Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 25.11.1994)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. November 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, mehr als 18.918,98 DM nebst 4 % Zinsen auf 14.253,07 DM seit dem 1. Januar 1989 und auf 4.665,91 DM seit dem 12. Februar 1991 zu zahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien waren miteinander verheiratet. Seit April 1984 lebten sie getrennt. Im August 1988 wurde ihre Ehe geschieden. Sie haben zwei im August 1979 und im Mai 1983 geborene Kinder, die bei der Beklagten leben.

Der Kläger hat von der Beklagten gemäß § 426 BGB Ausgleich dafür verlangt, daß er nach der Trennung der Parteien ein gemeinschaftliches Darlehen des Vaters der Beklagten allein zurückgezahlt, gemeinschaftliche Verbindlichkeiten gegenüber der H. Sparkasse allein getilgt und Kosten im Zusammenhang mit dem Verkauf des früheren gemeinschaftlichen Grundbesitzes getragen habe. Er hat insoweit Ansprüche in Höhe von insgesamt 37.177,23 DM (19.890,50 DM + 10.700 DM + 1.586,73 DM) nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat eine sie treffende Ausgleichsverpflichtung hinsichtlich des Darlehens in Abrede gestellt. Hilfsweise hat sie gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt mit Ansprüchen auf Trennungsunterhalt und – vorsorglich – auf nachehelichen Unterhalt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß der Kläger allein Schuldner des streitigen Darlehens gewesen sei, so daß er mit der Tilgung eine eigene Schuld beglichen habe. Soweit ihm die übrigen Forderungen gegenüber der Beklagten an sich zuständen, könne diese von ihm aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses einen Erlösanteil fordern, der die Ausgleichsforderung des Klägers übersteige.

Mit der Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger sein Klagebegehren weiter verfolgt. Die Beklagte hat gegenüber der Klageforderung erneut hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Trennungsunterhalt, und zwar für die Zeit von Juni 1984 bis August 1988 in Höhe eines Teilbetrages von monatlich 600 DM, d.h. für 50 Monate insgesamt 30.000 DM, erklärt und weiterhin hilfsweise die Aufrechnung mit Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab 1. Dezember 1990 bis einschließlich Oktober 1991.

Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 27.405,98 DM nebst gestaffelten Zinsen verurteilt. Es hat den von dem Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruch sowohl hinsichtlich des streitigen Darlehens (in Höhe von 19.890,50 DM) als auch hinsichtlich des gemeinsamen Kontos (allerdings nur in Höhe von 5.658,75 DM) als auch hinsichtlich der Kosten im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf (in Höhe von 1.586,73 DM) als begründet angesehen. Gegenansprüche der Beklagten hat das Oberlandesgericht verneint. Dabei hat es einen durchsetzbaren Anspruch auf rückständigen Trennungsunterhalt daran scheitern lassen, daß die Beklagte den Kläger nicht in Verzug gesetzt habe. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt hat das Oberlandesgericht für nicht ausreichend substantiiert gehalten.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils begehrt, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Der Senat hat die Revision angenommen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, mehr als 18.918,98 DM (27.135,98 DM abzüglich 8.217 DM) nebst 4 % Zinsen auf 14.253,07 DM seit dem 1. Januar 1989 und auf 4.665,91 DM seit dem 12. Februar 1991 an den Kläger zu zahlen. Im übrigen ist die Annahme der Revision abgelehnt worden.

 

Entscheidungsgründe

Soweit die Beklagte den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 747 DM für die Zeit vom 1. Dezember 1990 bis einschließlich Oktober 1991 (insgesamt 8.217 DM) verfolgt, führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Dieses hat hierzu ausgeführt: Die Beklagte habe erstmals mit Anwaltsschreiben vom 15. November 1990 nachehelichen Unterhalt verlangt, ihre Unterhaltsforderung dabei auf monatlich 500 DM beziffert und behauptet, keine eigenen Einkünfte zu erzielen. Da sie jedoch nach unbestrittenem Vortrag des Klägers vor der Trennung der Parteien berufstätig gewesen sei, habe sie zumindest Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe gehabt. Nach dem weiteren Vortrag des Klägers sei die Beklagte jedenfalls seit 1991 beim Straßenverkehrsamt des Landkreises N. beschäftigt gewesen; denn sie habe von diesem Zeitpunkt an die kindbezogenen Anteile des Ortszuschlages erhalten. Dies sei bis zur Berufungsverhandlung unbestritten geblieben, was bedeute, daß die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Unterhaltsanspruchs nicht rechtzeitig vorgetragen habe. Erstmals mit einem nach der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1994 eingegangenen Schriftsatz vom 7. November 1994 habe sie ihre Einkommensverhältnisse für die Zeit von August 1987 bis Ende Oktober 1991 substantiiert und anhand von Belegen der Landesversicherungsanstalt und des Arbeitsamts C. (allerdings mit zeitlichen Lücken) dargelegt. Dieser Vortrag könne jedoch gemäß §§ 523, 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Der Schriftsatz vom 7. November 1994 gebe auch keine Veranlassung zu einem erneuten Eintritt in die mündliche Verhandlung, um eine eventuelle Unterhaltsforderung der Beklagten zu klären. Denn der Rechtsstreit sei im übrigen entscheidungsreif. Zudem seien streitige Unterhaltsforderungen zweckmäßigerweise durch das Familiengericht zu klären. Schließlich habe die Beklagte Unterlagen über ihre Einkünfte nur bis Oktober 1991 vorgelegt, während andererseits die Vorschriften des § 1585 b Abs. 2 und Abs. 3 BGB zu beachten seien sowie der Umstand, daß durch eine hilfsweise erklärte Aufrechnung die Rechtshängigkeit der aufgerechneten Forderung nicht bewirkt werde.

2. Diese Ausführungen greift die Revision zu Recht an.

a) Die Aufrechnung mit einem Unterhaltsanspruch gegen eine nicht familienrechtliche Forderung ist, wie das Berufungsgericht nicht verkennt, grundsätzlich zulässig (vgl.

§ 394 BGB). Dementsprechend unterliegt es auch keinen rechtlichen Bedenken, die Aufrechnung mit einem Unterhaltsanspruch in einer Nichtfamiliensache vor einem allgemeinen Zivilgericht zu erklären (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1988 – IVb ZR 70/87 = FamRZ 1989, 166, 167).

b) Zu den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt, die das Berufungsgericht für nicht hinreichend dargetan hält, gehört zunächst die Darlegung einer Anspruchsgrundlage. Diese ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – mit den Angaben in dem in das Verfahren eingeführten und vom Berufungsgericht selbst herangezogenen Anwaltsschreiben vom 15. November 1990 hinreichend vorgetragen. Denn darin ist ausgeführt, die Beklagte habe „nach wie vor keinerlei eigene Einkünfte”; sie sei – im Hinblick auf das Alter der Kinder – auch nicht verpflichtet, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Hiermit ist sowohl die Unterhaltsbedürftigkeit der Beklagten (vgl. § 1577 Abs. 1 BGB) als auch ein ihr Unterhaltsbegehren rechtfertigender Tatbestand, nämlich der der Kindesbetreuung i.S. von § 1570 BGB, dargetan. Die Töchter der Parteien waren Anfang 1991 11 1/2 und 7 Jahre alt; bei diesem Alter zweier zu betreuender Kinder traf die Beklagte noch keine Erwerbsobliegenheit. Das galt zwar in verstärktem Maße bereits für den Zeitpunkt der Scheidung im August 1988. Damals scheiterte ein Unterhaltsanspruch der Beklagten jedoch an der Leistungsunfähigkeit des Klägers (vgl. § 1581 BGB), die bis zum Wegfall der finanziellen Belastungen durch die Rückführung des mehrfach erwähnten Darlehens (S.) andauerte.

c) Die Regelung des § 1585 b Abs. 2 und Abs. 3 BGB steht der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs – entgegen den in dem angefochtenen Urteil angedeuteten Bedenken des Berufungsgerichts – nicht entgegen.

Nach § 1585 b Abs. 2 BGB setzt die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs für die Vergangenheit Verzug des Unterhaltsverpflichteten voraus. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Beklagte hat den Kläger zunächst mit dem bereits erwähnten Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 15. November 1990 für die Zeit ab 1. Dezember 1990 wirksam in Verzug gesetzt, und sie hat die Mahnung mit dem späteren Anwaltsschreiben vom 12. Dezember 1990 – nach näherer Berechnung des geltend gemachten Unterhaltsbetrages – in Höhe von monatlich 747 DM nochmals wiederholt.

Gemäß § 1585 b Abs. 3 BGB kann für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit Erfüllung des Unterhaltsanspruchs nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, daß sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat. Die hierin liegende Zeitschranke schließt die von der Beklagten erhobenen Ansprüche nicht aus, da die Beklagte, als sie mit diesen Ansprüchen in den Schriftsätzen vom 18. Februar und 19. März 1991 die Aufrechnung erklärt hat, an rückständigen Beträgen nur solche für die Zeit ab Dezember 1990 und damit für die letzten drei Monate (Dezember 1990 bis einschließlich Februar 1991) geltend gemacht hat.

d) Die Aufrechnungserklärung hat bewirkt, daß die Ausgleichsforderung des Klägers einerseits und die Unterhaltsansprüche der Beklagten andererseits, soweit sie sich der Höhe nach deckten, rückwirkend ab Dezember 1990 jeweils als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in dem sie sich – monatlich – aufrechenbar gegenüberstanden (§ 389 BGB). Der Umfang der dem Kläger gegebenenfalls noch zustehenden Ausgleichsforderung bestimmt sich demgemäß danach, in welcher Höhe die Beklagte für die Zeit von Dezember 1990 bis einschießlich Oktober 1991 Anspruch auf nachehelichen Unterhalt hatte.

e) aa) Hierzu rügt die Revision zu Recht, daß das Oberlandesgericht den Vortrag der Beklagten, insbesondere in ihrem mit Schriftsatz vom 19. März 1991 zu den Akten gereichten Schreiben vom 12. Dezember 1990, nicht berücksichtigt und die darauf beruhenden Aufrechnungserklärungen übergangen habe.

In dem Anwaltsschreiben vom 12. Dezember 1990 hat die Beklagte auf der Grundlage eines (nach einer vorgelegten Jahresverdienstbescheinigung des Klägers) angenommenen Nettoverdienstes des Klägers von monatlich 3.448,97 DM, der um den Kindesunterhalt von monatlich 805 DM zu bereinigen sei, ein anrechnungsfähiges Einkommen von 2.643,97 DM angesetzt, dem die von ihr bezogene Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 208 DM = monatlich 901 DM gegenüberstehe; aus der sich zwischen diesen Einkünften ergebenden Differenz von (2.643,97 DM – 901 DM =) 1.742,97 DM hat die Beklagte unter Ansatz einer 3/7-Quote einen ihr zustehenden Unterhaltsbetrag von monatlich 747 DM ermittelt.

Zur Richtigkeit und Maßgeblichkeit dieser von der Beklagten angegebenen Beträge enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen und Ausführungen. Ebenso läßt es eine Auseinandersetzung mit den – von der Revision als übergangen gerügten – Jahresabrechnungen des Klägers vermissen, die dieser mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1994, unter Geltendmachung einer Reihe von Abzügen (betreffend Schuldentilgung, Kindesunterhalt, Krankenkasse und berufsbedingt erforderliche Monatskarte) zu den Akten gereicht hat.

bb) Unterhalt in Höhe einer Quote der Differenz zwischen den beiderseitigen anrechnungsfähigen Einkünften, wie ihn die Revision unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 1990 im Wege der Aufrechnung geltend macht, steht der Beklagten dann zu, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien im Sinne von § 1578 BGB durch Einkünfte beider Eheleute bestimmt wurden. War die Ehe der Parteien hingegen eine Alleinverdienerehe, in der die ehelichen Lebensverhältnisse durch das Einkommen nur des Klägers geprägt wurden, dann bestimmt sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Beklagten nach Maßgabe der sogenannten Anrechnungsmethode.

Auch hierzu enthält das Berufungsurteil keine näheren Feststellungen außer der Angabe, die Beklagte sei nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers vor der Trennung der Parteien berufstätig gewesen, und außer dem weiteren Hinweis, daß die Beklagte in dem maßgeblichen Zeitraum von Dezember 1990 bis einschließlich Oktober 1991 Arbeitslosenhilfe bezog.

Die Arbeitslosenhilfe hat (ebenso wie das Arbeitslosengeld, vgl. BSG Urteil vom 26. Juni 1986 – 7 RAr 44/84 = FamRZ 1987, 274; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 5. Aufl. Rdn. 470) Lohnersatzfunktion (Senatsurteil vom 25. Februar 1987 – IVb ZR 36/86 = FamRZ 1987, 456, 458 m.N.). Ihr Bezug setzt voraus, daß die Beklagte zuvor während einer gewissen Dauer in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden (§ 134 AFG), also Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit bezogen hat. Dem entspricht der Vortrag des Klägers, daß die Beklagte vor der Trennung der Parteien berufstätig gewesen sei. Für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse i.S. von § 1578 BGB kommt es allerdings nicht maßgeblich auf die Umstände im Zeitpunkt der Trennung, im April 1984, sondern in dem der Scheidung im August 1988 an. Ob die Beklagte zu diesem Zeitpunkt einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist oder ggf. auch damals als Lohnersatz Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen hat, ist in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Entsprechender Feststellungen bedarf es aber für die Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse. Denn diese können gegebenenfalls durch Einkünfte der Beklagten neben denen des Klägers – mit – geprägt worden sein. Unter Umständen wurden sie auch durch Lohnersatzbeträge – mit – bestimmt, je nachdem in welchen Zeiträumen und in welcher zeitlichen Abfolge die Beklagte bis zum August 1988 nachhaltig Einkünfte aus eigener Erwerbstätigkeit erzielte oder als Ersatz für frühere Erwerbseinkünfte Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezog, weil sie arbeitslos war und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (und die Voraussetzungen im übrigen erfüllte).

cc) Das Berufungsgericht hat die Angaben, die die Beklagte hierzu mit dem nach der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1994 eingegangenen Schriftsatz vom 7. November 1994 vorgetragen hat, als verspätet zurückgewiesen und sie nicht zum Anlaß genommen, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Dieses Verfahren wird von der Revision zu Recht beanstandet.

Zwar sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, zu denen u.a. Tatsachenbehauptungen und der Vortrag von Beweismitteln gehören (vgl. Zöller/Greger ZPO 19. Aufl. § 282 Rdn. 2), gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, wenn sie nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden, also nicht Gegenstand der Verhandlung waren. § 296 a Satz 2 ZPO sieht jedoch ausdrücklich vor, daß die Vorschriften der §§ 156 und 283 ZPO hiervon unberührt bleiben.

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) abgelehnt hat, vermag die angefochtene Entscheidung unter den hier gegebenen Umständen nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte hatte auf eine gerichtliche Verfügung vom 19. August 1994 hin innerhalb gewährter Frist mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1994 vorgetragen, sie habe bis Ende 1991 mit ihren zwei Kindern von der ihr gewährten Arbeitslosenhilfe und dem Kindesunterhalt gelebt, bis sie Ende 1991 eine Tätigkeit als Halbtagskraft beim Landkreis N. aufgenommen habe; die daraus erzielten Einkünfte seien aus den zu ihrem Prozeßkostenhilfegesuch eingereichten Anlagen ersichtlich. Damit hatte sie auf bereits bei den Gerichtsakten befindliche Unterlagen verwiesen. Mit dem Schriftsatz vom 7. November 1994 überreichte sie sodann „im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 4. November 1994, wie zugesagt” Belege über ihren Versicherungsverlauf bei der Landesversicherungsanstalt, Leistungsnachweise des Arbeitsamts und die letzte Verdienstbescheinigung des Landkreises N.. Dabei bezog sie sich erkennbar auf eine Erörterung, die in der mündlichen Verhandlung stattgefunden hatte („wie zugesagt”), und nahm diese zum Anlaß, die erwähnten weiteren Unterlagen vorzulegen. Aus den Unterlagen, und zwar einem Bescheid des Arbeitsamts Celle vom 2. November 1988, ergab sich, daß die Beklagte im Zeitpunkt der Scheidung im August 1988 seit dem 25. April 1988 bis zum 22. Oktober 1988 Arbeitslosengeld erhalten hatte. Diese Tatsache ließ auf eine früher ausgeübte Erwerbstätigkeit der Beklagten schließen und gab Veranlassung, die Dauer und den Umfang jener Tätigkeit im Hinblick auf § 1578 BGB zu klären.

Soweit das Berufungsgericht statt dessen darauf abgehoben hat, daß streitige Unterhaltsforderungen zweckmäßigerweise durch das Familiengericht zu klären seien und die Beklagte zudem Unterlagen über ihre Einkünfte nur bis Oktober 1991 vorgelegt habe, beruht die hierauf gegründete Ablehnung einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf rechtsfehlerhaften Erwägungen (vgl. dazu BGH Urteil vom 17. November 1978 – V ZR 16/77 – WM 1979, 587, 588; auch BGH Urteile vom 31. Mai 1988 – VI ZR 261/87 – und vom 7. Oktober 1992 – VIII ZR 199/91 = BGHR ZPO § 156 Ermessen 1 und 2). Die streitige Unterhaltsforderung war bereits in der ersten Instanz als Folge der erklärten Aufrechnung Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und konnte nicht – aus „Zweckmäßigkeitsgründen” – in ein familiengerichtliches Verfahren verwiesen werden. Angaben über die Einkünfte, die die Beklagte nach Oktober 1991 erzielt hat, waren für die zu treffende Entscheidung unerheblich. Denn die Beklagte hat die Aufrechnung mit den Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt ausdrücklich auf den Unterhalt für den Zeitraum von Dezember 1990 bis einschließlich Oktober 1991 beschränkt.

Da das Berufungsgericht hiernach die Voraussetzungen und die Berechtigung der von der Beklagten erklärten Aufrechnung verfahrensfehlerhaft nicht geprüft hat, kann das angefochtene Urteil im Umfang der zur Aufrechnung gestellten Forderung von bis zu (11 × 747 DM) 8.217 DM nicht bestehen bleiben. Die Sache ist vielmehr zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dieses wird dabei auch der Frage nachzugehen haben, ob die der Beklagten gewährte Arbeitslosenhilfe als ihre Bedürftigkeit minderndes Einkommen zu gelten hat, was voraussetzt, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger (in Höhe der gewährten Arbeitslosenhilfe) nicht auf das Arbeitsamt übergeleitet worden ist und nicht mehr übergeleitet werden kann (vgl. Göppinger/Strohal, Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 496; Kalthoener/Büttner a.a.O. Rdn. 471, 472; Senatsurteil vom 25. Februar 1987 a.a.O.). Zur Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs gibt die neue Verhandlung Gelegenheit zu prüfen, ob der Beklagten für Dezember 1990 ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 747 DM oder u.U. nur von 500 DM zusteht (vgl. dazu Senatsurteil vom 30. November 1983 – IVb ZR 31/82 = FamRZ 1984, 163 f).

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Sprick, Weber-Monecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1530798

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