Leitsatz (amtlich)

›a) Das Aufrechnungsverbot in Nr. 2 Abs. 1 AGB der Banken verstößt nicht gegen das AGB-Gesetz.

b) Bestreitet die Bank die Aufrechnungsforderung und beruft sie sich auf das Aufrechnungsverbot, darf das Gericht der Aufrechnung nicht mit der Begründung den Erfolg versagen, die Aufrechnungsforderung sei nicht schlüssig und deshalb unbegründet. In diesem Falle ist die Aufrechnung vielmehr als unzulässig zurückzuweisen.‹

 

Verfahrensgang

LG Gießen

OLG Frankfurt am Main

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Privatbank, gewährte dem Beklagten im März 1969 einen Effektenkredit über 400.000 DM, den der Beklagte in Anspruch nahm. Der Kredit war am 2. Oktober 1970 zur Rückzahlung fällig. Der Beklagte leistete Teilzahlungen. Am 15 November 1981 betrug sein Sollsaldo auf dem Kreditkonto 175.849,27 DM. Diesen Betrag nebst 14 % Zinsen seit 16. November 1981 macht die Klägerin mit der Klage geltend.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet sowie Widerklage auf Zahlung eines Schadensersatzteilbetrages von 50.000 DM nebst 14 % Zinsen erhoben. Dazu hat er im wesentlichen vorgetragen, er habe durch die Zusammenarbeit mit der Klägerin und der mit dieser wirtschaftlich verbundenen A. Gesellschaft für Vermögensberatung mbH & Co. KG durch Wertpapiergeschäfte mehr als 1 Mio DM verloren. Die Klägerin habe ihn vor dem Kauf wertloser ausländischer Wertpapiere nicht gewarnt. Während eines Jahres, in dem die Klägerin aufgrund eines Vermögensverwaltungsvertrages sein Depot verwaltet habe, sei das Startkapital von 291.355 DM zur Hälfte verwirtschaftet worden. Auch nach Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages habe ihn die Klägerin durch ihren Vermögensverwalter Niemeyer unrichtig beraten und ihm z.B. nicht vom Kauf kanadischer Goldminenaktien der Firma Caliper abgeraten. Der Kurs dieser Papiere sei zwischen Mai und September 1973 soweit gesunken, daß von dem Einkaufspreis von 245.000 DM nur noch 75.000 DM übrig geblieben seien. Heute seien sie völlig wertlos. Den mit der Widerklage verfolgten Schadensersatzanspruch leitet der Beklagte aus dem Caliper-Geschäft her.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten führte lediglich zu einer Verringerung der Zinsforderung der Klägerin auf 11,5 % seit 16. November 1981. Mit der Revision verfolgt der Beklagte nur noch den Antrag auf Abweisung der Klage weiter, da der Senat die Annahme der Revision abgelehnt hat, soweit mit ihr die Abweisung der Widerklage angegriffen worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat im Endergebnis keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat die Klageforderung für begründet erachtet. Der Beklagte könne ihr nicht entgegenhalten, es liege kein gültiger Darlehensvertrag vor, weil die Klägerin im Darlehensantrag den Kreditbetrag von 100.000 US-Dollar eigenmächtig in 400.000 DM abgeändert habe, denn er habe mehrfach anerkannt, daß die Klägerin ihm einen Kredit von 400.000 DM gewährt habe. Die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen hält das Berufungsgericht für zulässig. Ihr stehe das Aufrechnungsverbot in Nr. 2 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, auf das diese sich berufen hat, nicht entgegen. Zwar bestünden keine grundsätzlichen Bedenken gegen diese Klausel. Sie entfalte hier jedoch keine Wirkung. Bei allen zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen des Beklagten könne ohne Beweisaufnahme festgestellt werden, daß sie nicht substantiiert und deshalb unbegründet seien. In einem solchen Falle, in dem die zur Aufrechnung gestellten Forderungen zwar bestritten, aber entscheidungsreif seien, trete das Aufrechnungsverbot zurück. Diesen Ausführungen kann, soweit sie die Zulässigkeit der Aufrechnung betreffen nicht gefolgt werden.

2. Die Feststellung im Berufungsurteil, daß der Klägerin noch ein Zahlungsanspruch von 175.849,27 DM gegen den Beklagten zusteht, hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, daß der Beklagte anerkannt habe, die Klägerin habe ihm ein Darlehen von 400.000 DM bewilligt, greift die Revision ausdrücklich nicht an. Sie rügt in diesem Zusammenhang lediglich, das Berufungsgericht hätte darauf eingehen müssen, daß gegen das landgerichtliche Urteil die Rüge erhoben worden sei, das Landgericht habe die Zahlungen des Beklagten an die Klägerin übersehen und den Einwand nicht berücksichtigt, die Klageforderung sei wegen Falschberechnung der Zinsen unrichtig. Diese Rüge hat keinen Erfolg. Die Tatsache, daß der der Klage zugrundeliegende Schuldsaldo auf dem Kreditkonto des Beklagten am 15. November 1981 175.849,27 DM betrug, war nach dem Tatbestand des Berufungsurteils im Berufungsrechtszuge unstreitig. Gemäß § 314 Satz 1 ZPO liefert der Tatbestand des Berufungsurteils, dessen Berichtigung der Beklagte nicht beantragt hat (§§ 523, 320 ZPO), vollen Beweis des mündlichen Parteivorbringens. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden (§ 314 Abs. 2 ZPO). Das ist hier nicht der Fall, denn die Niederschrift über die Sitzung des Berufungsgerichts vom 27. Juni 1984 enthält keine Angaben darüber, daß die Parteien über die Höhe des Schuldsaldos gestritten haben. Dafür, daß der Beklagte nach dem 15. November 1981 noch Zahlungen geleistet hat, die unberücksichtigt geblieben sind, ist nichts vorgetragen.

3. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft über die zur Aufrechnung gestellten angeblichen Schadensersatzforderungen des Beklagten sachlich entschieden, anstatt die Aufrechnung als unzulässig zurückzuweisen. Der Beklagte ist dadurch beschwert. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung, mit der aufgerechnet wird, nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Würde das Berufungsurteil rechtskräftig, wären die Ansprüche des Beklagten in Höhe der Klageforderung endgültig abgewiesen. Ist die Aufrechnung dagegen unzulässig, ist eine sachliche Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, daß insoweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung nicht ergehen kann und der Beklagte diese Ansprüche weiterhin gegen die Klägerin, wenn auch gegebenenfalls in einem von ihm anzustrengenden Rechtsstreit, geltend machen kann.

Die Aufrechnung ist hier durch Nr. 2 Abs. 1 der wirksam vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die denen der privaten Banken in der Fassung vom 1. April 1977 entsprechen (abgedr. bei Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearbeitung S. 1283 f.) vertraglich ausgeschlossen. Danach kann der Kunde Forderungen gegen die Bank nur mit Verbindlichkeiten in derselben Währung und nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Mit diesen Ausnahmen vom Aufrechnungsverbot tragen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken § 11 Nr. 3 AGBG Rechnung. Deshalb bestehen gegen die Zulässigkeit des eingeschränkten Aufrechnungsverbots keine rechtlichen Bedenken.

Die Forderungen, mit denen der Beklagte gegen die Klageforderung aufrechnet, sind weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt. Es liegt also keine der Ausnahmen vom Aufrechnungsverbot der Nr. 2 Abs. 1 AGB der Banken vor. Obwohl die Klägerin in den Tatsacheninstanzen sich darauf berufen hat, meint das Berufungsgericht, dieses Verbot sei hier unbeachtlich, weil die Aufrechnungsforderungen entscheidungsreif seien. Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, daß die Berufung auf ein vertragliches Aufrechnungsverbot treuwidrig ist, wenn die Klageforderung und die Aufrechnungsforderung in untrennbarem Zusammenhang stehen und Entscheidungsreife hinsichtlich der einen Forderung auch Entscheidungsreife hinsichtlich der anderen Forderung bedeutet (BGH, Urt. v. 15.2.1978 - VIII ZR 242/76, WM 1978, 620). Es handelte sich dabei um einen Fall, in dem mit der Entscheidung über die Klageforderung zugleich feststand, daß auch die Aufrechnungsforderung begründet ist. Bei dieser Sachlage ist die Aufrechnungsforderung nicht bestreitbar. Deswegen ist es gerechtfertigt und geboten, die Aufrechnung mit ihr zuzulassen. Dies steht auch mit dem Zweck des Aufrechnungsverbots in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken im Einklang: Die Beschränkung des Aufrechnungsrechts des Kunden soll die Banken davor schützen, daß ein Zahlungsunfähiger oder Zahlungsunwilliger gegen Forderungen der Bank mit erdichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen aufzurechnen und sich dadurch seiner Zahlungspflicht zu entziehen versucht (BGH, Urt. v. 29.11.1971 - V ZR 136/69, LM Allg. Geschäftsbedingungen der Banken - Allgemeines Nr. 5). Steht die Gegenforderung zugleich mit der Entscheidung über die Klageforderung nach Grund und Höhe fest, werden die vom Aufrechnungsverbot geschützten Interessen der Bank nicht verletzt, wenn die Aufrechnung zugelassen wird. Daraus folgt, daß die Berufung der Bank auf den Aufrechnungsausschluß gegenüber einer Forderung treuwidrig ist, die in dem Sinne entscheidungsreif ist, daß sie begründet ist. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch diese Frage nicht. Der Bank steht es frei, sich auch gegenüber unsubstantiierten und damit unschlüssigen Aufrechnungsforderungen auf den Aufrechnungsausschluß zu berufen. Dies kann zweckmäßig und sinnvoll sein, wenn sich damit langwierige Auseinandersetzungen über die Aufrechnungsforderungen vermeiden und eine schnelle Entscheidung über die Klageforderung erreichen lassen. Aus diesem Grunde hat der Senat bereits im Urteil vom 11. Mai 1981 (II ZR 32/80, WM 1981, 712, 713 unter Ziffer 3.) ausgesprochen, daß die Berufung der Bank auf den Aufrechnungsausschluß nicht gegen Treu und Glauben verstößt, wenn die Aufrechnungsforderung noch nicht hinreichend substantiiert ist.

Das Berufungsgericht durfte somit nicht entscheiden, daß die Aufrechnungsforderungen des Beklagten sachlich nicht begründet sind. Daran ändert auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebene Erklärung nichts, daß sie sich nicht mehr auf das Aufrechnungsverbot berufe. Es handelt sich dabei um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz unbeachtlich ist.

Nach alledem muß die Aufrechnung gegen die Klageforderung wegen des vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbots als unzulässig zurückgewiesen werden. Mit dieser Maßgabe war die Revision, soweit sie die Klage betrifft, als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kosten der Revisionsinstanz hat der Beklagte zu tragen, weil sein Rechtsmittel im Endergebnis erfolglos geblieben ist, mag es auch für den Beklagten möglicherweise wirtschaftlich einen Erfolg darstellen, daß seine Aufrechnungsforderungen nicht als unbegründet abgewiesen worden sind (vgl. BGHZ 10, 303, 306).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992838

DB 1986, 1113

NJW 1986, 1757

DRsp II(224)163a-c

WM 1986, 477

ZIP 1986, 494

MDR 1986, 733

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