Leitsatz (amtlich)

Die Haftung des Handelnden aus Geschäften, die er mit Ermächtigung aller Gründer im Namen der Gesellschaft abgeschlossen hat, erlischt ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine Sachgründung oder um eine Bargründung handelt, mit der Eintragung der GmbH.

 

Orientierungssatz

Anschluß BGH, 1981-03-09, II ZR 54/80.

 

Tatbestand

Der Beklagte errichtete am 17. Oktober 1977 zusammen mit einem weiteren Gesellschafter die „M. K. Bau-Gesellschaft mbH” und wurde deren Geschäftsführer. Die Gesellschaft wurde am 13. März 1978 in das Handelsregister eingetragen. Schon vorher, und zwar am 12. Januar 1978, hatte der Beklagte unter der Firma der GmbH den Kläger mit Plattierungsarbeiten beauftragt, die der Kläger ausführte und der GmbH mit insgesamt 33.215,81 DM berechnete. Die Rechnungen sind ebenso wie die später im Namen der GmbH (zum Teil nach deren Eintragung) ausgestellten Wechsel nicht bezahlt worden. Über das Vermögen der GmbH wurde am 10. Juli 1978 das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger verlangt vom Beklagten in erster Linie aufgrund von § 11 Abs 2 GmbHG die Zahlung der Rechnungssumme.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

1. Nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf § 11 Abs 2 GmbHG beruhende Haftung des Beklagten für die Werklohnforderung des Klägers dadurch erloschen, daß die GmbH in das Handelsregister eingetragen und Schuldnerin der Forderung geworden ist.

a) Schon in seinen Urteilen BGHZ 69, 95, 103f (mit insoweit zust Anm K. Schmidt, NJW 1978, 638, 639), 70, 132, 139ff und 76, 320, 323 hat sich der Senat mit eingehenden Ausführungen, die allerdings für die damaligen Entscheidungen nicht tragend waren, gegen die in der älteren Rechtsprechung und teilweise auch heute noch im Schrifttum vertretene Ansicht gewandt, die Haftung des Handelnden nach § 11 Abs 2 GmbHG bleibe durch die Eintragung der GmbH und deren Eintritt in die Schuld unberührt. Den entscheidenden Grund für seine abweichende Auffassung hat er darin gesehen, daß § 11 Abs 2 GmbHG dem Gläubiger nur eine Notlösung bieten will, wenn die GmbH nicht eingetragen wird oder das in ihrem Namen eingegangene Geschäft nicht gegen sich gelten läßt, und daß dieser Zweck entfällt, wenn der Gläubiger mit der Eintragung der GmbH und deren Haftung für die Verbindlichkeit den Schuldner erhält, mit dem er von Anfang an das Geschäft abschließen wollte.

b) Wie der Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 9. März 1981 – II ZR 54/80 – entschieden hat, wird eine Vorgesellschaft durch Rechtsgeschäfte, die ihr Vertretungsorgan mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, auch dann verpflichtet, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind. Mit der Eintragung der GmbH gehen dann die Verbindlichkeiten aus solchen Geschäften voll auf sie über, ohne daß es einer besonderen Eintrittserklärung oder Genehmigungserklärung bedarf. Ist infolge Vorbelastungen das Stammkapital im Zeitpunkt der Eintragung wertmäßig nicht mehr gedeckt, so haften die Gesellschafter anteilig für den Fehlbetrag. Ein Bedürfnis für die Haftung nach § 11 Abs 2 GmbHG besteht hiernach nur noch, wenn die Eintragung der GmbH unterbleibt oder der Geschäftsführer eigenmächtig gehandelt und deshalb schon die Vorgesellschaft nicht wirksam verpflichtet hat. Da bis zur Eintragung auch die Mitglieder der Vorgesellschaft, beschränkt auf die Höhe ihrer Einlagen, neben dem Geschäftsführer für Verbindlichkeiten einstehen müssen, die er mit ihrer Ermächtigung eingegangen ist, sieht der Senat den Sinn des § 11 Abs 2 GmbHG nunmehr hauptsächlich darin, dem Gläubiger einen Ausgleich dafür zu geben, daß die Kapitalgrundlage der ihr zunächst haftenden Vorgesellschaft noch nicht in gleichem Maße wie bei der eingetragenen GmbH gerichtlich kontrolliert, bekanntgemacht und durch zwingende Schutzvorschriften abgesichert ist.

c) Mit dieser Rechtsprechung, deren Folgen für die Anwendung der neu gefaßten Gründungsvorschriften nach dem Znderungsgesetz vom 4. Juli 1980 der Senat bereits in Betracht gezogen hat, haben sich die Gründe für ein Erlöschen der Handelndenhaftung bei Eintragung der GmbH noch verstärkt. Denn den Erwartungen eines Gläubigers, wegen seiner Ansprüche auf ein geprüftes, veröffentlichtes und gesetzlich gewährleistetes Stammkapital zugreifen zu können, ist voll genügt, wenn die GmbH nach Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen eingetragen worden ist, alle Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft auf sie übergegangen sind und überdies die Gesellschafter für Lücken im Stammkapital aufkommen müssen, die bei der Eintragung infolge von Vorbelastungen zu verzeichnen sind. Auch entfällt das Bedenken, ein Geschäftsführer könnte versucht sein, vor der Eintragung abgeschlossene Geschäfte nur deshalb für die eingetragene GmbH zu genehmigen, um sich von seiner Haftung nach § 11 Abs 2 GmbHG zu befreien. Denn einer solchen Genehmigung bedarf es gar nicht. Allenfalls könnte das Erlöschen der Haftung einen Anreiz bilden, eine lebensunfähige oder sogar schon überschuldete Gesellschaft noch zur Eintragung zu bringen (Huber in Festschr f R. Fischer 1979, S 263, 280f). Solchen Versuchen werden aber vielfach schon die registergerichtliche Kontrolle, die sich nach dem Urteil des Senats vom 9. März 1981 auch auf das Vorhandensein von Vorbelastungen zu erstrecken hat, in Verbindung mit der Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs 1 GmbHG nF), vor allem aber das Eigeninteresse der weisungsberechtigten Gründer, denen nach Eintragung der GmbH eine Differenzhaftung droht, einen Riegel vorschieben. Außerdem müßten Geschäftsführer bei pflichtwidrigen Eintragungsbemühungen mit einer Inanspruchnahme gemäß § 43 Abs 2 GmbHG oder aus dem Anstellungsvertrag und, wenn man die Konkursantragspflicht nach § 64 GmbHG auf die Vorgesellschaft erstreckt (vgl Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl, § 11 RdNr 52 mwN), möglicherweise auch wegen Verletzung dieser Pflicht rechnen.

Der Standpunkt des Senats ist daher nunmehr dahin zusammenzufassen, daß die Haftung des Handelnden nach § 11 Abs 2 GmbHG aus Geschäften, die er mit Ermächtigung aller Gesellschafter zu Lasten der Vorgesellschaft abgeschlossen hat, mit der Eintragung der GmbH ohne Rücksicht darauf erlischt, ob es sich um eine Sachgründung oder um eine Bargründung handelt.

d) Einer Vorlage der Sache an den Großen Senat für Zivilsachen bedarf es nicht. Zwar hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes im Jahre 1952 entschieden, die Haftung nach § 11 Abs 2 GmbHG ende nicht ohne weiteres, wenn die inzwischen eingetragene GmbH das in ihrem Namen abgeschlossene Geschäft genehmige; denn das GmbH-Gesetz sehe im Unterschied zum Aktienrecht (§ 41 Abs 2 AktG) eine befreiende Schuldübernahme durch die Gesellschaft gegen den Willen des Gläubigers nicht vor (Urt v 21.11.52 – I ZR 154/51, LM GmbHG § 11 Nr 2). Die damit aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen eine befreiende Schuldübernahme im Rahmen des § 11 Abs 2 GmbHG möglich ist, kann sich aber im vorliegenden Fall nicht stellen, weil die M. K. Bau-Gesellschaft mbH, wie ausgeführt, auch ohne Schuldübernahmeerklärung oder Genehmigungserklärung in die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft eingetreten ist. Sie kann nach der neueren Rechtsentwicklung und der auf ihr beruhenden Rechtsprechung des Senats nur noch dann auftreten, wenn der Geschäftsführer ohne die Ermächtigung sämtlicher Gründer im Namen der Gesellschaft gehandelt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

2. Als Gesellschafter der Vorgesellschaft haftet der Beklagte ebenfalls nicht mehr, da auch diese Haftung mit der Eintragung der GmbH geendet hat (vgl auch hierzu das Urt d Sen v 9.3.81).

3. Die Revision führt weiter den Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung an. Hierzu hat der Kläger aber nichts Erhebliches vorgetragen.

Daß die Gesellschaft von Anfang an vom Beklagten beherrscht und auf eine spätere Einmann-Gesellschaft hin angelegt worden ist, vermag einen Haftungsdurchgriff auf den Beklagten allein nicht zu begründen (Urt d Sen v 29.5.80 – II ZR 225/78, WM 1980, 955 zu 3b; v 9.7.79 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823, 1828 zu III, insoweit in BGHZ 75, 96 nicht abgedr). Sein Vorbringen, die Gesellschaft sei von Anfang an illiquide und überschuldet gewesen, hat der Kläger nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts insofern nicht beweisen können, als er daraus eine vorsätzliche Schädigung durch den Beklagten herleiten wollte. Soweit darin auch die Behauptung liegen sollte, die Gesellschaft sei zu der Zeit, als die Aufträge an den Kläger erteilt und von seiner Seite erfüllt wurden, bereits offensichtlich unterkapitalisiert gewesen, fehlt es an konkreten Datenangaben und Zahlenangaben, aufgrund deren sich zuverlässig beurteilen ließe, ob und wann der Kapitalmangel deutlich ein solches Ausmaß angenommen hat, daß sich dem Beklagten die Überzeugung aufdrängen mußte, eine weitere Geschäftstätigkeit sei nicht mehr zu verantworten. Es kann daher offenbleiben, ob bei „qualifizierter Unterkapitalisierung” die Gesellschafter den Gläubigern für einen Ausfall auch dann haften, wenn ihnen Vorsatz nicht nachzuweisen ist (so Ulmer aaO Anh § 30 RdNr 55ff).

4. Die weitere Revisionsrüge, das Berufungsgericht hätte der Klage mindestens wegen Verschuldens des Beklagten bei Vertragsabschluß stattgeben müssen, scheitert ebenfalls schon daran, daß der Klagevortrag insoweit weder substantiiert noch ausreichend unter Beweis gestellt war. Er ging dahin, der Beklagte habe sich dem Kläger gegenüber fälschlich als Generalunternehmer des Bauvorhabens ausgegeben, der bereits die im Rohbau fertigen Häuser erstellt habe, und dadurch den Anschein eines großen, schon seit langem eingeführten Unternehmens hervorgerufen. Abgesehen davon, daß der Beklagte nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der GmbH mit dem Kläger verhandelt und das Berufungsgericht einen nachgewiesenen Betrug verneint hat, hätte dieser Vortrag nur erheblich sein können, wenn der Kläger weiterhin dargelegt hätte, inwiefern ihm gerade durch das gerügte Verhalten des Beklagten ein Schaden entstanden sei. Auf die Notwendigkeit, sein Vorbringen auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß zu ergänzen, hatte das Berufungsgericht den Kläger durch Verfügung vom 24. Juli 1979 ausdrücklich hingewiesen. Ein weiterer Hinweis darauf, daß der Kläger unter diesem Gesichtspunkt grundsätzlich nur Ersatz eines Vertrauensschadens verlangen könne und ein solcher mit der Klage nicht geltend gemacht sei, war nicht geboten.

 

Fundstellen

BGHZ, 182

NJW 1981, 1452

DNotZ 1981, 506

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