Leitsatz (amtlich)

a) Durch den Bestätigungsbeschluss nach § 244 S. 1 AktG erkennt die Hauptversammlung den Erstbeschluss als gültige Regelung der betreffenden Gesellschaftsangelegenheit an und beseitigt mit Wirkung für die Zukunft dessen behauptete oder tatsächlich bestehende Anfechtbarkeit.

b) Voraussetzung für die Bestätigungswirkung ist allein, dass der Bestätigungsbeschluss die behaupteten oder tatsächlich bestehenden Mängel beseitigt und seinerseits nicht an Mängeln leidet; einer Neuvornahme des seinerzeit gefassten Beschlusses bedarf es nicht, so dass im Zeitpunkt der Bestätigung auch die materiellen Voraussetzungen für den Erstbeschluss nicht mehr erfüllt sein müssen.

 

Normenkette

AktG § 244 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 13.06.2001)

LG Dresden

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Dresden v. 13.6.2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Über das Vermögen der Beklagten, die ihren Sitz in L. hat, war am 1.10.1993 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden. Im März 1995 ist dieses Verfahren - nach gerichtlicher Bestätigung eines Vergleichs, auf Grund dessen die Gläubiger der Gemeinschuldnerin für rund 46 % ihrer Forderungen Befriedigung erlangt haben - unter Anordnung einer Sonderverwaltung - aufgehoben worden. Während des Gesamtvollstreckungsverfahrens hatte der Verwalter mit verschiedenen Interessenten verhandelt und schließlich das Anlagevermögen der Beklagten an die S. AG (S.), eine Tochtergesellschaft der Molkerei A. M. GmbH & Co. KG ("M. Milch"), veräußert. Die S. stellte das im Bau befindliche Milchwerk in L. fertig und verpachtete es ab 1996 an die Beklagte. Diese betreibt sog. "Lohnabfüllung" von Milch für die "M. Milch" und vermarktet eigene Milchprodukte. Die Mittel für den Betrieb hat sie ab 1996 von der "M. Milch" darlehensweise erhalten; auf die Rückzahlung hat die Darlehensgeberin bedingt verzichtet.

Die Hauptversammlung der Beklagten fasste zur Vorbereitung der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 10.10.1994 einen Hauptversammlungsbeschluss, nach dem auf dem Wege der vereinfachten Kapitalherabsetzung das Grundkapital der Beklagten von 75 Mio. DM auf 100.000 DM herabgesetzt wurde, "um Wertminderungen auszugleichen und zur Deckung sonstiger Verluste". Hiergegen haben Minderheitsaktionäre - u. a. der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) - Anfechtungsklage erhoben; durch Urteil des erkennenden Senats (BGH, Urt. v. 9.2.1998 - II ZR 278/96, BGHZ 138, 71 ff. = AG 1998, 284) ist festgestellt worden, dass diese Kapitalmaßnahme - anders als das Berufungsgericht angenommen hatte - zwar keiner sachlichen Rechtfertigung bedurfte, die Anfechtungsklagen aber allein deswegen Erfolg haben und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz nötigen, weil nach dem revisionsrechtlich als richtig zu unterstellenden Sachvortrag der Kläger das Informationsrecht der Minderheitsaktionäre verletzt worden ist.

Zwischenzeitlich, nämlich am 28.11.1996, hat die Hauptversammlung der Beklagten die "Fortsetzung" der Gesellschaft als werbendes Unternehmen beschlossen und den Jahresabschluss 1995 festgestellt. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hatte Erfolg (BGH, Urt. v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 ff. = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199), weil der Vorstand bei der Einladung zur Hauptversammlung fehlerhaft besetzt war.

Die Hauptversammlung der Beklagten hat am 14.7.1998, wenige Monate nach Verkündung der Entscheidung des Senats v. 9.2.1998, ihren Beschl. v. 10.10.1994 bestätigt. Auch gegen diesen Beschluss ist Anfechtungsklage erhoben worden. Der Senat hat - abweichend von dem Berufungsgericht - ausgesprochen, dass der Vorstand bei der Vorbereitung dieser Hauptversammlung nach den Vorschriften des Gesetzes und der Satzung ordnungsgemäß besetzt gewesen ist (BGH, Urt. v. 17.12.2001 - II ZR 288/99, BGHReport 2002, 418 = AG 2002, 289 = ZIP 2002, 216). Zur sachlichen Prüfung der Anfechtungsgründe ist der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen worden.

Während die beiden Anfechtungsklageverfahren gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse v. 28.11.1996 und 14.7.1998 noch anhängig waren, hat die Hauptversammlung der Beklagten am 10.12.1998 einen weiteren Bestätigungsbeschluss gefasst, der sich nunmehr im Sinne einer Gesamtbestätigung auf beide angefochtenen Beschlüsse erstreckt. Hiergegen haben der Kläger zu 1) - bezogen auf die TOP 1 (Bestätigung zum Hauptversammlungsbeschluss v. 10.10.1994), 4 (Bestätigung Jahresabschluss) und 7 (Bestätigung Fortsetzung der Gesellschaft) - und die Klägerin zu 2) - hinsichtlich der TOP 1 und 3 (Bestätigung zum Zustimmungsbeschluss der Inhaber der Inhaberstammaktien) - abermals Anfechtungsklage erhoben. Mit Rücksicht darauf sind die beiden früheren an das OLG zurückverwiesenen Anfechtungsverfahren ausgesetzt worden. Die Kläger haben die Ansicht vertreten, eine Bestätigung sei allein deswegen nicht in Betracht gekommen, weil im Dezember 1998 - unstreitig - die Voraussetzungen für eine Kapitalherabsetzung nach § 229 AktG nicht erfüllt gewesen seien; auf diesen Zeitpunkt sei aber abzustellen. Ferner hat der Kläger zu 1) geltend gemacht, der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses 1995 sei nichtig gewesen und habe deswegen nicht "bestätigt" werden können. Da eine vermögenslose Aktiengesellschaft nicht fortgesetzt werden könne, habe auch der Beschluss zu TOP 7 nicht zu einer Bestätigung geführt.

Diese Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der die beiden nicht nichtigen, sondern allenfalls anfechtbaren Beschlüsse v. 10.10.1994 und 28.11.1996 bestätigende Hauptversammlungsbeschluss der Beklagten v. 10.12.1998 rechtmäßig ergangen ist.

1. Die Kläger gehen fehl, wenn sie dem § 244 S. 1 AktG entnehmen wollen, im Zeitpunkt der Bestätigung müssten alle Voraussetzungen des Ausgangsbeschlusses vorhanden sein. Das hätte zur Folge, dass die Bestätigung der Sache nach allein in Form einer Neuvornahme vonstatten gehen könnte. Dem widerspricht nicht nur der Wortlaut, sondern vor allem der Sinn des Gesetzes.

a) Wie schon die Rechtsfolge - "die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden" - nahe legt, bedarf es nicht der Neuvornahme des seinerzeit gefassten Beschlusses. Indem die Hauptversammlung den seinerzeit gefassten Beschluss als gültige Regelung der betreffenden Gesellschaftsangelegenheit anerkennt (so schon Ballerstedt, ZHR 124 [1962], 233 [235]; Hüffer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 244 Rz. 4; Schmidt in GK/AktG, 4. Aufl., § 244 Rz. 5), beseitigt sie die Anfechtbarkeit. Damit werden einerseits die möglichen Zweifel über die Gültigkeit des Beschlossenen im Interesse der Gesellschaft wie des Rechtsverkehrs ausgeräumt, andererseits bleibt für die Gesellschaft die gerade bei Strukturmaßnahmen überragend wichtige Möglichkeit erhalten, dass der gefasste Beschluss nach dem seinerzeit geltenden Gesetzes- und Satzungsrecht beurteilt wird. Unerlässliche Voraussetzung für diese in der Bestätigung liegende Anerkennung des Beschlusses als für die Gesellschaft gültig und verbindlich ist jedoch, dass die Mängel, welche den Erstbeschluss anfechtbar gemacht haben, beseitigt und nicht etwa bei der Bestätigung wiederholt werden; wird hiergegen verstoßen, ist die Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses erfolgreich. Eine wirksame Bestätigung dagegen hat materiell-rechtliche Wirkung (heute allg. M. vgl. z. B. Hüffer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 244 Rz. 11; Schmidt in GK/AktG, 4. Aufl., § 244 Rz. 13), indem sie die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage unbegründet macht und nicht - wie bei einem wiederholenden Beschluss (s. dazu Volhard in Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, II U Rz. 67) - lediglich das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers entfallen lässt.

b) Dieses aus dem Wortlaut des Gesetzes gewonnene Ergebnis wird durch den Sinn der Regelung, wie er sich aus der Entstehungsgeschichte des § 244 AktG erschließt, nachdrücklich bestätigt. Vor dem In-Kraft-Treten des AktG 1965 enthielt das Gesetz keine entsprechende Regelung. Wollte man das Anfechtungsverfahren abkürzen, blieb einzig der Weg, den angefochtenen Beschluss erneut - unter Vermeidung der zur Anfechtbarkeit führenden Mängel - zu fassen (vgl. BGH BGHZ 21, 354 [356]; v. Caemmerer, FS A. Hueck [1959], S. 281 ff.; Kropff, Reg.Begr., S. 331; weiter gehend aber schon Ballerstedt, ZHR 124 [1962], 233 [235]). Eben dies sollte den Gesellschaften nach dem auf Grund einer Interessenabwägung gebildeten Willen des Gesetzgebers erspart werden (vgl. Kropff, Reg.Begr., S. 331): Dem betroffenen Aktionär sollte nicht angesonnen werden, einen mit Fehlern behafteten Beschluss der Hauptversammlung gegen sich gelten zu lassen. Weiter als dass dieser Fehler beseitigt wird, kann sein Interesse indessen nicht gehen. Wird deswegen der Mangel im Zuge der Bestätigung behoben, bedarf es einer weiter gehenden Prüfung - etwa der Zulässigkeit der Maßnahme im Zeitpunkt der Bestätigung - nicht. Auf diese Weise wird die Gesellschaft vor Zeitverlusten durch die Anfechtung und Beseitigung des Fehlers geschützt, und es müssen vollzogene - wegen des Fortschreitens der Entwicklung nicht wiederholbare - Maßnahmen nicht rückgängig gemacht werden.

c) Zu einer anderen Auslegung nötigt - anders als die Kläger meinen - auch nicht die Tatsache, dass nach heute allgemeiner Meinung (Schmidt in GK/AktG, 4. Aufl., § 244 Rz. 16; Hüffer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 244 Rz. 12 f.; Semler in Münch.Handb.z.AktG, 2. Aufl., § 45 Rz. 45; anders mit einer nicht passenden Parallele zu § 144 BGB v. Caemmerer, FS A. Hueck [1959], S. 281 [285]; ähnlich Kropff, Reg.Begr., S. 331 f.) der wirksam gefasste Bestätigungsbeschluss seine Wirkung nicht ex tunc entfaltet, sondern die Anfechtungsklage gegen den Erstbeschluss erst mit der wirksam beschlossenen Bestätigung unbegründet wird. Die fehlende Rückwirkung der Bestätigung zwingt nicht zu der Annahme, es müssten auch im Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) sämtliche Voraussetzungen für den Erstbeschluss vorliegen. Abgesehen davon, dass - wie ausgeführt - der Wortlaut des Gesetzes dies nicht erfordert und die Auffassung der Kläger zu sinnwidrigen Ergebnissen führen würde, zeigt gerade die Sondervorschrift des § 244 S. 2 AktG, nach welcher der Aktionär unter besonderen Umständen ausnahmsweise für den Zwischenzeitraum zwischen Erst- und Bestätigungsbeschluss sein Anfechtungsrecht behält, dass für die inhaltliche Prüfung des Beschlossenen die Rechtslage im Zeitpunkt des Erstbeschlusses maßgeblich und eine Neuvornahme nicht erforderlich ist.

2. Der angefochtene Bestätigungsbeschluss ist - anders als die Kläger geltend machen - nicht fehlerhaft ergangen, insbesondere ist das Informationsrecht der Minderheitsaktionäre nicht verletzt worden (unten a); die Bestätigungswirkung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Erstbeschluss v. 28.11.1996 nicht nur anfechtbar, sondern - wie der Kläger zu 1 geltend macht - von vornherein nichtig war (unten b).

a) Zu Unrecht macht die Klägerin zu 2) geltend, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen zur Missachtung ihres Informationsrechts in der Diskussion vor der Fassung des Bestätigungsbeschlusses nicht ordnungsgemäß beschieden. Die Frage

"Auf Grund welcher Tatsache wird in der Stellungnahme der Verwaltung zu den Gegenanträgen behauptet, der vorgeschlagene Kapitalschnitt stehe anstelle der Zerschlagung der Gesellschaft und sei unabdingbarer Bestandteil einer erfolgreichen Sanierung, wenn gleichzeitig eine Kapitalerhöhung gar nicht erfolgt?"

hat das LG in seiner Entscheidung (S. 14 unter cc) ohne Rechtsfehler als beantwortet behandelt. Das Berufungsgericht durfte hierauf Bezug nehmen und die von der Klägerin zu 2) in der Berufungsbegründungsschrift erhobene Rüge der Sache nach als nicht hinreichend substanziiert werten. Es war offenkundig, dass kein Investor außer "M. Milch" bereit war, sich an der Beklagten zu beteiligen (vgl. BGH v. 9.2.1998 - II ZR 278/96, BGHZ 138, 71 [76] = AG 1998, 284), und dass diese Gesellschaft den Kapitalschnitt zur Voraussetzung der Sanierung gemacht hat. Die in der Frage der Klägerin zu 2 zum Ausdruck kommende Ansicht, eine Sanierung setze stets eine Kapitalerhöhung voraus, ist in der Hauptversammlung diskutiert und als unzutreffend zurückgewiesen worden. Weil die Beklagte nur als Betriebsgesellschaft aktiv wurde und das Anlagevermögen der S. nutzte, konnte das herabgesetzte Kapital von 100.000 DM bei gleichzeitiger Gewährung von Darlehensmitteln der "M. Milch" ausreichen.

b) Vergeblich macht der Kläger zu 1) ferner geltend, der am 28.11.1996 gefasste und am 10.12.1998 von der Hauptversammlung der Beklagten bestätigte Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses 1995 sei wegen nur unvollständiger Auslegung und eines sich daraus ergebenden Verstoßes gegen § 256 Abs. 4 AktG (Klarheit und Übersichtlichkeit) und gegen die Gliederungsvorschriften (§ 264 Abs. 2 HGB) nichtig und einer Bestätigung nicht zugänglich.

Unstreitig hat der Jahresabschluss in der Hauptversammlung ausgelegen. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die von dem Kläger zu 1) als fehlend bemängelten Anlagen nicht vorhanden gewesen und erst nachträglich zu Prozesszwecken angefertigt worden sind. Dann liegt - wenn man den Vortrag des Klägers zu 1) wie das Berufungsgericht als zutreffend unterstellen will - allenfalls ein zur Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses berechtigender Fehler bei der Auslegung des Jahresabschlusses, nicht aber ein zur Nichtigkeit führender Mangel vor.

Schließlich hat das Berufungsgericht mit Recht und in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil entschieden, dass gegen den Fortsetzungsbeschluss v. 28.11.1996 keine inhaltlichen Bedenken bestehen, weil er sich auf die Sondervorschrift des hier entsprechend anwendbaren § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG a.F. stützen konnte. Der Kläger zu 1) verkennt die durch die genannte Vorschrift geregelte Sondersituation (vgl. dazu Hüffer in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 274 Rz. 8), die einen Fortsetzungsbeschluss, wie er hier gefasst worden ist, zur Durchführung des gerichtlich bestätigten Vergleichs zulässt und die von dem Kläger zu 1) gezogenen Parallelen zu anderen Fallgestaltungen verbietet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1101288

BGHZ 2004, 206

BB 2004, 346

BB 2004, 569

DB 2004, 426

DStR 2004, 239

NJW 2004, 1165

BuW 2004, 200

BGHR 2004, 531

EBE/BGH 2004, 2

DNotI-Report 2004, 55

EWiR 2004, 575

MittBayNot 2004, 289

NZG 2004, 235

StuB 2004, 528

WM 2004, 327

WuB 2004, 753

ZIP 2004, 310

AG 2004, 204

DNotZ 2004, 723

MDR 2004, 403

RNotZ 2004, 167

LMK 2004, 89

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