Leitsatz (amtlich)

a) Soll in der Satzung einer Aktiengesellschaft bestimmt werden, daß die Hauptversammlung Aufsichtsratsmitglieder mit einer anderen als der gesetzlichen Mehrheit abberuft, so kann dieses Mehrheitserfordernis nur einheitlich für alle von der Hauptversammlung bestellten Mitglieder angeordnet und nicht auf bestimmte Mitglieder beschränkt werden.

b) Ersatzmitglieder können für mehrere Aufsichtsratsmitglieder mit der Maßgabe bestellt werden, daß sie mit der ersten Nachfolge in den Aufsichtsrat ihre Ersatzstellung für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder nicht verlieren, diesen vielmehr ebenfalls nachfolgen, wenn sie bei deren Wegfall und dem daran anknüpfenden Beginn der Amtszeit die für eine ordentliche Mitgliedschaft erforderlichen persönlichen Voraussetzungen erfüllen, insbesondere aus dem Aufsichtsrat inzwischen wieder ausgeschieden sind.

c) Die Hauptversammlung kann für das einzelne Aufsichtsratsmitglied mehrere Ersatzmitglieder – in einer festgelegten Reihenfolge – bestellen.

d) Nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 242 Abs. 2 AktG kann die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses auch dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn eine Satzungsänderung beschlossen worden ist, die mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar ist oder zwingende Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind.

 

Normenkette

AktG §§ 101, 103, 242

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe

LG Heidelberg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 1985 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Aktionär der verklagten Aktiengesellschaft. Deren Satzung hat im § 8 Abs. 4 aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 19. Juli 1979, der noch am selben Tage ins Handelsregister eingetragen worden ist, folgenden Wortlaut:

Die Hauptversammlung kann für die von ihr zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder Ersatzmitglieder bestellen, die nach einer bei der Wahl festzulegenden Reihenfolge Mitglieder des Aufsichtsrats werden, wenn Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner vor Ablauf ihrer Amtszeit ausscheiden. Das Aufsichtsratsmandat des zum Ersatzmitglied Bestellten erlischt mit Beendigung der Hauptversammlung, in der für das vorzeitig ausgeschiedene ein anderes Mitglied des Aufsichtsrats gewählt wird, spätestens jedoch zum Ende der Amtszeit des vorzeitig ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieds.

Am 12. Juli 1984 wählte die Hauptversammlung der Beklagten acht Vertreter der Anteilseigner zu Mitgliedern des Aufsichtsrats und für diese Mitglieder zugleich zwei Ersatzmitglieder mit der Maßgabe, daß diese

in der aufgeführten Reihenfolge Mitglieder des Aufsichtsrats werden, wenn Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner vor Ablauf ihrer Amtszeit wegfallen, und ihre Stellung als Ersatzmitglied (in der aufgeführten Reihenfolge) zurückerlangen, wenn die Hauptversammlung für ein vorzeitig ausgeschiedenes, durch das Ersatzmitglied ersetztes Aufsichtsratsmitglied eine Neuwahl vornimmt.

Der Kläger, gegen dessen Stimmen der die Ersatzmitgliedschaft betreffende Beschluß gefaßt worden ist, hat Widerspruch zur Niederschrift erklärt. Er hält den Beschluß für gesetzwidrig, soweit er vorsieht, daß die Ersatzmitglieder diese Stellung zurückerlangen sollen, wenn anstelle eines vorzeitig ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieds, dessen Platz sie eingenommen haben, ein neues Mitglied gewählt wird.

Der Kläger hat Anfechtungsklage erhoben und beantragt, den Beschluß in diesem Punkt für nichtig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Beschluß der Hauptversammlung vom 12. Juli 1984 verstößt nicht gegen Gesetz und Satzung der Beklagten, so daß die Anfechtungsklage mit Recht abgewiesen worden ist (vgl. § 243 Abs. 1 AktG).

Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Hauptversammlung rechtlich die Wahlmöglichkeit habe, das einzige von ihr bestellte Ersatzmitglied entweder ausschließlich dem Aufsichtsratsmitglied nachfolgen zu lassen, das zuerst ausscheide, womit dann, wenn dieser Fall eintrete, die Ersatzstellung gänzlich verbraucht sei; die Hauptversammlung könne aber das Ersatzmitglied auch für mehrere oder alle Aufsichtsratsmitglieder mit der Maßgabe bestellen, daß im Falle einer Nachfolge die Ersatzstellung für die übrigen Mitglieder zwar zunächst suspendiert sei, aber wieder auflebe, wenn das Ersatzmitglied vor Ablauf der Amtsperiode aus dem Aufsichtsrat wieder ausscheide. Jederzeit entzogen werden könne das Mandat, wenn man das Ersatzmitglied nicht nur unter der aufschiebenden Bedingung zum ordentlichen Mitglied bestelle, daß ein solches ausscheide, sondern die Amtsdauer von vornherein zugleich auflösend dahin bedinge, daß das nachgerückte Ersatzmitglied wieder ausscheidet, wenn an die Stelle des ausgeschiedenen und ersetzten Aufsichtsratsmitglieds ein neues gewählt werde. Sei das Ersatzmitglied nicht nur für das erste ausscheidende, sondern für alle Aufsichtsratsmitglieder bestellt worden, so lebe mit Eintritt der auflösenden Bedingung seine Ersatzmitgliedschaft für die übrigen wieder auf, falls die Satzung oder der Beschluß der Hauptversammlung das vorsähe. Diese Ausführungen greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an.

1. Nach § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG kann – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – für jedes Aufsichtsratsmitglied ein Ersatzmitglied bestellt werden, das Mitglied des Aufsichtsrats wird, wenn das Aufsichtsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt. Daraus folgt nicht, daß ebenso viele Ersatz- wie Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden müßten und nicht ein Ersatzmitglied entweder dem jeweils zuerst ausscheidenden Aufsichtsratsmitglied oder mehreren zugeordnet werden könnte. So ist es – wie in diesem Falle – rechtlich ohne weiteres zulässig, daß die Hauptversammlung für acht Vertreter der Anteilseigner nur zwei Ersatzmitglieder bestellt; geschieht das mit der Maßgabe, daß diese in einer festgelegten Reihenfolge in die frei werdenden Stellen einrücken, so steht beim Wegfall eines Aufsichtsratsmitgliedes jeweils fest, wer ihm nachfolgt. Insoweit stimmt die Revision den Ausführungen des Berufungsgerichts noch zu; nach ihrer Meinung ist aber die im § 8 Abs. 4 der Satzung vorgesehene Möglichkeit gesetzwidrig, daß durch Nachwahl das Aufsichtsratsmandat des nachgerückten Ersatzmitglieds beendet wird, so daß dieses schon deshalb seine frühere Stellung nicht zurückerlangen könne. Beendet werden könne das Aufsichtsratsmandat nach § 103 Abs. 1 AktG nur durch Abberufung mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen; mit diesem Mehrheitserfordernis sei unvereinbar, daß die in den Aufsichtsrat nachgefolgten Ersatzmitglieder infolge Nachwahl eines ordentlichen Mitglieds auszuscheiden hätten, für die eine einfache Stimmenmehrheit ausreiche.

Diese Ausführungen kann die Beklagte nicht mit dem Hinweis entkräften, bei der Koppelung des Ausscheidens an eine Nachwahl handele es sich um eine reine Befristung der Amtszeit des nachfolgenden Ersatzmitglieds, die innerhalb der äußersten Grenze des § 102 Abs. 2 AktG liege und deshalb rechtlich ohne weiteres zulässig sei. Die Beklagte verkennt, daß von einer Befristung nur gesprochen werden kann, wenn feststeht, daß das zum Ausscheiden führende Ereignis eintreten wird, mag auch noch ungewiß sein, wann. Nach der Satzung steht aber keineswegs fest, daß eine Nachwahl erfolgt; ihr Eintritt ist ungewiß, und das Berufungsgericht deshalb mit Recht davon ausgegangen, daß die Dauer der Amtszeit des Ersatzmitglieds im Aufsichtsrat auflösend bedingt ist. In gleicher Weise auflösend bedingt ist jedes Aufsichtsratsmandat aber auch durch die Abberufung nach § 103 AktG. Da die Nachwahl das Ersatzmitglied aus dem Aufsichtsrat ebenso ausscheiden läßt, wie das im Falle einer Abberufung geschähe, ist die Nachwahl nur unter denselben Voraussetzungen möglich; anderenfalls könnten mit dieser die Vorschriften über die Abberufung umgangen werden.

Der Revision ist einzuräumen, daß § 8 Abs. 4 der Satzung den Anforderungen des § 103 Abs. 1 AktG nicht entspricht. Nach der Satzung bedarf der Beschluß, der die Nachfolge und damit das Ausscheiden des Ersatzmitglieds bewirkt, nicht einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen, wie es § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG für die Abberufung vorsieht, sondern kann – mangels einer anderslautenden Regelung in der Satzung – nach § 133 Abs. 1 AktG schon mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt werden. Nach § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG kann die Satzung zwar eine andere Mehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen, so daß ohne weiteres eine qualifizierte durch eine einfache Mehrheit ersetzt und die Abberufung von einer Neuwahl des Nachfolgers abhängig gemacht werden kann. Wird von dieser Möglichkeit in der Satzung Gebrauch gemacht, so ist es jedoch erforderlich, daß die Regelung nicht auf bestimmte Aufsichtsratsmitglieder beschränkt wird, sondern gleichermaßen für alle gilt, die von der Hauptversammlung in den Aufsichtsrat gewählt worden sind. Mit dem Grundsatz, daß die Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder gleichwertig ist, ist zwar vereinbar, daß in der Satzung die Mandate zeitlich verschieden begrenzt sind (vgl. Mertens im KK, § 102 Rdnr. 11; Geßler in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 102 Rdnr. 12). Aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist jedoch eine Regelung, die nur für bestimmte Aufsichtsratsmitglieder eine Abberufung mit der einfachen Mehrheit der Stimmen vorsieht und es hinsichtlich der übrigen Mitglieder bei dem gesetzlichen Mehrheitserfordernis beläßt. Die unterschiedliche Regelung kann dazu führen, daß ein Aufsichtsratsmitglied sich bei der Erfüllung seiner Überwachungs- und Prüfungspflicht sowie der Mitwirkung an Beschlüssen im Aufsichtsrat entgegen besserer Erkenntnis weniger von den Interessen der Gesellschaft als von den Erwartungen bestimmter Anteilseigner leiten läßt, wenn es angesichts des geringeren Mehrheitserfordernisses laut Satzung und der tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung als einziger befürchten muß, anderenfalls abberufen zu werden. Der Grundsatz der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder (vgl. BGHZ 83, 106, 112 f.) erfordert es, daß nach der Satzung alle von den Anteilseignern zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder die gleiche sichere Rechtsstellung haben, also nicht mit unterschiedlichen Mehrheiten abberufen werden können.

Gegen das Erfordernis gleicher Abberufungsvoraussetzungen für alle Mitglieder des Aufsichtsrats spricht nicht, daß das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 Abs. § AktG erlischt, sobald der Mangel behoben, also mit einfacher Mehrheit ein ordentliches Mitglied bestellt worden ist. Die Hauptversammlung hat von vornherein kein Recht, ein gerichtlich bestelltes Mitglied abzuberufen, so daß sie ein solches Recht auch nicht durch Nachwahl umgehen könnte. Diese Nachwahl soll wiederum den Mangel beseitigen, der durch die Ersatzbestellung überbrückt worden ist. Die dazu erforderliche Wahl eines ordentlichen Mitglieds würde erschwert, wenn sie nur deshalb mit einer qualifizierten Mehrheit erfolgen müßte, weil sie dazu führt, daß das gerichtlich bestellte Mitglied wieder ausscheidet. Im Gegensatz zu diesem hat das nach § 101 Abs. 3 AktG bestellte Ersatzmitglied von vornherein das Vertrauen der Hauptversammlung; kann allerdings von dieser auch nur unter denselben Voraussetzungen wieder abberufen werden wie das Aufsichtsratsmitglied, für das es bestellt ist (§ 103 Abs. 5 AktG). Nach alledem hätte die Hauptversammlung, als sie am 19. Juli 1979 die Änderung des § 8 Abs. 4 der Satzung beschloß, eine Regelung dahin treffen müssen, daß entweder alle Aufsichtsratsmitglieder mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen werden können oder daß für die Nachwahl eine Stimmenmehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, sofern sie gleichzeitig bewirkt, daß nachgerückte Ersatzmitglieder wieder aus dem Aufsichtsrat ausscheiden.

Gleichwohl verhilft die Satzungsregelung der Revision nicht zum Erfolg. Denn der Kläger hat die am 19. Juli 1979 beschlossene und eingetragene Änderung der Satzung als gesetzmäßig hinzunehmen. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob satzungsändernde Beschlüsse, die gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen, stets nichtig i. S. der zweiten Alternative des § 241 Nr. 3 AktG sind oder ob es Fälle gibt, in denen das Gesetz die Anfechtbarkeit genügen läßt (vgl. zum Meinungsstand Hüffer in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 241 Rdnr. 49). Denn der Mangel des Beschlusses ist weder innerhalb einer Frist von drei Jahren seit dessen Eintragung ins Handelsregister mit der Nichtigkeitsklage (§ 242 Abs. 2 Satz 1 AktG) noch innerhalb eines Monats seit Beschlußfassung mit der Anfechtungsklage (§ 246 Abs. 1 AktG) geltend gemacht worden. Durch Eintragung und Fristablauf geheilt werden nach § 242 Abs. 2 AktG auch Satzungsänderungen, die nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig sind. Die von Säcker (JZ 1980, 82, 84) in Anlehnung an Ausführungen Würdingers (Aktien- und Konzernrecht, 3. Aufl., S. 35) geäußerten Bedenken, daß auf diese Weise ursprüngliche (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) und die durch einen Hauptversammlungsbeschluß geänderten Satzungsbestimmungen ungleich behandelt würden und die Gesellschaft auf ewig mit Satzungsbestimmungen leben müßte, die gegen zwingendes Gesetzesrecht verstießen, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es kann offen bleiben, ob dem Vorschlag Geßlers gefolgt werden kann, die Ungleichbehandlung ursprünglicher und nachträglich eingefügter Satzungsbestimmungen dadurch zu beseitigen, daß man analog § 242 Abs. 2 AktG auch für ursprüngliche Satzungsbestimmungen die Heilung vorsieht (ZGR 1980, 427, 452 f.). Daß jedenfalls die Heilung späterer Satzungsänderungen vom Gesetz gewollt ist, folgt daraus, daß diese aus Gründen der Rechtssicherheit ein Bedürfnis nach Heilung ausschließlich für Beschlüsse bejaht, die wegen ihrer Bedeutung ins Handelsregister einzutragen sind, und daß § 241 Nr. 3 AktG, der die Nichtigkeit wegen besonders schwerer Verstöße anordnet, vorbehaltlos in den § 242 Abs. 2 AktG aufgenommen worden ist (vgl. Zöllner in KK, § 242 Rdnr. 23); eintragungspflichtige Beschlüsse, die das Wesen der Aktiengesellschaft oder öffentliche Interessen berühren, betreffen regelmäßig die Grundlagen der Gesellschaft und damit eine Änderung der Satzung. Daß die Gesellschaft nicht auf ewig nach gesetzwidrigen Beschlüssen leben muß, ist durch die im § 242 Abs. 2 Satz 3 AktG ausdrücklich genannte Amtslöschung nach § 144 Abs. 2 FGG gewährleistet.

2. Erlischt danach aufgrund der Satzung das Aufsichtsratsmandat nachgerückter Ersatzmitglieder mit Beendigung der Hauptversammlung, in der das neue Mitglied gewählt wird, so stellt sich die entscheidende Frage, ob das Ersatzmitglied – wie bei seiner Bestellung beschlossen – diese Eigenschaft zurückerlangt. Die Satzung schließt eine solche Rechtsfolge nicht aus; sie läßt zwar das Aufsichtsratsmandat des Ersatzmitglieds mit der Neuwahl eines ordentlichen Mitglieds erlöschen, sagt aber nichts darüber aus, ob die Ersatzmitgliedschaft mit dem ersten Nachrücken in den Aufsichtsrat vollständig verbraucht ist oder ob sie wieder auflebt, wenn das Ersatzmitglied vor dem Ende der regulären Amtszeit aus dem Aufsichtsrat ausscheidet und in diesem Zeitpunkt noch Aufsichtsratsmitglieder im Amt sind, mit denen es gleichzeitig bestellt worden ist und denen es deshalb im Falle ihres vorzeitigen Ausscheidens noch nachfolgen könnte (vgl. § 101 Abs. 3 Satz 3 AktG). Danach stehen der Hauptversammlung beide Regelungsmöglichkeiten offen, so daß eine Bestellung, die mit der Maßgabe erfolgt, daß die Ersatzmitgliedschaft wieder auflebt, wenn das Ersatzmitglied aus dem Aufsichtsrat vorzeitig wieder ausscheidet, nicht gegen die Satzung verstößt. Sie verstößt aber auch nicht gegen das Gesetz.

Die Revision sieht durch den Beschluß der Hautversammlung den § 101 Abs. 3 Satz 3 AktG verletzt, wonach das Ersatzmitglied nur gleichzeitig mit dem Aufsichtsratsmitglied bestellt werden kann, dem es nachfolgen soll. Ein Verstoß hiergegen wäre in der Tat anzunehmen, wenn die Ersatzmitgliedschaft mit der Nachfolge in den Aufsichtsrat auch im Hinblick auf die übrigen Aufsichtsratsmitglieder ihr Ende gefunden hätte und anläßlich der Neuwahl und dem dadurch bedingten Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat nur durch eine erneute Bestellung belebt werden könnte. In dem Falle wäre die Gleichzeitigkeit der Bestellung nur hinsichtlich des neuen, nicht aber der Mitglieder gewahrt, die dem Aufsichtsrat schon länger angehören; für deren Nachfolge stände nur noch das zweite Ersatzmitglied zur Verfügung und auch das wiederum nur für die erste und nicht auch für die weiteren, so daß mehr als zwei Ausfälle ordentlicher Mitglieder allein durch deren Neuwahl und nicht länger durch Ersatznachfolge behoben werden könnten. Diese Art, die Ersatznachfolge zu regeln, ist jedoch nicht die einzig mögliche. Die Revision ist zu Unrecht der Meinung, das Ersatzmitglied, das zuerst nachfolgen solle, könne aus Rechtsgründen immer nur für das Aufsichtsratsmitglied bestellt werden, das zuerst wegfalle, und nicht auch für die übrigen, so daß es schon aus diesem Grunde nicht als deren späterer Nachfolger in Betracht komme. Rechtlich unbedenklich kann die Ersatzmitgliedschaft auch so geregelt werden, daß das Ersatzmitglied nicht nur für ein – zunächst zwar unbestimmtes, mit dem (ersten) Ausscheiden aber feststehendes – Aufsichtsratsmitglied, sondern für alle mit der (allerdings selbstverständlichen) Maßgabe bestellt wird, daß es das Amt nur dann antritt, wenn es auch noch in diesem Zeitpunkt die gesetzlichen oder durch die Satzung geforderten persönlichen Voraussetzungen erfüllt, beispielsweise nicht deshalb als Nachfolger ausfällt, weil es dem Aufsichtsrat aufgrund einer früheren Nachfolge bereits angehört. Da es nicht um die Amtsvoraussetzungen der Ersatz-, sondern der ordentlichen Mitgliedschaft im Aufsichtsrat geht, genügt es, daß das Ersatzmitglied sie spätestens in dem Zeitpunkt erfüllt, in dem es in dieses Amt nachrücken soll. War das Ersatzmitglied vor diesem Zeitpunkt etwa aus den im § 100 Abs. 1 und 2 AktG genannten Gründen oder weil es schon einmal einem Mitglied in den Aufsichtsrat nachgefolgt ist und diesem bis zur Wahl eines neuen Mitglieds angehört hat, am Antritt des Amtes gehindert, so schließen diese Hindernisse die spätere Nachfolge nicht aus, wenn sie bis dahin weggefallen sind und das Ersatzmitglied nunmehr alle persönlichen Voraussetzungen für das Aufsichtsratsmandat erfüllt, das es übernimmt. Daß der für die Beurteilung der persönlichen Verhältnisse maßgebende Zeitpunkt der Beginn der Amtszeit und nicht schon der Zeitpunkt der Wahl ist, folgt insbesondere aus § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG, der nach § 101 Abs. 3 Satz 4 AktG für die Bestellung des Ersatzmitglieds entsprechend gilt und der für die Frage, ob die Wahl nichtig ist, ausdrücklich auf die Verhältnisse zu Beginn der Amtszeit abstellt. Eine Wahl ist danach auch dann gültig, wenn die persönlichen Voraussetzungen einer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zwar noch nicht im Zeitpunkt ihrer Vornahme, aber noch vor Amtsbeginn erfüllt sind (vgl. Mertens und Zöllner in: KK, § 100 Rdnr. 27 bzw. § 250 Rdnr. 38; Geßler und Hüffer in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 100 Rdnr. 49 bzw. § 250 Rdnr. 23 ff.; Meyer-Landrut und Schilling in: GroßK. AktG, § 100 Anm. 9 bzw. § 250 Anm. 6). Dasselbe gilt, wenn ein Ersatzmitglied gewählt wird und später nachfolgt.

Es bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung, ob mangels einer ausdrücklichen Regelung in der Satzung oder im Beschluß der Hauptversammlung die beiden einzigen Ersatzmitglieder (in der genannten Reihenfolge) regelmäßig nur für das erste bzw. zweite Aufsichtsratsmitglied, das ausscheidet, bestellt sind und ihre Ersatzmitgliedschaft somit durch die Nachfolge verbraucht wird oder ob die Bestellung regelmäßig auch für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder für den Fall erfolgt, daß im Zeitpunkt ihres Ausscheidens die persönlichen Voraussetzungen einer Mitgliedschaft beim Ersatzmitglied wieder vorliegen, beispielsweise dessen frühere Nachfolge in den Aufsichtsrat durch Nachwahl ihr Ende gefunden hat. Der vom Kläger beanstandete Beschluß der Hauptversammlung ergibt nämlich eindeutig, daß diese sich im Sinne der zweiten Alternative entschieden hat. Aus der Anordnung, das Ersatzmitglied solle diese Stellung zurückerlangen, wenn es infolge Nachwahl eines ordentlichen Mitglieds den Aufsichtsrat verläßt, folgt ohne weiteres, daß es nicht nur für das erste ausgeschiedene Mitglied, sondern zugleich für alle anderen bestellt ist, in seiner Person also gewissermaßen mehrere Ämter gebündelt sind (vgl. hierzu Lehmann, DB 1983, 485, 486).

3. Entgegen der Ansicht der Revision führt eine Ersatzmitgliedschaft für alle Aufsichtsratsmitglieder nicht dazu, daß im Einzelfall unklar ist, wer von den beiden Ersatzmitgliedern nachrücken soll. Stets kommt das in der beschlossenen Reihenfolge erste Ersatzmitglied zum Zuge, wenn es in dem Zeitpunkt, in dem ein ordentliches Aufsichtsratsmitglied wegfällt, die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft erfüllt. Nur wenn das nicht der Fall ist, weil beispielsweise noch keine Nachwahl stattgefunden hat und deshalb das erste Ersatzmitglied dem Aufsichtsrat noch angehört, folgt das in der Reihenfolge an zweiter Stelle stehende Ersatzmitglied nach. Fällt allerdings ein nachgewähltes Mitglied später weg, so kann das Ersatzmitglied nur dann an seine Stelle treten, wenn es anläßlich der Nachwahl auch für dieses Mitglied bestellt worden ist.

4. Da nach alledem der Beschluß der Hauptversammlung nicht gegen Gesetz und Satzung verstößt, hat das Berufungsgericht die Berufung mit Recht zurückgewiesen, so daß auch die Revision keinen Erfolg haben kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609342

BGHZ, 211

BB 1987, 291

NJW 1987, 902

ZIP 1987, 366

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