Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Mitverpflichtung eines Ehegatten durch den anderen in Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens gem. § 11 FGB/DDR

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Mitverpflichtung eines Ehegatten durch den anderen in Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens gem. § 11 FGB (hier: Abschluss eines Nutzungsvertrages über ein Grundstück zu Erholungszwecken in der damaligen DDR).

b) Die einseitige Erhöhungserklärung gem. § 6 Nutzungsentgeltverordnung hat rechtsgestaltende Wirkung dahin, dass sich die Höhe der Zahlungsverpflichtung ohne Zustimmung des Nutzers ändert.

c) Stehen auf Seiten des Nutzers mehrere Personen, so muss die Erhöhungserklärung allen Nutzern zugehen. Dabei ist auf der Nutzerseite Stellvertretung zugelassen. Die Erklärung muss aber an alle Nutzer gerichtet sein.

 

Normenkette

DDR-FGB § 11; NutzEV § 6

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 03.09.2002; Aktenzeichen 6 S 21/01)

AG Zossen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Potsdam v. 3.9.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Nutzungsentgelterhöhung für ein Grundstück im Beitrittsgebiet in Anspruch.

Die Klägerin wurde durch Erbfolge Eigentümerin eines Grundstücks im Beitrittsgebiet mit einer Gesamtfläche von 11.183 m2. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte noch zu Zeiten der DDR über zwei nicht miteinander verbundene Teilflächen des Grundstücks (von insgesamt 1.238 m2 (nicht: 1.938 m2)) einen Pachtvertrag/Vertrag über die Nutzung von Bodenflächen zur Erholung v. 1.7.1982/12.12.1982 geschlossen, den (lediglich) der Beklagte unterzeichnete. Als Pächter/Nutzer wurden der Beklagte sowie seine Ehefrau Marga W. und die gemeinsame Tochter Steffi W. aufgeführt. Die Grundstücksflächen wurden zum Zwecke der Erholung und Freizeitgestaltung überlassen, der Ertrag des Grundstücks sollte den Nutzern zustehen. Das Nutzungsentgelt betrug jährlich 240 Mark/DDR. Die Ehe des Beklagten mit Frau Marga W. wurde 1995 geschieden. Im November 1998 erhöhte die Klägerin das Nutzungsentgelt auf 2,20 DM/m2 jährlich. Gestützt auf ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten zum ortsüblichen Entgelt verlangte die Klägerin mit Schreiben v. 20.8.1999, das an den Beklagten gerichtet war, ab November 1999 eine weitere Erhöhung des Nutzungsentgelts auf 2,60 DM/m2, was einem Betrag v. 3.218,80 DM jährlich entspricht. Der Beklagte hat einen Betrag von 1.744,80 DM jährlich anerkannt, im Übrigen dem Erhöhungsverlangen der Klägerin aber widersprochen. Von der geschiedenen Ehefrau und der Tochter des Beklagten hatte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine Erhöhung des Nutzungsentgeltes verlangt. Mit ihrer Klage hat die Klägerin für den Zeitraum November 1999 bis einschließlich August 2000 rückständiges Nutzungsentgelt i.H.v. insgesamt 2.207,10 DM verlangt.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das Berufungsgericht hat im Tenor die Revision uneingeschränkt zugelassen und in der Begründung ausgeführt, die Revision werde im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Anwendung des § 11 FGB und der Frage, ob unter dem Gesichtspunkt von treuem Glauben von dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses bei mehreren Mietern abgewichen werden könne, zugelassen. Eine - unzulässige - Beschränkung der Revision (vgl. BGH, Urt. v. 6.2.1991 - XII ZR 56/90, FamRZ 1991, 931 ff.) ist darin nicht zu sehen.

2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Erhöhungserklärung der Klägerin nicht jedem Nutzer zugegangen sei. Denn Vertragspartnerin des Nutzungsvertrages nach §§ 312 ff. ZGB sei gem. §§ 11 FGB, 100 Abs. 3 ZGB analog neben dem Beklagten jedenfalls seine damalige Ehefrau geworden. Ein Ausscheiden der Ehefrau des Beklagten aus diesem Vertragsverhältnis sei nicht ersichtlich. Dem Beklagten sei es wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses auch nicht nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Erhöhungserklärung zu berufen.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

3. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass neben dem Beklagten, der allein den Vertrag unterschrieben hat, jedenfalls auch seine damalige Ehefrau Vertragspartnerin des Nutzungsvertrages nach §§ 312 ff. ZGB geworden ist. Es kann im Übrigen dahinstehen, ob darüber hinaus noch die damals minderjährige Tochter des Beklagten nach §§ 43, 45 FGB i.V.m. §§ 53 ff. ZGB Vertragspartnerin des Nutzungsvertrages wurde.

Die Frage, wer auf Nutzerseite Vertragspartner geworden ist, beurteilt sich - unabhängig von der späteren Einordnung des Vertrages zufolge der Wiedervereinigung - ausschließlich nach dem Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik - ZGB - v. 19.6.1975 (GBl. DDR I Nr. 27, 465) i.V.m. dem Familiengesetzbuch der DDR - FGB - v. 20.12.1965 (GBl. DDR I 1966, 1 i.d.F. des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19.6.1975, GBl. DDR I, 517).

Nach § 11 FGB war jeder Ehegatte berechtigt, den anderen in Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens zu vertreten; aus Rechtsgeschäften, die in diesem Rahmen abgeschlossen wurden, konnte jeder Ehegatte in Anspruch genommen werden. Streng genommen handelte es sich bei dieser Bestimmung nicht nur um eine Vertretungsregelung, Vertreter und Vertretene wurden vielmehr gleichermaßen berechtigt und verpflichtet. Das Eintreten der rechtlichen Wirkungen des § 11 FGB hing ausschließlich von der Zweckbestimmung des Rechtsgeschäfts ab, also davon, ob eine Angelegenheit des gemeinsamen Lebens damit erledigt wurde oder nicht. Lag eine Angelegenheit des gemeinsamen Lebens vor, traten die Rechtsfolgen des § 11 FGB selbst dann ein, wenn der das Rechtsgeschäft besorgende Ehepartner nicht zu erkennen gab, dass er den anderen vertreten wollte oder der vertretene Ehegatte vom rechtsgeschäftlichen Handeln seines Partners keine Kenntnis hatte oder es nicht billigte. Die Ehegatten konnten zwar die im Gesetz vorgesehene Wirkung im Einzelfall ausschließen, dies musste aber durch ausdrückliche Erklärung erfolgen oder für Dritte aus den Umständen des Vertragsschlusses offenbar werden (vgl. etwa Kommentar zum Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, Autorenkollektiv, 5. Aufl. 1982, § 11; Lehrbuch Familienrecht, Autorenkollektiv, 3. Aufl. 1976, 1981, S 103 ff.; Das Familienrecht der DDR, Verfasserkollektiv, 4. Aufl., 1972 § 11). Zu den Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens zählte dabei auch der Abschluss - nicht aber die Kündigung - von Miet- und Nutzungsverträgen (Kommentar zum Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, Autorenkollektiv, 5. Aufl. 1982, § 11, Ziff. 1.2, § 15 Ziff. 2.1), auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichts (OG, Urt. v. 28.6.1983 - 3 OFK 21/83, NJ 1983, 421 [422]). Die Rechtsprechung ging sogar darüber hinaus davon aus, dass analog § 100 Abs. 3 S. 1 ZGB mit der Eheschließung jeder Ehegatte Partner eines Nutzungsvertrages wurde, den ein Ehegatte vor Eheschließung über eine Bodenfläche zur kleingärtnerischen Nutzung, Erholung und Freizeitgestaltung abgeschlossen hatte (OG, Urt. v. 22.11.1983 - 3 OFK 39/83, NJ 1984, 162 [163]). § 11 FGB schloss nicht aus, dass beide Ehepartner im Vertrag als Vertragspartner bezeichnet wurden, ebenso wenig, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung nach §§ 53 ff. ZGB im Verhältnis der Ehegatten untereinander stattfand.

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht zweifelhaft sein, dass vorliegend die Ehefrau des Beklagten ebenfalls Vertragspartnerin des Nutzungsvertrages wurde, wobei im Ergebnis dahinstehen kann, ob eine rechtsgeschäftliche Vertretung nach §§ 53 ff. ZGB durch den Beklagten erfolgte, oder § 11 FGB zur Anwendung kam.

4. Der Auffassung der Revision, nach der Scheidung sei die Ehefrau des Beklagten aus dem Pachtvertrag ausgeschieden, kann nicht gefolgt werden. Dazu hätte es nämlich des Einverständnisses der Klägerin bedurft. Ob eine Einigung der Eheleute, dass der Beklagte nach der Scheidung den Vertrag allein fortführen solle, gem. § 34 FGB zu einem Ausscheiden seiner geschiedenen Ehefrau aus dem Pachtvertrag hätte führen können, kann dahingestellt bleiben. Die Ehe der Parteien wurde 1995 geschieden. § 34 FGB war nach den Überleitungsregelungen in Art. 234 EGBGB zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar.

5. Zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass der geschiedenen Ehefrau des Beklagten keine Erhöhungserklärung der Klägerin zugegangen ist, obwohl bei Nutzungsverträgen nach §§ 312 ff. ZGB, die über § 6 Abs. 1 Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG; Art. 1 des Schuldrechtsänderungsgesetzes v. 29.9.1994, BGBl. I, 2537, in Kraft getreten am 1.1.1995) nunmehr den Regelungen des BGB über Miete und Pacht unterfallen, eine Erhöhungserklärung allen Vertragspartnern auf Nutzerseite zugehen muss.

Bei einem Nutzungsvertrag nach §§ 312 ff. ZGB können die Beteiligten eine Nutzungsentgelterhöhung entweder durch Änderungsabrede der Vertragsparteien (§ 311 Abs. 1 BGB [§ 305 BGB a.F.]; dabei Stellvertretung bei mehreren Personen auf Nutzerseite nach § 164 Abs. 3 BGB zulässig) oder durch eine einseitige Erklärung über die Entgelterhöhung nach der Verordnung über eine angemessene Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV v. 22.7.1993 (BGBl. I, 1339), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Nutzungsentgeltverordnung v. 24.7.1997 (BGBl. I, 1920) herbeiführen. Nach § 6 NutzEV kann das Nutzungsentgelt durch eine einseitige Erhöhungserklärung des Überlassers erhöht werden. Der Zugang der wirksamen Erhöhungserklärung hat dabei materielle Wirkung, die Erhöhungserklärung wirkt sich rechtsgestaltend auf den Nutzungsvertrag aus. Durch ihren Zugang ändert sich die Höhe der Zahlungsverpflichtung des Nutzers nach § 6 Abs. 2 NutzEV ab dem Beginn des Dritten auf die Erklärung folgenden Monats. Anders als etwa beim MHG ist eine Zustimmung des Nutzers nicht erforderlich (vgl. Thiele-Krajewski, SchuldRÄndG, § 6 NutzEV Rz. 1, Rz. 2; Kiethe-Schilling, SchuldRAnpG, § 6 NutzEV Rz. 1, 2). Stehen auf Seiten des Nutzers mehrere Personen, so muss die Erhöhungserklärung allen Nutzern zugehen. Dabei ist auch auf der Nutzerseite Stellvertretung nach § 164 Abs. 3 BGB zulässig, die Erklärung muss aber an alle Nutzer gerichtet sein (Thiele-Krajewski, SchuldRÄndG, § 6 NutzEV Rz. 9, 13; Kiethe-Schilling, SchuldRAnpG, § 6 NutzEV Rz. 5; Oetker, DtZ 1993, 325 [329 f.]).

Eine Änderungsvereinbarung nach § 305 BGB a.F. kam auf Grund der Erhöhungserklärung der Klägerin v. 20.8.1999 schon deswegen nicht zu Stande, da auch der Beklagte (über den anerkannten Betrag hinaus) der Erhöhung nicht zugestimmt hat. Eine Erhöhungserklärung gem. § 6 NutzEV ist der geschiedenen Ehefrau des Beklagten persönlich nicht zugegangen. Im Übrigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Schreiben der Klägerin v. 20.8.1999 über den Beklagten als Empfangsvertreter (§ 164 Abs. 3 BGB) zugleich seiner geschiedenen Ehefrau zugegangen ist. Zwar verlangt § 6 NutzEV bei mehreren Nutzern nicht, dass zwingend gleich lautende, aber separate Erklärungen in getrennten Schriftstücken ggü. den einzelnen Nutzern abgegeben werden. Die Erklärungen können durchaus in einem Schriftstück enthalten sein. Jedoch müssen Erklärungen gegenüber allen Nutzern vorliegen. Daran fehlt es vorliegend jedenfalls ggü. der Ehefrau, die in der Erklärung der Klägerin v. 20.8.1999 überhaupt nicht angesprochen oder auch nur erwähnt wird. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie die Erklärung auch ggü. der Ehefrau habe abgeben wollen, sie ging nach ihrem eigenen Vorbringen vielmehr davon aus, dass der Beklagte ihr (Einziger) Vertragspartner war.

6. Die Revision macht insoweit geltend, der Beklagte habe sich in der Vergangenheit selbst als einziger Vertragspartner der Klägerin gesehen, so dass es ihm nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt sei, sich auf die Unwirksamkeit des Erhöhungsverlangens zu berufen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Voraussetzungen für eine wirksame Erhöhungserklärung nach § 6 NutzEV ergeben sich ausschließlich aus der Nutzungsentgeltverordnung. Ein Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Wirkungen einer einseitigen Entgelterhöhungserklärung nach § 6 NutzEV auch dann eintreten, wenn die Voraussetzungen des § 6 NutzEV gar nicht gegeben sind, kommt von vorneherein nicht in Betracht. Im Übrigen war aus dem Pacht-/Nutzungsvertrag für die Klägerin ohne weiteres ersichtlich, dass auf Nutzerseite mehrere Parteien aufgeführt waren. Die Klägerin konnte danach zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass der Beklagte ihr alleiniger Vertragspartner sei. Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Zulassungsfrage kommt es damit im Ergebnis nicht an.

Entgegen der Auffassung der Revision kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, der Beklagte habe sich im vorliegenden Verfahren erst dann auf die Unwirksamkeit der Erhöhungserklärung berufen, als durch das vom AG erhobene Gutachten feststand, dass das ortsübliche Nutzungsentgelt noch über dem von der Klägerin verlangten Betrag liegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1394880

BGHR 2005, 1372

DWW 2005, 346

FamRZ 2005, 1453

NJW-RR 2005, 1258

MDR 2005, 1411

NJ 2006, 30

WuM 2005, 515

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