Entscheidungsstichwort (Thema)

gesundheitsbezogene Angabe. mangels Bestimmtheit nicht zulassungsfähige Angabe. unspezifische Angabe. Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Kapseln mit getrocknetem Pilzpulver als Nahrungsergänzungsmittel. Werbeaussage

 

Leitsatz (amtlich)

a) Eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 liegt auch dann vor, wenn die Angabe mangels Bestimmtheit nicht zulassungsfähig i.S.d. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung ist und daher eine unspezifische Angabe i.S.d. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung darstellt.

b) Solange die Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 noch nicht erstellt sind, kann Art. 10 Abs. 3 der Verordnung nicht vollzogen werden.

c) Das Vorliegen der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angabe muss vom Verwender dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen werden. Auf die Übergangsregelungen in Art. 28 der Verordnung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

d) An den vom Verwender gem. Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu führenden Wirksamkeitsnachweis sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11; Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 3, 1; Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 28

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen 6 U 174/10)

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.07.2010; Aktenzeichen 2-3 O 585/09)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 10.11.2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Unterlassungsanträge zu 5.1 und 5.2 zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt/M. - 3. Zivilkammer - vom 15.7.2010 teilweise abgeändert.

Die Klage wird auch mit den Unterlassungsanträgen zu 5.1 und 5.2 abgewiesen.

Die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten der Rechtsmittel hat der Kläger 1/7 und die Beklagte 6/7 zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Beklagte vertreibt Kapseln mit getrocknetem Pilzpulver als Nahrungsergänzungsmittel, für die sie auf ihrer Internetseite u.a. mit Aussagen warb, die im nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Unterlassungsantrag wiedergegeben sind.

Rz. 2

Nach Ansicht des Klägers, des Verbands Sozialer Wettbewerb, handelt es sich bei diesen Aussagen um gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Die Aussagen seien unzulässig, weil die Beklagte ihre Richtigkeit entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise bewiesen habe. Die Aussagen zu den Mitteln "Reishi Vitalpilz" (Nr. 2) und "Coriolus Vitalpilz" (Nr. 7) seien zudem jedenfalls deshalb unzulässig, weil es sich bei diesen Mitteln um neuartige Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittel-Zutaten handele, die ohne entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig seien.

Rz. 3

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu werben 2. für das Mittel "Reishi Vitalpilz" "zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress", 4. für das Mittel "Hericium Vitalpilz" "Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung", 5. für das Mittel "Cordyceps Vitalpilz" 5.1. "zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit", 5.2 "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit", 5.3 "- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!", 6. für das Mittel "Agaricus Vitalpilz" "Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems", 7. für das Mittel "Coriolus Vitalpilz" "zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems", 8. für das Mittel "Auricularia Vitalpilz" 8.1. "zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung", 8.2. "für gesunde Blutgefäße", 8.3. "ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten", 9. für das Mittel "Coprinus Vitalpilz" "zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion", 10. für das Mittel "Polyporus Vitalpilz" 10.1. "zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall", 10.2. "zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen", 10.3. "u.a. unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar ...", wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 geschehen

Rz. 4

Das LG hat der Klage in diesem Umfang stattgegeben (LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.7.2010 - 2/3 O 585/09, MD 2010, 904). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt, Urt. v. 10.11.2011 - 6 U 174/10, MD 2012, 291). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

I. Das Berufungsgericht hat die von ihm noch zu beurteilenden Werbeaussagen sämtlich als gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angesehen; denn sie stellten auch insoweit, als - bei den Aussagen zu Nr. 5 und 10 - ein ausdrücklicher Gesundheitsbezug fehle, einen Zusammenhang zwischen dem Konsum der beworbenen Produkte und der Gesundheit des Anwenders her.

Rz. 6

Die Aussagen seien unzulässig, da die Beklagte ihre Richtigkeit entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise bewiesen habe. Die an einen solchen Nachweis zu stellenden Anforderungen seien grundsätzlich nicht weniger streng als die Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät. Der Nachweis der Richtigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sei daher, soweit sich die wissenschaftliche Anerkennung nicht anders belegen lasse, durch Vorlage von nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Studien zu erbringen, wobei grundsätzlich randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien erforderlich seien, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden seien. Im Streitfall fehle es bereits an der für eine Prüfung der einzelnen Merkmale des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unabdingbaren Darlegung, welcher konkrete Inhaltsstoff in den jeweiligen Pilzextrakten überhaupt geeignet sein solle, die mit den einzelnen Werbeaussagen beanspruchten Wirkungen zu erzielen. Die von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen seien daher nicht geeignet, die mit den beanstandeten Aussagen behaupteten gesundheitsbezogenen Wirkungen der Pilzextrakte zu belegen. Sie enthielten zudem keine dem insoweit zugrundezulegenden Standard entsprechenden konkreten produktbezogenen und kontrollierten klinischen Studien.

Rz. 7

Die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stellten Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen.

Rz. 8

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung überwiegend stand. Das Berufungsgericht hat die im zweiten Rechtszug noch streitgegenständlichen Werbeaussagen zutreffend als gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angesehen (dazu unter II 1). Nicht unzulässig sind allerdings die von der Beklagten gemachten Werbeaussagen zu Nr. 5.1 und 5.2, die nur unspezifische Angaben i.S.v. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung enthalten, so dass die Revision insoweit Erfolg hat (dazu unter II 2). Ansonsten ist die Revision dagegen unbegründet (dazu unter II 3). Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 in einem Prozess über ihre Zulässigkeit nicht erst dann gehalten ist, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn der Kläger diese substantiiert in Frage stellt (dazu unter II 3a). Keinen durchgreifenden Rechtsfehler lässt auch seine Beurteilung erkennen, die Beklagte sei den ihr deshalb obliegenden Nachweis schuldig geblieben, dass ihre mit den beanstandeten Angaben beworbenen Produkte die ihnen zugeschriebenen positiven Wirkungen nach den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen haben (dazu unten II 3b). Das Berufungsgericht hat die Klage daher in dem Umfang, in dem es über Aussagen zu entscheiden hatte, die keine unspezifischen Angaben i.S.v. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 darstellten, mit Recht als aus §§ 8, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 begründet angesehen (dazu unter II 3c).

Rz. 9

1. Die im Berufungsverfahren noch im Streit befindlichen Werbeaussagen der Beklagten stellen gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar.

Rz. 10

a) Nach der genannten Bestimmung ist eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen (EuGH, Urt. v. 6.9.2012 - Rs. C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rz. 34 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor). Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH ebd. Rz. 35; BGH, Beschl. v. 5.12.2012 - I ZR 36/11, GRUR 2013, 189 Rz. 9 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke).

Rz. 11

b) Danach stellen die noch im Streit befindlichen Werbeaussagen der Beklagten sämtlich gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar. Die Revision nimmt dies hinsichtlich der Aussagen zu Nr. 2 ("Zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress."), 4 ("Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung"), 6 ("Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems."), 7 ("Zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems"), 8.1 ("Zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung"), 8.2 ("Für gesunde Blutgefäße"), 8.3 ("Ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten") und 9 ("Zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion") grundsätzlich hin; ein Rechtsfehler ist insoweit auch nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Aussagen zu Nr. 5 und 10 macht die Revision demgegenüber geltend, sie seien mangels Bestimmtheit nicht zulassungsfähig i.S.d. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und daher unspezifische Angaben i.S.d. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung. Indes stellen auch solche Angaben gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2011 - I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Rz. 7 = WRP 2011, 344 - Gurktaler Kräuterlikör; BVerwG, Beschl. v. 23.9.2010 - 3 C 36/09, WRP 2011, 103, 104 - Deutsches Weintor; Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 14. Lfg. Juli 2011, Art. 10 Rz. 18 m.w.N.).

Rz. 12

2. Soweit die Werbeaussagen zu Nr. 5 und 10 teilweise - zu Nr. 5.1 und 5.2 - unspezifische Angaben i.S.v. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthalten (dazu unten II 2a), sind sie nicht unzulässig (dazu unten II 2b). Die Revision hat daher hinsichtlich der Werbeaussagen zu Nr. 5.1 und 5.2 Erfolg.

Rz. 13

a) Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 regelt die Zulässigkeit von Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. Sie erfasst Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung genannten Funktionen Bezug nehmen, aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung aber nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten (vgl. BGH, GRUR 2011, 246 Rz. 9 - Gurktaler Kräuterlikör; Meisterernst in Meisterernst/, a.a.O., Art. 10 Rz. 22). Das ist bei den von der Beklagten für ihr Mittel "Cordyceps Vitalpilz" gemachten Aussagen "Zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit" (Nr. 5.1) und "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit" (Nr. 5.2) der Fall. Diese Aussagen nehmen zwar auf das durch die Einnahme des Mittels angabegemäß zu unterstützende bzw. zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden, nicht aber auf bestimmte dadurch zu fördernde Funktionen des Körpers Bezug. Insoweit unterscheiden sich die beiden Aussagen von den Aussagen zu Nr. 5.3 ("- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!"), 10.1 ("Zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall"), 10.2 ("Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen") und 10.3 ("Unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar ...").

Rz. 14

b) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitliche Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/allein dann zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Solange diese Listen noch nicht erstellt sind, kann Art. 10 Abs. 3 der Verordnung allerdings noch nicht vollzogen werden (vgl. Fezer/, UWG, 2. Aufl., § 4-S4 Rz. 324; Meisterernst in Meisterernst/, a.a.O., 17. Lfg. Juli 2012, Art. 28 Rz. 24, jeweils unter Hinweis auf den "1. Orientierungserlass zur Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel" des österreichischen Bundesministerium für Justiz [abgedruckt bei Meisterernst/, a.a.O., Appendix A II 1.1]).

Rz. 15

Nach Art. 11 Nr. 1 Buchst. a des ursprünglichen Entwurfs der Verordnung sollten Angaben, die auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels in Bezug auf allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden verweisen, generell nicht zulässig sein. Da dieses Verbot als zu weit empfunden wurde, hat es nur in einer eingeschränkten Form Eingang in den Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gefunden (vgl. Meisterernst in Meisterernst/, a.a.O., Art. 10 Rz. 18 f.; Fezer/Meyer, a.a.O., § 4-S4 Rz. 325). Unzulässig sind solche Angaben nur, solange ihnen keine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Dieses (eingeschränkte) Verbot setzt voraus, dass diese Listen erstellt sind. Solange dies noch nicht geschehen ist, ist die Verwendung entsprechender Verweise durch die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht reglementiert. Denn anderenfalls enthielte die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 insoweit entgegen dem Willen des Verordnungsgebers, wie er in den Übergangsregelungen ihres Art. 28 eindeutig zum Ausdruck gekommen ist, zunächst eine strengere Regelung als später.

Rz. 16

Unter diesen Umständen hat auch die (Teil-)Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die die Kommission mit der Verordnung (EG) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern vorgelegt hat, die Rechtslage nicht maßgeblich verändert (vgl. BGH GRUR 2013, 189 Rz. 15 - Monsterbacke). Damit ist insoweit - anders als zu der Frage, ob Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits seit dem 1.7.2007, seit dem die Verordnung gemäß ihrem Art. 29 gilt, zeitlich anwendbar war (vgl. dazu BGH GRUR 2013, 189 Rz. 11 ff. - Monsterbacke) - auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV veranlasst.

Rz. 17

3. Im Übrigen Umfang ist die Revision der Beklagten dagegen unbegründet.

Rz. 18

a) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 in einem Prozess über ihre Zulässigkeit nicht erst dann gehalten ist, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn der Kläger diese substantiiert in Frage stellt. Der Unionsgesetzgeber hat - wie auch die Revision nicht verkennt - die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben in der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einem grundsätzlichen Verbot unterworfen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der insoweit zentralen Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung genannt sind, muss deshalb vom Verwender dargelegt und im Bestreitensfall auch bewiesen werden. Soweit diese Voraussetzungen gemäß den Übergangsregelungen in Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ganz (vgl. BGH GRUR 2013, 189 Rz. 11 - Monsterbacke) oder immerhin teilweise (vgl. dazu BGH ebd. Rz. 11 ff. sowie vorstehend Rz. 15) zunächst noch nicht zu erfüllen sind oder waren, bleibt die beschriebene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon unberührt. Dies kommt in den in Art. 28 Abs. 5 und 6 der Verordnung enthaltenen Übergangsbestimmungen dadurch zum Ausdruck, dass die betreffenden Angaben, soweit sie dem Art. 28 Abs. 5, dem Art. 28 Abs. 6 Buchst. a letzter Unterabsatz sowie dem Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung unterfallen, (nur) unter den dort jeweils genannten Voraussetzungen zulässig sind, und, soweit sie in einem Mitgliedstaat (bereits) einer Bewertung unterzogen und zugelassen wurden, in dem in Art. 28 Abs. 6 Buchst. a Unterbuchst. i und ii der Verordnung geregelten Verfahren zugelassen werden. Im Hinblick darauf, dass diese Regelungen - was die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast angeht - eindeutig sind, besteht insoweit ebenfalls kein Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV.

Rz. 19

b) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die von ihr für ihre Produkte in Anspruch genommenen gesundheitsbezogenen Angaben entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht bewiesen.

Rz. 20

aa) Allerdings unterliegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Anforderungen an den von einem Verwender gem. Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu führenden Wirksamkeitsnachweis Bedenken. Das Berufungsgericht hat gemeint, insoweit seien grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät, so dass dann, wenn sich der Nachweis der wissenschaftlichen Anerkennung nicht anders belegen lasse, regelmäßig randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien vorzulegen seien, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden seien. Die Revision rügt mit Recht, dass diese eher schematische Sichtweise den besonderen Anforderungen nicht gerecht wird, die an den vom Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gem. Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zu führenden Wirksamkeitsnachweis zu stellen sind (vgl. Hahn/, ZLR 2008, 663, 665 ff., 693 f.; Dettling, LMuR 2010, 105, 109 bis 112; Haber in Meisterernst/, a.a.O., 9. Lfg. Oktober 2009, Art. 6 Rz. 5 bis 29).

Rz. 21

bb) Eine nähere Klärung dieser Frage, die ggf. eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV erforderte, erübrigt sich im Streitfall aber deshalb, weil die Beklagte im Rahmen der sie treffenden Darlegungslast (vgl. oben Rz. 18) nach den - nicht in zulässiger Weise angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts schon nicht vorgetragen hat, welche konkreten Inhaltsstoffe in den jeweiligen Pilzextrakten geeignet sein sollten, die mit den einzelnen Werbeaussagen behaupteten Wirkungen zu erzielen. Wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, fehlte es damit bereits an einer Grundlage für den von der Beklagten zu führenden Nachweis, dass den betreffenden Inhaltsstoffen die jeweils behauptete Wirkung tatsächlich zukommt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) und dass diese Stoffe in den Produkten der Beklagten jeweils in relevanter Menge (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung) und bioverfügbarer Form (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung) enthalten sind und bei einem vernünftigerweise zu erwartenden Verzehr die von der Beklagten behauptete Wirkung zu erzielen vermögen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung). In diesem Zusammenhang ist insb. zu berücksichtigen, dass die Verwendung der entsprechenden Angaben nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen nur dann zulässig ist, wenn die behauptete positive Wirkung der jeweiligen Substanz bereits zu dem Zeitpunkt anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, zu dem die Angaben gemacht werden.

Rz. 22

c) Das Berufungsgericht hat die Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 mit Recht als Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG angesehen, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2011, 246 Rz. 12 - Gurktaler Kräuterlikör, zu Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung; OLG Köln, LMuR 2012, 107; OLG Hamburg, MD 2013, 39, 47; Köhler, ZLR 2008, 135, 140 bis 142; ders. in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rz. 11.137a). Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Art. 4 in ihrem Anwendungsbereich eine vollständige Harmonisierung bezweckt, kennt zwar keinen dem § 4 Nr. 11 UWG entsprechenden Unlauterkeitstatbestand. Dieser Umstand steht der Anwendung der genannten Vorschrift aber deshalb nicht entgegen, weil nach Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten und damit insb. die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 davon unberührt bleiben (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rz. 11.6h).

Rz. 23

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 5081543

BB 2013, 1921

BlPMZ 2013, 312

EBE/BGH 2013

NJW-RR 2013, 1262

GRUR 2013, 958

MDR 2013, 1054

WRP 2013, 1179

ZLR 2013, 695

GRUR-Prax 2013, 389

LMuR 2013, 185

Mitt. 2014, 41

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