Leitsatz (amtlich)

a) Der Auftragnehmer schuldet im Rahmen der getroffenen Vereinbarung ein Werk, das die Beschaffenheit aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch erforderlich ist.

b) An dieser Erfolgshaftung ändert sich grundsätzlich nichts, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktionstauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann.

c) Der für die bestimmte Ausführungsart vereinbarte Werklohn umfaßt, sofern die Kalkulation des Werklohnes nicht allein auf den Vorstellungen des Auftragnehmers beruht, nur diese Ausführungsart, so daß der Auftraggeber Zusatzarbeiten, die für den geschuldeten Erfolg erforderlich sind, gesondert vergüten muß.

d) Ist das Werk deshalb mangelhaft, weil der Auftragnehmer die vereinbarte Ausführungsart ausgeführt hat, können die ihm zustehenden Zusatzvergütungen im Rahmen der Gewährleistung als „Sowieso-Kosten” berücksichtigt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 631, 633

 

Verfahrensgang

OLG Rostock (Aktenzeichen 6 U 112/96)

LG Rostock (Aktenzeichen 9 O 90/95)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 23. Oktober 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger verlangt Restwerklohn, die Beklagten verweigern die Zahlung mit der Begründung, die Sanierungsarbeiten an den Decken, Wänden und Fußböden ihres Hauses seien mangelhaft.

II.

Die Beklagten, die beabsichtigten, zwei nebeneinanderstehende Mehrfamilienhäuser in G. zu sanieren und zusammenzulegen, ließen sich von dem Kläger eine Kostenermittlung über die Sanierung erstellen. Nachdem sie sich für die Sanierung entschieden hatten, legte der Kläger den Beklagten ein Angebot vor, auf dessen Grundlage die Parteien einen VOB/B-Vertrag schlossen.

Hinsichtlich der Decken und Böden enthält der Vertrag folgende Regelungen:

„…

Komplettes Herstellen von Fußböden aus Trockenestrichelementen, bestehend aus einem Papierrieselschutz, einer bis zu 20 mm starken Ausgleichsschicht aus Perliten, sowie 20 mm starke Fermacel-Platten mit Stufenfalz.

Herstellen von planebenen, aus 12,5 mm starken Gipsfaserplatten bestehenden Decken.

Herstellen von Trennwänden aus Gipsfaserplatten, einschließlich dem Herstellen eines 75 mm starken Ständerwerkes sowie dem beidseitigen Beplanken mit 12,5 mm starken Gipsfaserplatten.

Einarbeiten von 50 mm Dämmatten in sämtliche Trockenbauwände.

Einarbeiten von 150 mm starker Dämmung in die Deckenbalkenlagen, vornehmlich im Erdgeschoß sowie aber auch im ersten Obergeschoß und im Dachgeschoß.

Nicht möglich ist es, die Räumlichkeiten auf ein Fußbodenniveau zu bringen.

…”

Der Kläger führte die Arbeiten aus. Seine Arbeiten an den Wänden, Decken und Fußböden genügen nicht den Anforderungen der maßgeblichen Schall- und Brandschutzvorschriften. Im Oktober 1994 nahm die Beklagte zu 2 die Gewerke ab.

Die Beklagten verweigern die Zahlung des Restwerklohnes mit der Begründung, die Sanierungsarbeiten an den Wänden, Decken und Fußböden seien mangelhaft, weil die für Mietshäuser maßgeblichen DIN-Vorschriften für den Schall- und Brandschutz nicht beachtet worden seien.

III.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich des Zinsausspruchs teilweise Erfolg. Mit ihrer Revision erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

II.

1. Das Berufungsgericht hat den Gewährleistungsanspruch der Beklagten und damit ein Leistungsverweigerungsrecht mit folgenden Erwägungen verneint:

a) Das Werk sei mangelfrei. Gegenstand des Werkvertrages sei unter anderem die Erneuerung (Entkernung) der Fußböden bzw. der Decken in einigen Räumen der Häuser gewesen. Streitig sei lediglich, in welchen Räumen die Entkernung stattgefunden habe. Der Kläger habe unstreitig bei der Neuherstellung der entkernten Böden die DIN 4109 (Schallschutz) und die DIN 4102 (Brandschutz) nicht eingehalten. Dazu sei er nach der vertraglichen Vereinbarung nicht verpflichtet gewesen; das ergebe die Auslegung des Vertrages. In Sanierungs- und Modernisierungsfällen sei nach den Umständen zu ermitteln, ob der Auftragnehmer die DIN-Vorschriften einhalten müsse.

b) Die Auslegung des Vertrages ergebe, daß die Beachtung der DIN-Vorschriften nicht geschuldet gewesen sei.

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag erwähne nicht, daß die DIN-Normen für den Schall- und Brandschutz einzuhalten seien. Die im einzelnen vereinbarte Sanierung der Fußböden, Decken und Wände sei vom Kläger ausgeführt worden.

2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat sein Auslegungsergebnis nicht begründet, ein rechtliches Kriterium für die Auslegung des vom Auftragnehmer geschuldeten Werkerfolges nicht beachtet und tatsächliche Umstände, die für die Auslegung des Vertrages bedeutsam sind, nicht berücksichtigt.

a) Die Leistung des Auftragnehmers ist nur vertragsgerecht, wenn sie die Beschaffenheit aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch erforderlich ist. Im Rahmen der getroffenen Vereinbarung schuldet der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk. An dieser Erfolgshaftung ändert sich grundsätzlich nichts, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktionstauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann (st. Rspr.: vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82 = BGHZ 91, 206 = ZfBR 1984, 222 = BauR 1984, 510; Urteil vom 19. Januar 1995 - VII ZR 131/93 = BauR 1995, 230 = ZfBR 1995, 132 m.w.N.).

(1.) Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch versprochen und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Ausführungsart nicht zu erreichen, dann schuldet der Auftragnehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82 aaO). Unabhängig davon schuldet der Auftragnehmer vorbehaltlich abweichender Vereinbarung die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik.

(2.) Haben die Vertragsparteien auf Anregung des Auftraggebers oder des Auftragnehmers eine bestimmte Ausführungsart zum Gegenstand des Vertrages gemacht, dann umfaßt, sofern die Kalkulation des Werklohnes nicht nur auf den Vorstellungen des Auftragnehmers beruht, der vereinbarte Werklohn nur die vereinbarte Herstellungsart (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82 aaO). Zusatzarbeiten, die für den geschuldeten Erfolg erforderlich sind, hat der Auftraggeber dann gesondert zu vergüten. Führt der Auftragnehmer unter diesen Umständen lediglich die vereinbarte Ausführungsart aus, dann ist die Leistung mangelhaft. Die ihm bei mangelfreier Leistung für die erforderlichen Zusatzarbeiten zustehenden Zusatzvergütungen können im Rahmen der Gewährleistung als „Sowieso-Kosten” berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, aaO).

b) Danach ist das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts auf der Grundlage seiner Feststellungen rechtsfehlerhaft.

(1.) Der Sachvortrag der Beklagten, der für die Revision zu ihren Gunsten als richtig zu unterstellen ist, bietet hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Verwendung der Häuser als Mietshäuser der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch ist. Die Beklagten haben behauptet, der Kläger habe sich zu einer umfassenden Sanierung der Mietshäuser in Kenntnis ihrer Verwendung verpflichtet. Hinreichende Anhaltspunkte, die dafür sprechen, daß die Parteien eine Vereinbarung getroffen haben, nach der die Werkleistung nicht die Beschaffenheit als Mietshäuser aufweisen muß, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Der Umstand, daß die Parteien eine für die Funktion ungeeignete Ausführungsart vereinbart haben, genügt nach den unter II. 2. a genannten Grundsätzen allein nicht, um den Werkvertrag in diesem Sinne auszulegen.

(2.) Für die Auslegung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten vereinbart, daß der Kläger die maßgeblichen technischen Regeln für den Brand- und Schallschutz nicht einhalten müsse, fehlt es an hinreichenden Feststellungen. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daß die Parteien mit der Vereinbarung der VOB/B, die in den §§ 1 Nr. 1 Satz 2, 13 Nr. 7 Abs. 2 lit. b VOB/B auf die anerkannten Regeln der Technik verweist, die Einhaltung auch dieser Regeln vereinbart haben. Die Auslegung eines VOB/B-Vertrages, die Parteien hätten abweichend von den genannten Regelungen der VOB/B vereinbart, daß die anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten werden müssen, ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Parteien können eine entsprechende Abweichung von der VOB/B ausdrücklich vereinbart haben oder es muß aufgrund gewichtiger für die Auslegung relevanter Umstände feststehen, daß sie entgegen den genannten Regeln der VOB/B konkludent oder stillschweigend eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen haben. Die Vereinbarung einer bestimmten Ausführungsart, die den anerkannten Regeln der Technik nicht genügt, reicht allein für eine derartige Auslegung nicht aus.

 

Unterschriften

Thode, Haß, Wiebel, Kuffer, Kniffka

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 16.07.1998 durch Heinzelmann Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 541106

BGHZ

BGHZ, 244

BB 1998, 2391

DB 1998, 2594

NJW 1998, 3707

BauR 1999, 37

EWiR 1999, 83

JR 1999, 367

JurBüro 1999, 163

Nachschlagewerk BGH

WM 1998, 2435

WuB 1999, 857

ZAP 1998, 1131

ZIP 1998, 1877

CI 1999, 24

JA 1999, 179

JZ 1999, 797

MDR 1998, 1475

NJ 1999, 141

ZfBR 1999, 14

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