Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.1967)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 1967 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, der heute 79 Jahre alt ist, stand seit 1924 in den Diensten der beklagten GmbH, die zum S.-Konzern gehört und seinerzeit vorwiegend Kohle vertrieb. Bald nach seinen Eintritt bei der Beklagten wurde er deren Geschäftsführer, Am 6. Mai 1952 wurde der Kläger beurlaubt. Er war seitdem nicht mehr für die Beklagte tätig, bezog aber noch bis zum 31. Dezember 1952 sein volles Gehalt. Ein Sohn des Klägers, der ebenfalls bei der Beklagten angestellt war, kündigte diese Stellung und eröffnete am 1. Oktober 1952 ein eigenes Kohlengeschäft „R.” In Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers kam es zu Verhandlungen, die sich auch auf die Frage einer Ruhegehaltszahlung erstreckten und auf seiten der Beklagten von ihrer damaligen Alleingesellschafterin, der Math. S. GmbH, geführt wurden. Diese schrieb dem Kläger am 24. November 1962 u. a. folgendes:

„Bei unserer Besprechung am 24. September d. J. ist auch die Frage Ihrer Pensionierung erörtert worden. Die Firma G. (Beklagte) wird mit Dezember d. J. die Zahlung von Gehalt an Sie einstellen. Wir haben uns in diesem Zusammenhang bereit erklärt, eine Pension für Sie mit Wirkung ab 1. Januar n. J. unter den üblichen Kautelen (ohne Rechtspflicht und auf jederzeit möglichen Widerruf) festzusetzen, haben Sie aber darauf hingewiesen daß die Zahlung jeglicher Pension an Sie voraussetzt, daß Sie sich weder unmittelbar noch mittelbar, weder selbständig noch unselbständig im Kohlenhandel und damit im Wettbewerb zur Firma G. betätigen. Darunter fällt selbstverständlich auch jede Werbungstätigkeit für das neu ins Leben gerufene Geschäft Ihres Sohnes Hans. In diesen Zusammenhang sind wir nun neuerlich darauf hingewiesen worden, daß Sie Kunden der Firma G. aufsuchen und sich bemühen, deren Kohlen- und Koks-Aufträge für das Geschäft Ihres Sohnes zu bekommen. Wir haben Bedenken, ob Sie im Hinblick auf diese neuerlich festgestellte Werbungstätigkeit noch in der läge sind, die von uns gewünschte, Sie verpflichtende Erklärung abzugeben, sehen hierzu aber Ihrer umgehenden Rückäußerung entgegen.”

Anschließend entwickelte sich zwischen dem Kläger und der Math S. GmbH ein Schriftwechsel, bei dem u.a. erörtert wurde, wie die vom Kläger abzugebende Verpflichtungserklärung gefaßt sein sollte. Mehrere Erklärungen des Klägers wies die Math. S. GmbH als unzureichend zurück, wobei sie den Kläger erneut vorhielt, er habe nach ihren Informationen für das Geschäft seines Sohnes geworbene Unter den 7. April 1953 übersandte der Kläger der Math. S. GmbH alsdann folgende Erklärung:

„Ich erkläre hiermit, daß ich weder unmittelbar noch mittelbar in einem eigenen Kohlengroßhandelsgeschäft oder Platzgeschäft tätig bin oder tätig sein werde. Ebenso verpflichte ich mich, weder mittelbar noch unmittelbar im Kohlengroß- oder -platzhandel einer anderen Person oder eines anderen Unternehmens in Konkurrenz zur Firma Hch. G. GmbH werbend tätig zu sein oder tätig zu werden.”

Hierauf schrieb die Math. S. GmbH dem Kläger am 20. April 1953:

„… Wir bitten, uns zu bestätigen, daß Sie von jedweder Tätigkeit in einem eigenen oder in einem anderen Kohlengroß- oder -Platzhandelsunternehmen absehen. Wir legen also Wert darauf, daß nicht etwa durch die Worte ‚in Konkurrenz zur Firma Heinrich G. GmbH.’ oder durch den Zusatz des Wortes ‚werbend’ irgendeine Einschränkung Ihrer Verpflichtungserklärung erfolgen soll.”

Der Kläger erwiderte unter dem 25. April 1953, er habe nie die Absicht gehabt, seine Verpflichtungserklärung einzuschränken. Daß er im Innenbetrieb seines Sohnes in ganz bescheidenem Umfang mitarbeiten könne, sei seinerzeit mündlich besprochen worden. Diese Behauptung bezeichnete die Math. S. GmbH in ihrem Schreiben vom 12. Mai 1953 als unrichtig; sie habe dem Kläger bei jeder Gelegenheit mündlich und schriftlich erklärt, daß eine Pensionszahlung nur in Betracht komme, wenn er sich jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Betätigung im Kohlenhandel und damit auch im inneren Geschäftsbetrieb seines Sohnes enthalte. Hiervon abgesehen, halte sie vor jeglicher Peonsionszahlung eine Klarstellung für geboten, wie der Kläger seinen geldlichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nachkommen wolle. Der Kläger antwortete unter dem 20. Mai 1953:

„… Was Ihren Wunsch betrifft, von jeder Betätigung im Kohlengroßhandel abzusehen, so werde ich dem gerne entsprechen, wenn Sie mir eine für mich und meine Familie ausreichende Pension gewähren. Ich hatte lediglich daran gedacht, im Innenbetrieb für meinen Sohn tätig zu sein.”

Diese Erklärung beanstandete die Beklagte mit Schreiben vom 4. September 1953, weil sie eine wesentliche Einschränkung der von ihr verlangten Zusicherung bedeute. Sie erklärte sich jedoch bereit, sich über diesen Punkt hinwegzusetzen und mit der angebotenen Erklärung zu begnügen, wenn der Kläger ihr die seit langem überfälligen Vorschläge zur Abdeckung seiner Schuld bei der Beklagten vorlegen werde. Unter Voraussetzung, daß es über solche Vorschläge zu einer Vereinbarung kommen werde, werde sie alsdann auch einen Pensionsbetrag für den Kläger unter der Bedingung festsetzen, daß erforderlichenfalls ein Teil davon zur Schuldtilgung verwandt werde.

Auch der folgende Schriftwechsel führte nicht zur Aufnahme von Pensionszahlungen. Am 5. Dezember 1955 erinnerte die Math. S. GmbH den Kläger erneut an ihre Forderung, Vorschlage zur Schuldtilgung zu unterbreiten. Ferner wies sie darauf hin, daß das Finanzamt eine Steuerschuld des Klägers gegen die Beklagte geltend gemacht habe. Sie erklärte sich außerstande, die Beklagte in dieser Lage zur freiwilligen Übernahme von Pensionszahlungen zu veranlassen und bemerkte schließlich, „daß nach Regelung der vorerwähnten Schwebefälle eine Pension von mehr als 750 DM nicht in Betracht kommt.” Nachdem Anfang 1965 das Steuerverfahren bereinigt war, trat der Kläger wiederum wegen eines Ruhegehalts an die Math. S. GmbH heran. Diese bestritt das Bestehen einer Pensionsverpflichtung.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage fordert der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines monatlichen Ruhegehalts von 1.500 DM, hilfsweise von 750 DM, seit Klageerhebung. Zur Begründung hat er sich in erster Linie auf einen nach seiner Ansicht mit der Beklagten zustande gekommenen Pensionsvertrag sowie auf eine betriebliche Übung berufen.

Die Beklagte hat mit ihrem Antrag auf Klageabweisung das Vorliegen eines Pensionsvertrags oder einer entsprechenden Übung bestritten. Ferner hat sie vorgetragen, der Kläger sei von ihr aus wichtigen, in seinem Verhalten als Geschäftsführer liegenden Gründen entlassen worden und habe ihr überdies entgegen seinen Versicherungen durch geschäftliche Unterstützung seines Sohnes Konkurrenz gemacht.

Das hat der Kläger bestritten.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seinen Pensionsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht erblickt in dem Schreiben der Math. S. GmbH vom 24. November 1952 ein Angebot der Beklagten, einen Vorvertrag des Inhalts abzuschließen, daß sie für den Kläger ein Ruhegehalt festsetzen werde, sobald er sich verpflichtet habe, „weder unmittelbar noch mittelbar, weder selbständig noch unselbständig im Kohlenhandel und damit im Wettbewerb zur Beklagten” tätig zu werden. Dieses Angebot, so meint das Berufungsgericht, habe der Kläger angenommen und hierdurch einen klagbaren Anspruch auf Festsetzung des Ruhegehalts erworben, der lediglich von der genannten Bedingung abhängig gewesen sei. Zur Erfüllung der Bedingung hätten weder die „Versicherung” des Klägers vom 20. März 1953 noch dessen Erklärung vom 7. April 1953 ausgereicht. Jedoch habe der Kläger seine Erklärung schließlich auf Vorhalt dahin erläutert, eine Einschränkung hinsichtlich der ursprünglich beabsichtigten internen Mitarbeit im Betrieb seines Sohnes sei darin nicht zu finden. Demnach habe er mit seinen Erklärungen insgesamt zum Ausdruck gebracht, er wolle sich jeglicher Tätigkeit im Kohlengroß- oder -platzhandel enthalten, wie er dies auch in seinem Schreiben vom 20. Mai 1953 zusammenfassend erklärt habe. Diese Verpflichtungserklärung habe sich ihrem gesamten Inhalt nach durchaus mit der ihm gestellten Bedingung gedeckt. Deshalb sei die Beklagte nunmehr grundsätzlich verpflichtet gewesen, für den Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1953 an ein Ruhegehalt festzusetzen.

Hierauf komme es jedoch nicht an, da der Kläger der übernommenen Verpflichtung, sich jeder Tätigkeit im Kohlen handel zu enthalten, in mehrfacher Hinsicht zuwidergehandelt habe.

Die gegen das letztere gerichteten Revisionsangriffe können auf sich beruhen, weil entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Beklagte weder auf Grund eines Vorvertrags noch eines sonstigen Vertrags jemals verpflichtet gewesen ist, ein Ruhegehalt für den Kläger festzusetzen und zu zahlen.

1. Ein Vorvertrag setzt wie jeder Vertrag den übereinstimmend erklärten Willen zu sofortiger rechtsgeschäftlicher Bindung voraus. Ist ein solcher Wille aber vorhanden, wie das Berufungsgericht hier ohne weiteres unterstellt hat so richtet er sich im Regelfall schon auf den Abschluß ein Hauptvertrags und nur ausnahmsweise auf eine bloße vorvertragliche Bindung. Denn Vertragsverhandlungen haben im allgemeinen einen endgültigen Abschluß zum Ziel. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, um annehmen zu können, die Parteien hätten sich ausnahmsweise schon vor abschließender Regelung aller Vertragspunkte binden wollen (BGH WM 1966, 737; LM ZPO § 256 Nr. 40). Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Hinzu kommt, daß der Anspruch aus dem Vorvertrag nicht unmittelbar auf Leistung aus dem Hauptvertrag geht, wie der Kläger sie hier verlangt, sondern zunächst auf Abschluß eines Hauptvertrages.

2. Auch eine hauptvertragliche Bindung der Beklagten scheidet aus, da die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe die an das Angebot geknüpfte Bedingung durch seine Erklärungen erfüllt, rechtlich nicht haltbar ist.

a) Die Beklagte hatte durch die Fassung ihres Schreibens vom 24. November 1952, die wiederholte Zurückweisung ungenügender Erklärungen und die Hinweise auf ihr zugegangene Informationen über eine Wettbewerbstätigkeit des Klägers unmißverständlich zu erkennen gegeben, daß sie entscheidenden Wert auf eine uneingeschränkte und vorbehaltlose Erklärung des Klägers legte, sich jeder Tätigkeit für ein branchegleiches Unternehmen zu enthalten. Damit war der Inhalt der geforderten Erklärung eindeutig festgelegt. Dem hat der Kläger in keinem seiner Briefe entsprochen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, waren alle Beteuerungen des Klägers, bei denen die Möglichkeit irgendeiner Mitarbeit im Geschäft seines Sohnes offenblieb, unzureichend. Die Beklagte hatte auch ein berechtigtes Interesse an einer Erklärung, die jede derartige Mitarbeit, selbst wenn sie auf den inneren Geschäftsbetrieb beschränkt blieb, ausschloß. Denn es liegt auf der Hand, daß sie ihre Belange als gefährdet ansehen mußte, wenn der Kläger seine Beziehungen und Erfahrungen, die er sich in langjähriger Tätigkeit bei ihr erworben hatte, irgendwie zugunsten des branchegleichen Unternehmens seines Sohnes ausnützte. Das Berufungsgericht hat daher recht mit seiner Ansicht, es sei Sache des Klägers gewesen, durch eine vorbehaltlose Erklärung alle Bedenken der Beklagten zu zerstreuen.

b) Mit dieser zutreffenden Beurteilung ist es unvereinbar, wenn das Berufungsgericht gleichwohl meint, mit seinem letzten Schreiben vom 20. Mai 1953 habe der Kläger in Verbindung mit seinen vorausgegangenen Erklärungen die ihm gestellte Bedingung erfüllt. Denn auch dieses Schreiben enthielt nach dem hier allein maßgebenden Eindruck, den es unter den gegebenen Umstanden bei unvoreingenommener Betrachtung auf den Empfänger machen mußte, noch keine eindeutige und uneingeschränkte Verpflichtungserklärung, wie die Beklagte sie verlangt hatte. Die Ankündigung des Klägers, er werde von jeder Betätigung im Kohlengroßhandel gerne absehen, wenn die Beklagte eine ausreichende Pension für ihn und seine Familie gewähre, wurde durch die folgenden Worte: „Ich hatte lediglich daran gedacht, im Innenbetrieb für meinen Sohn tätig zu sein”, erheblich abgeschwächt, weil diese etwas vage Formulierung den Verdacht wachrufen konnte, der Kläger wolle noch immer einem vorbehaltlosen Versprechen jede Tätigkeit für seinen Sohn zu unterlassen, ausweichen. So hat die Beklagte das Schreiben auch tatsächlich in einem einschränkenden Sinne verstanden und hierauf in ihrem folgenden Brief vom 4. September 1953 hingewiesen, ohne daß der Kläger dies zum Anlaß einer Klarstellung genommen hätte. Es ist in der Tat, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht ersichtlich, warum sich der Kläger nach den vielen Vorhaltungen der Beklagten nicht einfach an den von ihr gewünschten Wortlaut gehalten hat, um jede Mißdeutung auszuschließen. Wenn er statt dessen eine weniger klare Äußerung vorzog, so konnte er nicht ohne weiteres mit der Billigung der Beklagten rechnen, auch wenn diese auf sein Schreiben vom 20. Mai 1953 zunächst rund 3 1/2 Monate schwieg.

c) Bei der Frage, ob die Beklagte die Erklärungen des Klägers nach den gesamten Umstanden als bedingungsgemäß ansehen konnte und sich deshalb mit ihnen zufrieden geben mußte, darf zudem nicht außer Betracht bleiben, daß der Kläger der Beklagten bereits Anlaß gegeben hatte, diesen Erklärungen mit Vorsicht zu begegnen und versteckte Vorbehalte zu vermuten. Schon die Tatsache, daß der Kläger einer klaren und uneingeschränkten Verpflichtungserklärung immer wieder auswich, war geeignet, Mißtrauen zu erwecken. Hinzu kommt, daß der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon vor seinem Schreiben vom 7. April 1953 entgegen seinen Beteuerungen für das Geschäft seines Sohnes geworben hatte.

So hat das Berufungsgericht u.a. der Aussage eines Handlungsbevollmächtigten der Beklagten und einer Aktennotiz ihres verstorbenen Prokuristen entnommen, der Kläger habe nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten und vor dem 17. Oktober 1952 zusammen mit seinem Sohn bei der Rheinischen Hypothekenbank in M., einer Kundin der Beklagten, vorgesprochen und Kohlen zu einem günstigeren Preis als die Beklagte angeboten. Daraufhin habe die Beklagte einen Preisnachlaß bieten müssen, um weiter an die Bank liefern zu können. Diese rechtlich fehlerfreie Beweiswürdigung kann die Revision nicht dadurch ausräumen, daß sie aus den Bekundungen des Bankkaufmanns B., die das Berufungsgericht ebenfalls gewürdigt hat, etwas anderes herleitet. Schon dieser eine Vorfall rechtfertigt die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch sein Verhalten seine „Verpflichtungserklärung” vom 7. April 1953 unglaubhaft gemacht.

d) Hatte die Beklagte aber begründeten Anlaß zu den Verdacht, der Kläger wolle sieh ihrer Forderung, jede Tätigkeit im Kohlenhandel zu unterlassen, nicht uneingeschränkt beugen, so durfte sie erst recht darauf bestehen, daß der Kläger sich bei seiner Verpflichtungserklärung strikt an die von ihr gewünschte Fassung hielt. Das hat der Kläger trotz allen Vorhaltungen der Beklagten nicht getan. Unter diesen Umständen kann eine rechtliche Würdigung seiner Erklärungen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur zu dem Ergebnis führen, daß der Kläger die ihm gestellte Bedingung nicht erfüllt hat.

3. Demnach ist eine Verpflichtung der Beklagten, auf Grund ihres Schreibens vom 24. November 1952 dem Klage ein Ruhegehalt zu zahlen oder ein solches festzusetzen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von vornherein nicht wirksam begründet worden. Die Beklagte handelte daher auch nicht vertragswidrig, wenn sie dem Kläger in ihrem Schreiben vom 4. September 1953 ein neues Angebot unterbreitete, das dahin ging, auf die bislang geforderte, vom Kläger aber noch nicht abgegebene uneingeschränkte Verpflichtungserklarung zu verzichten, sofern es wegen der Verbindlichkeiten des Klägers zu einer Regelung kommen werde. Unstreitig ist eine solche Regelung ebenfalls nicht zustande gekommen.

4. Der Gesichtspunkt der Verwirkung, den die Revision zu Lasten der Beklagten angewandt wissen möchte, greift ebenfalls nicht durch. Er käme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte gegen eine zunächst wirksam entstandene Pensionsverpflichtung Einwendungen gehabt, diese aber treuwidrig verspätet geltend gemacht hätte. Ein solcher Sachverhalt ist nicht gegeben. Die Beklagte hat auch niemals einen Zweifel daran gelassen, daß ihr die Erklärungen des Klägern über eine Wettbewerbstätigkeit nicht ausreichten, und daß sie nur unter bestimmten, tatsächlich nicht eingetretenen Voraussetzungen geneigt sei, hierüber hinwegzusehen.

II. Der Kläger hat sich ferner auf eine betriebliche Übung berufen. Das Berufungsgericht ist dem nicht nachgegangen, weil es meint, über einen so begründeten Anspruch habe ausschließlich das Arbeitsgericht zu befinden. Das ist unrichtig. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Anstellungsverhältnis von Geschäftsführern und anderen Vertretungsorganen von juristischen Personen kein Arbeitsverhältnis (BGHZ 10, 187, 191; 49, 30). Aus solchen Dienstverhältnissen herrührende Ansprüche nimmt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausdrücklich von der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus.

Dieser Mangel kann aber nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils führen. Denn der Klageanspruch ist insoweit nicht schlüssig, als er auf eine betriebliche Übung gestützt ist. Das gilt vor allem für den Hinweis des Klägers auf eine in den Stinnes-Unternehmen eingeführte Versorgungsordnung für Sozialversicherungspflichtige Betriebsangehörige. Aus einem Brauch, der sich auf die Versorgung abhängiger Arbeitnehmer beschränkt, erwächst einem Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer kein Pensionsrecht. Ein solches Recht setzt vielmehr voraus, daß sich in dem betreffenden Unternehmen der ständige Brauch gebildet hat, Organmitgliedern ohne ausdrückliche Pensionszusage Ruhegehalt zu gewähren (BGH NJW 1955, 501, insoweit in BGHZ 16, 50 nicht abgedr.). Unter dieser Voraussetzung wird jedoch ein Ruhegeldanspruch kraft Übung bei einem Organmitglied nur selten in Betracht kommen, weil der Gesichtspunkt der betrieblichen Übung und der im Zusammenhang damit bedeutsame Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung eine genügende Anzahl im wesentlichen gleich liegender Fälle voraussetzen (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts 7. Aufl. Bd. I § 52 III 4), bei der Anstellung von Organmitgliedern aber weitgehend individuelle Gesichtspunkte eine Rolle zu spielen pflegen.

Der Kläger hat zwar Fälle aufgeführt, in denen ein S. Unternehmen an leitende Angestellte oder deren Witwen freiwillig eine Pension zahlt (Schriftsatz vom 20. Mai 1965 S. 2 ff). Aber nur in einem dieser Falle handelt es sich um einen Angestellten der Beklagten, und dieser war nicht Geschäftsführer, also Organmitglied, sondern Prokurist. Die übrigen Fälle betreffen Angestellte anderer S. Unternehmen; nur drei davon waren Geschäftsführer. Von diesen sind zwei durch Tod aus dem Dienst der Beklagten ausgeschieden. Schon aus diesem Grund sind ihre Fälle mit dem des Klägers unvergleichbar. Es fehlt demnach an einer genügend breiten Grundlage für die Annahme einer ständigen Übung, selbst wenn man die Fälle aus anderen S.-Unternehmen einbeziehen könnte, was zumindest zweifelhaft ist. Das Vorbringen der Revision, sie hätte, wenn das Berufungsgericht den auf Übung gestützten Ruhegehaltsanspruch sachlich geprüft und wegen fehlender Schlüssigkeit als unbegründet abgewiesen hätte, Verletzung des § 139 ZPO rügen können, scheitert daran, daß die Frage, ob der Kläger für eine betriebliche Übung genügend vorgetragen hat, in den Tatsacheninstanzen erörtert worden ist. Nachdem das Landgericht einen Pensionsanspruch kraft Übung mit der Begründung verneint hatte es komme immer auf die Umstände des Einzelfalles an, hat die Beklagte namentlich in ihrem Schriftsatz vom 28. Juli 1966 eingehend dargelegt, daß der Vortrag des Klägers in diesem Punkt unzureichend sei. Es bedurfte daher keines gerichtlichen Hinweises mehr.

III. Das Berufungsurteil erweist sich, demnach im Ergebnis als richtig.

 

Unterschriften

Dr. Kuhn, Liesecke, Dr. Schulze, Fleck, Stimpel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1502384

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