Leitsatz (amtlich)

Sachmängelansprüche des Erwerbers eines Grundstücks mit einem vom Veräußerer darauf zu errichtenden Bauwerk richten sich nach Werkvertragsrecht.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 08.05.1972)

LG München I

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München vom 8. Mai 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Durch notariellen "Kaufvertrag" vom 14. September 1966 verkaufte die Beklagte den Klägern ein Grundstück mit einem von ihr hierauf zu errichtenden "Kaufeigenheim". Die Kläger bezogen das Haus am 6. Juli 1967. Wegen mangelhafter Schallisolierung haben sie im Juni 1970 als Minderwert einen Betrag von 1.600 DM nebst Zinsen eingeklagt.

Die Beklagte hat sich u.a. auf einen vereinbarten Haftungsausschluß und auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Kläger bitten, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß das Haus der Kläger gegenüber den angebauten Nachbarhäusern nicht nach den Regeln der Baukunst gegen Schall isoliert ist, und die rechtliche Folgerung, daß den Klägern dieserhalb ein Anspruch auf Minderung in Höhe des eingeklagten Betrags von 1.600 DM erwachsen ist, greift die Revision nicht an.

II.

1.

Nach Ziff. VIII des Vertrags soll die Beklagte nur für bei der Übergabe festgestellte Sachmängel haften; hinsichtlich später sich zeigender Mängel sollen die Kläger auf die ihnen von der Beklagten abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegen die Handwerker angewiesen und jede weitere Haftung der Beklagten ausgeschlossen sein.

Die Auslegung des Berufungsgerichts, daß der Haftungsausschluß keine durch Planungsfehler bedingte Mängel betreffe, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Da die ungenügende Schallisolierung, wie das Berufungsgericht unangegriffen feststellt, nicht auf schlechter handwerklicher Ausführung, sondern auf fehlerhafter Planung der Kommunmauern beruht, ist die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Bauhandwerker für die Kläger wertlos.

2.

Auf die von den Klägern unterschriebene Erklärung in der Schlußabrechnung vom 11. September 1967, daß außer den darin aufgeführten Leistungen keinerlei Ansprüche oder Forderungen beständen und die Kläger die Beklagte von jeglicher Haftung freistellten, ist das Berufungsgericht zwar nicht eingegangen. Das rügt die Revision jedoch ohne Erfolg. Diese Verzichtserklärung kann sich nicht auf die ungenügende Isolierung des Hauses gegen Lärm aus den Nachbarhäusern beziehen, denn die an das Haus der Kläger anschließenden Reihenhäuser, aus denen der Lärm durch die ungenügend isolierte Kommunmauer dringt, sind nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Kläger erst am 15. Januar 1968 bezogen worden.

III.

Bei Abschluß des "Kaufvertrags" der Parteien vom 14. September 1966 war die Beklagte selbst ausweislich Ziff. I des Vertrags noch nicht als Eigentümerin des Baugrundstücks eingetragen. Sie hat dann das Reihenhaus der Kläger errichten lassen und erst danach das bebaute Grundstück am 13. September 1967 an die Kläger aufgelassen. Da erst das fertige Werk den Klägern übereignet werden sollte, hat das Berufungsgericht mit Recht den Vertrag, jedenfalls soweit er die Errichtung des Hauses und sich wegen Mängel des Bauwerks ergebende Ansprüche betrifft, als Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache angesehen (§ 651 BGB). Über Mängelansprüche nach Kaufrecht (§§ 459 ff BGB) zu entscheiden, hat es mit Recht abgelehnt. So gelangt es zu dem Ergebnis, daß nicht die einjährige Verjährungsfrist des § 477 BGB gilt, der Minderungsanspruch der Kläger vielmehr nach § 639 BGB erst in 5 Jahren verjährt. Diese Frist war bei Klägerhebung noch nicht abgelaufen.

Die Rüge der Revision, die Besonderheiten des Vertrags der Parteien erforderten die Anwendung von Kaufrecht, ist nicht begründet.

1.

Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung VII ZR 18/66 vom 12. Dezember 1968 (LM Nr. 20 zu § 459 BGB) ausgeführt, daß die Anwendung von Kauf- oder Werkvertragsrecht sich nach dem Sinn und Zweck des Veräußerungsvertrags, dessen wirtschaftlicher Bedeutung und der Interessenlage der Parteien richte (ebenso V ZR 80/65 vom 25. Oktober 1968 = WM 1969, 96). An den dort aufgezeigten Rechtsgrundsätzen hält der Senat fest.

Allerdings hat der Senat in jenem Urteil als für die Anwendung des Werkvertragsrechts sprechend auch erwähnt, daß für den Erwerb des Grundstücks und die Errichtung des Gebäudes kein einheitlicher Preis vereinbart war, was im hier zu entscheidenden Fall nicht zutrifft. Damit war aber nicht gesagt, daß bei der Vereinbarung eines einheitlichen Festpreises für das Grundstück und das darauf noch zu errichtende Gebäude über Sachmängel des Gebäudes nicht nach Werkvertragsrecht zu entscheiden wäre.

2.

Für die Entscheidung des einzelnen Falles kommt es darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch aus der Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks oder aus der Verpflichtung zur Errichtung des Gebäudes sich herleitet. Hat der Veräußerer das Haus nicht mangelfrei erstellt, so kommt ein Gewährleistungsanspruch wegen eines Sachmangels nach dem Recht des Werkvertrags und nicht nach Kaufrecht infrage. Für die Sachmängelhaftung kann es keinen Unterschied machen, ob man zuerst das Grundstück erwirbt und sich dann auf Grund eines weiteren Werkvertrags vom Veräußerer darauf ein Haus errichten läßt, oder ob man sich den Grund und Boden zusammen mit einem von dem Veräußerer darauf noch zu errichtenden Haus übertragen läßt. In beiden Fällen ist im Zeitpunkt des Kaufes das Gebäude noch nicht errichtet. Bei neu errichteten Bauwerken werden Mängel und vor allem deren Ursachen oft erst nach Jahren erkennbar. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Verjährungsfrist bei der Herstellung eines Gebäudes abweichend von der nur ein Jahr betragenden Frist beim Kauf eines bebauten Grundstücks (§ 477 Abs. 1 BGB) mit fünf Jahren (§ 638 Abs. 1 BGB) bemessen. Ferner kann der Besteller eines Werkes nach § 633 BGB Nachbesserung verlangen. Andererseits muß er aber auch dem Unternehmer zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung geben, bevor er Gewährleistungsansprüche geltend machen kann (§ 634 Abs. 1 BGB). Diese gesetzliche Regelung des Werkvertrags wird bei einem Vertrag über die Herstellung eines Gebäudes den Belangen der Parteien gerechter, als es die Vorschriften des Kaufrechts vermögen.

3.

Daß der Kaufvertrag hier noch nicht die Auflassung enthielt, diese vielmehr erst nach vollständiger Bezahlung erklärt werden sollte und das Gebäude somit zunächst Eigentum der Beklagten wurde, entspricht der beim Erwerb von Eigentumswohnungen typischen Rechtsgestaltung. Dieser Umstand schließt aber nicht aus, daß über Sachmängelansprüche nach Werkvertragsrecht zu entscheiden ist.

4.

Das Vorbringen der Revision, die Beklagte habe nicht die Verpflichtung übernommen, den Klägern ein Haus zu errichten, sondern sich verpflichtet, ihnen ein Grundstück mit einem fertigen Eigenheim zu einem festen Preis zu übereignen, überzeugt nicht. Die Beklagte hat nicht das Haus für eigene Rechnung errichtet und erst dann den Klägern verkauft. Vielmehr ist gerade die Verpflichtung der Beklagten, auf dem den Klägern noch nicht gehörenden Grundstück nach den dem notariellen Vertrag beigefügten Plänen und der Baubeschreibung ein Haus zu errichten, die Grundlage des Minderungsanspruchs der Kläger.

V.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, der Minderungsanspruch der Kläger unterliege der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 BGB, ist somit beizutreten.

Nach § 97 ZPO hat die Beklagte die Kosten ihrer unbegründeten Revision zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018682

BGHZ 60, 362 - 365

BGHZ, 362

DB 1973, 1063-1064 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1973, 1235

NJW 1973, 1235-1236 (Volltext mit amtl. LS)

DNotZ 1973, 599

DNotZ 1973, 599-601

JZ 1973, 735-736 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

MDR 1973, 665-666 (Volltext mit amtl. LS)

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