Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Mai 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte unter I 2 der Entscheidungsformel zur Zahlung eines Betrages von mehr als 53.094,25 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Juli 1990 verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte vertrieb bundesweit die Produkte der Firma F. in K.. Die Klägerin war für ihn in den Jahren 1982 bis 1990 als Handelsvertreterin für den Bezirk B. tätig. Sie stellte ihre Tätigkeit nach einer fristlosen Kündigung des Beklagten im Februar 1990 ein. In einem Vorprozeß der Parteien ist rechtskräftig festgestellt worden, daß das Handelsvertreterverhältnis bis zum 30. Juni 1990 fortbestanden hat.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Erteilung eines Buchauszuges für die Monate März bis Juni 1990, restliche Provisionen in Höhe von insgesamt 146.205,32 DM und einen Handelsvertreterausgleich in Höhe von 588.204,48 DM, ferner Fälligkeits- und Verzugszinsen begehrt. Den Antrag auf Erteilung eines Buchauszuges hat sie in der Folgezeit für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen, Ansprüche der Klägerin in Abrede gestellt und hilfsweise mit einer Gegenforderung wegen überzahlter Provisionen in Höhe von 24.900,45 DM aufgerechnet.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben, hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszuges die Erledigung der Hauptsache festgestellt und den Beklagten zur Zahlung von 732.976,37 DM nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Zahlungsklage in Höhe von 535.834,53 DM nebst Zinsen abgewiesen und die Verurteilung des Beklagten auf den Betrag von 198.575,27 DM (44.341,26 DM Provision für die Monate März bis Juni 1990, 8.752,99 DM restliche Provision für Februar 1990, 145.481,02 DM Handelsvertreterausgleich) nebst 5 % Zinsen seit 1. Juli 1990 ermäßigt. Die Entscheidung über den weitergehenden Zinsanspruch hat es dem Schlußurteil vorbehalten.

Mit der Revision hat der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt, soweit der Klägerin für den Monat Februar 1990 mehr als 2.500,85 DM restliche Provision zuerkannt und der Klage auf Handelsvertreterausgleich stattgegeben worden ist. Der Senat hat die Revision nur hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Handelsvertreterausgleich angenommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB in Höhe von 145.481,02 DM zu. Sie habe ihre Umsätze zuletzt aus Geschäften mit rund 1.330 Kunden in dem ihr zur Alleinvertretung zugewiesenen Gebiet B. erzielt. Alle diese Kunden seien als Neukunden anzusehen, weil die Klägerin im Verlaufe ihrer Tätigkeit den in ihrem Bezirk erzielten Umsatz ganz erheblich – von rund 37.500 DM auf etwa 2,2 Mio. DM – gesteigert habe. Diese Umsatzsteigerung im Laufe von sieben Jahren rechtfertige es, den vorhandenen Kundenstamm als insgesamt neu geworben anzusehen. Ob die Klägerin diese Kunden selbst oder durch ihre Untervertreter geworben habe, mache keinen Unterschied.

Zur Begründung des Ausgleichsanspruchs habe die Klägerin eine Zusammenstellung von 511 Kunden (Anlage PR 5) vorgelegt. Es sei davon auszugehen, daß es sich auch bei diesen Kunden um neue Kunden handele.

Aus der Geschäftsbeziehung mit diesen Kunden habe der Beklagte nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin weiterhin Umsätze erzielt und damit erhebliche Vorteile erlangt. Mit der zum Nachweis von Mehrfachbestellungen vorgelegten Anlage PR 5 habe die Klägerin für den Zeitraum von Januar 1990 bis Mai 1991 einen ausgleichsfähigen Umsatz aus Mehrfachbestellungen in Höhe von 549.795,95 DM dargetan. Umgerechnet auf ein Jahr ergebe dies einen Umsatz von 388.091,25 DM. Von diesem Umsatz im ersten Vertragsfolgejahr sei für die weitere Berechnung des Ausgleichs auszugehen. Daraus errechne sich bei einem Provisionssatz von 10 %, einer Abwanderungsquote von jährlich 20 % und einem Prognosezeitraum von vier Jahren ein Provisionsverlust der Klägerin von insgesamt 162.299,77 DM. Für das erste Vertragsfolgejahr betrage der Provisionsverlust 10 % des zuvor ermittelten anrechenbaren Umsatzes von 549.795,95 DM, mithin 54.979,60 DM. Bei einer jährlichen Verminderung um 20 % belaufe sich der Provisionsverlust für das zweite Vertragsfolgejahr auf 43.983,68, für das dritte Vertragsfolgejahr auf 35.186,94 DM und für das vierte Vertragsfolgejahr auf 28.149,55 DM. Mit 7 % abgezinst ergebe dies einen Provisionsverlust von insgesamt 145.481,02 DM.

II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht bei der Berechnung der Provisionsverluste der Klägerin – offenbar versehentlich – von einem für das erste Vertragsfolgejahr zu erwartenden Umsatz von 549.795,95 DM ausgeht, obwohl dieser Betrag nach den zuvor getroffenen Feststellungen den Umsatz des 17 Monate umfassenden Zeitraums von Januar 1990 bis Mai 1991 darstellt und nach der eigenen Berechnung des Berufungsgerichts einem Jahresumsatz von (nur) 388.091,25 DM entspricht. Mit der von ihm gewählten Berechnungsmethode hätte das Berufungsgericht mithin bei einem Ausgangsbetrag von 38.809,12 DM (10 % von 388.091,25 DM) nur zu einem Ausgleichsbetrag von rund 102.600 DM gelangen können, weil der Ausgleichsbetrag nicht höher sein kann als die Provisionsverluste des Handelsvertreters.

2. Mit Erfolg rügt die Revision ferner, daß das Berufungsgericht der Ausgleichsberechnung bestrittene Umsatzangaben der Klägerin zugrunde gelegt hat, ohne hierüber Beweis erhoben zu haben. Das Berufungsgericht stützt seine Berechnung auf die von der Klägerin zum Nachweis von Mehrfachbestellungen vorgelegte Anlage PR 5. Deren Richtigkeit hat der Beklagte ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils im einzelnen bestritten. Streitigen Tatsachenvortrag darf der Tatrichter seiner Entscheidung nur zugrunde legen, wenn er sich durch Beweisaufnahme von der Richtigkeit desselben überzeugt hat.

3. Mit Recht beanstandet die Revision schließlich, daß das Berufungsgericht bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs Abwanderungsverluste schematisch mit einer Quote von jährlich 20 % und einen Prognosezeitraum von vier Jahren angesetzt hat, obgleich der Beklagte detailliert und unter Beweisantritt vorgetragen hatte, daß der Umsatz mit von der Klägerin geworbenen Mehrfachkunden schon im ersten Vertragsfolgejahr auf die Hälfte zurückgegangen sei, weil die Klägerin die Kunden nach Vertragsbeendigung mit Konkurrenzprodukten beworben habe. Die tatsächliche Entwicklung der Verhältnisse während des Prognosezeitraums ist zwar nach der neueren Rechtsprechung des Senats nur insoweit zu berücksichtigen, als sie bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses bereits abzusehen war (Urteil vom 6. August 1997 - VIII ZR 92/96, WM 1998, 25 unter B I 3 a). Ob dies, wie die Revision meint, hier schon deswegen anzunehmen ist, weil die Klägerin keinem nachvertraglichen Konkurrenzverbot unterlag, bedarf keiner Entscheidung. Das Berufungsgericht hätte sich mit der nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit der Klägerin und mit deren Auswirkungen auf die Kundentreue der von ihr geworbenen Kunden des Beklagten jedenfalls deswegen befassen müssen, weil die Klägerin ihre Tätigkeit für den Beklagten bereits Mitte Februar 1990 – mehr als vier Monate vor Vertragsende – eingestellt hatte und nach dem Vorbringen des Beklagten im Anschluß an die Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Konkurrenzunternehmen gegründet und für dieses denselben Kundenkreis mit der gleichen Produktpalette weiterbeworben hat, so daß der Umsatz des Beklagten mit den von der Klägerin geworbenen Kunden schon im Jahre 1990 um rund die Hälfte zurückgegangen ist. Unter solchen Umständen erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, daß bereits im Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses der Parteien mit einer verstärkten Abwanderung der von der Klägerin geworbenen Mehrfachkunden des Beklagten zu rechnen war.

III. Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht der Klägerin Handelsvertreterausgleich zuerkannt hat. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Damit diese nachgeholt werden können, ist die Sache im Umfang der Annahme der Revision unter Aufhebung des Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Dr. Leimert

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 15.09.1999 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 541351

NJW-RR 2000, 109

EWiR 2000, 237

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