Leitsatz (amtlich)

Auf den Verzögerungsschaden wegen verspäteter Fertigstellung einer Eigentumswohnung sind die Vorteile anzurechnen, die der geschädigte Käufer aus ersparten Zinsaufwendungen für die Kaufpreisfinanzierung und aus einer Steuerersparnis durch die erst mit Bezugsfertigkeit eintretende Beschränkung des Schuldzinsenabzuges (§ 21 a EStG) erlangt.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 08.06.1982)

LG München I

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. Juni 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 509,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Oktober 1980 verurteilt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger kauften von der Beklagten durch notariellen Vertrag vom ... 1978 eine noch zu errichtende Eigentumswohnung nebst Hobbyraum und zwei Tiefgaragenstellplätzen zum Preise von 592.600 DM. Der Vertrag nahm auf eine Baubeschreibung in einer anderen notariellen Urkunde Bezug.

Eine beigefügte inhaltsgleiche Baubeschreibung wurde nicht verlesen. Die Wohnung sollte vereinbarungsgemäß im Juli 1979 bezugsfertig sein. Diesen Termin hielt die Beklagte nicht ein. Die Kläger mahnten mit Schreiben vom 1. August 1979 und kündigten an, daß sie Ersatz des durch die verzögerte Fertigstellung entstehenden Schadens geltend machen würden. Am 13. Juni 1980 wurde ihnen die Wohnung und am 4. Juli 1980 der Hobbyraum übergeben.

Mit der Klage haben die Kläger Schadensersatz wegen Verzuges in Höhe von 21.987,13 DM beansprucht, und zwar 18.900 DM für die vorübergehende Anmietung einer Ersatzwohnung, 1.125,48 DM Lagerkosten für die Unterstellung von Möbeln und 1.961,85 DM als Ersatz für Kreditbereitstellungszinsen. Ferner haben sie auf Feststellung geklagt, daß sie wegen Mängeln des Hobbyraumes zur Kaufpreisminderung in Höhe von 6.000 DM berechtigt seien.

Das Landgericht hat dem Zahlungsanspruch bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben und den Feststellungsantrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte nur zur Zahlung von 14.214,68 DM (nebst Zinsen) verurteilt.

Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte Abweisung der Zahlungsklage in vollem Umfang. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet.

1.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte mit der Übergabe der Eigentumswohnung in Verzug geraten ist und deshalb für den Verzögerungsschaden der Kläger haftet (§ 286 Abs. 1 BGB).

a)

Der Kaufvertrag vom 14. April 1978 mit der darin getroffenen Vereinbarung über den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit ist wirksam. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Vertrag im Hinblick darauf, daß er auf die in einer anderen notariellen Urkunde enthaltene Baubeschreibung Bezug nahm und daß eine ihm beigefügte inhaltsgleiche Baubeschreibung nicht verlesen worden ist, dem gesetzlichen Beurkundungserfordernis nach damaliger Rechtslage widersprach. Denn dieser Formmangel wäre nach dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Februar 1980 (BGBl I S. 157) gegenstandslos. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes ist ein vor dessen Inkrafttreten (27. Februar 1980) beurkundetes Rechtsgeschäft nicht deshalb nichtig, weil eine öffentliche Urkunde, auf die in der notariellen Niederschrift verwiesen ist, dieser nicht beigefügt oder nicht verlesen worden ist. Somit ist das von dem Formmangel betroffene Rechtsgeschäft als von Anfang an wirksam anzusehen (Senatsurteil vom 21. März 1980, V ZR 72/78, NJW 1980, 1631). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese echte Rückwirkung bestehen nach Auffassung des Senats nicht (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1980, V ZR 102/79, NJW 1981, 228). Demgemäß bestand von vornherein auch die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung des Kaufvertrages.

Die Beklagte hat die Verzögerung der Fertigstellung der Eigentumswohnung auch zu vertreten (§ 285 BGB). Dabei kommt es hier nicht auf die von der Revision aufgeworfene Frage an, ob eine Vertragspartei schuldhaft dann handelte, wenn sie aufgrund der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Beurkundungserfordernissen von der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ausging und deshalb ihre vertraglichen Pflichten nicht mehr hinreichend erfüllte. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte erst Ende Juni 1979 Kenntnis von den "einschlägigen Urteilen" erlangt, so daß nicht erst dieser Umstand für die Nichteinhaltung des im Kaufvertrag schon auf Juli 1979 festgelegten Termins der Bezugsfertigkeit ursächlich war, sondern eine lange vorher eingetretene Verzögerung im Baufortschritt oder eine von vornherein unzulängliche Terminsplanung. Diese Verzögerungsgründe aber lagen im Verantwortungsbereich der Beklagten. Auf die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, daß sich die Beklagte rechtsmißbräuchlich verhalten hätte, wenn sie sich auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen hätte, und daß sie zudem mit einer die Nichtigkeit beseitigenden Gesetzgebung hätte rechnen müssen, kommt es deshalb nicht an.

b)

Zu Unrecht beanstandet die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts, daß der eigene Verzug der Kläger bei der Zahlung eines Teils der ersten Kaufpreisrate ohne Einfluß auf den Leistungsverzug der Beklagten geblieben sei. Wie das Berufungsgericht feststellt, ist von der ersten Kaufpreisrate (177.780 DM) ein Teilbetrag von 140.000 DM nicht zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt am 1. Juni 1978, sondern erst am 29. Juni 1978 gezahlt worden. Dieser kurzzeitige Zahlungsverzug von 28 Tagen, noch dazu im Anfangsstadium der Bauarbeiten, hat sich indessen nicht auf den zeitlichen Ablauf des Bauvorhabens ausgewirkt. Unstreitig hatte die Beklagte damals ohne Unterbrechung weitergebaut, was auch die Revision nicht in Frage stellt. Somit fehlt es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der vorübergehenden eigenen Vertragsuntreue der Kläger und dem späteren Leistungsverzug der Beklagten.

2.

Zur Höhe des Verzögerungsschadens halten die Ausführungen des Berufungsgerichts rechtlicher Prüfung nicht stand.

An der Zulässigkeit der auch hierauf gerichteten Revision bestehen keine Bedenken. Zwar hat das Berufungsgericht die Zulassung des Rechtsmittels damit begründet, daß der Frage, ob als Folge der sich aus § 1 Abs. 1 BeurkÄndG ergebenden rückwirkenden Heilung des Beurkundungsmangels zugleich die Verzugsvoraussetzungen "rückwirkend wieder hergestellt werden", grundsätzliche Bedeutung zukomme; darin liegt jedoch entgegen dem in der Revisionserwiderung vertretenen Standpunkt keine Beschränkung der Zulassung nur auf diese Rechtsfrage, sondern lediglich ein Hinweis auf den Anlaß der Zulassung. Die Beschränkung der Revisionszulassung auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt oder auf ein einzelnes Entscheidungselement wäre zudem unbeachtlich, sofern nicht die Zulassung eindeutig nur auf einen durch Teil- oder Grundurteil abtrennbaren Teil des Rechtsstreits oder auf ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel begrenzt wird (BGHZ 48, 134; Senatsurteil vom 26. März 1982, V ZR 149/81, NJW 1982, 1535 m.w.N. - insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 83, 310). Das ist hier nicht der Fall.

Demnach bezieht sich die Revision in zulässiger Weise auch auf die Schadenshöhe, soweit dagegen Beanstandungen erhoben worden sind (§ 554 ZPO). Insoweit sind Gegenstand des Rechtsmittels die Möbellagerkosten von 1.075,76 DM sowie die vom Berufungsgericht auf den Verzögerungsschaden nicht angerechneten Vorteile der Kläger aus angeblich ersparten Kreditzinsen von 10.783,90 DM und aus einer Steuerersparnis in der behaupteten Höhe von 1.845,69 DM.

a)

Was die Forderung auf Ersatz der Möbellagerkosten von 1.075,76 DM anbelangt, so unterstellt das Berufungsgericht, daß die Anschaffung neuer Möbel verfrüht gewesen sein könnte. Es hält aber einen darin etwa liegenden Verstoß gegen die Pflicht zur Schadensabwendung (§ 254 Abs. 2 BGB) für bedeutungslos, weil die Kläger jedenfalls auch Möbel aus ihrer alten Wohnung hätten einlagern müssen und nicht ersichtlich sei, daß sich die Anzahl der Möbelstücke auf die Höhe der Lagerkosten ausgewirkt habe. Insoweit weist die Revision zutreffend darauf hin, daß sich im Lagergeschäft die Höhe der - vereinbarten oder üblichen - Lagerkosten erfahrungsgemäß nach dem Ausmaß des erforderlichen Lagerraums richtet. Dafür aber ist der Umfang des Lagerguts von Bedeutung. Auf die Anzahl derjenigen eingelagerten Möbelstücke, welche die Kläger zu einem Zeitpunkt bestellt hatten, als sie nicht mehr mit der Möglichkeit pünktlicher Fertigstellung der Eigentumswohnung rechnen durften, kann es daher ankommen.

Eine andere Frage ist, ob sich dieser Anteil feststellen läßt. Ausführungen dazu enthält das Berufungsurteil nicht. Sollte es dahin zu verstehen sein, daß die vorgelegten Quittungen keinen Aufschluß geben, so wird in der erneuten Verhandlung auch der Schriftsatz der Beklagten vom 22. Januar 1982 (dort S. 8 f = GA 155/156) zu beachten sein und dabei berücksichtigt werden müssen, daß deren Darlegungslast nicht die Kläger der Verpflichtung enthebt, sich zu den nur in ihrem Wissen liegenden Einzelheiten zu erklären.

b)

Rechtsirrig ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kläger brauchten sich auf den Schaden nicht die Kreditzinsen anrechnen zu lassen, welche sie sich dadurch erspart haben, daß die Eigentumswohnung später als vereinbart bezugsfertig geworden ist.

Die Frage einer Vorteilsausgleichung beurteilt sich danach, ob der Geschädigte durch das den Schaden auslösende Ereignis Vermögensvorteile erlangt, die in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit diesem Ereignis stehen, und ob die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes sowie der Billigkeit entspricht (BGHZ 8, 325, 329; 30, 29, 33; 74, 103, 113 f; 77, 151, 154; 81, 271, 275). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, falls die Kläger den zur Kaufpreisfinanzierung erforderlichen Bankkredit aufgrund der verzögerten Wohnungsübergabe erst später als vorgesehen in Anspruch nehmen mußten und falls ihnen dadurch - wie das Berufungsgericht unterstellt - für den Verzugszeitraum die Zahlung von Kreditzinsen erspart geblieben ist.

Es gibt keinen triftigen Grund, den Klägern diesen Vorteil zu belassen und sie mithin besser zu stellen, als sie bei rechtzeitiger Vertragserfüllung gestanden hätten. Sie können nicht einerseits Ersatz des Verzögerungsschadens und in diesem Rahmen der für den Kredit aufgewendeten Bereitstellungszinsen verlangen, andererseits aber auch noch den Zinsgewinn behalten, der ihnen gerade nur deshalb zugeflossen ist, weil sie den Kredit erst zu dem von der Beklagten hinausgezögerten Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit benötigten. Die vorgenommene konkrete Berechnung des Schadens erfordert eine Anrechnung auch dieses konkreten Vorteils, da in solchem Falle Vor- und Nachteil gleichsam in einer Rechnungseinheit miteinander verbunden sind (vgl. Senatsurteile vom 13. März 1981, V ZR 46/80, WM 1981, 791 = NJW 1981, 1834 und vom 5. Juni 1981, V ZR 170/80, WM 1981, 1080 = NJW 1982, 326).

Die Meinung des Berufungsgerichts, der Zinsgewinn müsse den Klägern deswegen verbleiben, weil sie in gleicher Lage auch Erträge aus Eigenkapital hätten behalten dürfen, beruht auf einer falschen Prämisse. Vorteile des Geschädigten aus der ihm durch den Verzug ermöglichten Nutzung des Eigenkapitals, das er bei rechtzeitiger Vertragserfüllung zur Kaufpreistilgung eingesetzt hätte und dann nicht gewinnbringend hätte anlegen können, müßten jedenfalls bei konkreter Schadensberechnung auf den Verzögerungsschaden angerechnet werden; denn der Schadensersatz darf nicht zur Bereicherung führen. Davon ausgenommen sind nur Erträge, die der Geschädigte durch überobligationsmäßigen (§ 254 Abs. 2 BGB) Einsatz erwirtschaftet (BGHZ 58, 14, 17 ff).

Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Berufungsgericht für seinen Standpunkt angeführten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Dezember 1978, VI ZR 218/76, NJW 1979, 760 (nur teilweise abgedruckt in BGHZ 73, 109). Dort ist für den in § 844 Abs. 2 BGB geregelten Unterhaltsersatzanspruch des Hinterbliebenen die Anrechenbarkeit der Erträgnisse aus ihm vom Erblasser hinterlassenem Kapitalvermögen nur deshalb verneint worden, weil diese Erträgnisse nicht zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gedient hätten, mithin zwischen Ertragsvorteil und Unterhaltsverlust kein Zusammenhang bestand (vgl. auch BGHZ 8, 325, 330; BGH Urteile vom 25. Oktober 1960, VI ZR 175/59, NJW 1961, 119 und vom 20. Februar 1968, VI ZR 76/66, VersR 1968, 770). Demgegenüber ist hier dieser Zusammenhang gegeben; denn die Aufwendungen, welche die Kläger aufgrund des Verzuges erbringen mußten, also ihr Schaden, und der Vorteil aus ersparten Zinsaufwendungen sind Folgen eines wirtschaftlich einheitlichen Vorganges.

In der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht der bisher ungeklärten Frage nachzugehen haben, ob tatsächlich eine Zinsersparnis eingetreten ist oder ob sich nur, bei im Ergebnis unveränderter Zinsbelastung, der Tilgungs- und Zinszeitraum verschoben hat. Weiter ist zu beachten, daß Zinsvorteile, die den Klägern schon in der Zeit vor dem vereinbarten Termin der Bezugsfertigkeit erwachsen sind, auf den Schaden nicht angerechnet werden dürfen. Denn diese Vorteile beruhten auf der die früheren Bauabschnitte betreffenden Fälligkeitsregelung des Zahlungsplans für die erste bis vierte Kaufpreisrate und wären daher den Klägern auch dann zugeflossen, wenn die Eigentumswohnung fristgemäß bezugsfertig gewesen und übergeben worden wäre. Auch ein Zinsvorteil aus der zeitlichen Verschiebung der sechsten Kaufpreisrate hat mit dem Schaden nichts zu tun, da diese Rate vereinbarungsgemäß erst nach vollständiger Fertigstellung des gesamten Kaufobjekts fällig wird und ein diesbezüglicher Verzögerungsschaden nicht geltend gemacht ist. Im Rahmen des Klageanspruches kommt somit eine Vorteilsausgleichung nur im Umfang einer etwaigen Zinsersparnis für die fünfte - mit der Wohnungsübergabe fällige - Kaufpreisrate in Betracht, und zwar beschränkt auf die Dauer der verzugsbedingten Vorteilserlangung, also nicht bereits vor Verzugseintritt (nach Feststellung des Berufungsgerichts am 15. August 1979) und auch nicht über den Zeitpunkt der fremdfinanzierten fünften Ratenzahlung hinaus. Insoweit bedarf die Zinsberechnung der darlegungspflichtigen Beklagten entsprechender Korrekturen. Es ist Sache tatrichterlicher Prüfung, ob und in welcher Höhe hiernach die Kläger von Zinsaufwendungen entlastet worden sind und deshalb eine Vorteilsausgleichung geboten ist.

c)

Rechtsfehlerhaft ist auch die Nichtanrechnung der Steuervorteile von angeblich 1.845,69 DM.

Das Berufungsgericht unterstellt, daß den Klägern durch die verspätete Übergabe der Eigentumswohnung Vergünstigungen in der Höhe ihrer Einkommenssteuerpflicht entstanden sind, weil vor dem Bezug die vollen Schuldzinsen, danach aber nur noch Schuldzinsen bis zur Höhe des zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung maßgeblichen Grundbetrages abzugsfähig waren (§ 21 a Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 EStG i.d.Fassung vom 11. Juli 1977 - BGBl I S. 1213). Es ist aber der Ansicht, die Verknüpfung dieses Vorteils mit dem Schadensereignis sei lediglich "äußerer und zufälliger Natur", so daß der Vorteil nicht der Beklagten als Schädigerin zugute kommen dürfe. Das ist rechtlich nicht haltbar.

Grundsätzlich sind mit dem Schaden zusammenhängende Steuerersparnisse im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen, da der Schaden durch den Steuergewinn vermindert wird (BGHZ 42, 76, 78; 43, 378, 380; 53, 132, 134; 74, 103, 114; BGH Urteile vom 26. Februar 1980, VI ZR 2/79, NJW 1980, 1788 und vom 19. Oktober 1982, VI ZR 56/81, VersR 1983, 149). Besonderheiten der Zweckbestimmung oder des Anlasses einer Steuervergünstigung können allerdings der Anrechnung entgegenstehen (vgl. BGH Urteile vom 30. Mai 1958, VI ZR 90/57, VersR 1958, 528, 529 - Freibetrag für Körperbehinderte nach § 33 b EStG; vom 3. Februar 1970, VI ZR 245/67, WM 1970, 633, 637 a.E. - Ermäßigung des Steuertarifs; BGHZ 74, 103, 116 - ermäßigter Steuersatz für Entschädigungen nach § 34 Abs. 2 EStG; ebenso Urteil vom 26. Februar 1980 aaO; vgl. auch BGHZ 53, 132, 137 - Verjährung des Steueranspruches; zum Meinungsstand im Schrifttum vgl. Steinle, Schadensersatz und Ertragssteuerrecht, Diss. Tübingen 1982, S. 169 ff). Ein Fall dieser Art liegt hier nicht vor.

In der Zeit bis zur Bezugsfertigkeit eines Hauses oder einer Eigentumswohnung können die vollen Schuldzinsen von der Einkommensteuer abgesetzt werden, wenn sie gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der beabsichtigten Vermietung oder Eigennutzung entstanden sind (BFH BStBl II 1981 S. 418; Betrieb 1983, 1073). Für die Zeit nach Bezugsfertigkeit sind die nunmehr anfallenden Schuldzinsen unter der hier vorliegenden Voraussetzung der Eigennutzung nur noch beschränkt abzugsfähig, und zwar gemäß § 21 a EStG lediglich bis zur Höhe des für den steuerpflichtigen Nutzungswert anzusetzenden Grundbetrages, der nach einem Vomhundertsatz des Einheitswerts ermittelt wird. Bei verzögerter Fertigstellung erlangt daher der Erwerber den Vorteil, daß ihm für die Dauer des Verzuges weiterhin der volle Schuldzinsenabzug möglich ist. Diesen effektiven Steuervorteil muß er sich auf den Verzögerungsschaden anrechnen lassen, da sonst seine konkrete wirtschaftliche Lage besser wäre als bei rechtzeitiger Vertragserfüllung.

Wenn demgegenüber das Berufungsgericht annimmt, die Beschränkung der Abzugsfähigkeit nach § 21 a EStG sei schadensrechtlich genauso zu behandeln wie eine Steuerersparnis aufgrund ermäßigten Steuersatzes, so vermengt es zwei nicht miteinander vergleichbare Gesichtspunkte. Gemeint ist offenbar die Steuerermäßigung bei außerordentlichen Einkünften, die dem Geschädigten auf den zu versteuernden Schadensersatz wegen eines Einnahmeverlusts gewährt wird (§§ 34, 24 Nr. 1 EStG). Der durch diese Ermäßigung herbeigeführte Vorteil darf nicht dem Schädiger zugute kommen, weil § 34 Abs. 1 EStG die nachteiligen Auswirkungen verhindern will, die sich aus der Steuerprogression bei einer außergewöhnlichen Zusammenballung von Einkünften im Veranlagungszeitraum - nämlich der einmaligen Ersatzleistung und der laufenden Einkünfte - für den Geschädigten ergeben (BGH Urteil vom 26. Februar 1980 a.a.O. NJW 1980, 1788, 1789 im Anschluß an BGHZ 74, 103, 115). Davon zu unterscheiden ist der vorliegende Fall. Hier ergibt sich ein Gewinn daraus, daß eine schon bestehende, aber zeitlich begrenzte Steuervergünstigung (voller Schuldzinsenabzug bis zur Bezugsfertigkeit) als Folge des Schadensereignisses erst zu einem späteren Zeitpunkt (der tatsächlichen Bezugsfertigkeit) wegfällt und daher Steuern erspart werden. Dieser Ersparnis steht nicht, wie bei der vorgenannten Steuerermäßigung, ein steuerlicher Nachteil gegenüber; denn die Beschränkung des Schuldzinsenabzuges nach Bezugsfertigkeit hat ihren Grund darin, daß der steuerpflichtige Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung nur auf der im Vergleich zum marktüblichen Mietpreis erheblich niedrigeren Grundlage des Einheitswerts (Stichtag: 1. Januar 1964) bemessen wird und zudem durch diese Vergünstigung auf lange Sicht auch die nach dem Bezug anfallenden Schuldzinsen in voller Höhe wirtschaftlich ausgeglichen werden (vgl. Keßler: in Klein/Flockermann/Kühr, EStG 3. Aufl. § 21 a Rdn. 25 und 32; Littmann, EStG 13. Aufl. § 21 a Rdn. 4 und 39). Es ist daher nicht unbillig, den Steuervorteil auf den Verzögerungsschaden anzurechnen.

Ob sich die Kläger für die Dauer des Verzuges durch die volle Abschreibungsfähigkeit von Schuldzinsen tatsächlich Steuern in der behaupteten Höhe von 1.845,69 DM erspart haben, ist vom Berufungsgericht zu prüfen. Dabei ist den Darlegungsschwierigkeiten Rechnung zu tragen, die sich für die Beklagte daraus ergeben, daß sie keinen Einblick in den im Vermögensbereich der Kläger liegenden Steuervorgang hat (vgl. BGH Urteile vom 19. Dezember 1978 a.a.O. NJW 1979, 760, 761 unter I 2 und vom 31. Januar 1983, II ZR 24/82, WM 1983, 537, 538).

3.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin in Höhe von 13.705,35 DM (1.075,76 DM + 10.783,90 DM + 1.845,69 DM) nebst den hierauf entfallenden Zinsen der Aufhebung. Im übrigen ist die Revision zurückzuweisen. Die vom endgültigen Ausgang der Sache abhängige Kostenentscheidung hat das Berufungsgericht zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018828

NJW 1983, 2137

NJW 1983, 2137-2139 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1983, 1009 (Volltext mit amtl. LS)

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