Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer verneinenden Zwischenfeststellungs-Widerklage des als Schuldner in Anspruch genommenen Beklagten gegen den Kläger, soweit dieser einen Rest der behaupteten Forderung (angeblich) an einen Dritten abgetreten hat.

Ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens einer Forderung kann auch gegenüber einem Zessionar bestehen, der sich zur Annahme der Zession bekennt, aber jegliche Stellungnahme zur Berechtigung des Anspruchs verweigert.

Der Wohnsitz des (angeblichen) Schuldners kommt auch für dessen verneinende Feststellungsklage gegen den nicht im Inland wohnhaften (angeblichen) Gläubiger als Gerichtsstand des „mit der Klage in Anspruch genommenen Gegenstandes” in Betracht (Abweichung von RG JW 1930, 263).

 

Normenkette

ZPO §§ 280, 256, 23

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.05.1974)

LG Duisburg (Urteil vom 26.10.1973)

 

Tenor

I. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Mai 1974 aufgehoben.

II. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 26. Oktober 1973 abgeändert, soweit es die Widerklage gegen den Kläger und die Widerklage gegen die Widerbeklagte zu 2) als unzulässig abweist.

  1. Gegenüber dem Kläger wird festgestellt, daß zwischen den Parteien kein Vertrag besteht, demzufolge dem Kläger für seine Mitwirkung bei der Aufklärung des Streitkomplexes, der dem Rechtsstreit 11 O 186/70 beim Landgericht Duisburg zugrundelag, ein über den bezahlten Betrag von 10.000 DM hinausgehender Vergütungsanspruch zugesagt ist.
  2. Gegenüber der Widerbeklagten zu 2) wird festgestellt, daß die laut Abtretungsanzeige des Klägers an den Beklagten vom 3. Juli 1973 an die Widerbeklagte zu 2) abgetretene Teilforderung gegen den Beklagten in Höhe von 119.415 DM nicht besteht.

III. Von den Kosten des ersten Rechtszuges fallen dem Kläger vorweg 1/5 der Gerichtskosten zur Last, ferner 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Die übrigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten in allen Rechtszügen sowie die weiteren Gerichtskosten tragen der Kläger und die Widerbeklagte zu 2) als Gesamtschuldner; der Kläger und die Widerbeklagte zu 2) tragen ferner je ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

IV. Das Urteil ist gegen die Widerbeklagte zu 2) vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte und ein Vetter von ihm sind Teilhaber einer offenen Handelsgesellschaft. Durch Unkorrektheiten des anderen Gesellschafters waren der Gesellschaft Geschäfte vorenthalten worden, doch wurde aufgrund eines vom Beklagten angestrengten Vorprozesses (Landgericht Duisburg 11 O 186/70) der der Gesellschaft zugefügte Schaden durch Zahlung von 637.660 DM wieder ausgeglichen.

Der Kläger, damals Prokurist der Firma, hatte dem Beklagten in diesem Zusammenhang entscheidende Hinweise gegeben. Er behauptet, der Beklagte habe ihm als Belohnung dafür die Hälfte des auf den Beklagten entfallenden Teils der rückgeführten Mittel, somit 159.415 DM, zugesagt. Erhalten hat er unstreitig einen Betrag von 10.000 DM.

Im gegenwärtigen Rechtsstreit hat der Kläger einen weiteren Betrag von 30.000 DM gefordert. Seine angebliche Restforderung von 119.455 DM hat er nach seiner Darstellung an die I. In. and F. C. in V. (Liechtenstein), die Widerbeklagte zu 2), abgetreten. Diese Abtretung hat er dem Beklagten unmittelbar vor Klagerhebung schriftlich angezeigt.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und zugleich Widerklage gegen den Kläger erhoben mit dem Antrag, festzustellen, daß zwischen ihnen kein Vertrag bestehe, nach dem er dem Kläger einen die bezahlten 10.000 DM übersteigenden Betrag zugestanden habe.

Ferner hat der Beklagte gegen die Widerbeklagte zu 2) eine als Widerklage bezeichnete Feststellungsklage dahin erhoben, daß die angeblich diesem abgetretene weitergehende Forderung nicht bestehe.

Der Kläger hat die gegen ihn gerichtete Feststellungswiderklage für angesichts der Abtretung unzulässig gehalten. Die Widerbeklagte zu 2) hat ihre Parteifähigkeit wie auch die Zuständigkeit des Gerichts bestritten. Im übrigen hat sie die auch ihr gegenüber begehrte Feststellung für unzulässig gehalten, weil sie die Abtretung zwar angenommen, sich des Anspruchs aber nie berühmt habe.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme als unbegründet und die beiden Widerklagen als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen die Abweisung seiner Widerklagen zurückgewiesen. Seine Revision erstrebt weiterhin deren Erfolg. Die Widerbeklagte zu 2) ist im Revisionsverfahren wie schon im Berufungsrechtszug nicht mehr vertreten. Gegen sie hat der Beklagte um Erlaß eines Versäumnisurteils gebeten.

 

Entscheidungsgründe

1. Widerklage gegen den Kläger

I. Das Berufungsgericht geht hier zutreffend von einer Zwischenfeststellungsklage gemäß § 280 ZPO (demnächst § 256 Abs. 2 ZPO) aus. Es hält diese aber deshalb für unzulässig, weil die Rechtsbeziehungen, die sich aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben können, bereits durch die Entscheidung über die Hauptklage erschöpfend klargestellt würden. Durch die Abtretungsanzeige habe sich der Kläger gemäß § 409 BGB gegenüber dem Beklagten aller Rechte begeben, die den Betrag von 30.000 DM überstiegen. Damit fehle es für die Zwischenfeststellungsklage am Rechtsschutzbedürfnis ohne Rücksicht darauf, ob die Abtretung von der Widerbeklagten zu 2) wirksam angenommen worden sei, und ob es sich um eine Voll- oder Treuhandabtretung gehandelt habe. Ein Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich auch nicht aus der – wie das Berufungsgericht meint, nicht naheliegenden – Möglichkeit einer Rückübertragung an den Kläger, da dieser dann gegebenenfalls die Rechtskraft eines Urteils gegen den Erstzessionar gegen sich gelten lassen müsse. Auch als selbständige Feststellungsklage (§ 256 ZPO) sei die Widerklage mangels Feststellungsinteressesunzulässig.

II. Hierin kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden.

1. Voraussetzung jeder Feststellungsklage, auch der Zwischenfeststellungsklage nach § 280 ZPO, ist, daß sie sich auf ein (noch fortwirkendes) Rechtsverhältnis bezieht. Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, dürfte auch das Berufungsurteil nicht bezweifeln; denn obwohl es eine ausdrückliche Prüfung in dieser Hinsicht nicht vornimmt, beginnt es alsbald mit der Frage, ob die Zulässigkeit der Widerklage nicht am Mangel eines Rechtsschutzinteresses scheitere, geht also von ihren allgemeinen Voraussetzungen aus. Das ist richtig, wie im folgenden gezeigt wird.

a) Der Vertrag der Parteien über eine Entlohnung des Klägers durch den Beklagten stellte sowohl in der vom Beklagten zugestandenen wie auch in der vom Kläger behaupteten weitergehenden Form die Grundlage eines Rechtsverhältnisses dar. Die ihm entspringenden Rechte und Pflichten wirken noch fort. Das gilt zunächst für den wesentlichsten Punkt, die Zahlungspflicht des Beklagten, die nach Behauptung des Klägers noch nicht voll erfüllt ist. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn der Kläger – wie revisionsmäßig zu unterstellen ist – entweder voller oder als Treugeber in abgeschwächter Form Gläubiger dieses Anspruchs geblieben ist, weil die Abtretung dieses individuellen Anspruchs mangels Annahme durch den Zessionar unwirksam war bzw. als treuhänderische jedenfalls die wirtschaftliche Gläubigerstellung des Klägers im wesentlichen unberührt gelassen hat. Daran könnte die Abtretungsanzeige durch den Kläger nichts ändern; denn sie verschafft dem Schuldner nur eine Einrede, ändert aber an der Gläubigerstellung nichts (BGHZ 64, 117, 119; RGRK z. BGB, 12. Aufl. § 409 Rdn. 11).

b) Aber auch abgesehen davon berührte die Abtretung des 30.000 DM übersteigenden Anspruches – was das Berufungsgericht möglicherweise übersieht – den Bestand des durch den Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses (vgl. § 280 ZPO) nicht grundsätzlich. Einmal nämlich hätte es Auswirkungen auf den abgetretenen Zahlungsanspruch, die für den Beklagten sehr bedeutsam sein können (weshalb anerkanntermaßen auch ein zwischen einer Partei und einem Dritten – ja selbst zwischen Dritten überhaupt – bestehendes Rechtsverhältnis [vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1971 – VI ZR 275/69 – MDR 1971, 1000, 1001] Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann). Aber überdies vermag die ohne Mitwirkung des Schuldners erfolgte Abtretung eines aus einem Vertrag entsprungenen Zahlungsanspruches nicht das gesamte Rechtsverhältnis zwischen den alten Parteien zu beseitigen. Dies zeigt sich nicht nur etwa, wenn die Zession durch Anfechtung nachträglich zu Fall kommen sollte. Es ist – um nur ein Beispiel zu nennen – auch denkbar, daß in der vorsätzlichen oder fahrlässigen Abtretung eines unbegründeten Mehranspruches aus dem Vertrag – vor allem an einen ausländischen Zessionar mit den daraus u.U. für den Schuldner erwachsenden besonderen Schwierigkeiten – eine positive Verletzung des insoweit durch die Abtretung nicht berührten Vertragsverhältnisses liegt.

c) Zu einer weiteren Vertiefung gibt, da auch das Berufungsgericht ein Rechtsverhältnis als Gegenstand der Feststellung nicht verneint, die hier zu treffende Entscheidung keinen Anlaß.

2. Das demnach nach seinem Gegenstand nicht schon von vornherein unzulässige Feststellungsbegehren ist jedenfalls gemäß § 280 ZPO erfolgreich.

a) Eine Zwischenfeststellungsklage ist nicht an die jeweils positiv festzustellende Voraussetzung gebunden, daß der Kläger an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses ein rechtliches Interesse hat. Vielmehr wird bei § 280 ZPO das in § 256 ausdrücklich geforderte Feststellungsinteresse durch die Vorgreiflichkeit des festzustellenden Rechtsverhältnisses für die Hauptentscheidung ersetzt (RGZ 128, 234, 237; 144, 54, 59; BGH Urt. v. 8. Juli 1953 – II ZR 178/52 – LM ZPO § 280 Nr. 2; allg.Mg.). Dabei stellt es einen typischen Anwendungsfall der Zwischenfeststellungsklage dar, daß der Kläger von einer Forderung nur einen Teil einklagt, und der Beklagte widerklagend die Feststellung eines sie hindernden Rechtsverhältnisses auch mit Wirkung für den nicht rechtshängigen Teil erstrebt (vgl. BGH Urt. v. 30. Januar 1959 – I ZR 82/57 – LM ZPO § 280 Nr. 7 = MDR 1959, 635, 636; Baumbach/Lauterbach ZPO 34. Aufl. Anm. 2 C b zu § 280).

b) Im Streitfall hat allerdings der Kläger seine angebliche Mehrforderung abgetreten und klagt nun nicht eigentlich einen „Teil” seiner Forderung ein. Anders als bei der gewöhnlichen Feststellungsklage nach § 256 (vgl. dazu etwa BAG NJW 1966, 1771 = AP Nr. 43 zu § 256 ZPO) wird dadurch aber die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage des Schuldners nach § 280 ZPO nicht schon regelmäßig zweifelhaft. Bei der Zwischenfeststellungsklage genügt grundsätzlich schon die bloße Möglichkeit, daß das inzidenter ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann (RGZ 170, 328, 330; BGH Urt. vom 29. Oktober 1954 – I ZR 169/53 – LM ZPO § 280 Nr. 4 = JR 1955, 64; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO 19. Aufl. § 280 Anm. II 2; Pohle in SAE 1967, 30 ff). Eine andere Auffassung wäre auch kaum mit dem prozeßökonomischen Zweck der Vorschrift zu vereinbaren, die vor allem verhindern soll, daß ein zwischen den Parteien ohnehin gerichtlich zu klärendes Rechtsverhältnis späterhin nochmals Anlaß zu einem Rechtsstreit gibt.

Diesem prozeßökonomischen Zweck entspricht es, auch rein im Tatsächlichen liegende Entwicklungen nicht außer Betracht zu lassen, die zu einer Relevanz des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien für weitere Bereiche führen können. Die Möglichkeit einer Rückabtretung ist in diesem Zusammenhang jedenfalls im Streitfall eine nicht nur gedachte, liegt vielmehr nach der Lebenserfahrung mindestens nicht fern, (vgl. hierzu, in einem etwas anders gelagerten Fall, aber schon zu den strengeren Voraussetzungen des § 256 ZPO, BGH Urt. v. 28. Juni 1968 – V ZR 22/65 – LM ZPO § 256 Nr. 87 = MDR 1969, 829), zumal nach dem von dem Kläger hingenommenen, aber nicht zum Anlaß eines Anerkenntnisses in der Frage der (negativen) Feststellung gemachten Ausgang seiner Hauptklage im ersten Rechtszug. Die Zwischenfeststellungsklage ist daher jedenfalls im Streitfall zulässig. Vor allem kann es nicht im Sinne der sie zulassenden gesetzlichen Vorschrift liegen, daß die Frage, ob nicht besondere Umstände doch eine spätere Relevanz des Rechtsverhältnisses für andere Streitpunkte zwischen den Parteien ausschließen, erst noch zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht wird. Das würde das prozeßökonomische Konzept des § 280 ZPO in sein Gegenteil verkehren.

Anders ist es freilich, wenn die künftige Irrelevanz der Rechtsfrage für weitere mögliche Streitigkeiten offen zu Tage liegt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung dann der Fall, wenn das Rechtsverhältnis bereits in vollem Umfang den Gegenstand der Hauptklage bildet, so daß die über sie ergehende Entscheidung bereits das streitige Rechtsverhältnis mit Rechtskraftwirkung klarstellt (RGZ 144, 54, 59; 170, 328, 330; BGH Urt. v. 8. Mai 1961 – II ZR 205/59 – LM ZPO § 254 Nr. 6 = MDR 1961, 751). Daß das Berufungsgericht hiervon zu Unrecht ausgeht, bedarf nach dem bereits Dargelegten keiner weiteren Erläuterung. Es bedarf auch keines Eingehens auf die Frage, ob nicht auch in weiteren Fällen der auch das Prozeßrecht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben eine Zwischenfeststellungswiderklage verbietet, die – wie hier – dem Gegner eine empfindliche zusätzliche Kostenbelastung bringen kann. Ein solcher Vorwurf kann jedenfalls hier dem Beklagten nicht gemacht werden, da die in ihren wirtschaftlichen Motiven für ihn undurchsichtige Abtretung an einen ausländischen Zessionar eine vorsorgliche Wahrung seiner Belange selbst dann verständlich macht, wenn man nicht sogar davon ausgehen will, der Kläger habe durch die Abtretung gerade die ihm drohende negative Feststellungswiderklage unterlaufen wollen.

III. Da somit das Berufungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit der Widerklage gegen den Kläger ausgegangen ist, hat seine Entscheidung insoweit keinen Bestand. Vielmehr war auf die Berufung des Beklagten die Entscheidung des Landgerichts sogleich abzuändern, denn auf eine Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO konnte gemäß § 540 ZPO verzichtet werden. Das Landgericht hat die Hauptklage abgewiesen, weil es einen 10.000 DM übersteigenden Anspruch des Klägers nicht für erwiesen erachtete. Dagegen hat der Kläger nichts mehr eingewandt. Deshalb steht fest, daß die Zwischenfeststellungsklage, die das den Klageanspruch bedingende Rechtsverhältnis allgemein verneint sehen will, sachlich berechtigt ist. Ihr kann damit das Revisionsgericht alsbald stattgeben. Denn eine zufällige Umkehrung der Parteirolle bei der negativen Feststellungsklage ist regelmäßig auf die Beweislast – die hier beim Kläger bleibt – ohne Einfluß (Baumbach/Lauterbach 35. Aufl. Anm. 4 D a zu § 256 ZPO; allg. Mg.).

2. Widerklage gegen die Widerbeklagte zu 2)

I. Insoweit hat es das Berufungsgericht abgelehnt, ein Versäumnisurteil nach dem Berufungsantrag zu erlassen, weil das festgestellte Sachverhältnis entgegenstehe (§ 542 Abs. 2 ZPO). Es meint, das Landgericht habe die Widerklage gegen die Widerbeklagte zu 2) als eine gegen einen Dritten gerichtete zu Recht als unzulässig abgewiesen. Grundsätzlich nämlich könne ein Beklagter einen Dritten nicht in den Rechtsstreit einbeziehen. Die von BGHZ 40, 185 und dem Senatsurteil vom 8. Dezember 1970 (VI ZR 111/69 – NJW 1971, 466) vorgezeichneten besonderen Voraussetzungen lägen „bei genauer Betrachtungsweise” nicht vor. Voraussetzung sei nämlich, daß der Beklagte aufgrund einer zulässigen Widerklage zunächst die Stellung eines selbständigen Klägers erlangt habe. Das aber sei hier wegen der Unzulässigkeit der gegen den Kläger erhobenen Widerklage nicht der Fall. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete keine andere Beurteilung, denn der Beklagte habe keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als wenn er die unzulässige Widerklage nicht erhoben hätte.

II. Auch insoweit kann dem Berufungsgericht – schon aus den dargelegten Gründen – nicht gefolgt werden. Die Bedenken des Berufungsgerichts entfallen schon deshalb, weil – wie oben im einzelnen ausgeführt – die Widerklage gegen den Kläger nicht unzulässig ist. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage – die das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht geprüft hat – sind gegeben.

1. Die Voraussetzungen für eine streitgenössische Inanspruchnahme des widerbeklagten Klägers und des Widerbeklagten zu 2) (vgl. BGHZ 40, 185, 190; BGH Urt. v. 21. Februar 1975 – V ZR 148/73 – LM § 33 ZPO Nr. 14 = NJW 1975; 228) liegen von der Sache her offensichtlich vor (§ 59 ZPO). Auch die allgemeinen Voraussetzungen für eine Klage gegen die Widerbeklagte zu 2) fehlen nicht.

a) Ihre (Rechts- und) Parteifähigkeit hatte die Widerbeklagte im ersten Rechtszug zunächst unter Hinweis auf die einen im wesentlichen verschiedenen Sachverhalt betreffende Entscheidung BGHZ 53, 181 in Frage gestellt, ohne dann auf die ausführlichen Gegenausführungen des Beklagten, der dabei einen Handelsregisterauszug bezüglich der Widerbeklagten vorgelegt hat, einzugehen. Die Frage ist im vorliegenden Fall allein nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein zu beurteilen, das das Revisionsgericht ohne die Schranke des § 562 ZPO anwenden kann, weil sich das Berufungsgericht damit nicht befaßt hat. Bedenken gegen die Parteifähigkeit der Widerbeklagten ergeben sich bei Prüfung nach diesem Recht nicht (vgl. Gesetz über das Treuunternehmen vom 10. April 1928 – LGBl. Nr. 6 §§ 1, 5; Liechtensteinisches Personen- und Gesellschaftsrecht vom 20. Januar 1926 – LGBl. Nr. 4 § 109 Abs. 3).

b) Es fehlt auch nicht an der internationalen und örtlichen Zuständigkeit für die zweite Widerklage. Die internationale Zuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGHZ 44, 46). Sie ist in ihren Voraussetzungen mit denen der örtlichen Zuständigkeit verknüpft, aber mit ihr nicht identisch (BGHZ a.a.O. S. 47; BGHZ 68, 16 zu B II 1, 2 der Gründe). Während nun für die (echte) Widerklage die Bestimmung des § 33 ZPO eine eigene örtliche Zuständigkeit begründet, erscheint das für die Widerklage gegen einen Dritten immerhin fraglich (bejahend allerdings BGH Beschluß v. 4. März 1966 – I b ARZ 52/66 – NJW 1966, 1028; ersichtlich noch anders BGHZ 40, 185, 190 und die Anm. hierzu in LM § 33 ZPO Nr. 6). Auch wenn man dem erwähnten Beschluß des I. Zivilsenats folgen wollte, trüge der erkennende Senat jedenfalls durchgreifende Bedenken, daraus auch eine zusätzliche internationale Zuständigkeit abzuleiten. Es kommt indessen hierauf nicht an, da sich die internationale wie örtliche Zuständigkeit hier schon aus der Vorschrift des § 23 ZPO ergibt, die sich nach ihrem Zweck eindeutig auch Bedeutung für die internationale Zuständigkeit beilegt.

Diese Vorschrift greift ein, weil ein inländischer Wohnsitz bzw. Sitz der Widerbeklagten nicht ersichtlich und von ihr im ersten Rechtszug im Zusammenhang mit ihren Einwendungen gegen die örtliche Zuständigkeit auch nicht behauptet worden ist. Der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand (§ 23 S. 1 ZPO) ist bei der leugnenden Feststellungsklage die Forderung, deren Nichtbestehen festgestellt werden soll. Allerdings hat das frühere Reichsgericht (soweit ersichtlich nur in dem Urteil JW 1930, 263) die Meinung vertreten, eine Forderung komme dann nicht als zuständigkeitsbestimmender Streitgegenstand (§ 23 S. 2 ZPO) in Frage, wenn darum gestritten wird, ob sie überhaupt besteht. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen (so auch Wieczorek, ZPO 2. Aufl. Anm. C 1 b; Baumbach/Lauterbach 35. Aufl. Anm. 3; Stein/Jonas/Pohle a.a.O. Anm. III; Thomas/Putzo ZPO, 9. Aufl. Anm. 3 c, sämtl. zu § 23 ZPO). Die Untunlichkeit dieser Meinung ergibt sich, wie gerade der vom Reichsgericht entschiedene Fall zeigt, schon daraus, daß es dann für den Kläger möglich wäre, zunächst nur einzelne Bedingungen der Forderung und dann erst diese selbst in Frage zu stellen, ohne daß damit die Zuständigkeit wieder entfiele. Das Ergebnis der im Schrifttum herrschenden Meinung ist auch für den ausländischen potentiellen Gläubiger nicht unzumutbar, wenn er sich einer Forderung gegen einen im Inland ansässigen Schuldner berühmt. Sonst kann er regelmäßig durch ein vorprozessuales Anerkenntnis des Nichtbestehens oder durch alsbaldige Anerkennung des Feststellungsbegehrens alle Nachteile vermeiden.

2. Die demnach die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen erfüllende Feststellungsklage scheitert auch nicht an dem Erfordernis des Interesses an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses (§ 256 ZPO). Dessen bedarf es hier allerdings, weil im Verhältnis zur Widerbeklagten zu 2) das Rechtsverhältnis (Nichtbestehen der abgetretenen Forderung) nicht ohnehin gemäß § 280 ZPO inzidenter festzustellen ist.

Die Widerbeklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, sie habe die Abtretung der Forderung zwar angenommen, sich ihrer Innehabung aber gegenüber dem Beklagten nicht berühmt. Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, daß das Interesse an der leugnenden Feststellungsklage nicht notwendig durch eine ausdrückliche Berühmung des potentiellen Gläubigers begründet sein muß. Selbst ein rein wörtliches Anerkenntnis des Nichtbestehens der Forderung kann unter Umständen nicht genügen, solange der Kläger gewärtigen muß, daß ihm der Beklagte aufgrund seines vermeintlichen Rechts ernstliche Hindernisse entgegensetzen werde, vor allem mit einer nach Treu und Glauben zu erwartenden eindeutigen Erklärung zurückhält (RG JW 1907, 482; 1936, 2546; DR 1939, 1914, 1916; Stein/Jonas a.a.O. Anm. II 1 a bei Fn. 107 ff zu § 256). Nach diesen Grundsätzen ist ein Feststellungsinteresse des Beklagten hier zu bejahen. Das vermag das Revisionsgericht selbst zu beurteilen, da angesichts der Säumnis der Widerbeklagten zu 2) weitere Einlassungen von ihrer Seite – etwa dahin, daß angesichts der Entscheidung über die Hauptklage das Nichtbestehen der abgetretenen Forderung jedenfalls jetzt anerkannt werde – nicht mehr in Frage kommen.

Demnach sieht sich der Beklagte der Tatsache gegenüber, daß sich die über 30.000 DM hinausgehende Forderung, deren sich der Kläger – aus der Sicht des Beklagten zu Unrecht – ausdrücklich berühmt hat, heute ggf. in den Händen der Widerbeklagten befindet, die ihre Unbegründetheit mit keinem Wort anerkannt, vielmehr im Rechtsstreit eine Stellungnahme bewußt vermieden hat. Die Widerbeklagte hat auch nicht etwa geoffenbart, aus welchem Rechtsgrund die angebliche Mehrforderung auf sie übertragen worden ist, etwa zur Befriedigung einer Forderung gegen den Kläger (§ 364 BGB), was sie immerhin der Stellung eines Pfändungsgläubigers näherbringen würde (der etwa mit seinem Auskunftsverlangen gemäß § 840 ZPO sich noch nicht notwendig des Anspruchs berühmt). So wie die Dinge liegen, muß der Beklagte vielmehr ernstlich damit rechnen, daß die Widerbeklagte den angeblichen Anspruch geltend machen, dem Kläger zurückgeben oder einem Dritten weiterzedieren wird. Daran, sich hiergegen alsbald durch eine verneinende Feststellungsklage zu schützen, kann ihm ein rechtliches Interesse i.S. des § 256 ZPO nicht abgesprochen werden.

Keinesfalls konnte die Widerbeklagte ohne Gefahr einer verneinenden Feststellungsklage auch nur den Ausgang der Hauptklage des Klägers gegen den Beklagten abwarten; mindestens nach Verkündung der sie betreffenden Entscheidung hätte sie sich dem Beklagten gegenüber von dem Anspruch ausdrücklich distanzieren müssen. Nicht einmal das hat sie nach dem wegen ihrer Säumnis allein maßgeblichen Vortrag des Beklagten getan. Damit muß die verneinende Feststellungsklage gegen die Widerbeklagte selbst dann Erfolg haben, wenn man die für den Beklagten immerhin naheliegende Vermutung außer Betracht läßt, der Kläger habe die Abtretung des von ihm mindestens wirtschaftlich noch heute in Anspruch genommenen Mehranspruchs nur gewählt, um sich der sonst ihm selbst drohenden negativen Feststellungsklage zu entziehen.

III. Nach allem war wie geschehen zu entscheiden, und zwar im Verhältnis zu der Widerbeklagten durch Versäumnisurteil (§§ 557, 331, 542 ZPO). Gemäß § 708 Nr. 3 ZPO mußte das Urteil insoweit für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

 

Unterschriften

Dr. Weber, Dunz, Scheffen, Dr. Ankermann, Dr. Deinhardt

 

Fundstellen

Haufe-Index 1726625

BGHZ

BGHZ, 37

NJW 1977, 1637

Nachschlagewerk BGH

IPRspr. 1977, 128

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