Entscheidungsstichwort (Thema)

Standardformulierung eines beurkundenden Notars

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einem Grundstückskaufvertrag getroffene Vereinbarung von Fälligkeitszinsen ist nicht schon deshalb eine Allgemeine Geschäftsbedingung, weil der Wortlaut der Klausel auf einer Standardformulierung des beurkundenden Notars beruht. Es handelt sich auch nicht um eine „formelhafte” und deswegen etwa einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB unterliegende Klausel.

 

Normenkette

AGBG § 1 Abs. 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 02.05.1989)

LG Amberg (Urteil vom 10.05.1988)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 2. Mai 1989 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe eines Betrages von 44.700,38 DM abgewiesen worden ist.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Amberg vom 10. Mai 1988 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 62.770,54 DM sowie 4 % Zinsen von 18.070,16 DM seit dem 15. Mai 1987 zu zahlen.

Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 6,16 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 93,84 %.

3. Die weitergehende Berufung und die Anschlußberufung werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 5,09 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 94,91 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem Kläger zu 12,29 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 87,71 % zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verkaufte den Beklagten durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. Mai 1986 zwei bebaute Grundstücke zum Preis von 1.700.000 DM. Er behielt sich das Recht zum Rücktritt für den Fall vor, daß die Beklagten mit der Kaufpreis Zahlung länger als eine Woche in Rückstand kommen sollten. Außerdem wurde folgende Bestimmung getroffen:

„Zahlt der Käufer innerhalb von 8 Tagen nach Fälligkeit nicht, so ist der offene Kaufpreis mit 10 % jährlich zu verzinsen. Das Rücktrittsrecht des Verkäufers bleibt unberührt.”

Nach Fälligkeit des Kaufpreises stand am 1. Juli 1986 noch eine Forderung von 750.000 DM offen. Hierauf überwiesen die Beklagten 250.000 DM am 8. April 1987, 200.000 DM am 29. Mai 1987 und 300.000 DM am 12. Juni 1987.

Der Kläger hat, gestützt auf die vertragliche Zinsregelung, für die Zeit ab 1. Juli 1986 Zinsen in Höhe von 67.490,95 DM sowie Ersatz auf gewendeter Rechtsanwaltskosten von 13.587,90 DM, insgesamt 81.078,85 DM, nebst 10 % Verzugszinsen geltend gemacht. Die Beklagten haben angebliche Gegenforderungen zur Aufrechnung gestellt und darüber hinaus Widerklage auf Zahlung von 150.000 DM erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 69.576,29 DM (davon 66.082,18 DM Vertragszinsen, 6.842,75 DM Anwaltskosten, abzüglich 3.348,64 DM zuviel beigetriebener Vollstreckungskosten) nebst 4 % Verzugszinsen verurteilt. Die weitergehende Klage und die Widerklage hat es abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen und der auf Verurteilung zur Zahlung von weiteren 8.152,78 DM gerichteten Anschlußberufung – der Klage nur in Höhe von 18.070,16 DM nebst 4 % Zinsen seit 15. Mai 1987 stattgegeben. Es hat dem Kläger Fälligkeitszinsen von 10 % versagt und ihm nur Verzugszinsen von 4 % (= 21.381,80 DM) zugebilligt sowie die ihm zu erstattenden Anwaltskosten auf 52 DM herabgesetzt und von der sich daraus ergebenden Gesamtforderung von 21.433,80 DM zuviel beigetriebene Vollstreckungskosten von 3.363,64 DM abgezogen.

Mit der Revision erstrebt der Kläger Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer vertraglicher Zinsen in Höhe von 44.700,38 DM nebst 4 % Verzugszinsen seit dem 15. Mai 1987. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist überwiegend begründet.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die in dem Kaufvertrag enthaltene Vereinbarung von Fälligkeitszinsen sei eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des AGB-Gesetzes. Insoweit habe der beurkundende Notar auf eine „Standardformulierung” zurückgegriffen, der sich der Kläger bedient habe, weil er eine entsprechende Regelung gewollt habe. Diese Klausel sei nicht ausgehandelt worden, denn der Kläger sei in diesem Punkt nicht verhandlungsbereit gewesen. Die Klausel verstoße gegen § 11 Nr. 5 und 6 AGBG, weil damit in Wahrheit eine Vertragsstrafe bzw. pauschalierter Schadensersatz ohne die Möglichkeit des Gegenbeweises vereinbart worden sei. Jedenfalls aber sei die Regelung nach § 9 Abs. 1 und 2 AGBG unwirksam. Sie weiche nämlich von dem gesetzlichen Leitbild kaufvertraglicher Fälligkeitszinsen (§§ 452, 446 BGB) zu stark ab, da keine Abhängigkeit der Zinsen von der Besitzübertragung hergestellt worden sei. Deshalb könne der Kläger nur 4 % Verzugszinsen fordern.

Diese Ausführungen sind schon im Ausgangspunkt rechtsfehlerhaft, wie die Revision zutreffend rügt.

Die Zinsvereinbarung der Parteien ist keine Allgemeine Geschäftsbedingung und unterliegt daher nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 AGBG nur solche Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Vertragspartei der anderen stellt.

Allein die Tatsache, daß hier der beurkundende Notar eine Formulierung gewählt hat, die er bei derartigen Vereinbarungen ständig gebraucht, macht die Zinsabrede nicht zu einer Allgemeinen Geschäftsbedingung. Dafür genügt zwar, daß eine Vertragspartei ein von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen angefertigtes Formular benutzt, auch wenn sie es ihrerseits nur für einen einzigen Vertrag verwendet. Anders aber liegen die Dinge, wenn der Notar eine Individualvereinbarung nach einem in seiner Praxis gebräuchlichen Muster entwirft. In einem solchen Fall hat die beurkundete Vereinbarung nicht die Qualität einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (amtliche Begründung zum Entwurf des AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 7/3919 S. 16 f). Denn dann „stellt” die Vertragspartei nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG eine formularmäßige Vertragsbedingung, sondern sie macht sich bei dem Abschluß des Vertrages nur den vom Notar für diesen Einzelfall vorgeschlagenen Regelungswortlaut zu eigen (herrsch. Auff., vgl. Brambring/Schippel, NJW 1979, 1802; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 6. Aufl., § 1 Rdn. 31, 32 m.w.N.). Die im Berufungsurteil angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30. September 1987, IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410 besagt nichts anderes.

2. Das angefochtene Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (§ 563 ZPO).

Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begegnet die Zinsvereinbarung keinen Bedenken. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes zur Unwirksamkeit eines „formelhaften” Ausschlusses werkvertraglicher Gewährleistung in notariell beurkundeten Individualverträgen über den Erwerb neu errichteter, im Bau befindlicher oder noch zu errichtender Häuser und Eigentumswohnungen (BGHZ 74, 204, 209 ff; 101, 350, 354; 108, 164, 168 ff) kann hier nicht herangezogen werden. Diese Rechtsprechung, die der erkennende Senat für den Gewährleistungsausschluß in Verträgen über die nicht mit einer Herstellungspflicht verbundene Veräußerung schon länger bebauter Grundstücke nicht übernommen hat (BGHZ 98, 100, 106 ff), läßt keine Verallgemeinerung zu. Allein die Tatsache, daß der Notar eine vom Verkäufer verlangte Regelung mit einem Wortlaut beurkundet, den er in ständiger Praxis bei derartigen Abreden verwendet, gibt der Vereinbarung kein formelhaftes Gepräge. Für häufig vorkommende Regelungen, wie hier die Vereinbarung von Fälligkeitszinsen, entwickelt sich in der notariellen Praxis zwangsläufig eine gleichförmige Wortwahl. Müßte der Notar immer wieder eine andere Formulierung wählen, so wäre dadurch für die Vertragsparteien nichts gewonnen. Daher wäre es sachwidrig, die Wirksamkeit einer Klausel, welche rechtlich eindeutig ist und unmißverständlich dem entspricht, was die Beteiligten vereinbaren wollen, allein deswegen in Frage zu stellen, weil es sich um eine Standardformulierung des Notars handelt (so zu Recht Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, S. 14).

Maßgebend kann allenfalls sein, ob der Regelungsinhalt gegen Treu und Glauben verstößt. Möglichkeit und Grenzen einer diesbezüglichen Kontrolle bedürfen hier keiner Festlegung, denn die vorliegende Regelung ist ohnehin unbedenklich. Die Gründe, aus denen das Berufungsgericht unter dem verfehlten Aspekt der Anwendung des AGB-Gesetzes die Zinsabrede für unwirksam hält, spielen vorliegend keine Rolle. Bei einem Individualvertrag ist es den Parteien unbenommen, Fälligkeitszinsen abweichend von der dispositiven Vorschrift des § 452 BGB nicht erst ab Besitzübergang, sondern schon von dem Zeitpunkt an zu vereinbaren, zu dem die vertragliche Frist für die Kaufpreiszahlung abgelaufen ist. Auch der Umstand, daß sich der Kläger ein Wahlrecht zwischen dem Rücktritt vom Vertrag und der Geltendmachung von Fälligkeitszinsen vorbehalten hat, ist im Rahmen des § 242 BGB nicht zu beanstanden, auch nicht im Hinblick auf die Zinshöhe von 10 %.

3. Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Kläger hat Anspruch auf Fälligkeitszinsen ab 1. Juli 1986 in der vereinbarten Höhe von 10 %. Unstreitig war zu diesem Zeitpunkt die Frist von acht Tagen seit Fälligkeit des Kaufpreises abgelaufen. Entsprechend der Ansicht des Landgerichts, die sich die Revision zu eigen macht, ist für die Zinsberechnung das Datum der Überweisung der auf den rückständigen Kaufpreisteil geleisteten Einzelbeträge und nicht das des Zahlungseinganges auf dem Konto des Klägers maßgeblich. Die Überweisungsdaten und die Höhe der Teilzahlungen sind unstreitig. Demgemäß ergeben sich Fälligkeitszinsen in folgendem Umfang: 57.945,20 DM vom 1. Juli 1986 bis 8. April 1987, 6.986,30 DM vom 9. April bis 29. Mai 1987, 1.150,68 DM vom 30. Mai bis 12. Juni 1987, mithin insgesamt 66.082,18 DM. Unter Berücksichtigung der im Berufungsurteil zuerkannten Anwaltskosten von 52 DM und der aufgrund Aufrechnung aberkannten 3.363,64 DM (Rückforderung zuviel beigetriebener Vollstreckungskosten) stehen dem Kläger 62.770,54 DM zu, folglich 44.700,38 DM mehr als vom Berufungsgericht zugebilligt.

4. Unbegründet ist die Revision jedoch, soweit der Kläger Verzugszinsen von den 44.700,38 DM Fälligkeitszinsen für die Zeit ab 15. Mai 1987 beansprucht; denn von Zinsen sind gemäß § 289 Satz 1 BGB Verzugszinsen nicht zu entrichten. Nach § 289 Satz 2 BGB läßt das Zinseszinsverbot zwar das Recht des Gläubigers auf Ersatz eines ihm durch Verzug entstandenen Schadens unberührt; dieser Schaden bedarf jedoch auch dann der Darlegung, wenn nur der in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehene Mindestzinssatz von 4 % geltend gemacht wird (Senatsurt. v. 23. Februar 1979, V ZR 106/76, WM 1979, 728 und v. 1. Juni 1990, V ZR 84/89, WM 1990, 1627, 1628). Dazu fehlt indessen ein ausreichender Sachvortrag.

5. Die Kostenentscheidung für die Vorinstanzen beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Bei der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Senat die abgewiesene Zinsnebenforderung gemäß §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO zu Lasten des Klägers berücksichtigt. Dieser Zinsanspruch hat zwar keine besonderen Kosten verursacht, er ist aber nicht im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO verhältnismäßig geringfügig (vgl. BGH, Urt. v. 9. November 1960, VIII ZR 222/59, LM ZPO § 92 Nr. 7).

 

Unterschriften

Hagen, Linden, Räfle, Wenzel, Tropf

 

Fundstellen

BB 1991, 293

NJW 1991, 843

BGHR

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1991, 680

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge