßig und auch sonst nicht bestimmte Zeit auszuschließen. Mit dieser Auffassung verkennt die Revision die Bedeutung der Ausführungen des Berufungsgerichts, ohne daß es in diesem Zusammenhang einer abschließenden Stellungnahme zu der streitigen Frage bedarf, ob die Vorschrift des § 723 Abs 3 BGB überhaupt auf die offene Handelsgesellschaft Anwendung finden muß oder nicht.

Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Meinung vertreten, daß auch bei einer Gesellschaft, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist, die ordentliche Kündigung für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen werden kann (RGZ 82, 399; 95, 151; 156, 134; DR 1939, 1521; SeuffA 94 Nr 56). Diese Auffassung, der sich auch das Schrifttum im wesentlichen angeschlossen hat (vgl statt anderen RGRK BGB § 723 Bem 3; Weipert aaO § 132 Bem 15; Hueck aaO § 24 I, 1), steht nicht im Widerspruch zu der Vorschrift des § 723 Abs 3 BGB, da sich diese Vorschrift nicht auf zeitliche Beschränkungen, sondern nur auf andere Erschwerungen oder den völligen Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechts bezieht. Bei dem Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechts, der bei einer Gesellschaft auf unbestimmte Zeit für eine bestimmte Zeit vereinbart ist, ist es nicht notwendig, daß der fragliche Zeitraum oder Zeitpunkt kalendermäßig bestimmt ist (RGZ 95, 151; Weipert aaO). Es genügt auch jede andere Festlegung dieses Zeitraumes oder Zeitpunkts, wenn sie nur im einzelnen Fall genügend bestimmbar ist. Dabei kann sich eine solche Festlegung nach der Art des Gesellschaftszwecks richten. Insbesondere kann darauf abgestellt werden, daß bei einem Verlagsunternehmen der vorliegenden Art nicht vor der Herausgabe bestimmter, zunächst geplanter Werke eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden darf.

V. Das Berufungsgericht entnimmt aus seinen vorstehend dargelegten rechtlichen Ausführungen, daß sich der beklagte Ehemann durch sein Verhalten, durch die Errichtung einer zweiten Gesellschaft mit den Mitteln und dem Bestand des ersten Gesellschaftsunternehmens, nicht nur einer Verletzung des ihn treffenden Wettbewerbsverbots (§§ 112, 113 HGB), sondern auch eines schwerwiegenden Eingriffs in den gesamten Bestand des zunächst mit dem Kläger errichteten und betriebenen Unternehmens schuldig gemacht habe. Dieser Eingriff stelle sich als eine unerlaubte Handlung dar (§ 826 BGB), an der auch die beklagte Ehefrau vorsätzlich mitgewirkt habe. Beide Beklagten hafteten daher gesamtschuldnerisch dem Kläger auf Ersatz des Schadens, der ihm durch dieses Verhalten entstanden sei. Die Schädigung des Klägers erblickt das Berufungsgericht darin, daß ihm im Zeitpunkt der Auflösung der offenen Handelsgesellschaft, die er mit dem beklagten Ehemann errichtet hatte, sein Auseinandersetzungsanspruch geschmälert worden sei, und zwar dadurch, daß zu dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr der unmittelbaren Beherrschung zugängliche Vermögenswerte gehörten. Diesen Schaden könne der Kläger auch für eigene Rechnung geltend machen, ohne genötigt zu sein, auf Ersatzleistung an die Gesellschaft zu klagen; zum mindesten sei er jedoch nach den Grundsätzen der Entscheidung RGZ 158, 314 für berechtigt anzusehen, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die beiden Beklagten unter Vorwegnahme der Auseinandersetzung bis zu dem Betrag zu seinen Gunsten geltend zu machen, den er ohne die schädigenden Handlungen der Beklagten bei der förmlichen Auseinandersetzung des Vermögens der von ihm errichteten Gesellschaft zu beanspruchen gehabt hätte.

1. In diesem Zusammenhang ist es zunächst von Bedeutung, ob, wie die Revision bezweifelt, der Kläger in der Lage ist, den Schadensersatzanspruch im eigenen Namen zu seinen eigenen Gunsten geltend zu machen. Bei der Beurteilung dieser Frage kann dem Berufungsgericht darin nicht gefolgt werden, daß sich die Berechtigung des Klägers zu einer solchen Geltendmachung schon daraus ergebe, daß die Beklagten durch ihren Eingriff in den Geschäftsbetrieb des Gesellschaftsunternehmens das Miteigentum des Klägers an den Sachen des Geschäfts verletzt und seinen Auseinandersetzungsanspruch unmittelbar geschmälert hätten. Hieraus kann eine Klageberechtigung des Klägers zu seinen eigenen Gunsten nicht entnommen werden. Die offene Handelsgesellschaft stellt im Rahmen des § 124 HGB ein eigenes Rechtssubjekt in dem Sinn dar, daß ihr eigene Ansprüche zustehen und eigene Verpflichtungen obliegen, die etwaigen Ansprüchen und Verpflichtungen der einzelnen Gesellschafter selbständig gegenüberstehen. Demzufolge sind Ansprüche, die in der Gesellschaftssphäre zugunsten der Gesellschaft, nämlich zugunsten der gesamthänderischen Zusammenfassung aller Gesellschafter begründet werden, allein Ansprüche der Gesellschaft, es sei denn, daß auf Grund eines besonderen Tatbestandes, etwa auf Grund des Gesellschaftsvertrages, dem einzelnen Gesellschafter ein gleichgerichteter Anspruch unmittelbar zusteht. Tritt eine offene Handelsgesellschaft nach Maßgabe des § 124 HGB selbständig im Rechtsverkehr auf, so werden dadurch – unbeschadet der Vorschrift des § 128 HGB – auch nur Ansprüche und Verpflichtungen zugunsten und zu Lasten der offenen Handelsgesellschaft begründet. Das gilt naturgemäß auch dann, wenn unerlaubte Handlungen gegenüber der offenen Handelsgesellschaft begangen und dadurch Ansprüche gegen den Schädiger, sei es wegen Verletzung von Eigentum oder sonstiger absoluter Rechte der Gesellschaft (§ 823 Abs 1 BGB), sei es wegen sittenwidriger Vermögensschädigung (§ 926 BGB), begründet werden. Es ist nicht möglich, in diesen Fällen auch einen eigenen Anspruch des einzelnen Gesellschafters deshalb anzuerkennen, weil im Falle des § 823 Abs 1 BGB sein Gesamthandseigentum verletzt oder durch eine sonst Schaden stiftende Handlung sein Auseinandersetzungsanspruch nach Auflösung der Gesellschaft verkürzt worden sei. Die Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens im Rahmen des § 124 HGB und die damit verbundene eigene Anspruchsberechtigung und Verpflichtungsfähigkeit der offenen Handelsgesellschaft stehen einer solchen Möglichkeit entgegen.

Muß somit davon ausgegangen werden, daß durch die vom Berufungsgericht angenommenen unerlaubten Handlungen der Beklagten gegenüber der offenen Handelsgesellschaft zunächst ein Schadensersatzanspruch zugunsten der Gesellschaft und nicht ein Anspruch zugunsten des Klägers entstanden ist, so ist damit gleichwohl die Frage, ob vorliegendenfalls der Kläger zur Geltendmachung dieses Anspruchs befugt ist, noch nicht abschließend entschieden. Was das Verhalten des beklagten Ehemannes anlangt, so stellt sich dieses, wie auch schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, als eine schwere Verletzung seiner im Gesellschaftsvertrag gegenüber dem Kläger übernommenen Verpflichtungen dar. Insoweit steht dem Kläger auf Grund des Gesellschaftsvertrages, der für ihn unmittelbare Rechte und Pflichten gegenüber dem Beklagten Ehemann begründet, ein eigener Anspruch (actio pro socio) zu, den er im eigenen Namen diesem gegenüber geltend zu machen befugt ist. Die Besonderheit des dem Kläger unmittelbar zustehenden Anspruchs besteht darin, daß er mit diesem Anspruch zunächst nur Leistung von Schadensersatz an die Gesellschaft und nicht an sich selbst zu fordern berechtigt ist. Es muß durch die Leistung des Schadensersatzes der Zustand wieder hergestellt werden, der ohne das Schaden stiftende Ereignis bestanden haben würde. Das bedeutet, das der Schaden der Gesellschaft unmittelbar zugefügt worden ist, daß auch die Leistung des Schadensersatzes der Gesellschaft zufließen muß. An der Berechtigung des Klägers zur eigenen Geltendmachung des der Gesellschaft zustehenden Schadensersatzanspruchs hat sich auch dadurch nichts geändert, daß die Gesellschaft inzwischen durch das Wirksamwerden der Kündigung in den Zustand der Abwicklung getreten ist. Auch während dieses Zeitraums bleibt die Befugnis des einzelnen Gesellschafters – jedenfalls für Schadensersatzansprüche – zur unmittelbaren Geltendmachung der actio pro socio unbeschadet der Vertretungsbefugnis der Abwickler aufrechterhalten (RGZ 90, 300, 158, 314; JW 1927, 1090; 1938, 3180).

Bei dieser Rechtslage fragt es sich noch, ob der Kläger auf Grund der besonderen Verhältnisse des vorliegenden Sachverhalts berechtigt ist, den ihm gegenüber dem beklagten Ehemann zustehenden Anspruch (actio pro socio) auch mit der Maßgabe geltend zu machen, daß er die Leistung des Schadensersatzes nicht an die Gesellschaft, sondern an sich selbst verlangt. Diese Frage ist zu bejahen. Bei einer werbenden Gesellschaft ist die Notwendigkeit, daß ein Gesellschafter mit der ihm zustehenden actio pro socio nur Leistung an die Gesellschaft verlangen kann, dadurch bedingt, daß diese Leistung der Erfüllung des Gesellschaftszwecks zu dienen bestimmt ist, daß also nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages, der zugleich die Grundlage für diesen Anspruch darstellt, diese Leistung der Gesellschaft selbst und nicht einem einzelnen Gesellschafter zukommen soll. An dieser Sachlage ändert sich im allgemeinen auch dadurch nichts, daß die Gesellschaft in den Zustand der Abwicklung gerät. In diesem Fall hat die Leistung dem Abwicklungszweck zu dienen, ist also dazu bestimmt, die Abwicklung nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages oder der gesetzlichen Vorschriften zu gewährleisten. Es ist in einem solchen Fall im allgemeinen nicht möglich, daß der eine Gesellschafter vor der endgültigen Durchführung der Abwicklung von dem anderen Gesellschafter (teilweise) Leistung an sich verlangt, wenn diese Leistung zunächst nicht ihm, sondern der Gesellschaft zukommt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat jedoch das Reichsgericht (RGZ 158, 314) dann anerkannt, wenn durch eine solche Leistung das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den anderen Gesellschaftern in zulässiger Weise vorweggenommen und dadurch ein weiteres Auseinandersetzungsverfahren vermieden wird. Einen solchen Ausnahmetatbestand sieht das Reichsgericht dann als gegeben an, wenn keine Gesellschaftsverbindlichkeiten mehr vorhanden sind und es sich nur noch um die Verteilung des in der Ersatzforderung bestehenden letzten Vermögensgegenstandes handelt. Dieser Auffassung ist beizutreten. Denn es würde jeden vernünftigen Sinnes entbehren, wenn in einem Fall dieser Art der berechtigte Gesellschafter zunächst Leistung an die Gesellschaft verlangen müßte und dann erst im Wege der Auseinandersetzung die Auskehrung dieser erbrachten Leistung an sich verlangen könnte. In einem Fall dieser Art wird durch die unmittelbare Leistung an den betreffenden Gesellschafter nicht der Abwicklungszweck gefährdet, sondern gerade entsprechend diesem Zweck das einfachste Verfahren zur endgültigen Auseinandersetzung ermöglicht.

Bei den hier gegebenen tatsächlichen Verhältnissen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Annahme, daß im vorliegenden Fall ein solcher Ausnahmetatbestand im Sinne der Rechtsprechung des Reichsgerichts gegeben ist. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die Gesellschaft ohne die unerlaubten Handlungen der Beklagten bis zum 31. Dezember 1948 Trägerin eines gewinnbringenden Unternehmens geblieben wäre und daher der Kläger jedenfalls so zu stellen sei, als wenn dieses Verlagsunternehmen zu dem genannten Zeitpunkt von den Beklagten gegen Abfindung des Klägers übernommen oder mangels Einigung über eine solche Abwicklung auf gemeinsame Rechnung veräußert worden wäre. Das Berufungsgericht bemißt somit die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Klägers von vornherein in der Höhe, die bei der ungestörten Entwicklung des Verlagsunternehmens für den Abfindungs- oder Auseinandersetzungsanspruch des Klägers am 31. Dezember 1948 in Betracht gekommen wäre. Bei dieser Berechnung sind alle Umstände berücksichtigt, die insgesamt für die abschließende Durchführung der Abwicklung in Frage kommen, so daß mit der von den Beklagten geschuldeten Leistung die Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaften im vollen Umfange vorweggenommen ist und nichts mehr für eine weitere Abwicklung der Gesellschaft übrig bleibt.

2. Des weiteren erhebt sich die Frage, ob der Kläger den Schadensersatzanspruch auch gegenüber der beklagten Ehefrau im eigenen Namen zu seinen Gunsten geltend machen kann. Mit ihr steht der Kläger nicht in vertraglichen Beziehungen, sie ist nicht Gesellschafterin der offenen Handelsgesellschaft. Als Grundlage für den gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruch kommen daher lediglich, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, die Vorschriften über die unerlaubte Handlung in Betracht. Eine actio pro socio steht daher dem Kläger gegen die beklagte Ehefrau nicht zu. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kann demgemäß dem Kläger auch nicht eine eigene Klagebefugnis zugebilligt werden. Dessen ungeachtet muß aber auch in diesem Zusammenhang der Besonderheit des vorliegenden Sachverhalts Rechnung getragen werden. Auch bei dieser Forderung handelt es sich um den letzten Vermögenswert der aufgelösten und in Abwicklung befindlichen Gesellschaft, und zwar um den Vermögenswert der Gesellschaft, der nach dem Auseinandersetzungsverfahren zweifelsfrei dem Kläger allein zusteht. Auch hier wird demgemäß durch die Auskehrung dieses Vermögenswertes unmittelbar an den Kläger die Abwicklung der Gesellschaft abgeschlossen und die Gesellschaft selbst beendet. Aus den gleichen Erwägungen wie bei dem Anspruch gegen den Ehemann ist daher auch insoweit der Übergang des Anspruchs von der Gesellschaft auf den Kläger gerechtfertigt und geboten. Dem Abwicklungszweck, der allein noch die Grundlage für die ursprüngliche Anspruchsberechtigung der Gesellschaft bildet, wird durch diesen Übergang abschließend entsprochen, indem damit die Abwicklung durchgeführt und beendet ist.

 

Fundstellen

BGHZ, 91

DNotZ 1953, 543

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