Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim BGH bei Verwerfung der offensichtlich unbegründeten Revision im Beschlußwege

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof entscheidet über den Antrag des Generalbundesanwalts, die Revision eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, in der Besetzung mit drei Mitgliedern des Bundesgerichtshofs mit Einschluß des Vorsitzenden. Kommt es für die revisionsrechtliche Beurteilung auf die besondere Sachkunde oder Berufserfahrung von Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten an, so ist die Entscheidung durch Urteil in einer Hauptverhandlung zu treffen, bei der der Senat zusätzlich mit zwei Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten als Beisitzern besetzt ist.

 

Normenkette

StBerG § 97 Abs. 2 Sätze 1-2, § 130 Abs. 3; StPO § 349 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 14.03.1991; Aktenzeichen StO 2/90)

 

Tatbestand

1. Der jetzt 70jährige Beschwerdeführer wurde 1954 als Rechtsanwalt und 1959 als Steuerberater zugelassen. Seine Zulassung als Rechtsanwalt in H. wurde 1968 zurückgenommen. Seit 1966 war er Steuerberater in M.. 1969 gründete er eine zweite Steuerberaterpraxis in S./Schweiz, die er seit 1981 nicht mehr betreibt. 1978 verlegte er seine Praxis in Deutschland von M. nach F. und 1979 nach V.-B.. Dort ist er auch jetzt in noch erheblichem, wenn auch altersbedingt eingeschränktem Umfang tätig.

Durch Urteil der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht München I vom 11. Februar 1974 wurde er wegen schuldhafter Verletzung der Berufspflichten zu einem Verweis und einer Geldbuße von 1.200 DM verurteilt, weil er 1965, 1967 und 1968 gegen Richter unberechtigte Vorwürfe der Rechtsbeugung erhoben hatte.

Durch Urteil derselben Kammer wurde er am 5. Januar 1977 zum Ausschluß aus dem Beruf verurteilt. Auf seine Berufung änderte das Oberlandesgericht München durch Urteil vom 6. Juni 1977 den Maßnahmeausspruch dahin, daß gegen ihn eine Geldbuße von 1.800 DM verhängt wurde. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:

1967 warf er den Richtern des Verwaltungsgerichts München vor, sie deckten hoheitliche Terrorakte und Willkürmaßnahmen, weil sie den Antrag abgelehnt hatten, die Zwangsvollstreckung aus einer von der Steuerberaterkammer München gegen ihn geltendgemachten Forderung einzustellen. 1968 warf er dem Amtsrichter in Wolfratshausen vor, in einem gegen ihn anhängigen Strafbefehlsverfahren Rechtsbeugung begangen zu haben. 1969 bis 1974 verweigerte er in sechs Fällen die Erfüllung rechtskräftig festgestellter Ansprüche und ließ es zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und zu Haftbefehlen kommen. 1970 und 1971 bezeichnete er sich zu Unrecht als Rechtsanwalt. 1971 sagte er als Zeuge vor dem Finanzgericht München über den Umfang eines Mandats vorsätzlich falsch aus. 1972 bis 1977 war er in Menorca und in Liechtenstein erwerbswirtschaftlich tätig.

2. Der Steuerberater ist nunmehr durch Urteil der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht Freiburg/Br. vom 4. Dezember 1989 wegen schuldhafter Verletzung seiner Berufspflichten aus dem Beruf ausgeschlossen worden. Die Berufung des Steuerberaters hat der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht Karlsruhe durch Urteil vom 14. März 1991 verworfen. Er hat u.a. festgestellt:

Nachdem die erste Ehefrau des Steuerberaters gegen ihn 1977 Scheidungsklage erhoben hatte, faßte er den bis heute weiter verfolgten Entschluß, Forderungen ihm unliebsamer Gläubiger oder einzelne ihm unberechtigt erscheinende rechtskräftig titulierte Forderungen nach Belieben nicht mehr zu erfüllen. Den Entschluß verwirklichte er u.a. dadurch, daß er 1978 seiner späteren zweiten Ehefrau „die gesamten Erträge aus seiner Steuer- und Wirtschaftsberatungspraxis für jetzt und in Zukunft” verkaufte. Die ihm zu gewährenden Gegenleistungen auf Unterhalt, Pflege, Bereitstellung von Praxisräumen und Freistellung von den laufenden Praxisaufwendungen sollten höchstpersönlicher Natur, nicht abtretbar und unpfändbar sein. Der Steuerberater hat trotz ausreichender Einnahmen seit 1978 freiwillig keine Beiträge zur Berufskammer gezahlt. Als die Steuerberaterkammer versuchte, ihn mit den Mitteln des Standesrechts zur Geltendmachung seines Anspruchs auf Freistellung von Beitragsschulden anzuhalten, ergänzte er 1986 den mit seiner zweiten Ehefrau geschlossenen Vertrag dahin, daß sich die Freistellung nicht auf Abgaben, Beiträge und Gebühren beziehe. Ebenfalls in Gläubigerbenachteiligungsabsicht verkaufte er 1979 seine Eigentumswohnung in F. und trat den Kaufpreisanspruch an seine spätere zweite Ehefrau ab. Das 1983 für die Familie und den Betrieb der Praxis erstandene Haus wurde unmittelbar auf den Namen seiner zweiten Ehefrau erworben. Auch die drei ihm gehörenden Ferienhäuser in Südfrankreich übertrug er ihr. Ein viertes Ferienhaus erwarb er unmittelbar für sie. Zur Übertragung seines Hauses in S. /Schweiz sah er keinen Anlaß, weil er eine Zwangsvollstreckung in der Schweiz nicht befürchtete. Als jedoch die Steuerberaterkammer über nicht gezahlte Kammerbeiträge ein vollstreckbares Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg/Br. erwirkt hatte und damit in sein Schweizer Grundstück vollstrecken wollte, versuchte er zunächst, das Haus zu verkaufen und die Kaufpreisforderung an seine zweite Ehefrau abzutreten. Als dies wegen des fortbestehenden Wohnrechts seiner ersten Ehefrau scheiterte, belastete er das Grundstück wegen einer Scheinforderung mit einem Grundpfandrecht. Nachdem die Steuerberaterkammer trotzdem einen Arrestbefehl betreffend das Schweizer Grundstück erlangt hatte, erklärte er den Verzicht auf sein Eigentum mit der Folge, daß 1984 eine Beistandschaft für das Grundstück bestellt werden mußte. Dennoch gelang es der Steuerberaterkammer nach Klageerhebung beim Kantonsgericht Obwalden, ihre Forderung durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück beizutreiben. Ohne Erfolg blieben Zwangsvollstreckungsversuche anderer Gläubiger wie seiner ersten Ehefrau, der Verlagsbuchhandlung C.H. Beck, der Stadtkasse Freiburg/Br. und der Gerichtskassen in Mannheim, München und Freiburg/Br. Das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald und die Universitätsklinik Freiburg/Br. beantragten 1986 die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die zu deren Erzwingung ergangenen Haftbefehle wurden wieder aufgehoben, weil sich der Steuerberater in einem Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft befunden hatte. Am 30. Mai 1990 gab er erneut die eidesstattliche Versicherung ab. Bei der Abgabe zweier eidesstattlicher Versicherungen hat er sich strafbar gemacht. Das Landgericht Freiburg/Br. verurteilte ihn als Berufungsgericht am 6. Dezember 1982 wegen vorsätzlicher und fahrlässiger falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen und am 19. Februar 1988 wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer weiteren Geldstrafe von 120 Tagessätzen.

Das Oberlandesgericht hat die schuldhafte Berufspflichtverletzung darin gesehen, daß sich der Steuerberater bewußt pfandlos gestellt, trotz ausreichender Einnahmen ihm unliebsame Gläubiger nicht befriedigt, in strafbarer Weise falsche Versicherungen an Eides Statt abgegeben und der Steuerberaterkammer seit 1978 freiwillig keine Beiträge gezahlt hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Steuerberaters, die er mit der Sachrüge begründet hat. Das angefochtene Urteil weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Steuerberaters auf.

1. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Revision durch Beschluß nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Der Senat teilt die Auffassung des Generalbundesanwalts, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. Dennoch hat er über die Revision durch Urteil erkannt und von einer Entscheidung durch Beschluß abgesehen, weil die Frage einer grundsätzlichen Klärung bedarf, in welcher Besetzung der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung über einen solchen Antrag des Generalbundesanwalts zu befinden hat. In Betracht kommt die in § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehene Besetzung mit drei Mitgliedern des Bundesgerichtshofes mit Einschluß des Vorsitzenden oder die in § 97 Abs. 2 Satz 2 StBerG für Urteile in einer Hauptverhandlung vorgesehene Besetzung mit drei Mitgliedern des Bundesgerichtshofs und zwei Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten als weiteren Beisitzern. Zwar kommt es für die sachliche Entscheidung über den Erfolg der Revision im Urteilsverfahren nicht mehr darauf an, in welcher Besetzung der Senat über die Begründetheit der Revision zu befinden gehabt hätte, wenn er dem Antrag des Generalbundesanwalts auf Verwerfung der Revision durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung gefolgt wäre. Dies steht aber einer Entscheidung der bezeichneten gerichtsverfassungsrechtlichen Frage hier nicht entgegen, weil deren Klärung durch die prozessuale Lage veranlaßt wird, die aufgrund des Verwerfungsantrags des Generalbundesanwalts nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 und 3 StPO entstanden ist.

Der Senat hat bisher Anträgen des Generalbundesanwalts nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 und 3 StPO, Revisionen von Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten als offensichtlich unbegründet durch Beschluß zu verwerfen, teils in der in § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG für Beschlüsse außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung (ohne die ehrenamtlichen Richter), teils in der in § 97 Abs. 2 Satz 2 StBerG für Urteile in einer Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung (mit den ehrenamtlichen Richtern) stattgegeben. Für beide Verfahrensweisen lassen sich Gründe anführen. Für die Entscheidung in der für Urteile vorgesehenen Besetzung kann sprechen, daß Verwerfungsbeschlüsse nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO „urteilsvertretende” Erkenntnisse sind, die die Prüfung der Begründetheit der Revision nach denselben Kriterien und in derselben durch den Inhalt der Revisionsrechtfertigung begrenzten Weise voraussetzen wie revisionsverwerfende Urteile nach § 130 Abs. 3 StBerG, §§ 353 ff. StPO. Nach erneuter Überprüfung ist der Senat zu folgender Auffassung gelangt:

Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof entscheidet über den Antrag des Generalbundesanwalts, die Revision eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, in der Besetzung mit drei Mitgliedern des Bundesgerichtshofs mit Einschluß des Vorsitzenden (so auch Peter/Charlier/Endriss StBerG 3. Aufl. 1981 § 97 Rdn. 2). Kommt es für die revisionsrechtliche Beurteilung auf die besondere Sachkunde oder Berufserfahrung von Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten an, so ist die Entscheidung über die Revision durch Urteil in einer Hauptverhandlung zu treffen, bei der der Senat zusätzlich mit zwei Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten als Beisitzern besetzt ist.

a) Die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung über die Besetzung des Senats für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof sind keine Auslegungshilfe dafür, wie der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof im berufsgerichtlichen Verfahren nach dem Steuerberatungsgesetz besetzt sein soll. Der Senat für Anwaltssachen ist bei Entscheidungen über Revisionen durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung in derselben Weise besetzt wie bei Entscheidungen durch Urteil aufgrund einer Hauptverhandlung. Dies beruht jedoch darauf, daß die Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 106 Abs. 2 BRAO), anders als das Steuerberatungsgesetz (§ 97 Abs. 2 StBerG), keine unterschiedliche Besetzung des Senats bei Entscheidungen außerhalb und in einer Hauptverhandlung kennt. Auch in der Hauptverhandlung selbst entspricht die Besetzung des Senats für Anwaltssachen (Präsident des Bundesgerichtshofs sowie drei Mitglieder des Bundesgerichtshofs und drei Rechtsanwälte) nicht der des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen (Vorsitzender Richter sowie zwei Mitglieder des Bundesgerichtshofs und zwei Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte). Im übrigen wird die Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren nicht wie bei den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten durch besondere Kammern und Senate des Landgerichts und des Oberlandesgerichts (§ 95 Abs. 1, § 96 Abs. 1 StBerG), sondern von organisatorisch selbständigen, in der ersten Instanz ausschließlich mit Rechtsanwälten und in der zweiten Instanz überwiegend mit Rechtsanwälten besetzten Ehrengerichten ausgeübt (§§ 92 ff., 100 ff. BRAO; vgl. Jessnitzer, BRAO 5. Aufl. Vorbem. 1 vor § 92). Die dargelegten Besonderheiten, die historisch begründet sind und dem besonderen Status der Rechtsanwälte als mit der Befähigung zum Richteramt versehene Rechtspflegeorgane für alle Rechtsangelegenheiten Rechnung tragen sollen, schließen es aus, bei der Lösung gerichtsorganisatorischer Fragen der Berufsgerichtsbarkeit der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten die Regeln der Bundesrechtsanwaltsordnung sinngemäß anzuwenden.

b) Es ist daher allein auf die Gesetzessystematik abzustellen, die den gerichtsorganisatorischen Regeln des Steuerberatungsgesetzes zugrunde liegt. Danach besteht kein Anlaß, bei Beschlüssen nach § 130 Abs. 3, § 349 Abs. 2 StPO von der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzungsvorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG (Entscheidung ohne die ehrenamtlichen Richter) abzuweichen. Das Steuerberatungsgesetz enthält insoweit keine Lücke, die durch eine analoge Anwendung der für die Hauptverhandlung geltenden Besetzungsvorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 2 StBerG auszufüllen wäre.

Die in § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebene Besetzung des Senats ohne die ehrenamtlichen Richter gilt nicht etwa nur für Zwischenentscheidungen oder eine Verfahrensbeendigung aus prozessualen Gründen. Sie gilt auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 349 Abs. 2 und 4 StPO für Entscheidungen, in denen abschließend über die sachliche Berechtigung des Vorwurfs einer Berufsverfehlung befunden wird.

So wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit, wenn das Landgericht nach § 82 StBerG letztinstanzlich über die Berechtigung eines vom Vorstand der Berufskammer erlassenen Rügebescheids zu entscheiden hat, jedenfalls dann, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht (vgl. Gehre, StBerG 1. Aufl. § 82 Rdn. 6). Auch über die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet das Landgericht und auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht ohne die ehrenamtlichen Richter (§ 118 Abs. 3, §§ 126, 95 Abs. 4 Satz 1, § 96 Abs. 3 Satz 1 StBerG; vgl. Gehre aaO § 118 Rdn. 4). Die ehrenamtlichen Richter wirken ferner nicht mit, wenn die Staatsanwaltschaft einem Antrag des Vorstands der Berufskammer oder des Steuerberaters auf Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens nicht stattgibt und der Vorstand der Berufskammer oder der Steuerberater gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft die gerichtliche Entscheidung beim Oberlandesgericht beantragt (§ 115 Abs. 2, § 116 Abs. 2 und 3, § 96 Abs. 3 Satz 1 StBerG; vgl. Gehre aaO § 115 Rdn. 13). Schließlich entscheidet der Bundesgerichtshof gemäß § 129 Abs. 5, § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG durch Beschluß ohne die ehrenamtlichen Richter, wenn das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen und der Berufsangehörige dies durch Beschwerde angefochten hat (Peter/Charlier/Endriss aaO § 129 Rdn. 12). Die Zuständigkeit nur der Berufsrichter des Senats zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt, daß das Steuerberatungsgesetz den Berufsrichtern des Senats die abschließende Entscheidung darüber anvertraut hat, ob es für die revisionsrechtliche Beurteilung auf Rechtsfragen oder Fragen der Berufspflichten von grundsätzlicher Bedeutung ankommt.

Andererseits sieht das Steuerberatungsgesetz die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ausdrücklich für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vor, so wenn durch Beschluß nach mündlicher Verhandlung, aber außerhalb der Hauptverhandlung über die Verhängung eines vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbots befunden werden soll (§ 135 Abs. 2, § 95 Abs. 4 Satz 2, § 96 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Das gilt, wenn der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde zu entscheiden hat, auch für den Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen (§ 141 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 135 Abs. 2, § 97 Abs. 2 Satz 2 StBerG). Diese Ausnahmeregelung kann nicht auf die Verwerfung einer Revision durch Beschluß ohne Hauptverhandlung übertragen werden. Denn im Revisionsverfahren ist der berufsgerichtlich relevante Sachverhalt bereits vorher unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter in zwei Rechtszügen mit bindender Wirkung für den Bundesgerichtshof geklärt worden, während der Sachverhalt bei der Verhängung eines vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbots vom Bundesgerichtshof in der Beschwerdeinstanz selbständig festzustellen und zu würdigen ist.

c) Wegen der dargelegten detaillierten Besetzungsregelung des Steuerberatungsgesetzes kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber bei der Fassung des § 97 Abs. 2 StBerG die durch § 130 Abs. 3 StBerG geschaffene Möglichkeit, eine Revision des Steuerberaters durch Beschluß nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, übersehen und es deshalb unterlassen hätte, bei diesen Beschlüssen – etwa entsprechend der Ausnahmevorschrift des § 135 Abs. 2 StBerG – die für die Hauptverhandlung geltende Besetzung vorzuschreiben. Die Gesetzesmaterialien lassen keinen Raum für eine solche Annahme. § 97 Abs. 2 StBerG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1509) entspricht dem bis dahin geltenden § 53 Abs. 2 in der Fassung des Gesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1301). Durch das Steuerberatungsgesetz 1961 wurde erstmals nach 1945 unter bewußter Abkehr von der Gerichtsbesetzung im ehrengerichtlichen Verfahren der Rechtsanwälte eine von der Finanzverwaltung unabhängige Berufsgerichtsbarkeit geschaffen. Schon zu dieser Zeit wurde in dem strafrechtlichen Revisionsverfahren, auf das § 87 Abs. 2 StBerG 1961 (jetzt: § 130 Abs. 3 StBerG) ausdrücklich verwiesen hat, von dem Beschlußverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO regelmäßig Gebrauch gemacht. Es liegt daher fern, daß es der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 53 Abs. 2 StBerG a.F., § 97 Abs. 2 StBerG n.F. übersehen haben könnte. Auch die Fassung des § 132 Abs. 3 Satz 3 GVG durch Art. 2 des RechtspflegeVereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2847) beruht auf der Erwägung, daß die Senate für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen und für Wirtschaftsprüfersachen außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung mit den drei Berufsrichtern entscheiden (Begründung der Bundesregierung zu dem neuen § 132 GVG, BTDrucks. 11/3621 S. 54). § 132 Abs. 3 Satz 3 GVG n.F. sieht daher für die Entscheidung über die Anfrage und Antwort der Senate für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen und für Wirtschaftsprüfersachen bei Divergenzvorlagen die für Beschlüsse erforderliche Besetzung des § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG und des § 74 Abs. 2 Satz 1 WPO vor, obwohl sonst über Anfrage und Antwort der jeweilige Senat des Bundesgerichtshofes in der für Urteile erforderlichen Besetzung entscheidet.

d) Die unterschiedliche Besetzung des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof je nach dem, ob er die Revision durch Beschluß nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO oder durch Urteil nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO oder durch Urteil nach § 130 Abs. 3 StBerG, §§ 353 ff. StPO verwirft, verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Danach muß sich die Besetzung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers möglichst eindeutig aus dem Gesetz ergeben. Hiergegen würde verstoßen, wenn der Generalbundesanwalt das ihm durch § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO eingeräumte Recht, die Verwerfung der Revision durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung zu beantragen, willkürlich handhaben und dadurch den Senat zwingen würde, eine auch vom Generalbundesanwalt für offensichtlich unbegründet angesehene Revision durch Urteil in einer Hauptverhandlung zu verwerfen, oder wenn es trotz eines Antrags des Generalbundesanwalts auf Beschlußverwerfung nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO im Belieben des Senats stände, ob er über die Revision des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten durch Beschluß ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter oder durch Urteil mit deren Mitwirkung entscheidet. Eine solch willkürliche Besetzung der Richterbank ist bei der hier gebotenen einschränkenden Auslegung und Anwendung des § 349 Abs. 2 StPO nicht möglich.

§ 349 Abs. 2 StPO setzt voraus, daß die drei Berufsrichter des Senats die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet halten. In diesen unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter von zwei tatrichterlichen Instanzen (Landgericht und Oberlandesgericht) geklärten Fällen ist die besondere Sachkunde oder Berufserfahrung der ehrenamtlichen Richter für die Bewertung der Revision entbehrlich. Die Revision ist nämlich nur dann offensichtlich unbegründet, wenn sich die der Verwerfung zugrunde gelegten rechtlichen Gesichtspunkte zweifelsfrei aus dem Gesetz oder einer gefestigten Rechtsprechung ergeben und es für die revisionsrechtliche Beurteilung des Falles auch sonst nicht auf die besondere Sachkunde oder Berufserfahrung von Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten ankommt. Denn bei der Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 349 Abs. 2 StPO vorliegen, muß das den gerichtsorganisatorischen Bestimmungen des Steuerberatungsgesetzes zugrundeliegende Prinzip der angemessenen Mitwirkung von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten an der berufsgerichtlichen Rechtsprechung berücksichtigt werden. Das folgt aus § 130 Abs. 3 StBerG, wonach die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Revisionsverfahren nicht unmittelbar, sondern nur sinngemäß anzuwenden sind.

Entgegen der in der Hauptverhandlung geäußerten Ansicht des Vertreters des Generalbundesanwalts ist die Besetzung des Senats mit den ehrenamtlichen Richtern im Beschlußverfahren auch nicht deswegen geboten, weil die durch die Revision zu überprüfende Ausschließung aus dem Beruf (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 StBerG) als schwerer Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Art. 12 Abs. 1 GG) zu werten ist. Der Gesetzgeber hat der besonderen Bedeutung der Ausschließung aus dem Beruf schon dadurch Rechnung getragen, daß er nur bei der Verurteilung zu dieser berufsgerichtlichen Maßnahme die Revision ohne Rücksicht auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage zugelassen hat (§ 129 Abs. 1 Nr. 1 StBerG). Die Frage, in welcher Besetzung der Senat über eine solche Revision zu entscheiden hat, hängt dagegen nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG ausschließlich davon ab, ob die Revision nach der übereinstimmenden Auffassung des Generalbundesanwalts und der Berufsrichter des Senats offensichtlich unbegründet ist. Die Schwere der im angefochtenen Urteil verhängten Maßnahme ist kein Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob das angefochtene Urteil den in der schriftlichen Revisionsbegründung erhobenen rechtlichen Angriffen standhält. Rechtfertigt der vom Oberlandesgericht unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter und für das Revisionsgericht bindend festgestellte Sachverhalt ohne weiteres die Ausschließung aus dem Beruf, z.B. weil der Steuerberater wegen Veruntreuung von Mandantengeldern rechtskräftig zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, so bedarf es der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter nicht, um die in der Revisionsbegründung vertretene abweichende Auffassung durch Beschluß zurückzuweisen.

Verfassungsrechtliche Gründe stehen daher der Anwendung des § 97 Abs. 2 Satz 1 StBerG im Beschlußverfahren nach § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegen.

e) Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, auch zu der Frage Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen von der Ermächtigung des § 130 Abs. 3 StBerG, § 349 Abs. 4 StPO Gebrauch gemacht werden darf. Nach diesen Vorschriften kann das Revisionsgericht durch einstimmigen Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung die Revision eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten für begründet erklären und das angefochtene Urteil aufheben. Auch dann wirken die ehrenamtlichen Richter nach § 97 Abs. 2 Satz 2 StBerG nicht mit. Obwohl § 349 Abs. 4 StPO nicht voraussetzt, daß die Revision „offensichtlich” begründet ist, legt es das bei sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung zu berücksichtigende Prinzip der angemessenen Mitwirkung von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten nahe, nach § 349 Abs. 4 StPO nur zu verfahren, wenn sich die Revision nach den oben zu d) genannten Kriterien als „offensichtlich” begründet erweist.

2. Die Revision des Steuerberaters ist offensichtlich unbegründet. Die Wertung des Oberlandesgerichts, daß Art und Schwere der festgestellten Berufspflichtverletzungen die Ausschließung aus dem Beruf des Steuerberaters erfordert, um das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit dieses Berufsstands zu erhalten und künftige Mandanten vor Schaden zu bewahren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ausschließung aus dem Beruf kommt als schärfste, in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende berufsgerichtliche Maßnahme nur in Betracht, wenn sie zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden unabhängigen und eigenverantwortlichen Hilfeleistung in Steuersachen, insbesondere zum Schutze der Mandanten und der übrigen Beteiligten erforderlich ist (BGHSt 32, 305, 306; Senatsurteile vom 25. April 1988 – StbSt (R) 2/88, vom 17. Oktober 1988 – StbSt (R) 4/88 und 5/88, vom 3. Juli 1989 – StbSt (R) 1/89; BVerfGE 66, 337, 360). Ob dies der Fall ist, muß unter Würdigung aller den Einzelfall und die Persönlichkeit des Betroffenen kennzeichnenden Umstände entschieden werden.

Dies hat das Oberlandesgericht bedacht. Der Steuerberater ist seit mehr als zehn Jahren, unbeeindruckt von berufsgerichtlichen und strafrechtlichen Verurteilungen, bestrebt, die Erfüllung rechtskräftig festgestellter Forderungen nach Gutdünken durch geschickte Manipulationen und falsche Angaben zu vereiteln, obwohl er Zahlung bewirken könnte, wenn er wollte. Selbstherrlich, hartnäckig und mit großer Energie hat er sich unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften über vermögensrechtliche Belange einzelner Bürger, der Gemeinschaft der Berufsangehörigen und bestimmter staatlicher Stellen hinweggesetzt. Daraus durfte das Oberlandesgericht den Schluß ziehen, daß sein Verbleiben in dem Beruf des Steuerberaters eine mit anderen Mitteln nicht mehr abwendbare Gefahr für eine ordnungsmäßige Steuerrechtspflege bedeuten würde.

Für diese Bewertung ist es unerheblich, daß das Oberlandesgericht nicht geprüft hat, ob die Vereinbarungen des Steuerberaters mit seiner zweiten Ehefrau etwa deswegen kein rechtliches Hindernis für die Befriedigung der Vollstreckungsgläubiger gewesen sind, weil eine Zwangsvollstreckung in die Gegenansprüche des Steuerberaters gegenüber seiner zweiten Ehefrau trotz des vereinbarten Abtretungs- und Pfändungsverbots nach § 851 Abs. 2 ZPO rechtlich zulässig gewesen wäre oder die in Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommenen Rechtshandlungen des Steuerberaters nach dem Anfechtungsgesetz hätten angefochten werden können. Entscheidend ist, worauf das Oberlandesgericht zutreffend abgestellt hat, daß der Steuerberater nicht willens ist, berechtigte Forderungen der Steuerberaterkammer, anderer öffentlicher Einrichtungen und ihm mißliebiger Einzelpersonen zu erfüllen, und daß es ihm in den meisten Fällen tatsächlich gelungen ist, deren Befriedigung zu vereiteln.

Das Oberlandesgericht hat dem Steuerberater – trotz möglicherweise mißverständlicher Formulierung – auch nicht zur Last gelegt, daß er die Beitragsbescheide der Steuerberaterkammer für 1986 bis 1990 mit Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht angefochten hat. Darin kann grundsätzlich keine Berufspflichtverletzung gesehen werden, zumal die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bei Anforderungen von öffentlichen Abgaben und Kosten nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt. Dennoch war der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht gehindert, aufgrund einer Gesamtwürdigung des über Jahre hinweg an den Tag gelegten einschlägigen Verhaltens des Steuerberaters die Überzeugung zu gewinnen, daß dieser die Rechtsmittel ausschließlich deswegen eingelegt hat, um die Zwangsvollstreckung der als rechtmäßig erkannten Beiträge erneut zu hintertreiben und sein berufswidriges Verhalten fortsetzen zu können.

Die Feststellungen des Oberlandesgerichts tragen auch unter Berücksichtigung des verfassungskräftigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Annahme, daß sich der Beschwerdeführer schuldhaft als ungeeignet erwiesen hat, die Aufgaben eines dem Gesetz verpflichteten unabhängigen Organs der Steuerrechtspflege weiterhin wahrzunehmen. § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG i.d.F. des Art. I Nr. 24 des ÄnderG vom 9. Juni 1989 (BGBl. I S. 1062) knüpft an die Eintragung im Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) die Vermutung des zum Widerruf der Bestellung führenden Vermögensverfalls, und zwar ohne Rücksicht auf das Verschulden des Steuerberaters. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht dem Steuerberater Vorsatz nachgewiesen. Nach seiner rechtsfehlerfrei gewonnenen Überzeugung hat der Beschwerdeführer die den Berufspflichtverletzungen zugrundeliegende verantwortungslose Gesinnung auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nicht geändert, so daß die von ihm ausgehende Gefahr fortbesteht.

Die Revision des Steuerberaters war daher mit der sich aus § 148 Abs. 2 Satz 1 StBerG ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

 

Fundstellen

NJW 1992, 2037

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