Leitsatz (amtlich)

a) Es ist nicht ausgeschlossen, vertraglich vereinbarte Vergütungen nachträglich zu erhöhen; für Rechtsgeschäfte unter Ehegatten gilt im Grundsatz nichts Abweichendes.

b) Bei der Auslegung und Beurteilung von Rechtsgeschäften dieser Art unter Ehegatten ist auch darauf abzustellen, ob die nachträglich vereinbarte „Zusatzvergütung” nach den konkreten Verhältnissen aus der Sicht der Beteiligten angemessen erscheinen konnte und ob der Wert der nicht (voll) vergüteten Leistungen deutlich über das hinausgingen, was der betreffende Ehegatte nach § 1360 BGB zur gemeinsamen Lebensführung beizusteuern hatte.

 

Normenkette

BGB §§ 2325, 516, 1360

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 20.11.1987)

LG Oldenburg

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. November 1987 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist der einzige Abkömmling des am 19. Juli 1984 verstorbenen Gastwirts Johann August A. (Erblasser); sie stammt aus dessen erster Ehe. Die Beklagte ist die zweite Ehefrau; aufgrund Testaments vom 11. Januar 1963 ist sie dessen Alleinerbin. Die Klägerin verlangt ihren Pflichtteil einschließlich Pflichtteilsergänzung. Vorprozessual hat die Beklagte auf diesen Pflichtteil 35.000 DM gezahlt. Mit der Klage hat die Klägerin weitere 168.645,61 DM nebst Zinsen beansprucht. Das Landgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Dabei ist es von einem Nettonachlaß von 245.867,72 DM ausgegangen. Dazu hat es einen Betrag von 350.000 DM hinzugerechnet, den der Erblasser der Beklagten Ende November 1981 aus dem Verkaufserlös für sein Grundstück in D., B.straße 10, gezahlt hatte. Aus der Summe (595.867,72 DM) hat das Landgericht den (ergänzten) Pflichtteil der Klägerin auf (595.867,72 DM: 4 =) 148.966,93 DM errechnet, hat davon die bereits gezahlten 35.000 DM abgezogen und die Beklagte zur Zahlung von 113.966,93 DM nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Urteilssumme antragsgemäß auf 26.466,93 DM nebst Zinsen vermindert. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Parteien streiten nur noch darum, ob die Zahlung des Erblassers in Höhe von 350.000 DM im November 1981 eine Schenkung darstellt und ob die Klägerin deshalb einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte hat. Das Berufungsgericht verneint eine Schenkung. Es vertritt im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 72, 188; 75, 325, 94, 157) die Auffassung, die Vertragsfreiheit erlaube es den Beteiligten, die in einem gegenseitigen Vertrag vereinbarte Vergütung für eine erbrachte Leistung nachträglich zu erhöhen. Das sei hier geschehen. Hierzu stützt es sich auf ein Schuldanerkenntnis des Erblassers vom 31. Dezember 1976, in dem dieser eine „bei Erbfolge oder Ehescheidung zugunsten meiner Ehefrau vorab” zu berücksichtigende Schuld von 240.806 DM nebst 5% Zinsen ab 1. Januar 1977 für Tätigkeiten der Beklagten in der Zeit vom 10. Juli 1962 bis zum 31. Dezember 1976 („Pflege und Haushaltsführung”, „zusätzliche Pflege”, „nicht entlohnte Tätigkeit in der Gaststätte”) sowie als Ausgleich für ein Darlehen vom 18. April 1967 anerkannte. Auch soweit die Zuwendung von 350.000 DM über den Gesamtbetrag des Schuldanerkenntnisses nebst Zinsen (299.368,68 DM) hinausgehe, handele es sich nicht um eine Schenkung. Es sei Sache des Erblassers gewesen, die Leistungen der Beklagten zu bewerten und daran seine Gegenleistung auszurichten. Die dieser Befugnis gesetzte Willkürgrenze (BGHZ 59, 132, 136) sei hier nicht überschritten. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin sei jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen einer Schenkung im Sinne des § 2330 BGB hier erfüllt seien.

Diese Begründung ist nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei.

1. Keinen Erfolg kann die Revision allerdings insofern haben, als sie in Frage stellt, daß eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung nachträglich erhöht werden kann. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, seit langem fest (RGZ 72, 188; 75, 325; 94, 157). Gründe, die es geboten erscheinen ließen, von dieser Rechtsprechung abzugehen, sind nicht hervorgetreten; an ihr wird festgehalten. Für Rechtsgeschäfte, die Ehegatten untereinander abschließen, gilt im Grundsatz nichts Abweichendes. Der erkennende Senat ist über die Rechtsprechung des Reichsgerichts noch hinausgegangen, indem er zugelassen hat, einem Schenker vertraglich das Recht einzuräumen, das zunächst unentgeltliche Geschäft durch einseitige Erklärung nachträglich in ein voll entgeltliches umzugestalten, dies sogar durch Verfügung von Todes wegen (Urteil vom 6.3.1985 – IVa ZR 171/83 – LM BGB § 2147 Nr. 1).

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verfolgte der Erblasser den Zweck, seine Ehefrau, die Beklagte, „abzusichern”. Damit stimmt überein, daß die Beklagte nach der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Aussage des Steuerbevollmächtigten H. (den Erblasser) „schon immer” dazu drängte, sie finanziell abzusichern. Eine solche Sicherstellung lag auch objektiv durchaus nahe. Dementsprechend trifft das Gesetz selbst Vorsorge in dieser Richtung. Diesem Zweck dienen neben den Vorschriften über die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Beamtenversorgung auch die Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten (§§ 1931, 1371 BGB) und über den Ehegattenpflichtteil (§ 2303 Abs. 2 BGB). Der Erblasser ist zugunsten der Beklagten darüber noch hinausgegangen und hat diese schon vor der Heirat durch sein Testament vom 11. Januar 1963 zu seiner Alleinerbin eingesetzt.

Sachlich hat der Erblasser seine Testierfreiheit zugunsten der Beklagten voll ausgeschöpft. Im Hinblick auf den Pflichtteil der Klägerin (§§ 2303 Abs. 1, 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 Satz 1, 1371 Abs. 1 BGB) konnte die Beklagte aufgrund dessen zwar nur erwarten, daß sie in den Genuß von 75% des Erblasservermögens gelangte. Aber damit war die durch den Pflichtteil der Klägerin gebildete äußerste Grenze dessen erreicht, was der Erblasser der Beklagten durch Verfügung von Todes wegen zukommen lassen konnte. Naheliegenden Versuchen, diese Grenze zugunsten des überlebenden Ehegatten zu verschieben, wirkt das Gesetz bei Schenkungen mit Hilfe der Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung entgegen (§§ 2325, 2329 BGB). In der Praxis sind indessen seit langem Versuche zu beobachten, die darauf gerichtet sind, auch die Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung wirkungslos zu machen, indem Vermögensverschiebungen, die unbefangen als Schenkung formuliert würden, als voll oder teilweise entgeltlich hingestellt werden (verdeckte Schenkungen). Da insbesondere die subjektiven Voraussetzungen einer Schenkung schwer nachzuweisen sind, tritt die Rechtsprechung dem in Fällen eines auffallenden, groben Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung mit Hilfe einer tatsächlichen Vermutung für die subjektiven Voraussetzungen der Schenkung entgegen (BGHZ 59, 132, 136).

Dementsprechend prüft das Berufungsgericht mit Recht, ob im vorliegenden Fall Leistung und Gegenleistung „willkürlich” bemessen worden sind und ob es sich um ein auffallendes, grobes Mißverhältnis handelt, so daß der Klägerin die in der Rechtsprechung entwickelte Beweiserleichterung zugute kommen könnte. Der Erblasser und sein Vertragspartner dürfen den Rechtsfolgen der §§ 2325, 2329 BGB nicht dadurch entgehen können, daß sie die Werte von Leistung oder Gegenleistung ganz unangemessen („willkürlich”) festsetzen („frisieren”), um einen äußerlichen Gleichstand zu erreichen (BGHZ 59, 132, 136).

3. Ob ein auffallendes, grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, kann der Tatrichter freilich nur dann zutreffend beurteilen, wenn er sich zuvor Klarheit darüber verschafft hat, welche Bewertungen noch vertretbar gewesen wären. Das hat das Berufungsgericht anscheinend nicht verkannt. Es hat sich aber darauf beschränkt, die Leistungen der Beklagten und die Zahlung des Erblassers anzuführen, ohne den Wert der ersteren – etwa an Hand von vergleichbaren Tätigkeiten – näher zu prüfen. Das reicht nicht aus. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß es sich teilweise um Vorgänge innerhalb einer bestehenden Ehe handelt. Bei einer solchen Fallgestaltung sind, wie die Revision zutreffend hervorhebt, in diesem Zusammenhang auch die Besonderheiten einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu berücksichtigen. Nach § 1360 BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Diese Pflicht kann auch durch eine Mitarbeit im Betrieb des anderen Ehegatten erfüllt werden. Dabei sind die beiderseitigen Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung nach dem Gesetz einander grundsätzlich gleichzuachten. Je nach den Umständen des Falles kann die Mitarbeit eines Ehegatten im Betrieb des anderen Teiles aber auch über den gesetzlich geschuldeten Umfang (§ 1360 BGB) hinausgehen.

Dementsprechend ist es nicht selbstverständlich, wenn langjährige Dienste dieser Art von dem anderen Ehegatten aufgrund einer nachträglichen Vergütungsvereinbarung voll bezahlt werden sollen, obwohl dessen eigene Beiträge zur ehelichen Lebensführung denen des anderen Teiles nicht nachstehen. Derartige Vereinbarungen deuten vielmehr darauf hin, daß es sich in Wahrheit nicht um eine nachträgliche Korrektur auf der Ebene der Vergütung für erbrachte Leistungen handelt, sondern um einen Ausgleich zwischen den beiderseitigen Vermögen. Auf diese Weise soll das Vermögen des Erblassers zum (überwiegenden) Teil für die Zeit nach dessen Tod oder sogar bereits vor dem Erbfall in bestimmter Weise weitergeleitet werden. Das wird hier mit dem Hinweis auf das Bedürfnis der Beklagten nach „Absicherung” sogar offen angesprochen. Deshalb erfordert es der Schutzzweck des § 2325 BGB nach Ansicht des Senats, in Fällen dieser Art bei der Auslegung und Beurteilung des Rechtsgeschäfts nicht nur darauf abzustellen, ob die Leistungen der Beklagten – isoliert betrachtet – eine Vergütung in der nachträglich vereinbarten Höhe vertretbar erscheinen ließen, sondern auch darauf, ob die nachträgliche Erhöhung der Vergütung nach den konkreten Verhältnissen in der Ehe des Erblassers mit der Beklagten der Sache nach aus der Sicht der Beteiligten als angemessen erscheinen konnte. Raum für eine „Zusatzvergütung” wäre danach etwa, wenn der Wert der noch nicht (voll) vergüteten Leistungen der Beklagten deutlich über das hinausginge, was sie nach § 1360 BGB zur gemeinsamen Lebensführung beizusteuern hatte. Hierzu hätte, unbeschadet der Beweislast der Klägerin für die behauptete Schenkung, zunächst die Beklagte substantiiert vorzutragen.

Sollte sich ergeben, daß die Zuwendung des Erblassers in Höhe von 350.000 DM an die Beklagte in einem auffallenden, groben Mißverhältnis zur Höhe einer etwa angemessenen Zusatzvergütung steht, dann greift die angeführte tatsächliche Vermutung (BGHZ 59, 132, 136) ein.

4. Auch die Hilfsbegründung vermag das angefochtene Urteil nicht zu tragen.

Die Begründung, die das Berufungsgericht für die Bejahung der Voraussetzungen des § 2330 BGB anführt, unterscheidet nicht deutlich genug zwischen einer sittlichen Pflicht und einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht. Schon wegen dieser Unklarheit kann das angefochtene Urteil nicht mit der Hilfsbegründung bestehen bleiben. Vor allem ist aber nicht ersichtlich, inwiefern eine sittliche Pflicht bestehen oder es dem gebotenen Anstand entsprechen sollte, daß der Erblasser der Beklagten nicht nur 75% seines Vermögens zuwendete, sondern außerdem vorweg auch noch 350.000 DM schenkte.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen, Dr. Lang, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237676

NJW-RR 1989, 706

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1989, 998

DNotZ 1991, 498

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