Leitsatz (amtlich)

a) Die individuelle Vereinbarung (das „Aushandeln”) einer vorformulierten Vertragsbedingung setzt nicht voraus, daß der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder eines Vertragsformulars, der – von einer Vertragspartei auch sonst vielfach verwendet – insgesamt zum Bestandteil des Einzelvertrags gemacht worden ist, an irgendeiner Stelle äußerlich sichtbar abgeändert oder ergänzt worden ist.

b) Ist der von einer Vertragspartei vielfach verwendete Text Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder eines Vertragsformulars unverändert als Vertragsbestandteil übernommen worden, so sind die vorformulierten Vertragsbedingungen nur dann als individuelle Vertragsabreden ausgehandelt worden, wenn und soweit die eine Vertragspartei zur Abänderung der Bedingungen bereit und dies dem Geschäftspartner bei Vertragsabschluß bewußt gewesen ist.

c) Eine rechtsunwirksame Abrede in einem Formularvertrag wird nicht allein schon dadurch zu einer rechtswirksam getroffenen individuellen Vereinbarung, daß der Formularvertrag noch die vom Auftraggeber besonders unterzeichnete Klausel enthält, der Auftragsinhalt sei in allen Einzelheiten zwischen Auftraggeber und Makler ausgehandelt worden, was ausdrücklich bestätigt werde (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 20. Oktober 1976 – IV ZR 135/75 = WM 1977, 15).

 

Normenkette

BGB § 652

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 07.07.1975)

LG Berlin

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 7. Juli 1975 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Kammergerichts, soweit zum Nachteil des Beklagten zu 1 erkannt worden ist, sowie im Kostenpunkt aufgehoben.

In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 1. November 1972 unterzeichnete der Beklagte zu 1 zugleich im Namen seiner Ehefrau, der Beklagten zu 2, einen im wesentlichen vorgedruckten Auftragsschein der Klägerin, dessen wenige maschinenschriftliche oder handschriftliche Ergänzungen der Sohn des Inhabers der Klägerin eingesetzt hatte; der engzeilige Text füllt eine volle Blattseite (DIN-A-4) aus. Die Klägerin erhielt den Auftrag, einen Käufer für ein den Beklagten gehörendes Hausgrundstück in B. nachzuweisen. In dem Auftragsformular heißt es unter anderem (die vom Sohn des Inhabers der Klägerin angebrachten Zusätze sind nachstehend unterstrichen):

„Dieser Auftrag ist ein unkündbarer Alleinauftrag auf die Dauer von sechs Monaten, vom Tage der Auftragserteilung an gerechnet. Sämtliche während dieser Alleinauftragszeit sich bei mir oder dem Objekt meldenden bzw. vorsprechenden Interessenten erkenne ich als durch Sie nachgewiesen an und verpflichte mich, diese an Sie zu verweisen.

Ich fordere einen Gesamtkaufpreis von 135.000,– DM + Provision.

Für Ihre Nachweistätigkeit verpflichte ich mich, als Gesamtschuldner mit dem Käufer an Sie eine Provision von 6 % meiner vorstehenden Gesamtkaufpreisforderung, als Mindestsatz jedoch den Betrag von 8.100,– DM + ges. Mehrwertsteuer zu zahlen.

Diese Provision ist in voller Höhe sofort fällig und zahlbar:

  1. wenn das Objekt ganz oder teilweise während der Auftragszeit selbst oder durch andere verkauft bzw. selbst oder durch andere darüber verfügt wird,
  2. …”

Der Beklagte zu 1 hat den Auftragsschein zweimal – unten rechts und unten links – unterzeichnet; unmittelbar über der linken Unterschrift befand sich in Fettdruck folgender Satz:

„Auftragsinhalt wurde in allen Einzelheiten zwischen Auftraggeber und Makler ausgehandelt, was ich ausdrücklich bestätige.”

Durch notariellen Vertrag vom 10. November 1972 verkauften die Beklagten ohne Hinzuziehung der Klägerin ihr Grundstück zum Preise von 150.000,– DM; den Käufer hatte ihnen ein anderer Makler nachgewiesen, der für sie auch den Kaufvertrag vermittelte.

Die Klägerin hat behauptet, der Inhalt des Alleinauftrages sei, wie vom beklagten Ehemann durch die besondere Unterschrift bestätigt, tatsächlich in allen Einzelheiten besprochen und ausgehandelt worden. Sie verlangt von den beklagten Eheleuten die Mindestprovision nebst Mehrwertsteuer.

Die Beklagte zu 2 hat bestritten, ihrem Ehemann Auftrag und Vollmacht zum Abschluß eines Maklervertrages erteilt zu haben. Beide Beklagten haben behauptet, eine individuelle Aushandlung des Vertrages sei in Wahrheit nicht erfolgt.

Das Landgericht hat die Klage gegen die Ehefrau abgewiesen und den Ehemann zur Zahlung von 8.991,– DM nebst Zinsen verurteilt.

Das Kammergericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten zu 1 diesen zur Zahlung von 6.000,– DM nebst Zinsen verurteilt und die Revision zugelassen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hatte die Klägerin zunächst „Anschlußberufung” eingelegt, diese aber später zurückgenommen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 1 haben Revision eingelegt; die Klägerin verfolgt den Antrag auf Verurteilung des Beklagten zu 1 zur Zahlung weiterer 2.991,– DM nebst Zinsen, dieser den Antrag auf völlige Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Dagegen ist die Revision des Beklagten zu 1 begründet; soweit das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I. Revision des Beklagten zu 1

1. Da die Klägerin den Käufer des Grundstücks der beklagten Eheleute nicht nachgewiesen hat, steht ihr ein Provisionsanspruch nach § 652 BGB nicht zu.

2. Die Klageforderung kann nur auf Grund der im Auftrag vom 1. November 1972 unter Buchstabe c wiedergegebenen Abrede begründet sein, wonach die Mindestprovision (DM 8.100,– nebst Mehrwertsteuer) auch dann in voller Höhe fällig sein soll, wenn der Auftraggeber das Objekt während der Vertragszeit ganz oder teilweise selbst oder durch andere verkauft oder darüber verfügt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt; denn die beklagten Eheleute haben ihr Hausgrundstück innerhalb der vorgesehenen Laufzeit von sechs Monaten, nämlich am 10. November 1972, mit Hilfe eines anderen Maklers verkauft. Folglich hängt der Klageanspruch davon ab, ob die genannte Abrede rechtswirksam getroffen worden ist.

a) Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines alleinbeauftragten Maklers enthaltene Verweisungsklausel mit der dort ebenfalls vorgesehenen Sanktion, daß der Auftraggeber die volle Provision zahlen müsse, wenn er den Makler während der Bindung an den Alleinauftrag zu einem Vertragsabschluß über das Objekt nicht hinzuziehe, ist bereits Gegenstand des Senatsurteils BGHZ 60, 377 gewesen. Der Senat hat eine solche AGB-Klausel im Wege der richterlichen Inhaltskontrolle für unwirksam erklärt, weil sie von dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages in dem entscheidenden Punkt abweicht, daß der Makler seinen Lohn nur bei einer Ursächlichkeit seiner Tätigkeit für das zustande gekommene Geschäft verdient, und weil in einer derartigen generellen Regelung der Folgen einer Vertragsstörung eine übersteigerte, mißbräuchliche Verfolgung einseitiger Interessen des Maklers auf Kosten des Auftraggebers zum Ausdruck kommt (BGHZ 60, 377, 380 f, 384). Daran hält der Senat fest (vgl. auch das Senatsurteil vom 20. Oktober 1976 – IV ZR 135/75 –, WM 1977, 15).

Die vorgedruckten Bestimmungen in dem von der Klägerin verwendeten Auftragssehein sind genauso zu behandeln wie AGB, sofern nicht die vom Beklagten zu 1 unterschriebene „Bestätigung” und das Ergebnis der Nachprüfung, ob und inwieweit der Auftragsinhalt tatsächlich im einzelnen ausgehandelt worden ist, zu einer anderen Beurteilung führen. Es ist inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, daß Formularverträge in gleicher Weise wie AGB der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen, wenn und soweit sie nach Entstehung und Inhalt das typische Gepräge von AGB haben (BGHZ 62, 251, 252 f; 63, 238, 239; BGH LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 62). Das ist hier nach der äußeren Erscheinungsform der Fall, weil das eine volle, engzeilig beschriebene DIN-A-4-Seite umfassende Auftragsformular der Klägerin eine Vielzahl von Vertragsbedingungen enthält, welche die Klägerin allein nach ihren Interessen dem möglichen Geschäftspartner für zahlreiche Fallgestaltungen stellt, und weil sie dieses Formular schon seiner Aufmachung zufolge vielfach verwendet, was sie auch nie in Zweifel gezogen hat.

Demnach ist die Vertragsbestimmung, auf welche die Klägerin ihren Anspruch stützt, unwirksam, wenn sie nicht doch als Individualabrede zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 ausgehandelt worden ist, wie es der Beklagte zu 1 für den gesamten Inhalt des Auftragsscheins durch den besonders unterschriebenen Vermerk dem Anschein nach „bestätigt” hat.

b) Das Berufungsgericht hat auf Grund dieser „Bestätigung” des Beklagten zu 1 zu seinen Lasten angenommen, daß der Auftragsinhalt tatsächlich in allen Einzelheiten ausgehandelt worden sei, und hat hierzu ausgeführt: Die Aushandlung eines Vertragsinhalts sei nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, daß er von der einen Seite bereits vorgefertigt sei. Es sei vielmehr denkbar, daß der andere Teil sich mit jedem einzelnen der betreffenden Sätze nach entsprechender Erörterung einverstanden erkläre und sie dadurch ebenso aushandele, wie wenn sie zunächst nur mündlich erörtert und dann nach Übereinstimmung niedergeschrieben worden wären. Von der inhaltlichen Richtigkeit der Bestätigung des Beklagten zu 1 sei auszugehen, die nicht als rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung anzusehen sei, die vielmehr nur einen tatsächlichen Vorgang bezeugen solle. Zwar habe der Beklagte zu 1 nunmehr im Prozeß behauptet, daß eine Aushandlung des Auftragsinhalts entgegen dem Wortlaut seiner Erklärung in Wahrheit nicht erfolgt sei. Für diese Behauptung, die die Klägerin bestritten habe, habe er jedoch keinen Beweis angeboten, sei also beweisfällig geblieben. Folglich sei er an sein Zahlungsversprechen zu Buchstabe c des Maklervertrages gebunden.

c) Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

Da das Aushandeln von Vertragsbedingungen die bei AG und (mit ihnen gleichzubehandelnden) Formularverträgen gebotene, verstärkte richterliche Inhaltskontrolle ausschließen kann die Frage, welche Anforderungen an ein „Aushandeln” einseitig vorformulierter Bedingungen oder Vertragsmuster gestellt werden müssen, nur dann sachgerecht beantwortet werden, wenn man den Grund der richterlichen Inhaltskontrolle berücksichtigt. Er wird einmal in dem für den Geschäftspartner oft unübersichtlichen oder sogar überraschenden Inhalt des Bedingungswerks gesehen (vgl. BGHZ 60, 377, 380 m.w.N.; 62, 251, 252). Unabhängig davon rechtfertigt sich die Inhaltskontrolle aus dem zumindest gleichrangigen Gesichtspunkt, daß der Richter der unangemessenen, einseitigen Inanspruchnahme des Rechts, den Inhalt der Verträge durch generelle Regelungen zu gestalten, entgegenwirken muß; auch bei unmißverständlichen und dem Geschäftspartner vor Vertragsschluß bekannten Klauseln hat der Richter zu prüfen, ob sie nicht die Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit in unangemessener, nicht zu billigender Weise verletzen (vgl. BGHZ 51, 55, 59; 60, 377, 380; 62, 251, 252; BGH NJW 1976, 2345, 2346). Folglich reicht die bloße Entschließungsfreiheit des Geschäftspartners, entweder den Vertrag zu den bekannten, vom anderen Teil generell vorformulierten Bedingungen abzuschließen oder aber vom Vertragsschluß ganz abzusehen, für das Zustandekommen einer Individualabrede nicht aus. Vielmehr kann von einer Individualvereinbarung in Abgrenzung von einem durch AGB geprägten Vertrag (im folgenden: AGB-Vertrag) oder diesem gleichstehenden Formularvertrag nur dann gesprochen werden, wenn der Geschäftspartner auch hinsichtlich des Vertragsinhalts eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener berechtigter Interessen hätte, wenn und soweit es ihm also möglich war, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.

Mit dem Berufungsgericht hält es der Senat nicht für grundsätzlich ausgeschlossen, daß ein Vertrag, dem die Parteien die nur von einer Seite verwendeten AGB oder – wie hier – das nur von einer Seite vielfach verwendete Formular unverändert zugrunde gelegt haben, doch hinsichtlich einzelner oder gar aller vorformulierter Bedingungen individuell ausgehandelt worden ist. Der Gegenansicht von Schulte, der hierin einen „unüberbrückbaren Widerspruch” sieht (NJW 1974, 1217 ff, 1218 und 1220; gleicher Ansicht offenbar auch Schwerdtner, Maklerrecht, Rdn. 52 a.E., 55), vermag der Senat nicht beizupflichten. Zwar wird auch zu § 1 Abs. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) – Bundesrats-Drucksache 443/76 – die Ansicht vertreten, für das (im begrifflichen Gegensatz zu AGB stehende) „Aushandeln” von Vertragsbedingungen sei grundsätzlich erforderlich, daß der Partner auf deren Inhalt tatsächlich Einfluß genommen hat (Palandt/Heinrichs BGB 36. Aufl., AGB-Gesetz § 1 Anm. 4). Diese Meinung würde die praktische Konsequenz haben, daß eine Individualvereinbarung dann überhaupt nicht in Betracht käme, wenn das von einer Seite vielfach verwendete Klauselwerk beim Vertragsschluß übernommen würde, ohne in irgendeinem Punkt verändert oder ergänzt worden zu sein (so auch Graf von Westphalen BB 1976, 1288 unter 2 a.E.). Daß diese Ansicht nicht richtig sein kann, zeigt aber gerade § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz (Entwurf), wenn man die Vorschrift im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Satz 1 AGB-Gesetz auslegt. Die „Vertragsbedingungen”, die § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes herausnimmt, können sinnvollerweise nur solche Bedingungen sein, die an sich die Merkmale des Absatzes 1 erfüllen, die also nach Entstehung und äußerem Erscheinungsbild „Allgemeine Geschäftsbedingungen” sind, weil sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und einseitig von der einen Vertragspartei fertig in die Vertragsverhandlungen mit der anderen Partei eingebracht worden sind. Man ist bei § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz (Entwurf) davon ausgegangen, daß der Vertragspartner des besonderen Schutzes des AGB-Gesetzes dann nicht bedarf, wenn und soweit die Vertragsbedingungen das Ergebnis einer selbstverantwortlichen Prüfung, Abwägung und möglichen Einflußnahme beider Vertragsseiten sind (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des AGB-Gesetzes, Bundestags-Drucksache 7/3919 S. 17). Es ist jedoch weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch von der Sache her gerechtfertigt, von diesem Grundgedanken des § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz bei sonst gleicher Verhandlungssituation dann abzuweichen, wenn die Parteien nicht nur einzelne vorformulierte Bedingungen, sondern das ganze Klauselwerk des einen Vertragsteils dem Vertrag zugrunde legen. Wie sich aus der schon zitierten Begründung der Bundesregierung ergibt, hat man auch in diesem Fall die Vorschrift grundsätzlich für anwendbar gehalten („… so soll dem Verwender [von AGB] gleichwohl die Möglichkeit verbleiben, gegebenenfalls darzutun, daß einzelne oder sämtliche Vertragsbestimmungen entgegen dem ersten Anschein ausgehandelt sind”, Bundestags-Drucksache a.a.O.). In diesem Auslegungsergebnis zu § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz (Entwurf) sieht der Senat eine Bestätigung seiner Ansicht, daß die sachlich gleichliegende Frage für den jetzt noch geltenden Rechtszustand nicht anders beantwortet werden kann; denn das Schutzbedürfnis des Geschäftspartners des Klauselverwenders ist jetzt und künftig von gleicher Art.

Auf der anderen Seite ist für die Abgrenzung zwischen Individualvereinbarung einerseits und AGB oder Formularvertrag andererseits zu berücksichtigen, daß der Vertragsteil, der sein Angebot unter Verwendung von AGB oder eines Vertragsformulars abgibt oder sonstwie das von ihm vielfach verwendete Klauselwerk in die Vertragsverhandlungen einführt, damit – vorbehaltlich anderslautender Erklärungen – nach allgemeiner Verkehrsanschauung zu verstehen gibt, er sei nicht bereit, von seinen vorgedruckten, abschließend formulierten Konditionen abzuweichen und sie eventuell den gegenläufigen Interessen des Partners anzupassen oder sie zu ergänzen; entweder werde der Vertrag zu seinen Bedingungen abgeschlossen, oder er komme überhaupt nicht zustande. Diesen objektiven Erklärungswert der Verwendung von AGB oder Vertragsformularen muß der Verwender bei den Vertragsverhandlungen beseitigen, wenn er sich später darauf berufen will, der Vertrag sei entgegen dem äußeren Anschein doch ganz oder teilweise „ausgehandelt”, also individuell vereinbart worden. Hierzu reichen selbst eine eingehende Erörterung der einzelnen Konditionen und eine Belehrung über die bei allen denkbaren Fallgestaltungen eintretenden Rechtsfolgen nicht aus. Hierdurch allein gibt der Verwender noch nicht zu erkennen, daß er auch eine aktive Einflußnahme des Partners auf den Inhalt der Vertragsbedingungen akzeptieren würde. Daß Erörterung und Rechtsfolgenbelehrung die Rechtsnatur von AGB und Formularverträgen allein nicht zu ändern vermögen, war auch bisher schon der Standpunkt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Obwohl nämlich der Notar bei der Beurkundung von Verträgen von Gesetzes wegen (§ 17 BeurkG) zur Belehrung der Parteien verpflichtet ist, hat der Bundesgerichtshof in der Form der notariellen Beurkundung eines Formularvertrages kein Hindernis gesehen, diesen der richterlichen Inhaltskontrolle zu unterwerfen (BGHZ 62, 251; BGH LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 62). Ferner genügt es nicht, daß die von einer Seite gestellten Bedingungen nur objektiv der individuellen Aushandlung fähig sind, wie das Berufungsgericht meint. Für das Zustandekommen einer Individualvereinbarung ist es vielmehr erforderlich, daß der Verwender von AGB oder Vertragsformularen zur Abänderung seiner Bedingungen bereit ist und der Geschäftspartner dies bei den Vertragsverhandlungen weiß. Das wird insbesondere dann angenommen werden können, wenn der Verwender dem Partner seine trotz vorformulierten Klauseltextes vorhandene Änderungsbereitschaft hinreichend deutlich zu erkennen gegeben hat. Diese Voraussetzungen einer Individualvereinbarung müssen im Einzelfall tatrichterlich festgestellt werden, sofern sich der Verwender darauf beruft, daß der Vertrag (bzw. eine einzelne Vertragsbedingung) entgegen dem äußeren Anschein individuell ausgehandelt worden ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Verwender.

Von diesem Erfordernis konkreter tatrichterlicher Feststellung kann auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Formularvertrag – wie hier – die besonders unterschriebene Erklärung des Geschäftspartners aufweist, es werde bestätigt, daß die Vertragsbedingungen in allen Einzelheiten ausgehandelt worden seien. Würde man anerkennen, daß hierdurch allein ein in einem AGB- oder Formularvertrag enthaltenes Klauselwerk den Charakter einer inhaltlich ausgehandelten individuellen Vereinbarung erlangen könnte, wäre der Schutz, der dem Partner des Klauselverwenders durch die verstärkte richterliche Inhaltskontrolle gewährt werden soll, hinfällig, weil er durch die Gestaltung des Vertragstextes unterlaufen werden könnte (vgl. auch das zitierte Senatsurteil vom 20. Oktober 1976 zu dem vom Kunden besonders unterzeichneten Vermerk, bestimmte Bedingungen des Maklers seien mit ihm „besprochen und ausdrücklich anerkannt” worden). Aus demselben Grund kann es auch nicht generell anerkannt werden, daß der Verwender den ihm obliegenden Beweis schon durch eine solche besonders unterzeichnete Erklärung des Partners führen kann oder daß hierdurch eine Umkehr der Beweislast eintritt. Einer derartigen „Bestätigung” kann vielmehr nur der Wert eines Beweisanzeichens beigemessen werden, das im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt der gesamten Verhandlungen und dem Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu würdigen ist und dessen Stärke von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls – insbesondere der Person des bestätigenden Partners selbst (z.B.: Kaufmannseigenschaft) – abhängt.

d) Das angefochtene Urteil wird den vorstehend ausgeführten Grundsätzen nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat auf Grund der vom Beklagten zu 1 unterzeichneten „Bestätigung” zu Unrecht eine Beweislastumkehr angenommen. Der der Klägerin obliegende Beweis, daß die der Klageforderung zugrunde gelegte Vertragsbestimmung tatsächlich individuell ausgehandelt worden ist, steht noch aus. Hierfür hat die Klägerin bisher nicht einmal schlüssige Behauptungen aufgestellt. Daß der Beklagte zu 1 – wie die Klägerin vorgetragen hat – vor Unterzeichnung des Maklerauftrags anhand zahlreicher Beispiele darauf hingewiesen worden sei, wann und unter welchen Voraussetzungen er zur vollen Provisionszahlung an die Klägerin verpflichtet wäre, daß umfangreiche Erörterungen bezüglich des Auftragsinhalts stattgefunden hätten und der Beklagte zu 1 sich den Maklerauftrag vor Unterzeichnung eingehend durchgelesen habe (Klageschrift S. 3 und Berufungserwiderung S. 2 und 3 f), reicht nach dem oben Gesagten allein nicht aus. Die Klägerin hat ferner geltend gemacht, eine Abänderung der getroffenen Vereinbarungen sei möglich gewesen; der Beklagte zu 1 habe nämlich jederzeit versuchen können, daß erhebliche Passagen des Maklerauftrags gestrichen oder nach seinen Wünschen abgeändert würden (Berufungserwiderung S. 2). Auch dieser Vortrag genügt nicht, weil der vorgedruckte Text des Auftragsscheins, insbesondere die hier maßgebliche Klausel, weder geändert noch ergänzt worden ist und die Klägerin nicht behauptet hat, der Beklagte zu 1 sei sich der tatsächlich vorhandenen Abänderungsmöglichkeit bewußt gewesen. Schließlich kann auch die (unter Zeugenbeweis gestellte) pauschale Behauptung der Klägerin, der gesamte Auftragsinhalt sei – wie bestätigt – „tatsächlich … in allen Einzelheiten ausgehandelt worden” (Klageschrift S. 3, Berufungserwiderung S. 2 und 3 f), nicht als hinreichend substantiierte Darlegung des komplexen Rechtsbegriffs „Aushandeln von Vertragsbedingungen” anerkannt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß gerade dann strenge Anforderungen an diese Darlegungen zu stellen sind, wenn das gesamte Klauselwerk des Verwenders tatsächlich unverändert in den Vertrag einbezogen worden ist (vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum AGB-Gesetz a.a.O.).

e) Obwohl bisher ein schlüssiger Klagevortrag zur individuellen Vereinbarung der hier maßgeblichen Vertragsbestimmung fehlt, hat der Senat davon abgesehen, die Klage sogleich abzuweisen. Da die Richter der Vorinstanzen die Klageforderung (dem Grunde nach) als begründet erachtet haben, hatte die Klägerin bisher keinen Anlaß zu einem substantiierten Tatsachenvortrag in diesem Punkt. Auf Grund der vom Beklagten zu 1 unterzeichneten „Bestätigung” und der pauschalen Behauptung der Klägerin, die Bestätigung sei auch tatsächlich richtig, wäre der Tatrichter gemäß § 139 ZPO gehalten gewesen, der Klägerin mit Hilfe eines rechtlichen Hinweises gemäß den oben unter 2 c) ausgeführten Grundsätzen Gelegenheit zu geben, ihre Darlegungen zu vervollständigen. Um dies nachzuholen, ist die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geboten.

Für die neue Verhandlung vor dem Berufungsgericht erscheint dem Senat noch folgender Hinweis angezeigt: Bei der Würdigung etwaigen neuen Vorbringens der Klägerin zu der Frage, ob sie dem Beklagten zu 1 bei den Vertragsverhandlungen über die Erläuterungen des Auftragsformulars hinaus hinreichend deutlich zu erkennen gegeben hat, daß die vorgedruckten Bedingungen und insbesondere die hier maßgebliche Klausel dem freien Aushandeln beider Vertragspartner unterlagen und durchaus nicht unverrückbar feststanden, kann bedeutsam sein, daß sich der Beklagte zu 1 in dem Auftragsschein bei der Berufsangabe selbst als Kaufmann hat bezeichnen lassen.

II. Revision der Klägerin

Obwohl noch unsicher ist, ob die Vertragsbestimmung, auf welche die Klägerin ihren Anspruch stützt, individuell vereinbart oder unwirksam ist, steht jetzt schon fest, daß die Revision der Klägerin unbegründet ist. Dabei ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daß es sich um eine Individualabrede handelt.

1. Das Berufungsgericht hat die Zahlungszusage nach Buchstabe c des Auftragsscheins als das Versprechen einer Vertragsstrafe angesehen: Ein erfolgsunabhängiges Zahlungsversprechen sei ungeachtet jeder äußeren Bezeichnung mindestens als uneigentliches Strafgedinge nach § 343 Abs. 2 BGB dann zu betrachten, wenn es seinem wirtschaftlichen Gehalt nach darauf abziele, den Auftraggeber durch finanziellen Druck zur Vertragstreue anzuhalten. Diesem Zweck habe auch die vorliegende Zahlungszusage gedient, weil sie in Höhe der vollen Mindestprovision erteilt worden sei und kein vernünftiger Auftraggeber sich von vornherein einer so drückenden Pflicht unterworfen hätte, nur um dem Makler auch für den Fall des Nichterfolgs einen Schadensersatz über die Provisionshöhe selbst zu garantieren; die beklagten Eheleute hätten in erster Linie dazu gebracht werden sollen, sich gemäß den Auftragsbedingungen zu verhalten und das Grundstück nicht – wie geschehen – anderweitig zu veräußern. Der Strafcharakter der Vereinbarung habe also im Vordergrund gestanden.

2. Hiergegen wendet sich die Revision, welche die Zahlungszusage für ein erweitertes Provisionsversprechen hält, ohne Erfolg. Sie verkennt, daß die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung einer Individualvereinbarung im Revisionsrechtszug nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann. Die Auslegung ist rechtlich möglich (vgl. BGHZ 60, 377, 384; BGH NJW 1970, 1915 f), wenn auch eine andere Beurteilung nicht ausgeschlossen gewesen wäre und sogar näherliegen könnte (vgl. BGHZ 49, 84, 87; BGH WM 1970, 392, 394). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist aber anerkannt, daß der Sache nach eine Vertragsstrafenabrede vorliegt, wenn die Vereinbarung der Zahlung eines bestimmten Betrages für den Fall der Vertragsverletzung in erster Linie die Erfüllung des Vertrages selbst sichern und auf den Vertragsgegner einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, alle vertraglich übernommenen Pflichten einzuhalten (BGHZ 49, 84, 89; BGH NJW 1970, 29, 32; 1976, 1886, 1887). Dieser Zweck wurde nach der Ansicht des Berufungsgerichts, die es durch Auslegung eines Individualvertrages gewonnen hat, mit der Regelung in Buchstabe c des Alleinauftrages vornehmlich verfolgt. An diese rechtsfehlerfreie Würdigung ist das Revisionsgericht gebunden.

3. Ist aber in dieser Vertragsbestimmung ein Vertragsstrafenversprechen zu erblicken, so ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung der Strafe zulässig. Daß die im Ermessen des Berufungsgerichts liegende Herabsetzung von DM 8.991,– auf DM 6.000,– einen Rechtsverstoß enthielte, hat die Revision der Klägerin, welche die ursprüngliche Höhe nicht für unverhältnismäßig hoch hält, nicht dargetan. Die in Betracht kommenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht bei seiner Ermessensentscheidung in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen.

III. Die Entscheidung über die gesamten Kosten der Revisionsinstanz ist dem Berufungsgericht zu übertragen.

 

Unterschriften

Dr. Grell, Dr. Bukow, Knüfer, Dr. Hoegen, Dehner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1745818

NJW 1977, 624

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