Leitsatz (amtlich)

Der Zwangsverwalter einer Mietwohnung ist dem Mieter gegenüber, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, zur Herausgabe einer von diesem geleisteten Kaution verpflichtet, selbst wenn der Vermieter dem Zwangsverwalter die Kaution nicht ausgefolgt hat. Dies gilt auch dann, wenn für die Verpflichtungen des Zwangsverwalters die Vorschriften des Mietrechtsreformgesetzes v. 19.6.2001 noch nicht heranzuziehen sind.

 

Normenkette

BGB § 572a. F, § 566a i.d.F. des Mietrechtsreformgesetzes v. 19. 6. 2001

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 13.12.2002)

AG Wittenberg

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Dessau vom 13.12.2002 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Herausgabe der von den Klägern an ihren vormaligen Vermieter geleisteten Kaution. Die Kläger waren auf Grund eines im Jahre 1997 geschlossenen Vertrages Mieter eines Reihenhauses in H. In Erfüllung ihrer dabei übernommenen Pflicht zahlten sie 2.180 DM (= 1.114,62 Euro) Kaution an den Vermieter und Eigentümer. Der Beklagte übernahm das Grundstück durch Beschlagnahme v. 15.6.1999 als Zwangsverwalter. Die geleistete Kaution wurde nicht an ihn ausgekehrt. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.10.2001 verlangten die Kläger vergeblich vom Zwangsverwalter die Rückzahlung der Kaution.

Das AG hat die Klage auf Zahlung des zur Sicherheit von den Klägern geleisteten Betrages zurückgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das LG den Beklagten zur Zahlung des begehrten Betrages nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Beklagte sei als Zwangsverwalter gem. § 550b BGB a. F., § 152 Abs. 2 ZVG in den bestehenden Mietvertrag eingetreten, so dass ihn die Rückzahlungsverpflichtung bezüglich der an den Vermieter geleisteten Kautionssumme als mietvertragliche Erfüllungspflicht treffe.

Aus § 572 BGB a. F. ergebe sich nichts anderes. Zwar sehe § 572 S. 2 BGB a. F. eine Überwälzung der Rückzahlungsverpflichtung auf den Erwerber eines vermieteten Grundstücks nur dann vor, wenn diesem die Sicherheitsleistung vom (ursprünglichen) Vermieter ausgehändigt worden sei. Entgegen der Ansicht des AG könne die Vorschrift jedoch weder unmittelbar noch entsprechend auf den Fall angewendet werden, in welchem nicht der Erwerber, sondern, wie hier, der Zwangsverwalter in Anspruch genommen werde. Eine direkte Anwendung von § 572 S. 2 BGB a. F. scheitere daran, dass § 146 ZVG für die Anordnung der Zwangsverwaltung lediglich auf die Vorschriften der §§ 15 bis 27 ZVG über die Anordnung der Zwangsversteigerung verweise. Damit werde nicht auf § 57 ZVG Bezug genommen, der seinerseits erst § 572 BGB a. F. für anwendbar erkläre. Eine entsprechende Anwendung von § 572 S. 2 BGB a. F. scheide aus, weil keine dem Vermieterwechsel durch Grundstückskauf vergleichbare Situation vorliege, die eine Analogie rechtfertigen könnte.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Frage einer Verpflichtung des Zwangsverwalters von Wohnraum zur Rückzahlung eines Kautionsbetrages, der ihm von dem Vermieter nicht ausgehändigt worden ist, schon nach der durch das Mietrechtsreformgesetz v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1149) für die Zeit ab 1.9.2001 geschaffenen neuen Rechtslage oder noch nach den früheren Vorschriften zu beurteilen ist. Das Berufungsgericht hat das Mietrecht in seiner a. F. angewandt und eine entsprechende Heranziehung des § 572 S. 2 BGB, der einer Rückzahlungspflicht des Zwangsverwalters entgegenstünde, zu Recht verneint. Da bei einer Analogie zu § 566a BGB, der Nachfolgebestimmung zu § 572 BGB a. F., nunmehr eine Erstattungspflicht des Zwangsverwalters gegeben ist (vgl. Gather in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 566a Rz. 20), auch wenn der Vermieter den Kautionsbetrag einbehalten hatte, kommt es nicht darauf an, ob bei einem Eigentumswechsel vor dem 1.9.2001 - dementsprechend bei einer vor diesem Zeitpunkt angeordneten Zwangsverwaltung - das Mietrecht in seiner früheren oder in der neuen Fassung gilt (vgl. hierzu Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 566a Rz. 1m. w. N.; Gather in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 566a Rz. 4).

1. Die Revision nimmt die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts dazu hin, dass eine direkte Anwendung des § 572 S. 2 BGB a. F. über § 146 Abs. 1 ZVG ausscheidet. Sie meint aber, § 572 S. 2 BGB a. F. sei analog anzuwenden. Deshalb sei der Zwangsverwalter nur dann verpflichtet, eine vom Mieter an den Vermieter gezahlte Kaution nach Fälligkeit (zurück) zu bezahlen, wenn der Vermieter ihm die Sicherheitsleistung ausgehändigt oder der Zwangsverwalter gegenüber dem Vermieter die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen habe. Im Streitfall sei beides nicht geschehen. Der Zwangsverwalter schulde den Klägern daher nicht die Zahlung des entsprechenden Betrages.

Die Berechtigung einer solchen Analogie ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten (für eine Analogie z. B.: LG Mannheim NZM 2000, 656; LG Berlin NJW 1978, 1633; Voelskow in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1995, § 572 Rz. 9; abl. dagegen: OLG Hamburg v. 14.11.2001 - 4 U 100/01, NJW-RR 2002, 878; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, III Rz. 239; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 7. Aufl. 1999, § 572 BGB Rz. 3; Belz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999, Kap. VII Rz. 152, Gather in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl. 1999, § 572 BGB Rz. 20; Blank/Börstinghaus, Miete, § 572 Rz. 26; offen gelassen Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 1535). Jedenfalls für die Vertragsverhältnisse über Wohnraummiete ist § 572 S. 2 BGB a. F. nicht heranzuziehen. Gegen eine analoge Anwendung von § 572 S. 2 BGB a. F. spricht, dass durch die Beschlagnahme nach § 148 Abs. 2 ZVG, anders als bei der Zwangsversteigerung, kein Eigentumswechsel und kein Rechtsübergang stattfindet, sondern dem Eigentümer lediglich die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen wird. Der Zwangsverwalter handelt zwar im eigenen Namen, aber doch für Rechnung des Schuldners/Vermieters und hat dessen Rechte wahrzunehmen und Verpflichtungen zu erfüllen.

2. Scheidet eine analoge Anwendung von § 572 S. 2 BGB a. F. aus, hat der Beklagte als Zwangsverwalter im Rahmen des § 152 Abs. 2 ZVG durch die Beschlagnahme die Verwaltung bezüglich der in dem Mietvertrag zwischen dem Eigentümer und dem Kläger begründeten Rechte und Pflichten übernommen. Die Verwaltungs- und Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters schließt die Kautionsabrede als Bestandteil des Mietverhältnisses daher ein (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2003 - VIII ZR 333/02, MDR 2003, 893 = BGHReport 2003, 780 = WuM 2003, 390 f. zur Rückzahlung nicht verbrauchter Nebenkosten).

a) Soweit dem Urteil des Senats v. 20.9.1978 - VIII ZR 2/78, WuM 1978, 1326 unter 2 a) aa) zu entnehmen ist, § 152 Abs. 2 ZVG erfasse die mietvertragliche Kautionsabrede nicht, wird daran nicht mehr festgehalten. Der Senat ist auch im Hinblick auf das Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 24.3.1999 - XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160 ff. = MDR 1999, 988) nicht gehalten, das Verfahren nach § 132 Abs. 2, 3 GVG einzuleiten. Die Entscheidung des XII. Zivilsenats des BGH äußert sich (BGH, Urt. v. 24.3.1999 - XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160 ff. [166] = MDR 1999, 988) zum Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag nach § 571 Abs. 1 BGB a. F. und damit zur Reichweite der Vertragsübernahme sowie zum Umfang der von ihm zu übernehmenden Pflichten; die Entscheidung beruht auf der Anwendung der Vorschriften der §§ 571, 572 BGB a. F., die gem. § 57 ZVG unmittelbar zwar für den Erwerb in der Zwangsversteigerung, nicht aber für die Übernahme der Verwaltung durch den Zwangsverwalter heranzuziehen sind. Wie dargetan, hat der Senat im Streitfall über den Umfang der nach § 152 Abs. 2 ZVG auf von dem Zwangsverwalter zu übernehmenden Pflichten im Rahmen der ihm obliegenden Verwaltung des Grundstücks des Schuldners zu entscheiden.

b) Dadurch, dass die Pflichten aus der Kautionsabrede in die Erfüllungspflichten des Zwangsverwalters einbezogen und diese nicht auf die mit der Gebrauchsgewährungspflicht unmittelbar zusammenhängenden Pflichten begrenzt werden, wird allerdings der Mieter den anderen Gläubigern des Vermieters gegenüber begünstigt (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 1535), die aus dem verwalteten Vermögen Befriedigung suchen können. Hat der Vermieter dem Zwangsverwalter die Kautionssumme nicht ausgehändigt, wird die Haftungsmasse, die den anderen Gläubigern zur Verfügung steht, geschmälert. Dies ist aber wegen des einer Treuhand ähnlichen Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter im Hinblick auf die Gewährung der Kaution gerechtfertigt und vom Gesetzgeber gewollt (OLG Hamburg v. 14.11.2001 - 4 U 100/01, NJW-RR 2002, 878; a. A. LG Köln v. 11.7.1990 - 10 S 144/90, MDR 1990, 1125 = NJW-RR 1991, 80).

3. Wie dargetan, hat der Beklagte bei einer Heranziehung der Vorschrift des § 566a BGB, die an die Stelle des § 572 BGB a. F. getreten ist, den Kautionsbetrag ebenfalls zu erstatten, obwohl ihm der Vermieter diese Summe nicht ausgehändigt hat. Der Gesetzgeber hat für den Bereich der Wohnraummiete durch das Mietrechtsreformgesetz v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1149) in § 566a S. 2 BGB jetzt die Interessen des Mieters vorrangig berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift tritt der Erwerber eines Grundstücks in die Rückgabepflicht einer vom Wohnraummieter hingegebenen Kaution ein ohne Rücksicht darauf, ob ihm die Kaution ausgefolgt worden ist; dasselbe gilt gem. § 57 ZVG nunmehr für die Zwangsversteigerung. Im Falle der Zwangsverwaltung ist daher nicht anders zu entscheiden, wenn bereits die Vorschriften des Mietrechtsreformgesetzes v. 19.6.2001 anzuwenden sind (Gather in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl. 1999, § 566a Rz. 20).

 

Fundstellen

Haufe-Index 982570

DB 2003, 2437

DB 2003, 2545

NJW 2003, 3342

BGHR 2003, 1390

EBE/BGH 2003, 322

DNotI-Report 2003, 164

JurBüro 2004, 161

NZM 2003, 849

ZAP 2003, 1245

ZIP 2003, 1899

ZMR 2003, 903

ZfIR 2003, 1012

MDR 2003, 1409

Rpfleger 2003, 678

WuM 2003, 630

ZInsO 2003, 900

MietRB 2004, 5

RdW 2003, 753

IWR 2003, 75

LMK 2003, 203

MK 2003, 178

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