Leitsatz (amtlich)

Der von einem Rechtsanwalt bei seiner beruflichen Tätigkeit neben seiner Berufsbezeichnung gegebene Hinweis, „Strafverteidigungen” durchzuführen, ist als solcher wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

UWG §§ 1, 3; BRAO § 43

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe

LG Freiburg i. Br.

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 4. Zivilsenat in Freiburg – vom 20. Februar 1992 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der beklagte Rechtsanwalt führt auf dem Briefbogen der Rechtsanwaltskanzlei, zu welcher er gehört, unter seinem Namen den Zusatz „Strafverteidigungen”.

Die klagende Rechtsanwaltskammer hat dies als wettbewerbswidrig beanstandet. Die Angabe des Tätigkeitsbereichs beruhe auf persönlicher Selbsteinschätzung, sie verstoße gegen das für Rechtsanwälte geltende Werbeverbot; sie sei zudem irreführend, da der Verkehr annehme, der Rechtsanwalt, der mit einem Tätigkeitsschwerpunkt werbe, weise wie ein Fachanwalt eine besondere, aufgrund einer Prüfung festgestellte Qualifikation auf.

Sie hat beantragt,

dem Beklagten zu verbieten, bei seiner beruflichen Tätigkeit neben seiner Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt” den Zusatz „Strafverteidigungen” zu führen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 621) hat sie abgewiesen. Mit der (zugelassenen) Revision begehrt die Klägerin, das landgerichtliche Urteil wieder herzustellen. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Zusatz „Strafverteidigungen” sei keine Berufsbezeichnung, sondern ein Tätigkeitshinweis, welcher dem Beklagten nicht schlechthin verboten werden könne. Bei der Entscheidung könne dahinstehen, ob die zum Anlaß der Klage genommene Gestaltung des Briefkopfes den Verkehr dazu veranlasse, dem Zusatz „Strafverteidigungen” in seiner konkreten Form auch eine Berufsbezeichnung zu entnehmen. Die konkrete Gestaltung des Briefkopfes sei nämlich nicht Gegenstand der Klage. Auch brauche nicht entschieden zu werden, ob ein Rechtsanwalt grundsätzlich befugt sei, mit der Angabe „Strafverteidigungen” einen Tätigkeitsbereich zu benennen. Der Klägerin gehe es nämlich darum, dem Beklagten den Hinweis „Strafverteidigungen” in jedem denkbaren Zusammenhang zu verbieten. Ein dahingehender Anspruch stehe der Klägerin aber nicht zu, da es dem Beklagten beispielsweise unbenommen sein müsse, in Anzeigen zur Eröffnung seiner Praxis mit dem Zusatz „Strafverteidigungen” darauf hinzuweisen, einen bestimmten Tätigkeitsbereich zu bevorzugen. Die Öffentlichkeit habe an dieser Information ein erhebliches Interesse. Der Vorwurf unlauterer, reklamehafter Selbstanpreisung könne in Fällen der Eröffnung einer Kanzlei nicht erhoben werden. Ein Verstoß nach § 3 UWG sei ebenfalls nicht gegeben. Der Hinweis als solcher sei sachlich zutreffend. Es lasse sich nicht feststellen, daß der Hinweis auf die Durchführung von Strafverteidigungen den Verkehr irreführe. Auf das von der Klägerin vorgelegte Ergebnis einer Verkehrsbefragung brauche nicht eingegangen zu werden; es sei zudem zweifelhaft, ob die von der Klägerin herangezogenen Prozentzahlen irregeführter Verbraucher einen rechtlich relevanten Teil der Verkehrskreise ausmachten. Auf das Gutachten komme es nämlich deshalb nicht an, weil wegen des allgemein gehaltenen Klagebegehrens vom Verbot auch solche Fälle erfaßt sein sollten, in denen der Hinweis „Strafverteidigungen” einer von vielen weiter benannten Tätigkeitsschwerpunkten sei. In solchen Fällen liege es aber auf der Hand, daß der Verkehr nicht erwarte, der Rechtsanwalt habe auf allen genannten Bereichen eine besondere Ausbildung oder eine durch Prüfung ausgewiesene Qualifikation.

II.

Den Ausführungen des Berufungsgerichts kann nicht in allen Punkten beigetreten werden. Die Revision der Klägerin bleibt indessen im Ergebnis ohne Erfolg. Der von der klagenden Rechtsanwaltskammer – entgegen der mündlich vertretenen Ansicht der Revisionserwiderung – gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in zulässiger Weise (BGHZ 109, 153, 156 – Anwaltswahl durch Mieterverein; vgl. auch BGHZ 79, 390, 392 – Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft; BVerfG, Beschl. v. 18.3.1992 – 1 BvR 1503/88) verfolgte wettbewerbsrechtliche Verbotsanspruch ist nicht begründet.

1. Zu Recht wendet sich die Revision gegen das Verständnis des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht. Den Ausführungen des Berufungsgerichts, die Klägerin verlange von dem beklagten Rechtsanwalt, den Hinweis auf seinen Tätigkeitsbereich „Strafverteidigungen” in jedem denkbaren Zusammenhang zu unterlassen, weshalb das begehrte Verbot schon deshalb nicht ausgesprochen werden könne, weil Fallgestaltungen denkbar seien, bei welchen die Angabe des Tätigkeitsschwerpunktes sachlich zu rechtfertigen und auch nicht irreführend sei, kann nicht beigetreten werden.

Dem Klagevorbringen ist nicht zu entnehmen, daß die Klägerin die Verwendung der Tätigkeitsbezeichnungen „Strafverteidigungen” neben der Berufsangabe „Rechtsanwalt” durch den Beklagten in allen nur denkbaren Fällen des geschäftlichen Verkehrs verboten wissen und somit die Begründetheit ihres Klagebegehrens davon abhängig sehen wollte, daß auch bei – unterstellt – strengen Maßstäben an das Wettbewerbsverhalten eines Rechtsanwalts der Fall eines zulässigen Hinweises auf „Strafverteidigungen” ausgeschlossen sei.

Der Verbotsantrag geht, ohne sich – erklärtermaßen – auf das konkrete Verhalten des Beklagten zu beschränken, der auf dem Kanzleibriefbogen den Tätigkeitsbereich „Strafverteidigungen” nennt, dahin, einen Hinweis dieser Art neben der Berufsbezeichnung als Rechtsanwalt bei der beruflichen Tätigkeit zu unterbinden. Der Antrag hält sich damit im Rahmen einer zulässigen Verallgemeinerung, die es erübrigt, die konkrete Verletzungsform in den Antrag aufzunehmen, und es ermöglicht, einen mit dem aufgezeigten Verhalten entsprechenden Sachverhalt unter das beantragte gerichtliche Verbot zu stellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1989 – 1 ZR 33/87, GRUR 1989, 609, 611 – Fotoapparate). Für die Entscheidung über das Klagebegehren darf somit nicht auf Umstände abgestellt werden, welche die Klägerin nicht zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht hat. Es dürfen bei der Beurteilung der Begründetheit des Klagebegehrens also weder Umstände hinzugedacht werden, welche den beanstandeten Tätigkeitshinweis des Beklagten in einen werbemäßig anreißerischen Zusammenhang stellen, noch solche, die seiner Erwähnung eine besondere Rechtfertigung geben können, wie zum Beispiel dies das Berufungsgericht für den Fall einer Eröffnungsanzeige annimmt.

2. Die Revision erweist sich jedoch als unbegründet, weil der Hinweis „Strafverteidigungen” neben der Namensangabe und der Berufsbezeichnung als Rechtsanwalt auf einem Briefkopf oder in sonstigen vergleichbaren an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen des Rechtsanwalts, wie zum Beispiel auf Visitenkarten, bei einem Telefonbucheintrag oder im Anwaltsverzeichnis, sich nicht als eine sittenwidrige oder irreführende Werbung erweist.

a) Einem Rechtsanwalt ist es nicht generell verboten, für sich Werbung zu betreiben. Die Zulässigkeit der Werbemaßnahmen eines Rechtsanwalts findet ihre Grenzen in § 43 BRAO in Verbindung mit dem gesetzlichen Berufsbild des Rechtsanwalts, der als unabhängiges Organ der Rechtspflege einen freien Beruf und kein Gewerbe ausübt, und in § 3 UWG, wonach ihm, wie auch jedem Gewerbetreibenden, es verboten ist, irreführende Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit zu machen (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung: BVerfG, Beschl. v. 17.2.1992 – 1 BvR 899/90, NJW 1992, 1613; Beschl. v. 17.9.1993 – 1 BvR 1241/88, NJW 1994, 123, 124; BGHZ 115, 105, 108 – Anwaltswerbung; BGH, Urt. v. 21.1.1993 – I ZR 43/91, GRUR 1993, 675, 676 = WRP 1993, 703 – Kooperationspartner; Urt. v. 13.9.1993 – AnwSt(R) 6/93, NJW 1994, 141; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2833, 2834). Danach sind neben der irreführenden Werbung insbesondere solche Werbemaßnahmen unzulässig, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind. Neben der gezielten Werbung durch unaufgefordertes direktes Herantreten an potentielle Mandanten gehört zu solchen aufdringlichen Werbemethoden auch das reklamehafte Sich-Herausstellen des Rechtsanwalts (BGHZ – Anwaltswerbung aaO).

b) Dem vom Beklagten auf dem Briefbogen mit „Strafverteidigungen” gegebenen Hinweis, entnimmt der Verkehr lediglich, daß der Beklagte insbesondere in Strafsachen seine anwaltliche Berufstätigkeit ausübt. Diese Information ist ebenso wie ein entsprechender in anderen Informationsträgern enthaltener Hinweis (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.2.1992 aaO zur Angabe eines Tätigkeitsschwerpunktes im Namensverzeichnis einer Anwaltssuchservice GmbH; BGH, Urt. v. 13.9.1993 aaO zur Angabe des Tätigkeitsbereichs im Branchen-Telefonbuch) frei von einer reklamehaften Selbstanpreisung.

Der Hinweis auf einen Tätigkeitsbereich dient der sachgerechten Information des rechtsuchenden Publikums; seine werbemäßige Wirkung ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Das rechtsuchende Publikum hat nämlich ein sachlich berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob ein Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit auf einem bestimmten Rechtsgebiet, wie zum Beispiel dem Strafrecht, ausübt. Die beanstandete Mitteilung über den bevorzugten Arbeitsbereich erfolgt im Streitfall in einer nach Form und Inhalt unaufdringlichen Weise. Von einem wettbewerbswidrigen reklamehaften Sich-Herausstellen läßt sich nicht sprechen.

Mit dieser Beurteilung stellt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung „Anwaltswerbung”, worin es als wettbewerbswidrige reklamehafte Selbstanpreisung angesehen wurde, einen Rechtsanwalt als neuen Kollegen einer Sozietät mit dem Hinweis einzuführen, die Rechtsberatung werde nunmehr durch eine „betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung” abgerundet, welche der Kollege mit seinem Konzept einer „Chefberatung für den Mittelstand” vorstelle (BGHZ 115, 108, 113 f.). Diese Darstellung beschränkte sich nicht auf die Angabe eines bestimmten, beispielsweise auch den Mittelstand besonders interessierenden Rechtsgebiets als Tätigkeitsbereich, sondern enthielt die allgemein gehaltene Selbsteinschätzung, eine spezielle rechtliche Beratung mit betriebswirtschaftlichem Einschlag für die Führungskräfte des Mittelstands durchführen zu können; das ist eine reklamehafte Außenwerbung, welcher der hier streitgegenständliche Hinweis, als Rechtsanwalt in Strafsachen tätig zu sein, nicht gleichgestellt werden kann.

c) Der Ansicht der Revision, die Angabe „Strafverteidigungen” erweise sich schon deshalb als eine sittenwidrige, mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts nicht vereinbare Werbung, weil mit der Einführung der Bezeichnungen als Fachanwalt für das Verwaltungsrecht, das Steuerrecht, das Arbeitsrecht oder das Sozialrecht gemäß § 42a BRAO durch das Gesetz vom 29. Januar 1991 (BGBl. I S. 150) abschließend die Rechtsgebiete genannt worden seien, auf welche im Geschäftsverkehr und zwar mit der Bezeichnung „Fachanwalt für …” hingewiesen werden dürfe, kann nicht beigetreten werden. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Fachanwaltsbezeichnungen keine abschließende Regelung des Werberechts der Rechtsanwaltschaft getroffen. Die Berechtigung, die Bezeichnung „Fachanwalt für…” zu führen, setzt eine rechtsförmlich erworbene Qualifikation voraus, die ein Rechtsanwalt nur erlangt, wenn er den Erwerb seiner besonderen Kenntnisse auf den genannten Gebieten einem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer nachzuweisen vermag (§ 42b Abs. 1 BRAO). Ein Rechtsanwalt, der lediglich seinen Tätigkeitsbereich benennt, berühmt sich aber nicht einer solchen besonderen Befähigung.

d) Aus Rechtsgründen kann auch nicht der weiteren Ansicht der Revision beigetreten werden, der Hinweis auf den Tätigkeitsbereich „Strafverteidigungen” sei jedenfalls als eine irreführende Werbeangabe deshalb zu verbieten, weil das angesprochene rechtsuchende Publikum nicht zwischen einer Fachanwaltsbezeichnung und der bloßen Benennung eines Tätigkeitsbereichs zu unterscheiden wisse und deshalb dem Irrtum unterliegen müsse, ein Rechtsanwalt, der auf seinen Tätigkeitsbereich hinweise, verfüge über eine Qualifikation als Fachanwalt in diesem Bereich.

Aus der von der Klägerin 1990 – also vor der Einführung der Fachanwaltsbezeichnung – durchgeführten Verkehrsbefragung ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, beachtliche Teile des Verkehrs gelangten auch bei der bloßen Angabe des Tätigkeitsbereichs „Strafverteidigungen” zu der irrtümlichen Vorstellung, der so werbende Rechtsanwalt verfüge über eine besondere Zusatzausbildung oder habe eine besondere Qualifikation durch eine Prüfung erlangt. Die beispielsweise bei der Verkehrsbefragung zum Tätigkeitsschwerpunkt „Mietrecht” ermittelte geringe Quote von 8 % der Verbraucher mit einer dahingehenden Vorstellung, gibt keinen Anhalt, daß eine rechtlich relevante Quote der angesprochenen Verbraucher bei der hier streitigen Tätigkeitsbeschreibung „Strafverteidigungen” irrige Vorstellungen über die berufliche Qualifikation des Beklagten hat. Wie bereits der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 13.9.1993 aaO) in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 17.2.1992 aaO) ausgeführt hat, liegt es nach der Lebenserfahrung nicht nahe, daß ein Rechtsuchender, dem für ein bestimmtes Rechtsproblem ein Rechtsanwalt ohne weitere Qualifikationshinweise genannt wird, der irreführenden Vorstellung erliegt, es müsse sich dabei um einen Fachanwalt handeln. Für den Streitfall läßt sich sonach nicht feststellen, daß ein Rechtsratsuchender, der seine Frage nach einem Rechtsanwalt für ein bestimmtes Rechtsproblem zutreffend mit dem Hinweis auf den Tätigkeitsbereich eines Rechtsanwalts beantwortet sieht, sich in einem sein weiteres Verhalten bestimmenden Irrtum befindet.

3. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, daß nicht zur Entscheidung steht, ob die Bezeichnung „Strafverteidiger” als eine irreführende Berufsangabe gemäß § 3 UWG zu beanstanden ist; die vorliegende Entscheidung setzt sich deshalb nicht in Widerspruch zum Beschluß des Anwaltssenats vom 7. Oktober 1991 (AnwZ(B) 25/91, NJW 1992, 45 m. Anm. Zuck, EWIR 1992, 39; vgl. auch Urt. v. 13.9.1993 – AnwSt(R) 6/93, NJW 1994, 141).

III.

Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609451

BB 1994, 1516

NJW 1994, 2284

GRUR 1994, 825

ZIP 1994, 1210

StV 1994, 491

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